Nightmare – Mörderische Träume (1984)

WENN TEENAGER TRÄUMEN

7,5/10


nightmareonelmstreet© 1984 New Line Cinema


ORIGINALTITEL: A NIGHTMARE ON ELM STREET

LAND / JAHR: USA 1984

REGIE / DREHBUCH: WES CRAVEN

CAST: ROBERT ENGLUND, HEATHER LANGENKAMP, JOHN SAXON, RONEE BLAKLEY, AMANDA WYSS, JOHNNY DEPP, NICK CORRI, CHARLES FLEISCHER U. A.

LÄNGE: 1 STD 31 MIN 


Der Traum im Traum im Traum – wie Christopher Nolan sein Publikum mit dem mentalen Ebenen-Thriller Inception durch die Dimensionen gewirbelt hat, brachte weit weniger durchdacht, aber immerhin schon spielerisch und lustvoll genug, Wes Craven anno 1984 aufs Tapet, und zwar mit einem blutjungen Mittlerweile-Klassiker aus dem Slasher-Genre, der sich die abgrundtiefe Bösartigkeit des Antagonisten aus John Carpenters Halloween zu eigen machte und dabei aber noch eine Metaebene weiter ging. Es ist die der unendlichen Weiten der Träume, vorzugsweise des bösen, finsteren, panikmachenden Albtraums, in welchem eine hämisch grinsende Schreckensgestalt Jagd auf jene macht, die ruhig und friedlich in ihren Betten liegen. Den fürs Leben unverzichtbaren Schlaf dafür zu missbrauchen, um ihn mit malträtierenden Vibes zu tränken, ist schon eine fiese Klasse für sich. Denn ohne Schlaf kommt der Mensch nicht aus, Insomnie macht ihn kaputt, genauso wie der Mangel an Nahrung. Schuld an dieser Abnormität ist ein finsterer Geselle ohne Skrupel, ein längst in den ewigen Jagdgründen befindlicher böser Bube an sich – nicht Mike Myers, sondern Fred Krüger, auch gerne Freddy genannt und von ahnungslosen Kindern in einem 1-2-3-Reim besungen.

Dieser ehemalige Kindermörder, von Grund auf und völlig grundlos das Böse personifizierend, ist leicht erkennbar an seinem rotgrün gestreiften Pullover, der verbrannten Haut und seinem zerbeulten Fedora. Markant eben auch die vier Messerklingen, die, an der rechten Hand montiert, den einen oder anderen Teenagerleib aufzuschlitzen gedenken. Wes Craven interessiert kein bisschen, wie es dazu kommen hat können, dass ein Mensch wie Fred Krüger es geschafft hat, sein irdisches Dasein in die Dimension der Träume zu schaffen. Doch genau dieser Umstand ist es, – nämlich Fragen nicht zu beantworten und Ursachen nicht zu ergründen – die einen Horrorfilm wirklich schrecklich machen. Weil niemand weiß, warum, wieso, weshalb. Letztlich bleibt die Hoffnung auf eine dem Unterhaltungskino inhärenten Gerechtigkeit, die letztlich das Gute gewinnen lässt, weil alles danach strebt, Anomalien wie diese auszumerzen.

Wes Craven hat keine Skrupel, der Ordnung nicht zu folgen. Sein Teenie-Slasher ist den moralischen Parametern erhaben, er ist die Antithese zum pädagogisch wertvollen Genrefilm und schickt die Nachsitzer aus dem Breakfast Club in die Vorhölle der Bettruhe. Niemand darf mehr schlafen, und wenn doch, muss eine wie Nancy Thompson gewappnet sein. Träume sind hier nicht nur Schäume, sondern Geisterbahn-Parcours, die, wie bei Träumen so üblich, gesteuert werden könnten, hätte man das Know-How dazu. So wie Jamie Lee Curtis gegen Mike Myers kämpft bald Heather Langenkamp (sowohl auch im Original als auch in diversen Fortsetzungen) gegen ihre Nemesis, gegen den hässlichen Schlitzer, der sich allerlei anmaßt.

Und dann sind da die Dimensionen, die Wach- und Traumzeiten, die Craven durcheinanderbringt, bis man wirklich nicht mehr feststellen kann, was nun wirklich ist. Auf die Spitze getrieben wird dies mit einem vom Meister höchstselbst abgelehnten Ende, welches dank Cravens Produzent aber dennoch in die Endfassung kam. Eine weise Entscheidung? Jedenfalls eine, die noch mehr irritiert. Interpretationen darüber gibt’s viele. Und schließlich ist der Umstand, über einen Film länger nachzudenken als üblich, geradezu eine Auszeichnung.

Mittlerweile vierzig Jahre alt, hat Nightmare – Mörderische Träume immer noch seine perfiden Momente, die sogar spätere Klassiker wie Kevin – Allein zu Haus vorwegnehmen – oder eben Nolans Inception. Verknüpft mit der reuelösen Bösartigkeit des zu bekämpfenden und unverbesserlichen Monsters und einigen ikonischen Szenen wie jene mit Heather Langenkamp in der Badewanne bietet dieser augenzwinkernd-originelle Horror immer noch schreckliche Unterhaltung vom Feinsten. Manches ist charmant angestaubt wie bei Ghostbusters, manches wirklich verblüffend zeitlos. Der Blutzoll ist enorm, die Lust am Einschlafen geringer als sonst.

Nightmare – Mörderische Träume (1984)

X

DIE ALTEN ALS FEINDBILD

6/10


x© 2022 capelight pictures


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: TI WEST

CAST: MIA GOTH, JENNA ORTEGA, BRITTANY SNOW, KID CUDI, MARTIN HENDERSON, STEPHEN URE, OWEN CAMPBELL U. A.

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Gegen diesen alten Griesgram ist Hogwarts Hausmeister Filch aus dem Harry Potter-Universum geradezu die Freundlichkeit in Person: Wie der knorrige Greis mit der Flinte auf den jungen Herren da zielt, die Mundwinkel gleich einer bissigen Karikatur böse heruntergezogen, und bei den wenigen Worten, die der Alte da von sich gibt, blitzt ein einzelner Zahn in einem Gebiss, das dringend Dritte benötigt – spätestens nach dieser Begegnung wird klar: Hier lässt sich wohl kaum etwas von der älteren Generation lernen, denn diese sinistre Gestalt führt sicher nichts Gutes im Schilde.

Wie jetzt? Vor den Alten braucht sich von den Jungen doch niemand zu fürchten, oder? Einfach den Sitzplatz in den Öffis überlassen, über die Straße geleiten oder die schweren Einkaufstaschen abnehmen – das ist schon die halbe Miete, um die Brücke zu schlagen zwischen Gestern und Heute. Falsch gedacht. Die Älteren werden oft unterschätzt, da sitzt der Griesgram, der Neid und die entbehrlichen Erfahrungen aus Kriegen und Notzeiten manchmal ganz tief. Die eigene Erziehung, die durchaus mit Gewalt und militanter Prüderie einhergegangen sein mag, prägt das Handeln. Und dann das: ein junges Filmteam macht sich auf dem Anwesen des zahnlosen Alten mitsamt seiner gespenstisch erscheinenden Gattin breit. Es will einen Film drehen, und zwar nicht irgendeinen, sondern den womöglich besten Pornofilm aller Zeiten. Zumindest ist die Begeisterung groß bei den jeweils drei Männern und Frauen, die sich auch nicht wirklich die Mühe geben, die Bauersleut‘ über die pikanten Umstände aufzuklären.

Da gehört schon ein ordentliches Quantum an Respektlosigkeit dazu, allerdings auch ein gesundes Revolutionsbewusstsein, das in heller Koitusfreude die katholizistische Prüderie der amerikanischen Predigergesellschaft aufzubrechen gedenkt. Nicht mit den Alten, lautet in Ti Wests blutigem Psychothriller die Devise. Denn die sind immer noch da und gefälligst ernst zu nehmen. Auch wenn sie den Eindruck vermitteln, längst im Morast der Demenz zu versinken.

Selten hat man die Generation der 80 plus so sehr der Hilfsbedürftigkeit entledigt gesehen wie in X, abgeleitet vom X-Faktor, dem gewissen Etwas. Altwerden geht hier einher mit Missgunst, Frust und Manie. Anders Houchang Allahyaris generationenübergreifender Liebesfilm Der letzte Tanz. Hier haben wir Erni Mangold als innerlich junggebliebene Tänzerin, die im Altersheim eine Beziehung mit einem Pfleger eingeht, der ihr Enkel hätte sein können. Auch so lassen sich die Bedürfnisse des Alters darstellen. In Don’t Breathe ist der mit Vorurteilen getarnte Mythos der Senilität das letzte Überbleibsel einer wehrhaften Elite, die der Ignoranz der heutigen Jugend effektiv die Stirn bietet. Anders bei Ti West: Dort ist das Alter das marode Ergebnis einer Gleichung aus Moraldiktatur und vorenthaltener Freiheiten. Da es sich bei X natürlich um Entertainment-Horror handelt, werden auch entsprechend und auf vielfältige Art und Weise brutal die Leviten gelesen. Dabei greift West in den stilistischen Zitatenschatz der italienischen Giallo aus den Siebzigern, verbunden mit Elementen des Haunted House-Horrors und amerikanischer Grindhouse-Slasher. Mittendrin Mia Goth als zukünftiges Porno-Starlet, die wohl mit Simon Rex aus Red Rocket eine Freude gehabt hätte, gefolgt von einer bestens auf Siebziger getrimmten Gefolgschaft, die nach und nach dezimiert wird.

Das beinhaltet nun nicht die große Palette an Überraschungen, die auf einen zukommt. Überraschend sind wohl eher einige Ungereimtheiten im Skript, die verhindern, dass der Film seine logischen Parameter hat. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass ein seniles Ehepaar wie dieses einen ganzen Bauernhof führt? Plausibilitätsferne Symbolik ist in X vermehrt zu finden, darunter auch der ganz besonders inszenierte Ekel vor dem Altwerden, das mit dem Rühren an Tabuthemen auch sein Publikum verschrecken will. Ob das gelingt? Kommt ganz auf die Toleranz der Zuseher an.

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