The Smashing Machine (2025)

EIN SPORTLERLEBEN, NA UND?

4,5/10


© 2025 LEONINE Studios / Constantin Film Österreich


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE / DREHBUCH / SCHNITT: BENNY SAFDIE

KAMERA: MACEO BISHOP

CAST: DWAYNE JOHNSON, EMILY BLUNT, OLEKSANDR USSYK, BAS RUTTEN, WHITNEY MOORE, PAUL LAZENBY, ANDRE TRICOTEUX, JASON TREMBLAY U. A.

LÄNGE: 2 STD 3 MIN


Das waren noch Zeiten, als in Wien am Heumarkt das große Freistilringen die herbeiströmenden Maßen zu Skandierungen wie „Reiß er’m die Brust auf und spuck‘ ihm aufs Herz“ bewegten. Großes Theater, wildes Treiben, ein Volksfest erster Güte. In all der körperbetonten, niederschmetternden Fleischbergebeschau: Kapazunder wie Otto Wanz oder „Schurli“ Blemenschütz. Dieses Catchen oder Wrestling ist allerdings nicht bedingt vergleichbar mit dem sogenannten MMA-Sport – Mixed Martial Arts, was so viel bedeutet wie: Wende an, was du kannst, um den Gegner ernsthaft auszuschalten.

Rohe Gewalt mit Gong-Effekt

Jede Art von Stil ist dabei willkommen, manche No-Gos gibt es natürlich, Beißen zum Beispiel ist nicht wirklich in, ein Kopfstoß mit dem Knie genauso wenig. Das jemand so etwas aushält, ohne sich dabei Abhilfe zu verschaffen, ist klar – nichts käme dabei so gelegen wie das gute alte Schmerzmittel in allen möglichen Stärkegraden. Einer wie Mark Kerr hat sie alle ein- und die Konsequenzen in Kauf genommen. Kerrs Sucht war somit kein Zustand, der auf die Dauer die Physis verbessert, sondern den Ringer fast über die Klinge springen ließ. Dabei ist der Entzug des Pioniersportlers nur eine Episode in einer Teilbiografie von Benny Safdie (u. a. Der schwarze Diamant) über einen Mann, der, nun, wie soll ich sagen, MMA praktiziert hat und, man sieht es am Ende des Films, als entspannter Privatier den Rest seines Lebens genießt. Das soll er, keine Frage – wehgetan hat ihn das Leben genug. Die Frage ist nur: Wie lässt sich dieser Schmerzensmarathon denn in einen erlebenswerten Film packen, von welchem man am Ende denkt: Jawohl, diese Lebensgeschichte bereichert mich nicht nur auf einer Metaebene, sondern emotionalisiert mich, packt mich und treibt die Erkenntnis voran, das Sport viel zu oft in Richtung Mord geht.

Letztere erlangt man bei The Smashing Machine durchaus. Wie sehr man einander offiziell wehtun kann, wird in wenigen Szenen und das auch ohne mildernde Optik dargestellt. Sieht man Dwayne Johnson die Sporthalle entern und dann in den Ring steigen – ein Gigant von einem Mann, Schrank wäre untertrieben, Herkules bekäme angesichts dieses Hünen wohl Selbstzweifel – lässt sich kaum vorstellen, dass auch nur irgendwer diesen Halbgott zu Boden ringen könnte. Man erfährt: Größe und Masse ist die eine Sache, Technik und Taktik die andere. Was sich im Kopf dabei abspielt, ist dabei ebenfalls ausschlaggebend, der mentale Fokus bestimmt den Lauf der Schlacht.

Suppe ohne Salz

Diesen Aspekt in detailverliebtes Licht zu setzen, bringt Benny Safdie auf die Habenseite. Was sonst noch übrigbleibt? Jedenfalls kein Pathos, nämlich null, nada. Rocky würde sich wundern. Denn das Genre des Sportfilms, da kann man tun was man will, definiert sich großteils durch genau diese Art der emotionalen Vermittlung: des Pathos. Das Stilmittel ist per se nichts Schlechtes, wenn man weiß wie man es einsetzt. Zu viel wird zum Kitsch. Gar nichts davon ist wie eine Suppe ohne Salz. So schmeckt auch The Smashing Machine ernüchternd schal.

In ähnlicher milder Würze präsentiert sich Emily Blunt als bildschirmverschönernde Nebenfigur, die auf fast schon hörbare Regieanweisung alles schön brav nach Routine macht, ohne wirklich bei der Sache zu sein. So sehr Staffage ist Dwayne Johnson dann doch auch nicht, das wäre schließlich schade, denn der Ex-Wrestler bemüht sich sichtlich, deutlich mehr Charisma und Mimik an den Tag zu legen als seine Amtskollegen Hulk Hogan oder Dave Bautista. Mag sein, dass die deutsche Synchronisation hier tatsächlich einiges verbricht, doch Ingo Albrechts wenig intonierendes Overlay kaschiert womöglich einiges an Johnsons originalem Timbre. Was dabei erschwerend hinzukommt, ist Safdies phlegmatischer Reportagestil, der vieles zu lange vor sich herzerzählt und somit wenig Dynamik erringt. The Smashing Machine wird zu einer langweiligen Nummer, der es deutlich an Esprit mangelt, die den Leitsatz „In der Ruhe liegt die Kraft“ leider falsch versteht. Vielleicht liegt es doch an Johnson, der versucht, das Beste aus sich herauszuholen, zwischendurch natürlich flennen muss, um momentbezogene Emotionen zu zeigen, im Ganzen gesehen die notwendige Klasse dann aber doch nicht erreicht.

Was bleibt, sind Johnsons Sympathiewerte – wegen ihm und seiner Motivation geht man schließlich auch in einen Sportfilm wie diesen, aus demselben Grund, warum man auch in Aronofskys The Wrestler ging, um das Comeback von Mickey Rourke mit eigenen Augen zu erleben. Wenn The Rock aus dem Jumanji- und Fast/Furious-Franchise ins Schauspielkino übersiedelt, will man sich selbstverständlich nicht nur auf Hörensagen verlassen. Erinnern wird man sich dabei nur an dessen gewaltiger Physiognomie, doch weder an denkwürdige Kampfszenen noch an die Highlights eines Sportleralltags, denn die gibt es nicht.

The Smashing Machine (2025)

Cassandro (2023)

BUNTER VOGEL OHNE STIMME

3,5/10


Cassandro© 2023 Amazon prime


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: ROGER ROSS WILLIAMS

DREHBUCH: DAVID TEAGUE, ROGER ROSS WILLIAMS, JULIÁN HERBERT

CAST: GAEL GARCÍA BERNAL, ROBERTA COLINDREZ, PERLA DE LA ROSA, JOAQUÍN COSÍO, RAÚL CASTILLO, ANDREA PAZMINO, BAD BUNNY U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Ich muss zugeben, es hat mal auch für mich eine Zeit gegeben, da war die üppige Überdramatik akrobatischer Ringkämpfe ein Guilty Pleasure am Feierabend, der Eurosport-Kanal zumindest für ein paar Monate nicht nur eine unbeachtete Fußnote im Rahmen der Kabelkanäle. Da waren Kapazunder wie Adam Bomb, The Undertaker oder Yokozuna gern gesehene Rüpel oder heldenhafte Muskelprotze, die, schweißglänzend und die tobende Menge für sich einnehmend, andere Nullnummern oder manchmal gar ernstzunehmende Widersacher im Showdown aufs Kreuz legten. Auch Dwayne „The Rock“ Johnson war so jemand, oder Dave Bautista – beide nun im Filmgeschäft. In Lateinamerika, insbesondere in Mexiko, kennt man Saúl Armendáriz, genannt Cassandro. Der hat’s ebenfalls zum Film geschafft, allerdings auf andere Weise. Statt selbst in irgendein Genre der laufenden Bilder zu wechseln und dann dort groß aufzuspielen, wird er zur biographischen Gestalt, mit dem Gesicht von Gael García Bernal, der sich in hautenge Trikots zwängt und in permanenter Jubelstimmung nicht nur das queere Filmpublikum für sich einnimmt. Dieser Cassandro, der steht für Liberalismus, Akzeptanz und sexueller Freiheit. Für die zurecht ungenierte Zurschaustellung homosexueller Orientierung und dem Hinterfragen geschlechtlicher Rollenbilder, die vor allem im Showsport des Wrestlings gerne vor die Kameras gehalten werden, ohne den Status quo zu hinterfragen. Als Botschafter der willkommenen Andersartigkeit scheint der schräge Vogel zwar schmächtig, aber gewitzt. Und wie es beim Wrestling nun mal als Parameter gilt: je beliebter man als Fäuste schwingender Ringkämpfer wird, umso mehr und umso öfter müssen die Kontrahenten zurückstecken. Das ist abgemachte Sache, da passiert nichts zufällig. Auch wenn wir alle gerne so hätten, es wäre so.

Cassandro mausert sich in ungestümer Beharrlichkeit und allen zumindest anfangs laut werdenden Unkenrufen zum Trotz zum beliebten Außenseiter, der, obwohl er die Branche konterkariert, als Klasse für sich phobisches Gesellschaftsdenken aufbricht. Dieses Herzensprojekt des kernigen Texaners ist zweifelsohne lobenswert. Roger Ross Williams, der 2010 für seinen Dokumentar-Kurzfilm Music by Prudence gar einen Oscar gewann, taucht seine biographische Tragikomödie in schillernde Farben und setzt sie deutlich oft dem Rampenlicht aus. Die kreischenden Outfits sitzen perfekt, García Bernal strahlt über das ganze Gesicht. Dass Cassandros Werdegang auch mit einigen Schwierigkeiten verbunden war; dass das Emporkommen, der Widerstand aus dem Volk und gar der Tod der geliebten Mutter den Mann mit ziemlicher Sicherheit in ein Wechselbad der Gefühle gestoßen haben muss, lässt Williams niemals so recht spürbar werden. Es ist, als würde sein Avantgardist in permanent glückseligem Enthusiasmus sein Leben bestreiten, ganz ohne bewusstseinsverändernde Substanzen, was man kaum für möglich halten würde, wenn man es nicht besser wüsste. Es scheint, als lebe der von Bernal dargestellte Träumer und Idealist in einer Gemütsblase aus Verdrängung und bühnenhafter Oberfläche, auf der man gerade noch vor lauter Verzückung die Arme gen Publikum strecken kann, um jeden einzelnen in dieser zum Bersten vollen Sporthalle zu umarmen.

Diese beharrliche Erfolgslust flacht die biographische Figur allerdings deutlich ab. In die wahre Seele des Mannes durchzudringen, scheint hier unmöglich – da muss, da kann doch deutlich mehr gewesen sein als sich nur der Phrase Wenn du es willst, kannst du alles schaffen hingegeben zu haben. Als schier unglaubliches und gleichermaßen unglaubwürdiges Märchen stutzt sich Cassandro zu einem Testimonial zusammen, das wie ein Cartoon durch dessen eigene Lebenslagen stolziert, ohne innezuhalten und mehr von sich preiszugeben als nur den gelebten Traum. Diese Attitüde nutzt sich bald ab, das Drama wird belanglos, obwohl es das nicht sein sollte, denn die vermittelten Werte sind gut genug, um seine Zuseher emotional abzuholen. Aus all dem Potenzial nutzt Williams nicht viel mehr als die Rolle eines „Hans im Glück“, der aufgrund einer naiven Einstellung Liebkind eines Schicksals wird, das als fade erzähltes Gesellschafts- und Familienportrait kaum berührt.

Während Fighting with My Family, wohl einer der besten Wrestling-Filme, in welchem sogar Dwayne Johnson als er selbst der jungen Florence Pugh so einige Tipps gibt, wie man im Ring überlebt, die Balance zwischen Erfolgsgewieftheit und innerfamiliären Befindlichkeiten findet, und Aronofskys The Wrestler den destruktiven Abgesang zelebriert, findet Cassandro, anders als sein echtes Vorbild, nirgendwo seinen Platz.

Cassandro (2023)

Fighting with my Family

RINGEN UM ERFOLG

6,5/10

fightingfamily© 2019 Universal Pictures Germany

LAND: GROSSBRITANNIEN, USA 2019

REGIE: STEPHEN MERCHANT

CAST: FLORENCE PUGH, LENA HEADEY, NICK FROST, VINCE VAUGHN, DWAYNE JOHNSON, STEPHEN MERCHANT U. A. 

LÄNGE: 1 STD 49 MIN

Ja, auch ich war mal großer Fan des Showcatchens. Bin unter der physischen Wucht eines Yokozuna in Deckung gegangen, hatte vor dem Undertaker richtig Respekt und konnte vor lauter Genugtuung gar nicht mal mehr richtig stillsitzen, wenn Adam Bomb seine Vergeltungswatschen im Ring verteilt hat: Die WWF lief allabendlich auf einschlägigen Sportkanälen, und das war weit mehr als nur Niederknüppeln im Moment. Das waren richtige Seifenopern. Mit Biographien, Schicksalsschlägen und dem Aufraffen von der Matte. Stets geht’s dabei um 5 Sekunden. Wer 5 Sekunden lang mit beiden Schultern am Boden liegt, kommt nicht mehr hoch. Dann ist der Fight verloren. Also: steh auf, wenn du am Boden bist. Das singen schon die Toten Hosen (klarerweise in anderem Kontext) aber dennoch: dieser Imperativ trifft es so ziemlich. Und den hat der junge Teenager namens Saraya bereits mit der Muttermilch getankt. Denn Sarayas Eltern, die waren mal gehörige Sozialfälle mit illegalem Kontext, und die haben sich dank des Wrestlings wieder aus dem Schlamassel gezogen. Ihrer Tochter sollte es besser gehen – und das geht nur mit der richtigen Dosis Fight. Dabei ist diese ganze Story hier eine, die auf wahren Begebenheiten beruht. Das unterstreicht auch Dwayne „The Rock“ Johnson, der hier als er selbst in Erscheinung tritt und ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudert, was seine Sternstunden im Ring angeht.

In ihrem Gothic Look kaum wiederzuerkennen ist Florence Pugh, die nicht erst seit ihrer oscarnominierten Rolle in Greta Gerwigs Little Women von sich reden machte (u. a. auch in Lady Macbeth oder demnächst zu sehen in Black Widow an der Seite von Scarlett Johansson) und hier den jüngsten Spross einer Familie verkörpert, die im Norden Englands als Wrestling-Familie das Leben schön findet. Alle waren (und sind) in diesem Biz, trainieren die Jugend oder schaffen es ab und an in landesweite Matches. Saraya bekommt allerdings die seltene Chance, bei den ganz Großen mitzumischen – in der WWE-Liga sozusagen. Und muss dafür nach Florida, um zu trainieren, wie sie bislang noch nie trainiert hat. Aber ob es genau das ist, was sie wirklich will? Ist es vielleicht doch nicht nur das Entsprechen des elterlichen Wunsches? Und was ist mit ihrem Bruder, dem Wrestling noch viel wichtiger scheint?

Stephen Merchants True Story ist einerseits eine Sozialdramödie aus der Mittel- bis Unterschicht und gleichzeitig tatschlich eine Art Sportfilm, an dem man aber auch als nicht sportaffiner Zuseher ganz gut andocken kann. Warum? Weil die Figuren und deren Besetzungen einfach noch viel interessanter sind als das Know How in Sachen Showfight. Ex-Cersei Lennister Lena Headey gibt die Mama, der wahnsinnig sympathische Nick Frost im Vikings-Look den Papa. Ein sehenswertes Gespann. Was aber ist Fighting with my Family unterm Strich? Ein Lifestyle-Song mit dem Refrain You can get it if you really want. Eine Phrase des unerschütterlichen Willens. Denn wenn man will, kann man alles erreichen. Oder so ähnlich. Merchant hat die True Story, so vermute ich mal, scripttechnisch vereinfacht und von allerlei Grautönen gesäubert. Entsprechend glatt ist die Erfolgsstory auch geworden. Gut, dass das Drehbuch nicht Sarayas Bruder ausgeklammert hat, denn der ist ein Beispiel dafür, dass nur die von Willen und Erfolg gut reden können, die es auch geschafft haben. Die anderen als Dunkelziffer liegen dazwischen. Man kann also doch nicht alles schaffen, wenn man nur will. Und muss sich letzten Endes nach der Decke strecken. Oder: pro Familie schafft es vielleicht eine(r) groß raus.

Fighting with my Family