Echo Valley (2025)

DIE MAMA WIRD’S SCHON RICHTEN

5,5/10


© 2025 Apple TV+


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: MICHAEL PEARCE

DREHBUCH: BRAD INGELSBY

CAST: JULIANNE MOORE, SYDNEY SWEENEY, DOMNHALL GLEESON, FIONA SHAW, KYLE MACLACHLAN, REBECCA CRESKOFF, AUDREY GRACE MARSHALL U. A.

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Flap Flap Flap – da rattert der elterliche Helikopter und umkreist seinen Nachwuchs, von welchem er glaubt, ihn überwachen zu müssen, damit ihm nichts passiert. Das wäre die eine Extreme, für die man Erwachsene gerne schütteln würde, um sie zur Besinnung zu bringen. Das andere Extrem ist, wenn die Großen den Kleinen nichts zutrauen. Wenn man als Vater oder Mutter andauernd die Pflicht verspürt, dem Kind jedwede Verantwortung abzunehmen, völlig entgegengesetzt dem Montessori-Leitsatz: Hilf mir, es selbst zu tun. Wäre Julianne Moore als fest im Sattel sitzende Muttergottes nicht so völlig davon überzeugt gewesen, dass ihre Tochter sich niemals selbst aus der Misere ziehen könnte, die man Leben nennt, wäre ein Film wieder dieser gar nicht erst entstanden. Echo Valley schiebt uns eine Prämisse unters Gesäß, die sauer aufstößt, weil Moore in ihrer Mutterrolle völlig versagt. Und das nicht, weil sie nichts für ihr Kind tun würde, sondern eben weil sie alles tut. Viel zu viel, aus manischer Fürsorge und mangelndem Zutrauen. Die Konsequenz ist ein verkorkstes jugendliches Leben, eine Drogensucht und eine fiese Instrumentalisierung der eigenen Eltern oder eben nur der Mutter, denn der Vater – Kyle McLachlan – schert sich einen Dreck. Auch er hat jeden Glauben an seine Tochter verloren, und ja, das rächt sich irgendwann.

Während Mutter Kate, so Moores Rolle, in trauter Einsamkeit ihre Pferdekoppel namens Echo Valley betreibt und mehr halbherzig als enthusiastisch Teenagermädels das Reiten beibringt, überkommt Tochter Claire wiedermal der Drang, daheim vorbeizusehen. Es braucht nicht lang und der Besuch eskaliert, Claire macht einen auf hysterisch und dampft ab – nur, um nach kurzer Zeit wiederzukommen, weil sie Mist gebaut hat, und Mama, davon geht sie mal aus, es richten wird, egal wie herausfordernd das Problem auch sein mag. Zugegeben, es ist ein durchaus ernstes, schließlich liegt ein Toter auf der Rückbank ihres Wagens, der grimmige Ausgang eine Drogengeschichte. Prinzipiell würde man als Erwachsener darüber nachdenken, nicht doch die Polizei zu alarmieren, denn nichts ist erzieherisch wertvoller, als den Kindern beizubringen, für ihre Fehler geradezustehen. Doch die Amis haben es nicht so mit der Exekutive, das wissen wir aus vielen Filmen. Keine Ahnung, was für ein schreckliches Schicksal sie dabei erwarten könnte, vermutlich fahrlässige Tötung oder eben Totschlag, noch dazu ist Papa Anwalt, der sicherlich einen Deal aushandeln könnte. So denke ich mir, während der Noch-Nicht-Thriller so dahinplätschert und Julianne Moore natürlich in ihrem mütterlichen Ehrgeiz, weil Tochter nichts auf die Reihe bekommt, das Falsche tut. Richtig ungemütlich wird es dann, wenn Domnhall Gleeson (endlich wieder gut) als schmieriger Drogendealer den Bildschirm verschönert – und ein Spiel um Schein und Sein einläutet, während das Mutter-Tochter-Drama in der Versenkung verschwindet.

Michael Pearce, der eine ausgezeichnete Arbeit mit seiner Psychothriller-Romanze Beast vorgelegt hat, lässt sich diesmal von einem durchwachsenen Krimiplot höchstselbst um den Finger wickeln. Die zweite Hälfte des direkt auf Apple TV+ erschienenen Star-Vehikels konstruiert auf Teufel komm raus ein falsche Fährten legendes Psychoduell, das eine Mutterfigur als Macherin mit harter Haut auf die eine Seite des Rings stellt, ihr gegenüber Blondschopf Gleeson. Dass der Plot eine unerwartete Wendung macht und ganz andere Ziele ansteuert, ist beim Film erfrischend willkommen, und dennoch fragt man sich inständig, ob dieser umständliche Handlungsbogen auch wirklich seine Mühe wert war. Im Hinterkopf bleibt immer noch Plan A, die richtige Entscheidung der Mutter. Andererseits: Auf diese Weise wird Moore zum „tapferen Schneiderlein“, das auf unberechenbar geistesblitzende Weise mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlägt.

Echo Valley (2025)

Beast

DIE GUTEN, DIE BÖSEN UND DIE HÄSSLICHEN

8,5/10


beast© 2017 MFA+ Filmdistribution


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2017

BUCH / REGIE: MICHAEL PEARCE

CAST: JESSIE BUCKLEY, JOHNNY FLYNN, GERALDINE JAMES, SHANNON TARBET, TRYSTAN GRAVELLE U. A.

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Filmschätze, die im Verborgenen liegen, und die das Gefühl vermitteln, etwas wirklich Besonderes entdeckt zu haben, ohne den Druck dahinter, nun endlich einen von Kritikern hochgelobten Film selbst mal von der Liste zu streichen – Filmschätze wie diese bescheren Momente des unvergleichlichen Genusses. Die werden, eben weil man es nicht erwartet, zum Erlebnis. Und da weiß man wieder, warum man als Cinephiler nicht von den laufenden Bildern lassen kann. Eines dieser Werke ist der 2017 erschienene, britische Psychothriller Beast.

Der Titel: kurz, knackig und, wie man sehen wird, treffend. Schauplatz ist die grüne, verregnete und recht düstere Kanalinsel Jersey – ein durchs tosende Meer begrenzter Ort. Ein Mikrokosmos sozialer und psychischer Defizite. Alles auf engem Raum, trotz Wiesen und Weiden. Moll, ein Mädchen in den späten Zwanzigern, ist das mit mütterlichen Argusaugen überwachte Problemkind einer autoritär geführten Familie. Hier herrschen Konventionen, Bigotterie und Reaktionismus. In diesem Dunstkreis feiert die nonkonforme junge Dame zwar eines Tages ihren Geburtstag, zieht aber alsbald von dannen Richtung Dorfdisco, wo sie trinkt und tanzt und am nächsten Morgen sexuell genötigt wird. Zum Glück erscheint die bedrohliche Gestalt eines Jägers, der den Unwillkommenen vertreibt. Moll ist gerettet, weiß aber anfangs nichts mit dem blonden und wortkargen Pascal anzufangen; weiß aber, dass er sie faszinierend findet – und umgekehrt. Gegen den Willen der Eltern gehen die beiden eine Romanze ein. Zeitgleich allerdings treibt ein Serienkiller sein Unwesen, der es auf junge Frauen abgesehen hat. Der Verdacht fällt auf Pascal, alle Indizien sprechen dafür. Moll verschafft ihm ein Alibi, wohl ach, weil sie weiß, wie es sich anfühlt, ein Leben lang stigmatisiert zu bleiben für etwas, das man vielleicht mal getan hat.

Weder ist Beast ein klassischer Beziehungsthriller, noch ein routiniertes Selbstfindungsdrama. Autorenfilmer Michael Pearce erzählt hier etwas ganz Außergewöhnliches. Und zwar deshalb, weil er darauf verzichtet, seine herumirrenden Seelen als gut oder böse zu deklarieren. Beast ist eine unheilvolle, stimmige Ballade auf ungeliebte Außenseiter, auf Ausreißer und Andersartige. Auf Freaks und Eremiten. Obwohl von der Gesellschaft gerne in ihrer Gesamtheit in eine Schublade gezwängt, sind weder Moll noch Pascal Vertreter der Bestie Mensch an sich, tragen aber ein Biest in sich, dass sich weder anpassen noch zügeln lässt. Wie weit ist es legitim, das Biest zuzulassen, ohne die eigene Freiheit und gleichzeitig die Freiheit des anderen einzuschränken? In diesem Spiel aus Trotz, Selbstbestimmung und bewusst inszenierter Ungefälligkeit bricht eine intensiv aufspielende Jessie Buckley eine Lanze für den Mut, anderen missfallen zu dürfen, wobei sie gleichzeitig auch nach einer Balance dafür sucht, die das Hässliche vom Bösen unterscheiden lässt. Dieser kräftezehrende, sowohl innere wie äußere Konflikt steigert sich während des Films zusehends, fordert letzte Reserven wie beim Erklimmen eines Gipfels. Johnny Flynn begegnet Buckley spielerisch auf Augenhöhe, beide schenken sich nichts. Und gleichzeitig alles, vor allem das, was niemand wissen darf.

Beast ist eine Naturgewalt von Thriller. Unorthodox, wiederspenstig und ungemütlich. Und von so erzählerischer Raffinesse, dass ein Film wie dieser nur schwer nachzuahmen ist. Vorbilder sucht sich Beast ebenso wenig. Und das entspricht wieder ganz und gar dem konsequenten Kurs eines abseits des Mainstreams schlummernden Meisterwerks bis hin zu seinem verblüffenden Finale.

Beast