Silent Night

LETZTE WEIHNACHTEN

6/10


silentnight© 2021 capelight pictures


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2021

BUCH / REGIE: CAMILLE GRIFFIN

CAST: KEIRA KNIGHTLEY, MATTHEW GOODE, ROMAN GRIFFIN DAVIS, ANNABELLE WALLIS, LILY-ROSE DEPP, SOPE DIRISU U. A. 

LÄNGE: 1 STD 32 MIN


… oder eben Last Christmas. Wham! hat‘s ja schon immer gewusst. Irgendwann ist es das letzte Mal, und bevor die Welt oder vielmehr die Menschheit untergeht, ist eines der Dinge, die man vorher noch gemeinsam tun kann: Weihnachten feiern. Glücklicherweise ist die Apokalypse terminlich gesehen absolut verlässlich und gewährt zumindest in Großbritannien noch eine Gnadenfrist bis zum Christtag, damit nochmal gehörig aufgetischt und abgetanzt werden kann. Der guten Mutter Erde reicht es nämlich, und sie hat es satt, Homo sapiens länger erdulden zu müssen. Also schickt sie Giftstoffe quer über die Kontinente. Manche Stimmen meinen allerdings, es könnten auch die Russen sein. Wie auch immer. Um nicht ganz so leiden zu müssen, gibt’s die Pille davor…

Was für ein Weihnachtsfilm. Einer, bei dem sowas von überhaupt keine Stimmung aufkommen will. Da nützt selbst Jose Feliciano nichts mehr, und auch nicht ein begnadet dahingesungenes Stille Nacht. Wer da noch in Feierlaune ist, scheint ein Meister der Verdrängung zu sein. Sobald klar wird, zu welchem Anlass all die Freunde unterm Mistelzweig zusammenkommen, ist das Zuschnüren der Kehle nur noch eine Frage der Zeit. Manche haben Angst, manche resignieren. Manch ein Nichtmalnoch-Teenager will die Fakten erst gar nicht für bare Münze nehmen. Als Zuseher ordnet man sich gerne der Gesinnung Letztgenannter unter: dass es wirklich so weit kommen kann, lässt sich kaum erfassen. Regisseurin Camille Griffin, die, inspiriert von Wham! und Weltlage, auch das Script schrieb, kann auch nicht recht deuten, was sie hier entworfen hat. Als bittere Komödie gibt sich der Endzeitfilm zumindest szenenweise zu erkennen – meist jedoch lässt sich der schwarzgemalte Lichterglanz, dem jeder verheißungsvolle Zauber fehlt, einfach nicht schönreden. Griffin sucht den verzweifelten Lacher eines ironischen Schicksals, und findet zumeist jedoch das dunkle, beklemmende Drama im Zwielicht der beginnenden Heiligen Nacht. Die Tristesse zum Weihnachtsfest ist in trockenen Tüchern – zum Ausweinen vor dem Ende braucht es neue.

In Anbetracht dessen aber, dass das Fest der Liebe tatsächlich vor der Tür steht und das Damoklesschwert der Omikron-Variante über uns allen hängt, mutet Silent Night enorm zynisch an. Klar, die globale Vernichtung darin zu sehen wäre nun wirklich etwas schwarzgemalt, aber ein unangenehmes Gefühl breitet sich dennoch aus, und wer die Vorgänge rund um Keira Knightley und Matthew Goode mitverfolgt, kann das Wasser auf die Mühlen so mancher Impfverweigerer klar und deutlich plätschern hören.

Silent Night

Boss Level

GUTEN MORGEN, LIEBE SORGEN

6,5/10


boss_level© 2021 Leonine


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: JOE CARNAHAN

CAST: FRANK GRILLO, NAOMI WATTS, MEL GIBSON, WILL SASSO, ANNABELLE WALLIS, MICHELLE YEOH, KEN JEONG U. A. 

LÄNGE: 1 STD 41 MIN


Da ist es unserem geschätzten Bill Murray innerhalb seiner Zeitschleife ja noch ganz gut ergangen. Der notorische Misanthrop hat zwar allen die Freude am Alltag versaut und einmal gar das Murmeltier entführt, aber so wirklich schlechte Karten waren da nicht im Spiel. Zumindest nicht im Vergleich zur Situation von Frank Grillo, den Sylvester Stallone bei seinem in den Startlöchern stehenden Expendables 4 gefälligst mit auf die Gästeliste nehmen sollte. Denn den gern gebuchten B-Movie-Star und Marvel-Schurken mit dem Körperbau eines Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten kitzelt des Morgens nicht die Sonne, sondern die scharfe Klinge einer Machete. Wer um alles in der Welt hat es auf Söldner Roy um diese Zeit schon abgesehen? Und warum? Keine Ahnung, wie viele Tode der Mann erlitten haben muss, um irgendwann beim nächsten Hahnenschrei entsprechend pfeilschnell reagieren zu können. Natürlich hängt Grillo, wie er selbst bald feststellt, in einer Zeitschleife. Was ja an sich schon irgendwie nervig erscheint, es sei denn, man arbeitet sich zum Menschenfreund durch wie Phil Connors. Doch an diesem einen Tag scheint es die ganze Welt auf den wuchtigen Schönling abgesehen zu haben. Von der Klingen-Amazone bis zum Gatling-Virtuosen spielt hier der Tod alle Stücke. Und Grillo macht den Hasen, während er versucht, Licht ins Dunkel seines Dilemmas zu bringen, sich um seinen Sohn zu kümmern und das Ende der Welt zu verhindern. Ein bissl viel für einen Wochentag.

Grillo hat aber echt Spaß daran. Boss Level ist ein großzügig ironisches Guilty Pleasure, ein knackiges, bunt bebildertes B-Action-Movie, in dem der Verputz nur so von den Wänden bröckelt. Überraschenderweise finden wir hier Charakterdarstellerin Naomi Watts. Warum eigentlich nicht, mal was ganz anderes. Ausnahmsweise ist das hier mal kein Film, den Cineasten auf der Liste haben müssten. Tut gut, hier zwischen Bomben und Granaten und vom Halse rutschenden Köpfen relativ unentdeckt zu bleiben. Als Miesepeter fungiert der auf schnelle Kinokost umgesattelte Mel Gibson, der es immerhin noch besser draufhat als Bruce Willis und den zigarrenrauchenden Neureichen gibt, der das Geld hat und somit anschafft. An der Besetzungsliste ist also nicht geschludert worden – und selbst die wasweißichwievielte Version des Murmeltiertags, die sogar schon Tom Cruise in Edge of Tomorrow interpretieren hat müssen, macht hier, unter Joe Carnahans Regie (The Grey, Smokin‘ Aces) durchaus und noch viel besser mit Bier und Knabberzeugs gute Laune.

Der richtige Spaß an der Sache entsteht aber erst, als unser Actionheld versucht, den Tag unter Aufgebot all seiner Multitasking-Kenntnisse so hinzubiegen, dass letzten Endes alles seine Ordnung hat. Wie in einem Konsolenspiel heißt es hier Game Over nach Game Over, und da es mehrere Tasks zu erledigen gibt statt nur den einen, nämlich sich selbst zu einem besseren Menschen zu machen, frohlockt bei diesem Szenario die Neugier, einfach wissen zu wollen, welche Prioritäten der gute Mann nun setzen muss. Und die Tage, an denen alles misslingt – nun, da spricht Grillos Resignation einem fast schon aus der Seele.

Boss Level