The Accountant 2 (2025)

NUR BRÜDER GEBEN FEUERSCHUTZ

7/10


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LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: GAVIN O’CONNOR

DREHBUCH: BILL DUBUQUE

CAST: BEN AFFLECK, JON BERNTHAL, CYNTHIA ADDAI-ROBINSON, DANIELLA PINEDA, J. K. SIMMONS, ALLISON ROBERTSON, ROBERT MORGAN, GRAN HARVEY, ANDREW HOWARD U. A.

LÄNGE: 2 STD 13 MIN


Ich bleibe dabei, und ja, ich weiß, da gehen die Meinungen auseinander, aber: Ben Affleck ist für mich nach wie vor und im überstilisierten Dunstkreis eines Zac Snyder’schen DC-Universums „der“ Batman schlechthin. Muskelbepackt, stiernackig, arrogant, aber auch idealistisch. Nicht unbedingt ein Held zum Gernhaben, aber einer, dem man dann doch die Zügel in die Hand drücken würde, wenn es heisst, den Karren aus dem Dreck zu dirigieren. Die stählerne Rüstung, mit welcher er Superman bekämpft, mag ein bisschen den Charme der Lego-Filme bedienen, nichtsdestotrotz hat der Best Buddy von Matt Damon eine gute Figur gemacht. In anderen Filmwerken mag man ihm vielleicht ausgelebte Langeweile hinsichtlich seiner zu verkörpernden Rollen diagnostizieren – in ganz wenigen aber hat der selbstverliebte Geck so einiges drauf.

Wie zum Beispiel als Accountant Christian Wolff, der die mimischen Defizite des Stars damit erklären kann, unter einer nicht näher definierten Form von Autismus zu leiden, unter welcher soziale Interaktion wie wir sie kennen bisweilen zu leiden hat. Auch das Emotionale ist nicht so Ben Afflecks alias Christian Wolffs Ding – womit sich der Knabe aber bestens auskennt, das ist Mathematik und das Erkennen von Zusammenhängen inmitten eines diffusen Durcheinanders, angesichts dessen allen anderen Ermittlern die Köpfe rauchen. Mit so einem Fall wurde Afflecks Figur schon 2016 betraut – damals musste er mit Buchhalter-Kollegin Anna Kendrick einer breit angelegten Veruntreuung auf die Schliche kommen. Dabei kam ihm sein eigen Fleisch und Blut in die Quere – der zum Profikiller ausgebildete Jon Bernthal. Dass sich letztlich beide zusammenraufen, um gemeinsam gegen das Unrecht vorzugehen, und zwar recht akkurat, hemdsärmelig und ohne Gewissensbisse – diese Tatsache bildet den Grundstein für eben erst im Kino erschienenen zweiten Teil – neun Jahre also nach dem nicht nur von Kritikern positiv abgenickten Original.

Diesmal mischt auch wieder J. K. Simmons als pensionierter Finanzpolizist mit, der in seiner Freizeit immer noch gerne ungelösten Fällen nachhängt. Sich dabei aber mit dem Verschwinden von Menschen zu befassen, kostet ihm letztlich das Leben, jedoch nicht ohne vorher eine Nachricht zu hinterlassen, die besagt, dass Nachfolgerin Marydith Medina (die wir auch aus dem Original kennen) unbedingt jenen Zahlenjongleur ausfindig machen soll, der damals John Lithgows großes Geheimnis gelüftet hat. Medina wird ihn finden, zum Glück zeigt sich dieser auch bereit, auf seine weltfremde und nüchterne Art der Sache nachzugehen. Als die Sache aber richtig brenzlig wird, kommt Jon Bernthal ins Spiel. Und mit ihm das Motiv der launigen Actionkomödie, welche die energetischen Dynamiken des Buddy-Films für sich und das ganze unterhaltende Publikum neu entdeckt.

Dabei ist The Accountant 2 kein Schenkelklopfer, der sich selbst parodiert. Über den Ernst der Lage in diesem Film macht sich keiner lustig. Stereotypen, sofern es welche gäbe, werden ebenfalls nicht durch den Kakao gezogen. Die Situationskomik entsteht dabei nicht dadurch, indem sie die Erzählform ins Lächerliche verzerrt, sondern den richtigen Moment erwischt. Das liegt vorallem auch an Jon Bernthals schnoddrige Scheiß Drauf-Attitüde, die der Mann so treffsicher im Schlaf beherrscht, dass Ben Affleck gar nicht mehr viel tun muss, um als autistischer Rationalist, der über den Schatten sozialer Unzulänglichkeiten springt, als idealer Konterpart zu funktionieren. Wie in einer verspäteten Screwball-Comedy werfen sich beide die Wortbälle zu, dass es eine Freude ist, wobei man selbst dann nicht darauf vergisst, warum es eigentlich geht und wohin die investigativen Recherchen letztlich führen sollen. Irgendwann gibt es dann auch Action, wie man sie schon oft gesehen hat – in diesem Kontext aber ist sie nur erfüllendes Beiwerk, während die kernige Tragikomödie zweier ungleicher Brüder die eigentliche Identität des Films darstellt. Gavin O’Connor gelingt ein überraschend sehenswerter kleiner Knüller, der Bewährtes vergnüglich auffrischt und im Vergleich zum Vorgänger mehr die Alltagstauglichkeit von zwei Actionhelden erprobt als die kriminalistische Analyse eines Sonderlings zu liefern.

Das weckt eine ungeahnte Dynamik, auch im Hinblick auf die im Hintergrund agierenden juvenilen Superhirne, die den waffen- und lichtschwertschwingenden Spezialisten ähnlich supporten wie jene, die Tom Cruise alias Ethan Hunt stets den Rücken freihalten. Da dieser bald sein Finale feiert, könnten Affleck und Bernthal gerne mit einer dritten Mission liebäugeln. Beide Charaktere sind etabliert, abgesteckt und in ihren USPs erfasst – Zeit für neue Abenteuer!

The Accountant 2 (2025)

Semper Fi

KODEX DER MUSKETIERE

5,5/10

 

3T3A6614.CR2© 2020 Kinostar

 

LAND: GROSSBRITANNIEN 2020

REGIE: HENRY ALEX RUBIN

CAST: JAY COURTNEY, NAT WOLFF, FINN WITTROCK, BEAU KNAPP, ARTURO CASTRO, LEIGHTON MEESTER U. A. 

 

Semper Fi – das klingt wie eine spezielle Akustik bei Audiogeräten. Ist es aber natürlich nicht. Denn Semper Fi ist Latein, die Abkürzung für Semper Fidelis und der Leitspruch der US Marines, der soviel bedeutet wie: für immer treu. Die Jungs, die in diesem Corps also ihren Dienst verrichten, die schenken sich alles, sind auch privat füreinander da. Müssen ausbaden, was ein anderer angerichtet hat. Zumindest scheint das so in vorliegendem Männerfilm, der als Copthriller genauso durchgeht wie als hemdsärmeliges Familiendrama und Flucht-Actioner. Zu viel von allem? Nein, das nicht. Vielleicht aber zu austauschbar.

Worum geht´s? Ex-Suicide Squad– und Terminator Genysis-Haudegen Jay Courtney agiert – durchaus überzeugend – als faustfreundlicher Streifenpolizist und gleichzeitig als Marine-Reservist, der jederzeit eingezogen werden kann, wenn Mütterchen USA ihn gerade benötigt. Um fit zu bleiben, darf an Wochenenden brav trainiert werden. Sein Halbbruder Oyster (Nat Wolff) ist ebenfalls ein Marine, zieht aber privat jede Menge Zores an wie Honig so manche Fliege. Der ältere Bruder, der muss es immer wieder gradebiegen – und wird ab und an ebenfalls rabiat. Wen wundert´s, beide sind unter ziemlich entbehrlichen Verhältnissen aufgewachsen, der gerade Weg ins Licht ist mit so manchen Versuchungen gepflastert, die schon mal hinter schwedische Gardinen bringen können. Eine solche Einweisung steht für Oyster kurz bevor, als beide wieder mal für den Krieg in Nahost eingezogen werden sollen. Der kleine Bruder bleibt daheim, wandert wegen Mordes in den Knast, und was tut die übrige Familie, wenn sie Unrecht sieht? Zu drastischen Mitteln greifen.

Dieses Treue-Ehre-Vaterland-Pathos ist womöglich der soziale Kleber, der diese ganze US-Militärmschinerie auf sozialem Wege zusammenhält. So entstehen Verbindlichkeiten in was für einer Gruppe auch immer, denen man sich nicht mehr so schnell entziehen kann. Das geht weder moralisch noch sonst wie. Um diesen Kodex nicht irgendwann schleifen zu lassen, tätowieren sich manche die Bezeichnung desselbigen irgendwohin – am Besten auf den Unterarm. Das hat Jay Courtneys Filmfigur auch gemacht. Und der appelliert natürlich an seine Brüder, mit ihm an einem Strang zu ziehen und seinen Bruder aus dem Gefängnis zu befreien. Das ist routinierte Thrillerdramatik, die wir so schon sehr oft so gesehen haben. Beim Einblick in die örtliche Besserungsanstalt trifft man auch wieder auf Soziopathen unter der Wärtergilde, die aus Spaß an der Freude den meist Unschuldigen bis aufs Blut schikanieren. Dieses Knastbild ist schon so oft kolportiert worden, wenn da nicht die Sensationslust auf Prinzip des Stanford-Prison-Experiments wäre. Aber die ist nun mal da und so funktioniert auch dieser Film bis zu einem gewissen Punkt, denn unschuldig weggesperrt will das Publikum natürlich keinen sehen. Wenn dann einer wie Courtney die Moral dann noch so verbiegt, damit sie wieder rechtschaffen erscheint, fühlt man sich gleich von allen möglichen Zwängen befreit, die uns der Rechtsstaat aufbürdet. Die Bruderschaft geht nun mal vor, da helfen alle Gesetze nichts. Familie, mit dem Kodex der Marines doppelt gemoppelt, setzt sich darüber hinweg. Schön, füreinander da zu sein. Einer für alle, alle für einen. Und das bringt Durchschnittsmime Courtney diesmal aber durchaus punktgenau zum Ausdruck, wenn auch sonst manches beliebig scheint.

Semper Fi

Good Time

OH BROTHER!

6/10

 

goodtime© 2017 temperclayfilm

 

LAND: USA 2017

REGIE: BENNY & JOSH SAFDIE

MIT ROBERT PATTINSON, BENNY SAFDIE, JENNIFER JASON LEIGH, BARKHAD ABDI U. A.

 

Elijah Wood hat ihn. Daniel Radcliffe hat ihn. Und auch Robert Pattinson muss sich damit herumschlagen: es ist der Fluch der Rollenikone. Begonnen hat das mit Karlheinz Böhm – der Schauspieler konnte nie mehr dem Korsett seiner Filmfigur Franz Joseph entsteigen. Wood ist auf alle Ewigkeit mit Frodo verbunden, und Daniel Radcliffe bemüht sich zusehends, Harry Potter abzulegen. Pattinson ist der Vampir Edward mittlerweile wirklich zuwider, obwohl er laut Interviews diese Rolle natürlich niemals hätte missen wollen. All diese Schauspieler quälen sich damit, ihr Stigmata zu verbannen und zu zeigen, dass sie mehr können als nur den popkulturellen Halbgott zu verkörpern. Das geht am besten damit, völlig konträre Rollenangebote anzunehmen. Am besten vom ganz anderen Ende – eine Rolle aus dem Fundus finsterster Charaktere. Böhm war perverser Sadist in Peeping Tom – die Folge war das sofortige Karriereende. Wood war Serienkiller – auch nicht gerade förderlich, als Publikumsliebling erneut durchzustarten. Das Gleiche bei Radcliffe. Furzende Leichen und gehörnte Teufel will kaum einer sehen. Aber was tut man nicht alles, um als integrer Schauspieler sein Leistungsspektrum zu erweitern. Wichtig dabei: so weit weg vom Fluch wie möglich.

Robert Pattinson sieht man zwar öfters auf der großen Leinwand – zuletzt in Die versunkene Stadt Z – seine Fans hat er allerdings, da er sie nicht mehr bedient, so ziemlich verloren. Die wird er mit seiner Figur des Bankräubers in Good Time auch nicht wieder zurückgewinnen. Es kann aber auch sein, dass Pattinson wirklich nur mehr jene Rollen annimmt, die er auch spielen will. Verdient hat er mit der Marketingmaschine rund um Twilight jedenfalls genug. Also nichts wie ran an die verkorksten Persönlichkeiten, die am hintersten Ende der gesellschaftlichen Nahrungskette kauern. Da wäre zum Beispiel der Bankräuber Connie, der alles in Bewegung setzt, um seinen geistig zurückgebliebenen Bruder aus dem Knast zu befreien. Von der markierten Beute ist nichts mehr übrig, also muss Connie improvisieren, nachdem er herausfindet, dass sein eigen Fleich und Blut nach einer Gefängnisschlägerei im Krankenhaus seine Wunden leckt. Von da an gerät der gehetzte Pattinson vom Hundertste ins Tausendste, und es folgt das Unerwartete auf dem Fuß.

Insofern ist der Antrieb, der hinter Good Time steckt, eine Folge völlig unkalkulierbarer Geschehnisse, die unseren Antihelden immer weiter vom eigentlichen Ziel wegbringt. Im Grunde geht alles schief, und ins Gras beißen muss, wer ungewollt zum Handkuss kommt. Dieses Scheitern eines Plans zelebrieren schon die Coen-Brüder zu Genüge, denn nichts weckt mehr Schadenfreude, als wenn Suppen gerade von jenen ausgelöffelt werden müssen, die sie eingebrockt haben. Robert Pattinson könnte einem aber fast leidtun, so sehr fällt er ins scheinbar Bodenlose, in einen Morast voller Problemchen, die zwar einzeln und im Moment zu lösen wären, das ganz große Problem aber nicht mal im Ansatz berühren. Das führt sogar zu einem Showdown in einer Geisterbahn mitten in der Nacht.

Die Gebrüder Safdie, die ich bislang nicht auf dem Radar hatte und die sich vor allem als Independentfilmer einen Namen machten, haben dennoch eine seltsam befremdliche Krimiposse zusammenfabuliert, die mal in rosarotem, mal in blauem Neonlicht ersäuft und mit penetranten Synthie-Klängen so sehr nervt, dass man am liebsten in den Mute-Modus gehen würde. Und dann diese Dissonanz im Erzählstil. Eingangs sehen wir den gehandicapten Bruder minutenlang im Close Up während einer Therapie. Langsam, fast statisch, spurt der Film dann auf eine komplett andere Gangart, die nach gehetzten Intervallen wieder in Passivität verharrt. Bei manchen Szenen ist deren sinnhafter Beitrag zur Story fast schon dringend zu hinterfragen. Mag sein, dass Good Time fast schon ein gehobenerer Underground-Film zu sein scheint – sofern es sowas überhaupt gibt. Zumindest wäre der kleine, finstere Psychokrimi ein Stoff, aus dem Nicolas Winding Refn Ähnliches gemacht hätte. Sound und Bilder erinnern zumindest schon mal an seine gewalttätige 80er-Hommage Drive.

Unterm Strich kann man sich in Good Time von Robert Pattinson’s schauspielerischen Qualitäten durchaus überzeugen. Dass er´s draufhat, war mir ohnehin schon klar. Doch der schlaksige Brite war noch nie so ungestüm, so wetternd, so aus dem Bauchgefühl heraus agierend. Hier wiederum haben die Safdies aufs richtige Pferd gesetzt – und das Beste aus dem Ex-Vampir herausgeholt. Der Film selbst hat schon seine Momente, aber eine innere, unbefriedigte Unruhe bleibt nach dessen Sichtung dennoch zurück – so, als hätte man selbst noch etwas zu erledigen, weiß aber bei Gott nicht wie.

Good Time