Aquaman: Lost Kingdom (2023)

SO VIELE MEILEN UNTER DEM MEER

6/10


aquamanlostkingdom© 2023 Warner Bros. Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: JAMES WAN

DREHBUCH: DAVID LESLIE JOHNSON

CAST: JASON MOMOA, PATRICK WILSON, AMBER HEARD, YAHYA ABDUL-MATEEN II, NICOLE KIDMAN, RANDALL PARK, DOLPH LUNDGREN, TEMUERA MORRISON, PILOU ASBÆK, MARTIN SHORT U. A.

LÄNGE: 2 STD 4 MIN


Unter der Riege Zack Snyders hatte die Elite der DC-Superhelden wenig Sinn für Humor, dafür aber konnten sich diese formschön und mit Bildgewalt so richtig in Szene setzen, als wären sie gerade erst aus ihren Panels gestiegen. James Wan, seines Zeichens Schöpfer des Folter-Franchise Saw und Macher von Conjuring, wollte da schon mehr sein Publikum zum Lachen bringen – und das Pathos insofern aus dem Storytelling quetschen, damit immerhin noch Schauwerte übrigblieben, die bibelgleiche Himmelsstimmungen nicht mehr am Radar hatten. Der DC-Overkill war geboren – Aquaman aus dem Jahr 2018 hat zwar Jason Momoa als leuchtturmfestes Zentrum auf der Habenseite – ringsherum aber tobt ein CGI-Gewitter, das selbst so ausufernde Rechner-Schlachten wie George Lucas‘ Angriff der Klonkrieger als nüchternen Arthouse-Film erscheinen lassen. Hinzu kommt der unfreiwillig komische Antagonist namens Black Manta, ein Schurke mit Lord-Helmchen-Optik und seltsamen Intentionen für sein Handeln. Wenn dann die Haarpracht der Atlanter unter Wasser separatistische Züge annimmt und man einem wie Willem Dafoe deutlich ansieht, dass er diese seine Rolle wirklich nur des Geldes wegen angenommen hat, erweckt das den deutlichen Eindruck, ein hochbudgetiertes, aber heillos überfrachtetes Königsdrama vorgesetzt bekommen zu haben, das mit Guilty-Pleasure-Gurken wie Masters of the Universe nicht nur Dolph Lundgren gemeinsam hat. Ein Flash Gordon unter Wasser hätte es werden können – mit Charme und verspielter Naivität. Was daraus wurde? Ein Kassenschlager. Und wieder einmal mehr der Beweis dafür, dass gutes Einspiel nichts über die Qualität eines Filmes aussagt.

Warum also habe ich nun ein zweites Mal den stolzen Preis einer Cinegold-Kinokarte gelöst, wenn schon das erste Solo-Abenteuer aus meiner Sicht so sehr zu wünschen übrigließ? Erstens resultiert meine teils unreflektierte Entscheidung daraus, dass Superheldenfilme aus Marvel und DC stets auf meiner Watchlist stehen. Zweitens stirbt die Hoffnung, dass die Macher aus ihren Fehlern vielleicht gelernt haben könnten, zuletzt. Drittens ist der Guilty-Pleasure-Faktor, wenn man gemeinsam mit dem Sohnemann und jeder Menge Popcorn in einem fast leeren Kino sitzt, unübersehbar.

Nach rund zwei Stunden solider Unterhaltung ist klar: Die Hoffnung hat nochmal die Kurve gekriegt, Aquaman behält Oberwasser. Das in sich abgeschlossene Abenteuer rund um ein verlorenes Königreich schließt ohne Wehmut, doch mit Reminiszenzen an literarische Vorbilder, die Pforten einer Welt, in der das Casting der Helden das Beste war, was DC jemals passieren konnte. Momoa fühlt sich in seinem Da Capo-Auftritt regelrecht verpflichtet dazu, mit Humor vieles besser zu machen. Das Vertrauen darauf, dass er es damit ehrlich meint, schwindet ab und an, doch prinzipiell kann man ihm dankbar sein. Patrick Wilson, der vormals seinem Halbbruder den Thron streitig machen wollte, wirkt fast schon wie eine Alternative zu Captain America. Und der intelligente Wissenschafts-Normalo Randall Park, der auch im Marvel-Universum mitmischt, probt den Aufstand im Kleinen, was das Abenteuer bis zu einem gewissen Grad erdet. Diesem Dreier-Gespann ist es zu verdanken, dramaturgisch solide zu bleiben. Amber Heard, Nicole Kidman und all die anderen Mitstreiter bleiben flach und empfinden niemals, was in ihrem Skript steht. Doch das macht nichts. Denn der großartige Jules Verne schwebt als körperlose Ideen-Entität über allem. Das, was Bösewicht Black Manta unter dem Eis der Antarktis findet, wird zum aquanautischen Retro-Paradies für Fans des Schmökers 20.000 Meilen unter dem Meer. Wäre es nicht der finstere Kordax, der darauf wartet, das siebente Königreich dank des umweltschädlichen Orichalcum-Gemischs, das als phantastisches CO2-Schreckgespenst die Welt aufheizt, wieder erstarken zu lassen, hätte auch Captain Nemo sein Konterfei durchs kristallklare Eis der Tiefe schimmern lassen können. Das U-Boot, mit welchem der wahnsinnige David Kane Atlantis überfällt, wird zweifelsohne zur Nautilus. Das Meer wird zum Dorf, und dennoch für die Oberwelt eine Terra incognita, aus der nichts an die Festlandvölker hindurchsickert, so wild auch die Kriege da unten toben mögen.

Mit dieser Patina aus lang vergangenen Technologie-Zeiten zwischen Steampunk, Fluch der Karibik und Arielle, die Meerjungfrau nimmt Aquaman: Lost Kingdom zumindest jede zweite Welle – unterm Meeresspiegel ein guter Schnitt. Das Abenteuer, wenn auch nicht sonderlich originell, bleibt kurzweilig und lässt seine retromechanischen Kraken auffallend oft durch Bild staksen. Jules Verne selbst, wäre er im Auditorium gesessen, hätte wohl Spaß daran gehabt, wenngleich ihm so manche evolutionäre Unlogik schmecken würde wie ein Schluck Salzwasser.

Aquaman: Lost Kingdom (2023)

The Expendables 4 (2023)

DER LETZTE REST VOM SCHÜTZENFEST

5/10


expend4bles© 2023 Leonine Distribution


ORIGINAL: EXPEND4BLES

LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: SCOTT WAUGH

DREHBUCH: KURT WIMMER, TAD DAGGERHART & MAX ADAMS

CAST: JASON STATHAM, SYLVESTER STALLONE, MEGAN FOX, DOLPH LUNDGREN, RANDY COUTURE, 50 CENT, ANDY GARCIA, IKO UWAIS, LEVY TRAN, TONY JAA, EDDIE HALL U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN


Weihnachten kommt früher, als man denkt. Und zwar in Gestalt des mimisch auf Nummer sicher gehenden Actionhelden Jason Statham, der seit Sylvester Stallones vor vielen Jahren ins Leben gerufenen 80er-Reminiszenz The Expendables als Lee Christmas sets in Erscheinung tritt, wenn er nicht gerade mal für Guy Ritchie im Tweed gute Figur macht oder Riesenhaie mit Füßen tritt. Als Gespielin, mit der er zu Anfang des Films Zoff hat, darf die mit sowohl dauergeschürzten als auch aufgeschminkten Lippen bewaffnete Megan Fox herumzetern, was ihr leidlich gelingt, denn für Größeres geschaffen zu sein als den freizügigen Vamp zu geben – das ist dem Ex-Transformers-Hingucker, der sich entweder selbst sexualisiert oder sexualisiert wird, leider nicht vergönnt. Statham tut sein Bestes, um darauf mit allerlei Klischees des verständnislosen Adonis zu reagieren – eine Rolle, die noch dazu cool genug sein muss, damit Sylvester Stallone auch noch was davon abbekommt. Der ist als 77jähriger und mehrfach unterm Messer gelegener Barney Ross Zugpferd der Söldnertruppe titelgebenden Namens, und das bereits zum vierten Mal. Als er bei Stathams an die Tür klopft, lässt sich schon irgendwie erahnen, dass das für den 80er-Haudegen das letzte Mal sein wird. Lang genug hat er den Rambo- und Rocky-Drachen schließlich geritten oder als Glücksschwein vor sich her gepeitscht. Für diesen Barney bleibt kaum mehr über als die Rolle eines Conférenciers, der einen generischen Actionfilm einläuten darf, um dann wieder, am Ende, den Final Curtain fallen zu lassen. Dazwischen ist Platz für Gastauftritte aus dem Osten: Ong Bak-Haudrauf Tony Jaa als Kampfkunstguru, der genug vom Töten hat. Und Iko Uwais – bekannt geworden als zähe Nuss, die sich in The Raid in feinster Martial Arts-Choreografie durch ein Hochhaus voller Böslinge schnetzelt.

Mittlerweile sind fast alle größeren und kleineren Actionhelden der Achtziger und Neunziger-Dekade zum Handkuss gekommen. Wir hatten Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger, Wesley Snipes, Jean-Claude van Damme oder Antonio Banderas. Wir hatten Harrison Ford, Mel Gibson, Mickey Rourke und sogar Chuck Norris! Geblieben sind Dolph Lundgren und der Wrestler Randy Couture, das Zusammentragen eines ebenso starken Ensembles wie in den Vorgängerfilmen fiel diesmal sichtlich schwerer. Na gut, 50 Cent ist dabei und eingangs erwähnte Megan Fox, die in das Ensemble natürlich reinpasst. Levy Tran kennen allerdings nur Fans der McGyver-Neuauflage, sonst ist dieser Star wohl eher auf mittleren Comic Cons zu finden. Die Luft ist draußen, die Gästeliste kurz. Ach ja, Andy Garcia mischt mit. Doch der hat auch schon mal bessere Filme erlebt. Denn The Expendables 4 ist die Molke einer durchraffinierten Idee zur Mobilisation junggebliebener Kinder der Achtziger, die Arnie, Stallone und Co mit der Muttermilch abbekommen haben. Ein Who is Who gut gealterter Jahrgänge, mit Selbstironie vollgepumpt statt mit Anabolika, und agierend inmitten rustikaler Action, die vor allem mit einer Vielzahl an Waffen und satter Pyrotechnik punkten durfte. Darüber hinaus war das ganze pures Adrenalinkino – weibliche Ikonen wie Brigitte Nielsen, Cynthia Rothrock, Linda Hamilton oder Sigourney Weaver hätten das Starensemble noch mehr Nuancen verliehen – doch zumindest jetzt, im Finale Grande, gibt’s ein kleines Zugeständnis.

Sieht man aber von der kleinen Möchtegern-Selbsthilfegruppe genötigter Actionstars ab, die ihre Genre-Highlights, die sie großgemacht haben, kaum mehr zitieren können, darf die Angelegenheit als routiniertes Auslaufmodell betrachtet werden. Als ein durch pflichtbewussten Applaus zurück auf die Bühne geholtes Ensemble, das, längst schon müde vom heutigen Abend, nochmal eine Nummer schiebt. Das große Gähnen bleibt jedoch aus. Vielleicht liegt das daran, dass man The Expendables 4 (nach eigener Erfahrung) genau dann konsumieren sollte, wenn nach einer harten Woche wirklich nichts mehr geht, wenn das Blödschauen im Kino besser funktioniert als das Fernsehschlafen daheim, ersteres ist schließlich exklusiver. Und so folgt der sympathisierende Actionfan einem austauschbaren, von Kurt Wimmer (u. a. Equilibrium) mitverfassten Plot rund um Zündkapseln und Atombomben, um einen fiesen Mr. X, der sich Ozelot nennt und einen gekaperten Frachter auf hoher See, dessen Szenen, die darauf abgehen, klar unterschieden werden können zwischen Greenscreen und einigen wenigen Outdoor-Minuten. Das wirkt billig, und ist es auch. Doch High Quality ist schließlich nicht das, was auf den Expendables draufsteht. Meine Güte, es ist Trash. Es bietet nichts sonst, außer vorgestrige männliche Stereotypen, die dem Franchise geschuldet sind (denn so müssen sie schließlich auftreten) und dem Willen, den dritten Weltkrieg zu verhindern. Das ist ja immerhin etwas.

The Expendables 4 (2023)

Minions: Auf der Suche nach dem Mini-Boss

KUNG FU-KROKETTEN MIT HUNDESEELE

6,5/10


minions2© 2022 Universal Pictures Entertainment Germany


LAND / JAHR: USA, FRANKREICH, JAPAN 2022

REGIE: KYLE BALDA, BRAD ABLESON, JONATHAN DEL VAL

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): STEVE CARRELL, PIERRE COFFIN, ALAN ARKIN, TARAJI P. HENSON, JEAN-CLAUDE VAN DAMME, MICHELLE YEOH, DOLPH LUNDGREN, LUCY LAWLESS, DANNY TREJO, RZA, JULIE ANDREWS, RUSSEL BRAND U. A. 

MIT DEN STIMMEN VON (DEUTSCHE SYNCHRO): OLIVER ROHRBECK, THOMAS GOTTSCHALK, DELA DABULAMANZI, BASTIAN BAKER, LARISSA MAROLT, MEYLAN CHAO, TILO SCHMITZ U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Dieser Gru ist wirklich ein komischer Kauz. Spitznasig, staksig, immer mit Schal, seltsamem Akzent und was vor allem auffällt: mit einer Stimme, die nicht die eines Kindes ist. Dabei ist Gru gerade mal elfeinhalb Jahre alt – und besessen davon, ein Oberschurke zu werden. Dass er in diesem präpubertären Alter sich selbst bereits als unverbesserlich bezeichnet, ist ja fast schon weise Selbstreflexion. Doch es ist nun mal so: Gru ist ein Einzelgänger, hat weder Freunde noch eine Mutter, die sich sonderlich um ihn schert. Was macht so jemand? Er legt sich einen Hund zu. Stimmt, den hat er auch. Was aber jede treue Hundeseele in den Schatten stellt, das ist die Anhänglichkeit der gelben runden TicTacs mit Brille, blauen Latzhosen und internationalem Wortschatz irgendwo zwischen Spanisch, Italienisch und je nachdem, welche Synchronspur gerade mal über dem Film liegt. Diese Helferleins haben eine Vorliebe für Bananen, Musik und würden mit allem, was ein Baumarkt so hergibt, etwas anfangen können. Am Ende der Origin-Episode über die Herkunft der Minions konnten wir dem Einstand des kleinen Gru beiwohnen, der wiederum die Aufmerksamkeit der gelben Kerle auf sich zog – und diese nun an der Backe hat. Fehler ist das keiner – die Minions machen alles, was man ihnen sagt. Sie sind hilfsbereit und kreativ, vergessen aber auch nicht ihre eigenen Bedürfnisse und lassen sich überdies sehr leicht ablenken.

Da passiert es, dass Gru eines Tages von den fiesen 6 – einer Siebziger-Räuberbande als Hommage an das Exploitation-Kino besagter Dekade – plötzlich zum Casting für ihren neuen Boss eingeladen wird, denn vom alten, auch bekannt als der Wilde Knöchelknacker, wurde die Gang ganz plötzlich überdrüssig. Natürlich reißt so ein juveniler Sonderling kein Leiberl bei Disco Donna, Jean Klaue, Skandinator und Co. Doch bevor sich dieser wieder verabschieden muss, lässt er ein wertvolles Amulett mitgehen – eine Aktion, welche die Superschurken so ziemlich erzürnt. Und da ist noch der geschasste Oberfiesling, ebenfalls gierig nach dem Amulett. Darüber hinaus muss dieser seiner verräterischen Meute noch gehörig die Leviten lesen. Zwischen all diesem hitzigen Crossover aus Superschurken, die einander so manches antun und wegnehmen wollen, irren die Minions Kevin, Stuart, Bob und Otto in diversen Outfits umher, um das Amulett zu beschützen und auch ihren geliebten Mini-Boss wiederzufinden. Eine Mission: Impossible für jeden anderen vielleicht. Für Improvisationstalente, wie diese vier Kroketten es sind, zwar nicht unbedingt ein leichtes, aber ein Abenteuer, dass den unbeirrbaren Willen dieser Wesen erneut mit herzhaft angerichtetem Slapstick feiert.

Dabei sind die besten Szenen tatsächlich schon im Trailer zu sehen. Wer das nicht getan hat, wird den Willkommensbonus haben, wenn die Minions ein Flugzeug steuern. Richtig detailfreudig und liebevoll auch deren Genese zu fernöstlichen Haudraufs, die das Tier in sich entdecken. Die skurrile Situationskomik, mit der die Minions einfach allein schon durch ihre schlichte Anwesenheit, durch ihre Mimik und ihre heliuminhalierten Stimmchen punkten, ist immer wieder ein Gaudium. Und gerade in den kleinen Nebenszenen über die Tücken des Alltags erreichen die Kultfiguren ihre Höchstform. Da lässt das generische, aber formschön und exquisit animierte Getöse aus grotesken Vehikeln und phantastischem Kreaturenzauber den Minions kaum Luft, sich zu entfalten. Doch anders als beim Vorgänger ist die Story in Minions: Auf der Suche nach dem Mini-Boss über Schurken und solche, die es wieder oder erstmalig werden wollen, tatsächlich überschaubar und straff konstruiert. Gerade die Figur des Wilden Knöchelknackers, stimmlich vertreten durch Thomas Gottschalk (was ihn auch noch einen Tick sympathischer macht) ist neben Gru die am besten entworfene im ganzen Universum von Illumination, und die Kooperation der beiden wird zur gemütlichen Komödie über Vater- und Sohnfiguren. Und irgendwann weiß man nicht mehr: Ist es ein Prequel zu Ich: Einfach unverbesserlich oder das Sequel zu den Minions?

Der Titel macht uns sicher. Die gelben Engel sind aus der Popkultur einfach nicht mehr wegzudenken und werden trotz mancher Abenteuer, die ihnen über den Kopf wachsen und sie fast an den Rand drängen, noch lange nicht von der Kinoleinwand purzeln.

Minions: Auf der Suche nach dem Mini-Boss