65 (2023)

JURASSIC OHNE PARK

4/10


65© 2023 Sony Pictures Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

BUCH / REGIE / PRODUKTION: SCOTT BECK, BRYAN WOODS

CAST: ADAM DRIVER, ARIANA GREENBLATT, CHLOE COLEMAN, NIKA KING U. A.

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Simpler lässt sich ein Film kaum stricken. Doch das sollte Im Genre des Action- und Abenteuerfilms kein Grund dafür sein, deswegen verwundert die Augenbrauen hochzuziehen. Hier geht’s vor allem darum, spektakuläre Stunts in Szene zu setzen und Schauwerte zu liefern. Die Protagonisten in Bedrängnis zu bringen, aus der sie sich meistens wieder befreien können, es sei denn einer wie John Boorman sitzt am Regiestuhl, um jeden beim Sterben den ersten sein zu lassen. Wenn Adam Driver durchs Gemüse stolpert, vorzugsweise durch einen 65 Millionen Jahre zurückliegenden Sumpf- und Nebelwald unseres Planeten, braucht man nicht darauf spekulieren, dass dieser Mann es nicht schaffen würde, seinen Hintern zu retten. Vor allem dann, wenn an seiner Seite ein verwaistes Mädel, das noch dazu eine gänzlich andere Sprache spricht als Mr. Kylo Ren selbst, hinter ihm herläuft. Da haben wir es wieder: Den väterlichen Beschützer und das schutzbedürftige Kind. Woran erinnert das? Klar, an so gut wie gefühlt hundert andere Plots, aber aktuell natürlich an The Last of Us. Da wie dort wird die Metaebene eines kaum verschmerzbaren Verlustes errichtet, welche durch den zufälligen Neuzugang diesen zwar nicht ersetzen, aber weitestgehend lindern kann.

Es ist nicht so, wie ich anfangs vermutet hätte, dass Adam Driver einen auf Charlton Heston macht und als Erdlings-Astronaut der Zukunft ohne es zu wissen zeitverschoben wieder zurück an den Start gelangt. Driver ist kein Mann von Übermorgen, sondern einer aus der weit weit entfernten Vergangenheit. Und nicht vom Planeten Terra, sondern von irgendeinem anderen erdähnlichen Himmelskörper – und gerade unterwegs durchs All Richtung Heimat, mit einigen im Kryoschlaf befindlichen Passagieren an Bord, die von A nach B wollen. Dummerweise gerät der kleine Kreuzer in ein Asteroidenfeld und kracht daraufhin auf unseren lieben Planeten – und zwar in den letzten Tagen der Dinosaurier, ganz späte Kreide. Der Yucatan-Asteroid strahlt bereits wie der Stern vom Betlehem vom Himmel. Und das ist nicht die einzige Tatsache, die Adam Driver Stress macht. Während das Schiff auseinanderbricht und alle bis auf ein Mädchen das Zeitliche segnen, muss er dieses zur 15km entfernt niedergegangenen Rettungskapsel bringen. Mit dem High-Tech-Gewehr im Anschlag arbeiten sich beide durch eine sehr vertraut wirkende, bedrohliche Wildnis. Und kein Elektrozaun, kein Jeep oder Chris Pratts Handauflegen können die wie aus der hintersten Gosse wirkenden Grunge-Dinos daran hindern, sich das Lätzchen umzubinden.

Während im Jurassic Park-Franchise die Megafauna noch so aussieht wie aus einer fachgerechten Jugend-Enzyklopädie über die Urzeit, motzen hier nun seltsam deformierte, entstellte und eigentlich hässliche Halloween-Kreaturen herum – als wollten Scott Beck und Bryan Woods ganz bewusst – und daher auch allzu gewollt – Rufmord an einer von Buben heißgeliebten Saurier-Idealwelt begehen. Klar sind diese Viecher grandios animiert – für die Finsternis, die sie in sich tragen, gibt’s jedoch keinerlei Grund. Abgesehen von diesen Schauwerten der zweifelhaften Art hat 65 einen Plot zu bieten, dessen Background-Story wie ein Platzhalter wirkt. Der darauf errichtete Survivaltrip ist so vorhersehbar wie der baldige Untergang der geschuppten Kolosse, die Emotionen banal und die Szenarien vor allem am Ende so fragwürdig, dass sich manch verwöhnter Genre-Nerd plötzlich gerne an Bryce Dallas Howards Stöckelschuh-Run in Jurassic World erinnert.

Es war beim Trailer schon klar: Dieser Film hat eine 50/50-Chance. Entweder ist das plakative Abenteuer so schneidig wie A Quiet Place – oder so trivial, dass es gut ins Netflix-Sortiment für im Vorfeld aufgegebene Studiofilme passt. Trotz Adam Driver, der eben seine Arbeit tut, aber auch nicht mehr, und einer prähistorischen Endzeitstimmung, wie sie Emmerich wohl nicht besser eingefangen hätte, bleibt der Thriller dennoch schal. Wenn doch nur jemand mal den Mut hätte, als diese Formeln neu umzuschreiben. Die Zielgruppe wäre erpicht darauf – SONY war es leider nicht.

65 (2023)

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

UND EWIG LOCKT DER THEMENPARK

6/10


jurassicworld_dominion© 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: COLIN TREVORROW

CAST: BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, ISABELLA SERMON, LAURA DERN, SAM NEILL, JEFF GOLDBLUM, DEWANDA WISE, CAMPBELL SCOTT, MAMOUDOU ATHIE, OMAR SY, SCOTT HAZE U. A.

LÄNGE: 2 STD 28 MIN


Es ist auch schon wieder knapp dreißig Jahre her, seit Laura Dern, Jeff Goldblum und Sam Neill vor dem heranpirschenden Tyrannosaurus rex im offenen Jeep das Weite gesucht hatten. Steven Spielberg konnte mit diesem Einstand tatsächlich das Kino verändern, allein dafür zählt er zu den wichtigsten Regisseuren der Filmgeschichte. Die Dinos im Kino waren ein Erlebnis – und sind es noch. Das kitzelt das Kind in jedem Manne hervor, und man schalt sich selbst dafür, die eigenen Plastiksaurier irgendwann mal billig auf dem Pfarrflohmarkt verhökert zu haben. Als Kind hätte man sich gewünscht, dass Urzeitriesen tatsächlich noch existieren würden – in friedlicher Nachbarschaft mit uns Menschen, die nicht auf dem Speiseplan sämtlicher Prädatoren stünden.

So eine ähnliche Vision ist nun, im sechsten Teil der ganzen Franchise, Wirklichkeit geworden, und John Hammond, der kauzige DNA-Weihnachtsmann mit Gehstock, hätte wohl die Hände zusammengeschlagen, wenn er noch gesehen hätte, was sein wissenschaftlicher Ehrgeiz letzten Endes losgetreten hat und vor welchem ökologischen Supergau die Welt heute steht, irgendwo in einem alternativen Universum, in dem passiert ist, was eben passieren muss, sofern wir der Chaos-Theorie laut Dr. Ian Malcolm Glauben schenken wollen: Die Natur findet seinen Weg. So viele Faktoren, die ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen, können vom noch so statistisch versierten menschlichen Superhirn gar nicht allesamt berücksichtigt werden. Statt Corona sind es nun die Urzeitechsen aus allen Epochen des Mesozoikums, die sich parthenogenetisch fortpflanzen und so ihr Überleben sichern, vielleicht gar das Überleben über die Existenz des um Kontrolle ringenden Menschen hinaus.

Mit dieser Dystopie – oder Utopie (je nachdem von welchem Blickwinkel aus man es betrachtet) konnte Regisseur und Drehbuchautor Colin Trevorrow gut arbeiten. Was Jurassic World: Ein neues Zeitalter hier grundlegend zeigt, ist das Was wäre wenn-Szenario einer unmöglichen Koexistenz. So sehr dem ganzen Konzept auch aus wissenschaftlicher Sicht der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann (und das war, wenn man es genauer betrachtet, von Anbeginn an so), lässt dieses tendenziell triviale Wünschdirwas für Saurierfans sein Publikum erst dann so richtig staunen, wenn in einen für uns gewohnten Alltag plötzlich die Erdgeschichte bricht, unter tonnenschwerem Gestampfe und leider nervigem, weil unentwegtem Brüllen. Denn die Dinos in Jurassic World sind Attraktionen und selten lebendiger Teil eines nicht mehr vorhandenen Ökosystems – Pop-Ups mit Event-Knopf auf einem Themenpark, dessen Pforten seit 1993 immer noch offen stehen. Dieser Film hier zieht einen vorläufigen Schlussstrich unter einer so langen Zeit des Rennens, Rettens und Flüchtens. Alles, was gut und brauchbar war, findet hier wieder sein aufgedröseltes Ende, eben auch die gut in Form gebliebenen Altstars und die Helden Bryce Dallas Howard und Chris Pratt.

Da das Franchise sehr stark darauf ausgerichtet ist, die Masse zu begeistern, gibt’s auch keine vielen Überraschungen. Alles passiert abermals. Mit „more of the same“ bereiten zweieinhalb Stunden Abenteuer durchaus Vergnügen, auch wenn der Bonbon bis zum weichen Kern durchgelutscht scheint. Vom Wow-Moment aus Spielbergs Erstling sind wir meilenweit entfernt, doch zum Abklatsch verkommt das Grande Finale dann doch auch nicht. Die Liebe zum Stoff steckt eben im Detail. Wenn Pratt und Howard den maltesischen Schwarzmarkt fürs Dinos entern, findet Jurassic World: Ein neues Zeitalter zivilisationskritische, ja durchaus düstere Bilder und gelangt zu einer knackigen dramaturgischen Dichte, die an Mission: Impossible erinnert, nur mit dem Unterschied, dass hier nicht ab Abzüge, sondern Raptoren klicken.

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

Iron Sky: The Coming Race

DER MENSCHEN HOHLE NUSS

4/10

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA© 2019 Einhorn Film

 

LAND: FINNLAND, DEUTSCHLAND, BELGIEN 2019

REGIE: TIMO VUORENSOLA

CAST: LARA ROSSI, VLADIMIR BURLAKOW, UDO KIER, KIT DALE, TOM GREEN, JULIA DIETZE U. A.

 

Der Mann ist sich für nichts zu schade. Seine Motivation, auch dem größten Müll auf der Leinwand seine hypnotisch stierende Aura zu verleihen , mittlerweile legendäre Methode. Die Rede ist von Udo Kier, der in fast allen Filmen von Lars von Trier zu finden ist, bei Gus van Sant, Wim Wenders oder in den Fernsehserien von David Schalko. Der aber auch für ärgsten Trash wie Hexen bis aufs Blut gequält, Spermula, Dracula 3000 oder Far Cry seine Gage kassiert hat. Und ja, natürlich auch für Filme wie Iron Sky. Und da gibt es 7 Jahre später den zweiten Aufguss. Warum erst so spät? Nun, selbst C-Movies wie dieser wollen was kosten, das glaubt man gar nicht, wie viele Millionen hier verschlungen wurden, nämlich satte 20, und selbst das ist noch gering, wenn man Iron Sky: The Coming Race mit Blockbustern des selben Genres vergleicht. 20 Millionen also, für einen Unsinn wie diesen? Immerhin ein Unsinn, der seine Fangemeinde hat. Der aber sein Budget auch nicht aus dem Ärmel schüttelt. Daher Crowdfunding, der salonfähige Spenden-Call unter Liebhabern und Freunden. Und das braucht seine Zeit, soll doch der Look des Sequels dem des Originals um nichts nachstehen. Was er dann auch nicht tut. Denn Iron Sky: The Coming Race ist, trotz seiner Etikette als Low Budget Produktion, visuell ansprechender als so mancher Sharknado- und Jurassic-Galaxy-Quark. Da hat das Team rund um den Finnen Timo Vuorensola eigentlich alles richtig gemacht – mitunter das Hakenkreuz am Mond und sämtliche Versuche, die Steampunk-Dystopie weniger wie Mondbasis Alpha erscheinen zu lassen, sondern eher wie die rostigen Grunge-Eingeweide unter ausgedienten Industrieanlagen.

Dabei kommt die Idee zu diesem Iron Sky-Irrsinn nicht von irgendwoher. Die gab’s schon viel früher, natürlich nicht genauso, natürlich schon ganz anders, aber diese verzerrten Visionen einer Vril-Gesellschaft hatte schon der Engländer Edward Bulwer-Lytton in seiner tatsächlich auch so betitelten Romanausgabe The Coming Race, die von unterirdisch agierenden Übermenschen mit paranormalen Fähigkeiten, den Vril-Kräften, handelt. Diese Vision war dann bald ein Selbstläufer, und tatsächlich auch hellhörigen Medien nach für den Aufstieg der Nazis verantwortlich. Vuorensola kombiniert diese krude Paranoia mit einer anderen esoterischen Richtung – nämlich der Unterwanderung unserer Zivilisation durch Echsenmenschen, die ja tatsächlich auch von den Dogon Malis feierlich in Empfang genommen wurden. Jedenfalls ist beides sehr an den aufgestellten Nackenhaaren herangezogen, bietet aber Stoff für ein Szenario, dass nur als Groteske funktioniert und sich um nichts wirklich zu scheren braucht, weder um Logik noch um die wüste Verzerrung weltbekannter VIPs und die Verkasperung eines totalitären Horrors aus dem letzten Jahrhundert. Iron Sky: The Coming Race erlaubt sich vieles, lässt Steve Jobs Menschen fressen und Sarah Palin als Nachtisch für die schuppigen Ausgaben von Kim Jong-un, Margarete Thatcher oder Adolf Hitler herhalten. Wie der Film holzfällerartig über Ikonen der Neuzeit herfällt, ist so derb und grobmotorisch über den Kamm geschoren wie Hinterhofcatchen auf einer Boulevardbühne. Satire ist das keine mehr. Parodie? Auch nicht, stattdessen streckenweise von vielleicht unfreiwillig aufrichtiger Geschäftigkeit, wie in all den alten und mittlerweile lächerlich wirkenden Science-Fiction-Abenteuern aus den 50er Jahren mit ihren sperrigen Alien-Kostümen und mittlerweile wieder als Retrocharme gerechtfertigten Pappmaché-Planeten. Iron Sky: The Coming Race hat keine Pappmaché-Planeten, mehr schlecht als recht gelungene Alien-Masken, und lässt seine Pro- und Antagonisten eher handzahm und fast zu wenig selbstironisch agieren. Wiederum aber sind sie von einer laienhaften Orientierungslosigkeit übermannt, wie das bei Filmen dieser Art vielleicht so üblich sein mag.

Man kann von Iron Sky: The Coming Race halten, was man will – ein gewisses Konzept ist dahinter, und dieses Konzept löst einen gewissen autoagressiven Reiz aus, der im Dino-Wagenrennen inmitten einer terrestrischen Hohlwelt oder überhaupt im von Udo Kier berittenen T-Rex namens Blondie sein längst schon überdruckbelastetes Ventil findet.

Iron Sky: The Coming Race

Jurassic World: Das gefallene Königreich

DINOS UNCHAINED

7/10

 

jurassicworld2© 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: J. A. BAYONA

MIT BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, JAMES CROMWELL, JEFF GOLDBLUM, TED LEVINE, TOBY JONES, GERALDINE CHAPLIN U. A.

 

Ich wünschte, der Vulkan auf Isla Nublar wäre um einige Jahre früher ausgebrochen. Zumindest vor 2015. Denn da durfte nämlich Universal seinen brandneuen Beitrag rund um T.Rex und Konsorten vom Stapel gelassen. Wäre der Vulkan 2014 ausgebrochen, wäre mir die wirklich misslungene Kopie von Steven Spielberg´s Original erspart geblieben. Nichts gegen all jene Raptoren und Sauropoden, auch nichts gegen all die Karnivoren und sonstigen Vogelbecken- und Echsenbeckensaurier. Ich liebe sie alle heiß, und das soweit ich zurückdenken kann. Was mich nicht davon abgehalten hat, Jurassic World kopfschüttelnd Daumen runter zu diagnostizieren. Das lag vor allem an den unsympathisch affektierten Schauspielern, und am erschreckend einfallslosen Plot. Der künstliche Supersaurier Indominus rex hat dem ganzen dann noch die Krone der verzichtbaren Trümpfe aufgesetzt. Als würden sich die sowieso schon genetisch modifizierten Spezies von damals nicht längst anders verhalten. Und als wäre die Ehrfurcht vor der ganzen prähistorischen Artenvielfalt nicht ohnehin schon das höchste der Gefühle. Da ich aber wie schon erwähnt all die leicht- und schwergewichtigen, gefiederten und gepanzerten Kreucher und Fleucher wahnsinnig gerne nicht verpassen will, stand Jurassic World: Das gefallene Königreich aben auf meiner Watchlist. Auch weil der Trailer so richtig Schmackes hatte und mit seinem Einblick in animierte Naturgewalten zumindest so getan hat, als würde er mir das Graue vom aschebewölkten Himmel versprechen. Pyroklastische Ströme inbegriffen.

Also knotze ich auch diesmal mit kesser 3D-Brille bestenfalls Mitte Mitte im Kinosaal, habe relativ niedrige Erwartungen, freue mich aber auf die da kommenden hereinbrechenden Schauwerte. Wie eine Insel explodiert, das sieht man nicht alle Tage. Und bei Krakatau anno 1883 war ich auch nicht live dabei. Obwohl dessen Folgen über Jahrzehnte hinweg sichtbar gewesen wären. Davon ist bei Jurassic World 2 nichts zu sehen. Auch ist diee Größe der Isla Nublar einem unberechenbaren JoJo-Effekt unterworfen. Hat Michael Crichton diese Insel in seinem Buch noch relativ überschaubar angelegt, ist sie im Film mal von regenwaldgrünen Schluchten durchzogen, und mal wieder so groß wie ein Vulkankegel. Natürlich bleibt bei letztgenannten Parametern von der Insel nicht viel übrig, wenn mal der Magmaschlot nicht mehr kann. Andererseits aber gäbe es theoretisch genug Rückzugsmöglichkeiten für zumindest einige Exemplare unserer geliebten Retorten-Dinos. Da hätte auch Chaostheoretiker Ian Malcolm zugestimmt, ohne wieder einmal gottspielend eingreifen zu müssen. Das hat er ja schon anno 1993 kritisch beäugt. Und ist knapp mit dem Leben davongekommen. Jeff Goldblum´s Anhörungs-Cameo ist dann schon eine liebevolle Reminiszenz. Ich wünschte er hätte mehr Sendezeit bekommen. Doch wo hätte das hingeführt? Er hätte Bryce Dallas Howard und „Star Lord“ Chris Pratt ohnehin die Show gestohlen. So sehr sich die beiden auch im 5. Abenteuer zusammenreißen. Und ich muss ihnen zugute halten – sie bemühen sich diesmal wirklich, weder als kreischender Kathleen Turner-Verschnitt noch als tumber Möchtegern-Grzimek die Show zu vermasseln. Nein, diesmal engagieren sie sich auf der richtigen Seite. Und das liegt vermutlich am dramaturgisch geschickten Händchen von J. A. Bayona, der sich ja prinzipiell mit Naturkatastrophen bestens auskennt (The Impossible) und auch Dramatisches mit Irrealem gut verbinden kann (Sieben Minuten nach Mitternacht, Das Waisenhaus). Klar erkennbar, der Mann weiß, welche Richtung das Franchise wieder einschlagen muss. Auf seinem Spickzettel: Plotmäßig bitte nichts mehr von Bewährtem, dafür aber gerne mehr aus der alten Spielberg-Schule und wenn wir schon so weit sind, tackern wir die evolutionäre Möbius-Schleife an einer Stelle zusammen, an der es kein Zurück mehr gibt. Und denken wir doch einfach die Perversion eines kolossalen Rippenbruchs in Sachen Genetik zu Ende. Natürlich so, wie sich das der kleine Max vorzustellen hat. Nichts kognitiv wirklich Herausforderndes, Fortschrittskritik von seiner simpelsten Sorte. Aber wer braucht schon wissenschaftliche Genauigkeiten, das Ganze ist ohnehin schon so absurd. Ein bühnentaugliches Gedankenspiel mit erhobenem Zeigefinder, den wir zum Takt feuchtfröhlicher Kataklysmen tanzen lassen. Zuzusehen, wie das Königreich zerfällt, macht somit tatsächlich Spaß und gefällt unerwartet gut.

Bayona setzt vielmehr auf Suspense als sein Vorgänger und hat sich sichtlich an Steven Spielberg´s Methoden erinnert. In Jurassic World: Das gefallene Königreich gibt es keine einstürzenden Hochschaubahnen mehr, aus dem Ruder läuft aber so gut wie alles. Das taktisch kluge Drehbuch von Colin Trevorrow und Derek Connolly zieht dort die Zügel an, wo sich mehr Spannung aufbauen lässt und grenzt seine Spielwiesen räumlich ab. Bot die Isla Nublar noch so viele Fluchtmöglichkeiten wie eine brennheiße Herdplatte im Nirgendwo, verwüsten die Radaubrüder aus dem Jura in Folge ein herrschaftliches Gemäuer, das aus einem Haunted House-Grusler entsprungen sein könnte. Wenn der hochgezüchtete wie blitzgescheite Indoraptor einem Nosferatu gleich im Blitzlicht eines tosenden Gewitters bedrohliche Schatten auf die Wände des Kinderzimmers wirft, wenn ein aufgestachelter Pachycephalus im Alleingang ein Auditorium raffgieriger Dino-Verschacherer aufmischt, hat Jurassic World: Das gefallene Königreich seine besten Momente. Der grundtriviale Spaß nimmt sich niemals wirklich ernst und setzt charakterlich auf harte Kontraste, schlägt aber manchmal auch übermütig über die Stränge Richtung Klamauk. Die Attraktion fest im Griff hat der Film aber trotzdem und führt seine durchaus spannende und kurzweilige Saurier-Entfesselung konsequent zu einem vorläufigen Ende. Entfesselung trifft es übrigens ziemlich genau, dabei könnte ich mir fast vorstellen, wie es wäre, würde Tarantino mal die Natural Born Monsters aus der Sklaverei befreien. Viel fehlt nicht mehr, Blut spritzt ohnehin schon in diesem schadenfrohen Epos rund um gequirlte Erdgeschichte, Katastrophen und der Neuordnung sämtlicher Nahrungsketten.

Jurassic World: Das gefallene Königreich

Arlo & Spot

FRESSEN UND GEFRESSEN WERDEN

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arlospot

Wovon ernährt sich eigentlich der Säbelzahntiger Diego aus Ice Age? Was frisst der Löwe aus König der Löwen? Und was hat eigentlich Bagheera aus dem Dschungelbuch auf seiner Speisekarte? Details, die Kinder nicht zu wissen brauchen – oder doch? Seit jeher haben Fleischfresser oder Karnivoren, wie der Fachmann sagt, in Disneys und anderen Animationsfilmen den schwarzen Peter gezogen. Entweder man sieht nie, wie sie sich ernähren und was sie fressen, oder sie werden völlig grundlos zum Vegetarier. Was andererseits wieder vollkommen widernatürlich ist. Dass sich  aber das Leben auf unserem Planeten in die berühmte Nahrungskette eingegliedert hat, wird meist tunlichst ignoriert. Und könnte ja den Nachwuchs verstören. Obwohl dieser mitunter gerne Fleisch ist. Und Fleisch braucht, um sich zu entwickeln.

Für das fiktive Dinomärchen haben es sich diesmal Disney und Pixar anders überlegt. Flugsaurier verspeisen mir nichts dir nichts knuffige Fellsäuger und der wortlose Spot, das Menschenbaby, das aus Jean Jaques Annaud´s Am Anfang war das Feuer herübergekrochen zu sein scheint, reißt einem hilflosen Käfer den Kopf ab. Auch die Natur schenkt den Figuren aus The Good Dinosaur – so der Originaltitel – nichts. Neben der Berücksichtigung dieser und ähnlicher Naturgesetze haben die Macher gleich noch ein Szenario entworfen, das eine mögliche prähistorische Parallelwelt zeigt, in welcher der Kelch des aufschlagenden Asteroiden 65 Millionen Jahre vor unserer Zeit an den schrecklichen Echsen vorübergegangen ist. So ist auch die Einleitung des Filmes ein auf die Erde stürzender glühender Felsbrocken – der aber haarscharf an unserem blauen Planeten vorbeizieht. Knapp daneben ist auch vorbei bekommt hier eine gänzlich andere Bedeutung.

Oder besser gesagt: Knapp daneben ist nicht vorbei – was die Existenz der Saurier betrifft. So spielt Arlo & Spot einen Ist-Zustand durch, in welchem die Nischen für den Siegeszug der Säuger leider nicht frei geworden sind. Die Dinos werden intelligenter, und übernehmen das, was des Steinzeitmenschen Aufgabe gewesen wäre – Ackerbau und Viehzucht. Auf den ersten Blick ist die What if-Überlegung absurd. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wahrscheinlich eine alberne Vision. Für den Film aber passt es und hat sogar einen gewissen Reiz. Er erinnert mitunter an die Gummipuppen-Serie Die Dinos, die in den 90ern im Fernsehen lief. Nur sind es keine Gummipuppen, sondern im Verhältnis zu ihrer Umgebung relativ stark abstrahierte Sauropoden, die so gar nicht wirklich in den naturalistischen Kontext der Landschaft passen. Natürlich, der Kontrast hat was Witziges, ziemlich Eigenes. Doch Arlo und seine Gefährten sind mir in diesem Fall etwas zu simpel geraten. Ihre Knubbelnasen passen eher ins Universum des Drachen Kokosnuss als in einen Pixar-Film, der neben ausgetretener Coming of Age-Philosophie abermals das Thema Familie variiert und sich auch in punkto Story wenig Neues einfallen lässt.

Somit ist Arlo & Spot zwar ungewöhnlich anzusehen und hat auch die eine oder andere unerwartete Szene in petto – unter Pixars Top Ten schafft er es aber nicht.

 

Arlo & Spot