Wiegenlied für eine Leiche

BETTE DAVIS EYES

6/10


wiegenliedleiche© 1964 Twentieth Century Fox


LAND/JAHR: USA 1964

REGIE: ROBERT ALDRICH

CAST: BETTE DAVIS, OLIVIA DE HAVILLAND, JOSEPH COTTEN, AGNES MOOREHEAD, BRUCE DERN, CECIL KELLAWAY U. A.

LÄNGE: 2 STD 13 MIN


Was haben Kim Carnes und Robert Aldrichs Psychothriller gemeinsam? Nun: die Augen von Bette Davis, oder anders formuliert: Bette Davis Eyes. Den Song kennt man einfach. Carnes singt da von einer Frau, die so dreinblickt wie eben der Star des vorliegenden Films. Da sagen Augen mehr als tausend Worte. Obwohl Bette Davis ergänzend noch jede Menge Wortsalven hinzufügt, ja geradezu hysterisch durch die Gegend keift und schon den einen oder anderen Schuss abgibt, der knapp ein Menschenleben verfehlt.

Was in diesem sinisteren Reigen des Wahnsinns und des Traumas alles passiert? Nun, die Story beginnt mit einer tragischen Liebe in den Zwanziger Jahren. Das junge Ich von Bette Davis Filmfigur Charlotte wird auf Druck des eigenen Papas vom Liebhaber (Bruce Dern in jungen Jahren!) sitzengelassen, weil der schon längst verheiratet ist. Kurze Zeit später wird dieser aber bestialisch ermordet. Natürlich sehen wir nicht, wer zu solchen Taten fähig war, doch die Indizien legen nahe: das kann nur Charlotte gewesen sein. 25 Jahre später haust die geistig etwas verwirrte alte Jungfer im Anwesen ihres verstorbenen Altvorderen und will partout nicht wahrhaben, dass ihr Besitz sehr bald geräumt werden wird. Cousine Miriam (Olivia de Havilland) kommt zu Hilfe, adrett und aufgeräumt vom Scheitel bis zur Sohle. Doch die führt gemeinsam mit Charlottes Hausarzt (Joseph Cotten) etwas ganz anderes im Schilde. Was, wird lange nicht klar, aber dann fällt es wie Schuppen von Bette Davis Augen…

Wiegenlied für eine Leiche – im Original als Hush, Hush… sweet Charlotte betitelt – ist ein Starvehikel für eine Ausnahmeschauspielerin, die in den Dreißigern bereits zwei Oscar gewonnen hat und sämtliche Male nominiert war. Für eine Frau, die ihr unverkennbares Äußeres fast schon als eigene Marke präsentiert – mit übertriebener Schminke und schreckgeweitetem Blick, weil alles, was in diesen alten Gemäuern, in denen ein Mord passiert war, danach schreit, dem Wahnsinn Methode zu geben. Und Bette Davis legt sich mit dem Willen zur grotesken dramatischen Überhöhung ins Zeug, wütet und wettert, dämmert, durch Drogen sediert, vor sich hin oder geistert des Nachts durchs Haus, weil sie Stimmen hört. Aldrich weiß, worauf er setzen kann. Und er ergänzt diese One-Woman-Show mit zwar etwas überholten, aber kuriosen Elementen des Suspense. Kameramann Joseph F. Biroc (hierfür für den Oscar nominiert) spielt mit schnellen Zooms und Fluchtpunkt, pötzlichen Nahaufnahmen und natürlich ganz viel mit Licht und Schatten, was sonst schade wäre, würde man die harten Kontraste nicht für einen Schwarzweißfilm wie diesen nutzen. Was weiters kurios ist, sind die manchmal etwas bemüht visuell unterstrichenen Details, die zum Verständnis der Geschichte beitragen sollen. Könnte ja sein, dass diese beim Publikum aufgrund welcher Unachtsamkeit auch immer verlorengehen könnten. Witzig dabei die Szene mit dem Giftfläschchen: erst stand es noch da, auf Charlottes Nachtkästchen – dann ist es plötzlich weg. Nochmal einblenden, nochmal ausblenden, dann nochmal ein rasches Zoom auf die leere Fläche. So deppensicher geht man heute wohl nicht mehr vor. Das hat schon stark angestaubte Tendenzen. Aldrichs Film würde man gegenwärtig sowieso ganz anders machen, man würde zumindest ein Viertel des Films einkürzen, denn zugegeben fällt Wiegenlied für eine Leiche manchmal zu gesprächig und dadurch auch etwas ermüdend aus.  Das lässt sich straffer machen. Was sich nicht straffer machen lässt, ist eben Bette Davis. An ihr würde man auch heute nichts ändern wollen.

Wiegenlied für eine Leiche

The Last Man on Earth

ÜBERLEBEN HAT SEINEN PRICE

6,5/10

 

lastmanonearth© 1964

 

LAND: USA, ITALIEN 1964

REGIE: SIDNEY SALKCOW, UBALDO RAGONA

CAST: VINCENT PRICE, FRANCA BETTOIA, EMMA DANIELI, GIACOMO ROSSI-STEWART, UMBERTO RAHO U. A. 

 

„Das Virus ist neu, dessen Verhalten gänzlich unbekannt, aber eines ganz gewiss: extrem ansteckend.“ – „Die Labore der Welt arbeiten fieberhaft an einem Gegenmittel“ – „Jeder Verdachtsfall muss gemeldet werden“. Phrasen, die uns irgendwie bekannt vorkommen? So oder sehr ähnlich lassen sich diese Zeilen aus vorliegendem Filmwerk extrahieren, das da heißt: The Last Man on Earth. Der knallharte Höhepunkt des frühlingshaften Lockdowns rief zwangsläufig pessimistische Worst Case-Visionen auf den Plan, mochten sie auch noch so abstrus sein. Natürlich verliert man sich da manchmal gar im Reich der Fantasie, und kurzerhand weckt so manches in diesem Film vage Erinnerungen daran.  Wie zum Beispiel dieses Virus hier, das es nicht dabei belässt, den Exitus herbeizuführen, nein – es verwandelt die Toten in Vampire. Sind es denn Vampire? Nein, eher Zombies. Oder irgendwas dazwischen. Relativ antriebslose Kreaturen von blaugrauer Hautfarbe und satten Ringen unter den Augen, die in untoter Phlegmatik an die Tür von Horrorikone Vincent Price klopfen. Ja genau, dieser Mann hat als einziger die Apokalypse überlebt. Und sich zugegebenermaßen recht kommod arrangiert. Das Haus ist vampirsicher, und die Pflicht des Tages: Vampire töten. Damit macht er unserer geliebten Buffy wirklich ernsthafte Konkurrenz. Jahrzehnte vor Joss Whedons Kultserie hat schon jemand ganz anderer zum Holzpflock gegriffen, um seinem Tagwerk nachzugehen, und damit meine ich nicht Van Helsing. Räumungsdienst Price ackert im Planquadrat die Straßen ab, und all die schlafenden Ungeheuer, die er zu fassen bekommt, werden gepfählt und entsorgt. So weit so trostlos, hat der ältere Herr doch seine ganze Familie zu Grabe getragen, darüber hinaus seine Frau zweimal beerdigt, weil sie zum Wiedergänger wurde.

Zugegeben, all die Momentaufnahmen aus der postapokalyptischen Urbanität mit all den kreuz und quer herumliegenden Toten hat etwas leicht Verstörendes. Und obwohl The Last Man on Earth als typisches B-Movie daherkommt, hat dieses einen gar nicht mal so trivialen Plot. Filmkenner wissen längst: der italienisch-amerikanische Science-Fiction-Grusel basiert auf dem Roman Ich bin Legende von Richard Matheson und – ganz genau – selbiger war auch Vorlage sowohl für den Omega-Mann mit Charlton Heston als auch für den Will Smith-Streifen I Am Legend. Tatsächlich aber trifft der Titel der Buchvorlage viel eher den Charakter des Vincent Price-Erstlings. Und siehe da, nicht nur was die plausible Legendenbildung des einsamen Ordnungshüters betrifft, liegt The Last Man on Earth in seiner Erklärung weiter vorne, sondern auch in der Prämisse des Filmes überhaupt, den ein ganz anderer Zombiefilm sozusagen weiterspinnt: The Girl with all the Gifts.

Ich bin fast versucht, The Last Man on Earth mit all seiner Technicolor-Optik und dem naiven Raumschiff-Enterprise-60er-Kolorit als Trash-Perle zu bezeichnen, die sowohl all die ratlose Panik vor dem Virus vorwegnimmt als auch in seinen Endzeit-Gedanken überraschend konsequent bleibt.

The Last Man on Earth