Suitable Flesh (2024)

BODYSWITCH IM CTHULHUVERSE

7/10


SuitableFlesh© 2023 Shudder


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: JOE LYNCH

DREHBUCH: DENNIS PAOLI, NACH DER KURZGESCHICHTE VON H. P. LOVECRAFT

CAST: HEATHER GRAHAM, JUDAH LEWIS, BRUCE DAVISON, JOHNATHON SCHAECH, BARBARA CRAMPTON, CHRIS MCKENNA, J. D. EVERMORE, ANN MAHONEY U. A.

LÄNGE: 1 STD 39 MIN


Obwohl der Begriff im Film nicht namentlich erwähnt wird, muss man dennoch die Frage stellen: Wer oder was ist Cthulhu? Kenner des Gesamtwerks von H. P. Lovecraft wissen: dieser Mann hat einen Mythos herbeifantasiert, welcher sich durch viele, um nicht zu sagen fast alle seine Werke zieht. Dieses uralte Geheimnis birgt die Tatsache, dass dieser unserer Planet Äonen noch vor dem Auftauchen des Menschen durch die sogenannten großen Alten besiedelt wurde. Diese haben sich dann mehr oder weniger von der Bildfläche verabschiedet, manche davon haben sich in die Tiefe der Meere zurückgezogen, manche tarnen sich und leben unter uns, was gerne zu paranoiden Visionen führen kann. Seit den Bergen des Wahnsinns hat sich Cthulhu und alles, was dazugehört, zu einem Verschwörungsmythos hochstilisiert, der das Genre des Kosmischen Horrors durchdringt und unter anderem auch in der Kurzgeschichte Das Ding an der Schwelle zu finden ist. Dass sich Lovecraft durchaus verfilmen lässt, hat zuletzt eine der Episoden aus Guillermo del Toros Cabinet of Curiosities bewiesen: Pickman’s Model mit Ben Barnes. Horror wie ein Schlag in die Magengrube. Keine Erlösung, stattdessen nur der Wahnsinn.

Die Farbe aus dem All ist auch so ein Lovecraft-Vehikel. Nicolas Cage verfällt da samt Familie einem violetten Leuchten – Dinge, Körper und ganze Landschaften verändern sich. Kann man ansehen, wenn man auf Body Horror-Rambazamba steht. Das Ding an der Schwelle hat sich Joe Lynch zu Herzen genommen und daraus den mit Heather Graham prominent besetzten Suitable Flesh inszeniert: einem Bodyswitch-Schocker, der es faustdick hinter den Ohren hat. Der sich anfangs jedoch so anfühlt, als hätten wir es hier mit Dutzendware aus der Mindfuck-Billigschiene zu tun, für welchen Heather Graham vielleicht angesichts mangelnder Angebote dann doch eingewilligt hat, nur, um wieder mal vor der Kamera zu stehen. Allerdings ist es nicht so, als ob Graham hier nur ihre Zeit absitzt und brav die Regieanweisungen Lynchs befolgt. Es scheint etwas an dem Film zu sein, wofür die mit Paul Thomas Andersons Boogie Nights bekannt gewordene Schauspielerin so etwas wie Herzblut investiert. Sie gibt die Psychiaterin Elizabeth Derby, Expertin auf dem Gebiet außerkörperlicher Erfahrungen, die eines Tages mit einem Fall konfrontiert wird, der sie an ihre Grenzen bringt. Ein junger Mann taucht auf und behauptet, von einem Bewusstsein temporär gesteuert zu werden. So wie es aussieht, könnte der eigene Vater dahinterstecken. Derby geht der Sache nach, stößt auf das schmucke Anwesen von Vater und Sohn, allerdings auch auf mittelalterliche Schwarten, in denen der Cthulhu-Mythos schlummert. Dumm nur, dass zu ebendieser Stunde ihr Patient gar nicht mehr Herr seiner Sinne ist, als er aufschlägt und seine Psychologin zu einem sexuellen Ex temporae verführt. Mit nachhaltigen Folgen.

Natürlich klingt Suitable Flesh nach ordentlichem B-Movie. Nach Sex und Ekel, Bodyhorror, Körpertausch und nackten Brüsten. Nach Monsterkino und Kellerhorror. In Joe Lynchs aufgekratzter, allerdings auch düsterer Horrorkomödie hält sich permanent eine undurchdringliche, kryptische Metaebene, die ganz dem verqueren Gedankengut von Lovecraft entspricht. Das Wie und Weshalb wird ohnehin niemals erklärt, manche Szenen enthalten Andeutungen für Insider. Details, die seltsam anmuten, die näher erforscht werden wollen, verschwinden auf Nebenspuren der Handlung, bis sie nicht mehr zu erkennen sind. In lustvoller Gier nach Blut und multiplen Identitäten schraubt sich der hyperaktive Streifen in lächerlich absurde Höhen, die so lächerlich nicht sind, weil sie in Lovecraft’scher Konsequenz den maximalen Fall zelebrieren. Immer noch haben wir das billige B-Movie als Fassade, dahinter ein Freaky Friday mit alten Mächten, deren wahre Gestalt ein Geheimnis bleibt. Den rotierenden, sich selbst einholenden Wahnsinn verewigt Lynch formschön mit trudelnder Kamera, die keinen Halt mehr findet.

Suitable Flesh (2024)

Maggie

REQUIEM FÜR EINEN ZOMBIE

5/10


maggie© 2015 Splendid Film


LAND / JAHR: USA, SCHWEIZ 2015

REGIE: HENRY HOBSON

CAST: ABIGAIL BRESLIN, ARNOLD SCHWARZENEGGER, JOELY RICHARDSON, DOUGLAS M. GRIFFIN, J. D. EVERMORE, BRYCE ROMERO U. A. 

LÄNGE: 1 STD 37 MIN


Auch wenn die menschenfleischgierigen Untoten nicht gut für die Gesundheit der noch nicht Gebissenen sind und daher gerne als das Böse angesehen werden – im Grunde sind Zombies erbarmungswürdige, traurige Kreaturen, die, ihrem Willen beraubt, völlig wertfrei darauf warten, dass sie irgendwer einen Kopf kürzer macht. Um diese Traurigkeit, dieses Ausgeliefertsein, diesen schmerzlichen Prozess der Veränderung auch ein bisschen mehr hervorzukehren, wird im düsteren Drama Maggie eine Lanze für jene gebrochen, die mit ihrem Zombiedasein in absehbarer Zeit werden „leben“ müssen.

Ein solches Schicksal muss Abigail Breslin (u. a. Little Miss Sunshine) ausfassen, sehr zum Leidwesen von Papa Arnold Schwarzenegger, der in Zeiten der Pandemie seine gebissene Tochter um nichts in der Welt in Quarantäne stecken will. In Maggie bedeutet dies: zusammengepfercht mit anderen Zombies zu sein, die sich schlimmstenfalls gegenseitig als Frühstück betrachten. Also bleibt das Mädchen daheim und siecht dahin, bekommt den milchigen Blick und blutet schwarzes Blut. Währenddessen heißt es warten. Warten bis zum Ende.

Und ja, mehr ist in diesem Horrordrama eigentlich nicht los. Interessant dabei ist der im Film dargestellte, Wochenenddemonstranten wohl glücklich stimmende Umgang mit einem noch viel schrecklicheren Virus als Covid19. Abstand, Maske und sonstige Vorkehrungen sind keine vorhanden, anscheinend überträgt sich diese Krankheit nur durch beißen, also braucht’s das alles nicht. Das ist natürlich reichlich naiv, aber gut – eine Zombifizierung ist ja auch etwas Irreales. Umso realer ist die Düsternis in diesem Streifen, die sich von Minute zu Minute immer mehr siechend dahinschleppt. Die Bilder sind in entsättigte, graubraune Farben getaucht, schwer liegt der Score auf sowieso schon zementsackschweren Szenen, die den Verfall zelebrieren. Mittendrin ein völlig ratloser Arnold, der in seinem Leben beruflich sowieso schon alles, was nur möglich ist, erreicht hat, und nun auch mal schauspielerisch die ernstere Schiene erproben will. Später tut er das nochmal mit dem ebenso bleischweren Trauerdrama Aftermath. Mit Maggie zeigt er, wie sehr man ratlos herumstehen und herumsitzen kann, zwischendurch auch mal mit Nickerchen. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Da wirkt Abigail Breslin natürlich unterstützend – ihre Figur ist ebenso ratlos und voller Furcht, allerdings überzeugender. Doch es hilft alles nichts – Lethargische Erschöpfung und krassierende Symptome schreiten fröhlich voran. Das ist Nihilismus als ausharrendes, meditatives Familiendrama, das wenig mehr weckt als ein ungutes Gefühl. Oder: ein Film wie ein verfaulender Organismus – nur drumherum Menschen, händehaltend im Kreis, die einander und sich selbst nicht verlieren wollen.

Maggie