65 (2023)

JURASSIC OHNE PARK

4/10


65© 2023 Sony Pictures Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

BUCH / REGIE / PRODUKTION: SCOTT BECK, BRYAN WOODS

CAST: ADAM DRIVER, ARIANA GREENBLATT, CHLOE COLEMAN, NIKA KING U. A.

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Simpler lässt sich ein Film kaum stricken. Doch das sollte Im Genre des Action- und Abenteuerfilms kein Grund dafür sein, deswegen verwundert die Augenbrauen hochzuziehen. Hier geht’s vor allem darum, spektakuläre Stunts in Szene zu setzen und Schauwerte zu liefern. Die Protagonisten in Bedrängnis zu bringen, aus der sie sich meistens wieder befreien können, es sei denn einer wie John Boorman sitzt am Regiestuhl, um jeden beim Sterben den ersten sein zu lassen. Wenn Adam Driver durchs Gemüse stolpert, vorzugsweise durch einen 65 Millionen Jahre zurückliegenden Sumpf- und Nebelwald unseres Planeten, braucht man nicht darauf spekulieren, dass dieser Mann es nicht schaffen würde, seinen Hintern zu retten. Vor allem dann, wenn an seiner Seite ein verwaistes Mädel, das noch dazu eine gänzlich andere Sprache spricht als Mr. Kylo Ren selbst, hinter ihm herläuft. Da haben wir es wieder: Den väterlichen Beschützer und das schutzbedürftige Kind. Woran erinnert das? Klar, an so gut wie gefühlt hundert andere Plots, aber aktuell natürlich an The Last of Us. Da wie dort wird die Metaebene eines kaum verschmerzbaren Verlustes errichtet, welche durch den zufälligen Neuzugang diesen zwar nicht ersetzen, aber weitestgehend lindern kann.

Es ist nicht so, wie ich anfangs vermutet hätte, dass Adam Driver einen auf Charlton Heston macht und als Erdlings-Astronaut der Zukunft ohne es zu wissen zeitverschoben wieder zurück an den Start gelangt. Driver ist kein Mann von Übermorgen, sondern einer aus der weit weit entfernten Vergangenheit. Und nicht vom Planeten Terra, sondern von irgendeinem anderen erdähnlichen Himmelskörper – und gerade unterwegs durchs All Richtung Heimat, mit einigen im Kryoschlaf befindlichen Passagieren an Bord, die von A nach B wollen. Dummerweise gerät der kleine Kreuzer in ein Asteroidenfeld und kracht daraufhin auf unseren lieben Planeten – und zwar in den letzten Tagen der Dinosaurier, ganz späte Kreide. Der Yucatan-Asteroid strahlt bereits wie der Stern vom Betlehem vom Himmel. Und das ist nicht die einzige Tatsache, die Adam Driver Stress macht. Während das Schiff auseinanderbricht und alle bis auf ein Mädchen das Zeitliche segnen, muss er dieses zur 15km entfernt niedergegangenen Rettungskapsel bringen. Mit dem High-Tech-Gewehr im Anschlag arbeiten sich beide durch eine sehr vertraut wirkende, bedrohliche Wildnis. Und kein Elektrozaun, kein Jeep oder Chris Pratts Handauflegen können die wie aus der hintersten Gosse wirkenden Grunge-Dinos daran hindern, sich das Lätzchen umzubinden.

Während im Jurassic Park-Franchise die Megafauna noch so aussieht wie aus einer fachgerechten Jugend-Enzyklopädie über die Urzeit, motzen hier nun seltsam deformierte, entstellte und eigentlich hässliche Halloween-Kreaturen herum – als wollten Scott Beck und Bryan Woods ganz bewusst – und daher auch allzu gewollt – Rufmord an einer von Buben heißgeliebten Saurier-Idealwelt begehen. Klar sind diese Viecher grandios animiert – für die Finsternis, die sie in sich tragen, gibt’s jedoch keinerlei Grund. Abgesehen von diesen Schauwerten der zweifelhaften Art hat 65 einen Plot zu bieten, dessen Background-Story wie ein Platzhalter wirkt. Der darauf errichtete Survivaltrip ist so vorhersehbar wie der baldige Untergang der geschuppten Kolosse, die Emotionen banal und die Szenarien vor allem am Ende so fragwürdig, dass sich manch verwöhnter Genre-Nerd plötzlich gerne an Bryce Dallas Howards Stöckelschuh-Run in Jurassic World erinnert.

Es war beim Trailer schon klar: Dieser Film hat eine 50/50-Chance. Entweder ist das plakative Abenteuer so schneidig wie A Quiet Place – oder so trivial, dass es gut ins Netflix-Sortiment für im Vorfeld aufgegebene Studiofilme passt. Trotz Adam Driver, der eben seine Arbeit tut, aber auch nicht mehr, und einer prähistorischen Endzeitstimmung, wie sie Emmerich wohl nicht besser eingefangen hätte, bleibt der Thriller dennoch schal. Wenn doch nur jemand mal den Mut hätte, als diese Formeln neu umzuschreiben. Die Zielgruppe wäre erpicht darauf – SONY war es leider nicht.

65 (2023)

Rubikon

DA BRAUT SICH WAS ZUSAMMEN

6/10


rubikon© 2022 Filmladen


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2022

REGIE: LENI LAURITSCH

BUCH: LENI LAURITSCH & JESSICA LIND

CAST: JULIA FRANZ RICHTER, GEORGE BLAGDEN, MARK IVANIR, NICHOLAS MONU, KONSTANTIN FROLOV, LJUBISA GRUICIC, JONAS GERZABEK, HANNAH RANG U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Es gibt ihn also doch, den Genrefilm inmitten der österreichischen Filmlandschaft. Doch man muss ganz genau schauen, um ihn zu entdecken. Das ist wie beim Pilzesuchen in einem Wald voller Farne. Irgendwo leuchtet etwas Gelbes hindurch – eine Besonderheit, die später auf den Tisch kommt. Oder ins Kino. Wie eben einer von nur ganz wenigen Science-Fiction-Filmen, für welches sich der Filmfonds Austria und das Österreichische Filminstitut durchgerungen haben, Geld zu investieren.

Die letzte Zukunftsvision, die hierzulande produziert wurde, war The Trouble with Being Born – Androiden ersetzen verschwundene oder verstorbene Personen. Alles recht kunstvoll, recht sperrig, fast schon wie das obligate Betroffenheitskino, doch das gewisse Etwas hatte der Streifen von Sandra Wollner dennoch. Wäre der Film ebenfalls gesponsert worden, wenn er sich nicht so dermaßen als Kopfkino etabliert hätte? Wenn er gefälliger gewesen wäre? Eine einfachere Sprache gehabt hätte? Wenn er sich mehr an westliche Produktionen orientiert hätte wie eben Rubikon? Bei diesem hier wurde eine Ausnahme gemacht, und das vermutlich deshalb, weil Rubikon sich nicht als klaustrophobischer Science-Fiction-Horror vermarkten lassen will wie Alien, Life oder The Cloverfield Paradox, die alle ein ähnliches Grundsetting haben. Sondern weil sich Leni Lauritsch mit etwas sehr Brisantem beschäftigt, und zwar mit dem ökologischen Notstand unseres Planeten. Und nicht nur mit diesem. Nebst der Klimakrise ist das zukünftige Resultat der momentanen Teuerungswelle und der eskalierenden Gier nach Profit die Auflösung aller Staaten und die Aufteilung aller Landmassen in von Konzernen kontrollierten Gebieten, die noch dazu untereinander Krieg führen. Irgendwie ist in dieser Vision des Jahres 2056 alles im Argen, und von oben, aus dem Orbit, blicken eine Handvoll Astronauten auf die Erde hinab, die derweil noch so aussieht wie sie es immer vom Weltraum aus tut. Friedlich, mit Lichtern gesprenkelt, umsponnen von weißen Wolken. Ein Anblick, den die Besatzung der Raumstation Rubikon jeden Umlauf lang genießen kann, wenn sie gerade mal nicht damit beschäftigt ist, eine Methode zu finden, um anhand von Algen gesunde, saubere Luft zu erzeugen. Die Lösung für alle Probleme.

Doch dann wird’s finster – zumindest auf der Erde. Schmutzigbraune Wolkenbänke schieben sich flächendeckend über den Globus, und es scheint, als wäre das Ende der Menschheit nah. Wie lange noch lässt es sich im Weltraum überleben? Oder sollen alle zurück auf die Erde, mitsamt dem Grünzeug im Schlepptau, um frische Luft in die Apokalypse zu bringen? Eine Gewissenfrage, die jede und jeder der dreiköpfigen Besatzung für sich allein beantworten muss, und deren Antwort nicht unbedingt konform geht mit jener des jeweils anderen. Es entspinnt sich also ein Konflikt aus Für und Wider, aus Trotz und Menschenverstand. Aus Eigennutz und Altruismus. Leni Lauritsch hat hier einige Kernfragen aufs Tapet gebracht – und noch gleich allerhand Leute mit ins Filmteam geholt, die einiges von ihrer Arbeit verstehen. So wirkt Rubikon von vorne bis hinten professionell getrickst, auch wenn wir die paar wenigen Weltraumszenen anderswo schon zur Genüge kennen, uns aber daran womöglich nie sattsehen werden. Das Set Design wirkt nicht billig, für Stimmung sorgen die obligaten engen Gänge, das indirekte Licht und die Einsamkeit des Astronauten vor der Entscheidung, die Menschheit zu retten oder im Stich zu lassen.

Von der Antwort auf diese Frage hängt alles ab. Damit scheint Rubikon als formschönes und exzellent fotografiertes Kammerspiel aber manchmal zu beiläufig umzugehen. Die extreme Situation fordert extreme Handlungen, und dennoch scheint aus psychologischer Sicht mancher Text zu einstudiert, um wirklich den emotionalen Stress im Kopf der Überlebenden zu unterstreichen. Um diese Situation nicht zu gemächlich werden zu lassen, dafür bemühen sich Julia Franz Richter (Der Taucher, Undine) und Co mit sichtlichem Engagement, und nur sehr selten rutschen ihre Intonationen auf dialektgefärbtes Fernsehfilmniveau ab. Lauritsch orientiert sich überdies an Genrebeiträgen aus anderen Ländern, um die Situation in ihrem Film ähnlich nachzuspielen, so zum Beispiel an Joe Pennas Stowaway – Blinder Passagier. Hier allerdings ist die Ausgangssituation etwas anders positioniert: Wo die Luft in Rubikon eine Mindestzahl an Sauerstoffatmern benötigt, um den nötigen Gasaustausch zu gewährleisten, sind es in Stowaway eben zu viele. Auch hier: ein Dilemma entsteht, welches alle Beteiligten an ihre Grundsatzfragen bringt.

Rubikon gelingt besser. Die Dringlichkeit des Ganzen mag zwar nicht ganz so überzeugen, die Prämisse am Ende des Films führt sowieso alles ad absurdum, doch als etwas anderer Beitrag zum österreichischen Film, der vielleicht noch andere Macher ihrer Zunft ermutigt, es ihm in dieser Richtung gleichzutun, ist Rubikon ein achtbares Stück Profi-Handwerk.

Rubikon