Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers (2023)

BAUCHFLECK AUF KOSMISCHER URSUPPE

2/10


REBEL MOON© 2023 Netflix


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: ZACK SNYDER

DREHBUCH: SHAY HATTEN, KURT JOHNSTAD & ZACK SNYDER

CAST: SOFIA BOUTELLA, CHARLIE HUNNAM, MICHEL HUISMAN, ED SKREIN, DJIMON HOUNSOU, JENA MALONE, RAY FISHER, COREY STOLL, FRA FEE, CLEOPATRA COLEMAN, STAZ NAIR U. A.

LÄNGE: 2 STD 15 MIN


George Lucas wollte sie nicht: Zack Snyder und sein selbst verfasstes Drehbuch zu einer Star Wars- Episode, die einfach gedreht werden musste, weil das Skript so gut sei. Als Arbeitstitel könnte auf dessen Deckblatt auch Die Sieben Samurai im Weltraum gestanden haben, doch das Konzept der zusammengewürfelten Selbsthilfegruppe zur Verteidigung von was weiß ich was allem ist eine gefühlt tausende Male schon interpretierte und letztlich ausgelutschte Sache. Die Saat hätte unter Zack Snyder allerdings neu aufgehen können. Wir wissen, welch ein Visionär der Mann sein kann. Ich schätze seine Ausflüge ins DC-Universum – die Sprache, die er dabei zum Ausdruck brachte, klingt nach jener aus den Comics. Dem Director‘s Cut seiner Justice League räume ich an guten Tagen gar den Status eines Meisterwerks ein. Und 300 – der spartanische Widerstand gegen die Perser: Ein Stück Action-Avantgarde. Doch Snyder ist vermutlich einer, der, angeleitet, Großes vollbringen mag. Der aber, mit sich selbst alleingelassen, nicht so recht weiß, wo er ansetzen und wo er absetzen soll. Bestes Beispiel, nicht zu wissen, mit welchen Dosen er hantieren muss, ist Rebel Moon. Mit Abstand der schwächste Film des eben erst vergangenen Jahres.

Zack Snyder hat jede Menge Potenzial, darüber lässt sich meiner Ansicht nach gar nicht streiten. Was er allerdings nicht kann, zeigt der Auftakt eines Franchise, welches, ist der erste Teil mit einer Länge von knapp zweieinhalb Stunden mal durchgestreamt, zumindest bis zu diesem Punkt nichts und niemanden bereichert. Weder das Genre des Science-Fiction-Films noch die dem Phantastischen zugetane Zielgruppe. Dass da so einiges nicht rund läuft, lässt sich bereits in einer der ersten Einstellungen erkennen. Sofia Boutella, Ex-Mumie und Star Trek-Alien, beackert auf dem Mond Veldt auf vorsintflutliche Weise ein Feld, hinter ihr ein aubergineroter Sonnenuntergang. Irgendeine Bodenfrucht gräbt unsere spätere Heldin dabei aus, während sie Besuch aus dem Dorf bekommt, das eher einer Siedlung gleicht. Das alles hat den Touch einer schlecht beleuchteten Bühne. Sets wie diese ohne Tiefenwirkung unterliegen artifiziellen Effekten, die keine Stimmung vermitteln – nur eine von mehreren Unzulänglichkeiten, die der prognostizierten Epik von Snyders persönlichem Vorhaben im Wege stehen. Die Problematik beginnt zeitgleich mit der Wahl seiner Mittel auch mit dem zugrundeliegenden Plot.

Die ehemalige Elitesoldatin Kora dürfte vor einiger Zeit mit ihrem Raumschiff auf Veldt abgestürzt und von der Gemeinschaft der autarken Bauern aufgenommen worden sein. Ein besserer Weg, um aus einer tyrannischen Maschinerie wie jene des Regenten Basilarius auszusteigen, wird sich wohl kaum finden. Und dennoch reicht der Arm der Mutterwelt sogar so weit, um der archaischen und stark an Nordländer erinnernden Gemeinschaft ein Komitee zu schicken. Admiral Noble nämlich, gespielt von Ed Skrein und seiner Uniform sowie überhaupt dem ganzen Gehabe nach stark an einen gehirngewaschenen Psychopathen aus dem Nazi-Regime erinnernd, sucht wie seinerzeit im Star Wars-Universum der Großinquisitor und seine Handlanger nach Rebellen, die sich hier versteckt halten. Die Bösen verbreiten naturgemäß Angst und Schrecken, während Kora und Gunnar mithilfe des an Han Solo erinnernden Vagabunden Kai entwischen können, um quer durch die Galaxis zu fliegen und Leute zu rekrutieren, die sich später, Seite an Seite mit Zugpferd Boutella, dem Regime in den Weg stellen sollen.

Ein paar bemühte Story-Twists sollen der schalen Geschichte ein bisschen Würze verleihen – leider vergebens. Rebel Moon schmeckt nach nichts. Hat weder Atmosphäre noch Charme noch Wirkung. Eine verdünnte kosmische Ursuppe, die sich frei heraus und mit unverhohlener Dreistigkeit bei gefühlt allen Klassikern des Genres auf eine Weise bedient, die auffälliger nicht sein könnte. Natürlich mischt Star Wars ganz vorne mit, des weiteren Blade Runner, Snyders eigene DC-Filme und Matrix. Snyders gewählter Stil passt vorne und hinten nicht zusammen. Ackerbau und Viehzucht aus stromlosen Zeiten, Mittelalter gepaart mit Steampunk-Monarchismus, griechischen Heldensagen, Harry Potter und antiquarischem High-Tech. Was für ein Hybrid, ein filmisches Kuckuckskind, das überall mitnascht, um nur nichts Eigenes zu entwickeln. In diesem Stückwerk aus angerissenen Welten und mauen Effekten: ein ganzes Ensemble wenig interessanter, geradezu flacher Charaktere, deren Biographien man nicht kennen will, deren Schicksale einem egal sind; die so lieblos aufs Spielbrett gesetzt werden wie Bauernopfer beim Schach. Noch ein Seitenblick auf Star Wars gefällig? Da sind Luka, Leia, Han, Obi Wan und Chewbacca Seelen, die dank ihres Charismas ein ganzes galaktisches System aus ihren Angeln heben können. Blickt man wieder zurück auf Rebel Moon, bleibt nur Schmuck ohne Körper. Langweilig und generisch – fast so, als käme das Drehbuch aus dem Hexenkessel einer KI.

Spätestens, wenn sich Möchtegern-Waterloo Staz Nair mit nacktem Oberkörper allen Zweifeln erhaben auf einen pechschwarzen Greifen schwingt, übertüncht die unfreiwillige Komik letztlich all die halb ausgebackenen Versatzstücke. Die leicht erworbene Selbstgerechtigkeit einer jeden einzelnen Figur steht vielleicht Bat- oder Superman, aber keiner und keinem einzigen in dieser Truppe. Ed Skrein mag da noch wahren, was es zu wahren gibt, als verbissener, aber eindimensionaler Schurke. Dem Rest mag bei der Fahrt durch ein Asteroidenfeld der Parcour gelingen oder auch nicht – die Sorge darüber hält sich in Grenzen.

Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers (2023)

Kate

TOTGESAGTE BALLERN LÄNGER

4/10


kate© 2021 Netflix

LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: CEDRIC NICOLAS-TROYAN

CAST: MARY ELIZABETh WINSTEAD, WOODY HARRELSON, MIKU MARTINEAU, MIYAVI, JUN KUNIMURA, TADANOBU ASANO, MICHIEL HUISMAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Was Actionheldinnen und -helden heutzutage alles an Schmerzen ertragen müssen, ist wirklich nicht mehr als menschlich zu betrachten. Mit seinen Blessuren und offenen, blutenden Wunden wäre Norman Nordstrom aus Don´t Breathe schon längst jemand, auf dessen Sims man Blumen stellt, und auch John Wick wäre nach Sequel Nr. 2 nur mehr ein Häufchen gebrochener Knochen. Wer Nobody mit „Saul“ Bob Odenkirk gesehen hat, vermutet vielleicht eine ungesunde Form von Analgesie. Actionhelden müssen bluten, mit Ausnahme von Jason Statham oder Chuck Norris, aber sonst – sonst müssen sie alle aus dem letzten Loch pfeifen, sich nochmal und nochmal aufrappeln und Energien aus der Reserve zaubern, die man gerne hätte, um zumindest den Arbeitsmontag gut zu beginnen.

Geerdet hat das Bild vom heldenhaften Schmerzensmann Bruce Willis, barfuß im Nakatomi-Plaza – verschwitzt, verdreckt, blutend. Das andere Ende davon verkörpert nun Mary Elizabeth Winstead – vergiftet, will heißen: todkrank, blutend, von Hämatomen übersät und so lädiert wie ein VW Käfer nach einem Auffahrunfall. Dabei hat für die toughe Killerin, die das Knowhow fürs Morden und Töten schon im Schulranzen herumtrug, ihr Handwerk gut gelernt und auch sonst gute Karten. Schon deswegen, weil der väterliche Freund und Mentor Woody Harrelson alles Administrative erledigt. Kate muss also nur abdrücken. Doch das will sie nicht mehr länger tun müssen – sie will raus aus dem Geschäft. Wir erinnern uns: John Wick ist damals auch ausgestiegen, Jessica Chastain in Code Ava ebenso. Doch so einfach geht das nicht, das weiß man, wenn man ein oder zwei Killer-Thriller bereits gesehen hat. Kurz bevor das normale Leben also beginnen kann, gibt’s den Giftcocktail mit Polonium 204. Da gibt’s kein Gegenmittel, da stirbt man, während sich die Organe zersetzen. Was Kate aber vor ihrem Ableben zumindest noch erreichen will (bevor sie – Gott bepüte – als Geist mit unerfüllten Aufgaben durch die Gegend spukt): dem Verursacher dieses Attentats zur Rechenschaft ziehen.

Kate von Visual Effects-Profi Cedric Nicolas-Troyan (Fluch der Karibik 2, The Huntsman and the Ice Queen) trägt mindestens so dick auf wie Chad Stahelskis John Wick-Trilogie. Die Killer von heute sind Berserker, die beim Töten anderer, wildfremder Menschen nicht das Geringste empfinden. Emotional und auch sozial also enorm verkümmert – dank solcher Defizite kann man sich vor dem Screen also gemütlich zurücklehnen und einer kaltschnäuzigen Winstead dabei zusehen, wie sie sich durch ein verkitschtes, rosa-lila-flirrendes Tokyo ballert und sticht, dabei immer wieder ob ihres Gesundheitszustands doch auch zusammenbricht, um dann wieder durchzustarten, dank dosierter Energiespritzen, die sie sich in den Schenkel jagt. Kate ist am Ende noch kaputter als Keanu Reeves es jemals war, doch seltsamerweise, trotz des illustren Bodycounts, dem Medienoverkill kolportiert entertainmentsüchtiger Jungjapaner und zahlreichen Actionsequenzen ergeht sich der Streifen in austauschbarer Langeweile. Vielleicht, weil man alles schon gesehen hat, weil die Coolness, die Winstead zur Schau trägt, so aufgesetzt wirkt. Weil Woody Harrelson ebenfalls vor lauter Langeweile nicht weiß wohin mit seiner Fachkenntnis. Weil dann auch noch dieses beschützenswerte obligate Kind plötzlich mit dabei sein muss. Nicht schon wieder, denke ich mir. Sehe diesen rosa-lila Manga-Look und stelle fest, dass nicht jeder, der beim Film dabei ist, gleich auch Filmemachen kann.

Kate