Prey (2022)

EIN MONSTER STEHT IM WALD

5/10


prey_predator© 2022 Twentieth Century Fox


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: DAN TRACHTENBERG

CAST: AMBER MIDTHUNDER, DANE DILIEGRO, DAKOTA BEAVERS, STORMEE KIPP, STEFANY MATHIAS, RAY STRACHAN, MICHELLE THRUSH U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Nicht wenige haben die letzte Episode des Predator-Franchise so richtig ausgebuht. Mir hat Predator – Upgrade von Shane Black durchaus gefallen, vielleicht deswegen, weil das Wesen aus dem All aufgrund seines mageren Steckbriefes (ehrlich: was weiß man schon über diese Spezies?) den Freibrief für alle möglichen Entwicklungen in der Tasche hatte, darunter auch dieses Blow Up zum Superkiller, der im Film von 2018 über die Kinoleinwand polterte. Ein erbärmliches und seines Status als Profijäger unwürdiges Ende findet das Monster aber immer. Und langsam sollte es begreifen, dass mit Homo sapiens, wenn’s darauf ankommt, nicht wirklich zu spaßen ist, trotz seines unscheinbaren Äußeren. Doch gewisse Gewohnheiten können auch Aliens wie die Yautja nicht so einfach ablegen. Diese Tradition, den Planeten Erde heimzusuchen, um zum Halali zu blasen, wird schließlich schon länger praktiziert als angenommen. Das zumindest vermittelt nun der neueste Ableger rund um den popkulturellen Dreadlocks-Träger und Mister Unsichtbar, inszeniert von 10 Cloverfield Lane-Regisseur Dan Trachtenberg. Er verlagert das Geschehen rund 300 Jahre in die Vergangenheit.

Wir schreiben das Jahr 1719 und befinden uns irgendwo in den Great Plains, wo das Volk der Comanchen seine Zelte aufgeschlagen hat. Teil dieser lokalen Sippe ist das Indianermädchen namens Naru (Amber Midthunder, u. a. zu sehen in The Ice Road), die gar nicht tun will, was Mädchen in ihrem Alter und unter diesen Umständen so tun sollen. Sie will lieber jagen und ihrem großen Bruder ebenbürtig sein. Also ist sie stets mit dabei, wenn es heißt, Hirsche zu erlegen oder Löwen in die Schranken zu weisen. Doch eines Tages ist so manches anders als sonst. In das vertraute Spurenmuster der aktiven Wald- und Steppenfauna mischt sich etwas Großes, Geheimnisvolles und allem Anschein nach Gefährliches. Und damit sind nicht die Büffeljäger aus Europa gemeint, die hier ebenso ihr Unwesen treiben. Sondern etwas, das nicht von dieser Welt ist. Ein Monster, erstanden aus den Lagerfeuererzählungen für Comanchenkinder. Man sieht es nicht, man hört es nicht kommen. Und wenn es da ist, verraten entweder der rot glimmende Triple-Laserpointer oder gierige Klickgeräusche, dass das Leben bald vorbei sein kann. Naru will der Sache auf den Grund gehen – und schlittert in ein Abenteuer auf Leben und Tod, bei welchem selbst Yakari auf seinem Pferdchen Kleiner Donner das Weite suchen würde.

Der Trailer für das Sommerevent auf Disney+ war schon mal vielversprechend genug, und die Vorfreude auf Anfang August gegeben. Allerdings hätte man sich bereits angesichts des archaisch angelegten Plots ausmalen können, wie der Hase wohl laufen wird. Eine junge Comanchin und ihr Hund, das Herz am rechten Fleck und emanzipiert bis in die Federspitzen, wird dem Predator mit Sicherheit so lange einheizen, bis dieser die Freude am Spiel verliert. Dass Prey in vertrauten Gefilden jagt, ist zu erwarten. Trachtenbergs Film ist Monster- und Survival-Action im Gewand eines Young Adult-Abenteuers, das als Jugendroman seine Leserinnen und Leser sicherlich packen würde. Wäre der Yautja nicht, würde Prey an das Steinzeitabenteuer Alpha erinnern – ein Junge und sein Hund kämpfen ums Überleben. Eine Welt, die der Hightech-Gegenwart den Rücken kehrt und die Natur zum Lehrmeister erklärt, verspricht natürlich atemberaubende Landschaftsbilder und kernige, traditionell ausgestattete Indigene, die durchs Unterholz hirschen. Fast schon wie bei Iñárritus The Revenant. Und dann das: der Killer aus dem All hält, anstatt Pilze zu sammeln, Ausschau nach Trophäen. Im Prinzip birgt Prey eine gute Kombination – aus der sich aber nicht viel mehr herausholen lässt als aus Schwarzeneggers Dschungeltrip. Wenn es blutet, können wir es töten, sagt dieser in John McTiernans erdigem Reißer. Wen wundert’s, wenn der selbe Satz auch diesmal wieder zitiert wird.

Das Artwork des Monsters hingegen ist erste Sahne. Grimmiger, urtümlicher, mit antik anmutenden technischen Raffinessen ausgestattet. Wenn der Predator ins Bild stapft, ist das Fanservice pur. Allerdings scheint dieser zu tough, als dass Amber Midthunder als dessen Nemesis so leichtes Spiel haben kann. Im Kräftemessen der ungleichen Jäger drückt das Alien zu oft ein Auge zu. Das geschieht um einer moralischen Correctness willen, die den Film viel zu sehr ausbremst und seine Wucht, die er vielleicht haben hätte können, nicht ausspielen lässt.

Prey (2022)

Prey (2021)

MÄNNER ALLEIN IM WALD

5/10


prey© 2021 Netflix


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

BUCH / REGIE: THOMAS SIEBEN

CAST: DAVID KROSS, HANNO KOFFLER, ROBERT FINSTER, KLAUS STEINBACHER, YUNG NGO, MARIA EHRICH, LIVIA MATTHES U. A. 

LÄNGE: 1 STD 27 MIN


Der Herbst ist die schönste Jahreszeit, um durch den Forst zu schlendern. Alles ist goldbraun, die Sonne goldgelb. Könnte schöner nicht sein, finden Roman, sein Bruder Albert und seine drei Kumpels, die sich tags darauf zum feuchtfröhlichen Junggesellenabschied eingefunden haben. Am nächsten Tag dann verkaterten Survival im Kajak und am Lagerfeuer, bevor es heimwärts geht. Doch soweit wird es nicht kommen, denn sonst wäre ein recht langweiliger Film zu Ende und wir hätten es auch nicht mit einem brandneuen, ins Netflix-Programm aufgenommenen Outdoor-Thriller zu tun, der sehr geheimnisvoll tut, dabei aber keinerlei Anstalten macht, den Fortgang der Ereignisse zu verheimlichen.

Die fünf Männer in den besten Jahren, die da so ganz allein auf weiter Flur plötzlich den Sucher eines hartnäckigen Snipers queren, nehmen für die folgenden eineinhalb Stunden ihre Beine in die Hand – stolpern, verletzen und streiten sich. Wissen nicht wie ihnen geschieht, rechnen aber damit, dass es sich nur um einen Irrtum handeln kann. Regisseur Thomas Sieben (Kidnapping Stella) erklärt nicht viel, probiert aber auch nichts Neues aus. Das Konzept erinnert an den propagierten Skandalfilm The Hunt mit einer famosen Betty Gilpin, die sich als Freiwild nicht lumpen lässt. Oder an den ebenfalls zuletzt auf Netflix gesichteten skandinavischen Survival-Reißer Red Dot. Klar kommt einem auch der wahrlich verstörende Ausflugsschocker Beim Sterben ist jeder der Erste in den Sinn – nihilistisches Kino der Extraklasse. The Hunt schlägt sie in Sachen Laune, Spannung und Qualität so ziemlich alle – und hinterlässt auch nicht so ein Unwohlsein in der Magengegend wie Boormans Klassiker aus den Siebzigern. Schlusslicht ist Prey, der sich an längst verbrauchten Mustern bedient und auch nicht wirklich die Muße hat, stereotype Charaktere in der Mottenkiste zu lassen, sondern adrett in die Landschaft zu setzen, mit Marken-Outdoorklamotten als Product-Placement und einer Portion Wehleidigkeit, über die man sich nicht selten wundert. Was Thomas Sieben in seinem Script aber ganz gut gelingt, ist die effiziente Einflechtung der Hintergründe für diesen Waidmanns-Terror – ohne viel Worte, dafür in knappen, erhellenden Szenen. Auch bietet die Landschaft des Nationalparks Sächsische Schweiz pittoreske Kalenderblätter.

Prey (nicht zu verwechseln mit dem Löwen-Slasher aus 2007) ist szenenweise tatsächlich nicht unspannend, bietet aber im Ganzen zu wenig eigene Ideen, um als selbstbewusster Beitrag zum deutschen Thrillergenre Spuren zu hinterlassen. Doch kann’s passieren, dass die Lust am Waldspaziergang dennoch etwas gedämpft wird.

Prey (2021)