Escape Room (2019)

ADRENALINKICKS ZUM GRUPPENRABATT

5/10


escaperoom© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH


LAND / JAHR: USA 2019

REGIE: ADAM ROBITEL

DREHBUCH: BRAGI F. SCHUT, MARIA MELNIK

CAST: TAYLOR RUSSELL, LOGAN MILLER, DEBORAH ANN WOLL, TYLER LABINE, JAY ELLIS, NIK DODANI, JESSICA SUTTON, KENNETH FOK U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Ich weiß, kein Grund zur Panik, aber wenn mir die Vorstellung, aus einem geschlossenen Raum nicht mehr herauszukommen, ohne meinen Intellekt anzustrengen, Stress verursacht – auf die Gefahr hin, ich werde dumm sterben – dann sollte ich womöglich keinen Escape Room aufsuchen. Natürlich sind das irrationale Ängste, man kann auf diesen Spielplätzen jederzeit w.o. geben und der Spielleiter führt dich milde und etwas abschätzig lächelnd aus dem Erwachsenen-Parkour. Doch latente Klaustrophobie muss nicht unbedingt gefördert werden – es gibt ja schließlich noch andere nette Dinge, die man in seiner Freizeit tun kann. Und wenn schon Escape Room, dann vielleicht einer der bereits zuhauf angebotenen Einweg-Gesellschaftsspiele, in denen es nur ums Rätselknacken geht. Ganz ohne Fluchtinstinkt.

Sich diesem zu unterwerfen, liegt allerdings ganz im Sinne von sechs Kandidatinnen und Kandidaten, die allesamt eine mysteriöse Einladung zu einem herausfordernden Mindgame erhalten haben. Kurz gesagt: zu einem Escape Room für Fortgeschrittene und Out of the Box-Denker. Die sechs jungen Leute sind sich untereinander nicht wirklich bekannt – den Fokus des Filmes setzt Regisseur Adam Robitel (Insidious: The Last Key) dabei auf Taylor Russel (zuletzt in Bones and All), welche die etwas introvertierte Zoey gibt, die aber mit einem Intellekt punkten kann, bei welchem all die anderen fünf nur neidvoll zu ihr aufblicken können. Das tun sie aber nicht, denn jeder der Anwesenden hat so seine Stärken. Und Schwächen. Die unbekannten Game-Master wissen das. Woher, bleibt schleierhaft. Und dann geht’s auch schon los, als sich alle im Wartebereich eines ominösen Hochhauses eingefunden haben – und der erste Verdacht aufkommt, dass etwas nicht stimmt, als die Dame im Sekretariat immer dieselben Worthülsen von sich gibt. Hier ist nichts so, wie es scheint. Als alle vermuten, die Wartezeit zum Startschuss gehört selbst bereits zum Spiel, wird es ungemütlich warm. Und die sechs müssen so schnell wie möglich einen Ausweg finden, um nicht gegrillt zu werden.

Das ist allerdings nur das erste Zimmer von so einigen, die da noch kommen mögen. Und eines fieser als das andere. Diese zu bewältigen ist auch alles, was es in diesem Film zu tun gibt. So gesehen fühlt sich Escape Room ein bisschen so an wie eine unmoderierte Unterhaltungsshow mit unter anderem gesundheitsgefährdendem Ausgang für so manche, die sich etwas schwertun, die Dinge vorauszusehen. Hat sich David Finchers The Game mit Michael Douglas längst nicht nur damit begnügt, Zimmernummern zu vergeben, irritierte Vincento Natali in seiner Horror-SciFi Cube mit einem Labyrinth identer Räume, in denen perfide Fallen wussten, wie sie zuzuschnappen hatten. Auch in Escape Room kommt manches unerwartet, und dabei ist man froh, sich nicht selbst diesem Risiko aussetzen zu müssen, sondern einfach nur zusehen und mitraten zu dürfen, wo nun beim nächsten Mal der Haken an der Sache aus der Wand schnellt. Natürlich mischt der biographische Background eines jeden hier Anwesenden selbst nochmal die Karten durch, und tatsächlich lässt sich mit den psychologischen Grundmustern der Spieler so einiges anfangen. Nur im letzten Drittel wird’s banal, wenn nicht gar einfallslos. In manchen Filmen mag die Ergründung des Ganzen eine wichtige Rolle spielen – hier hingegen nicht.

Wie viel stimmiger wäre es gewesen, dem Mysterium des Spiels nicht auf die Spur kommen zu müssen. Obwohl einiges nach wie vor einer physikalischen Unmöglichkeit unterliegt und zumindest in diesen Bereichen noch sein Geheimnis behält – wie das Herumrätseln an einem Zaubertrick, der unmöglich sein kann – werden sozialphilosophische Beweggründe bemüht, die wenig überzeugen und einem Appendix gleich als dramaturgisches Anhängsel dem Film noch mehr Tiefe und Story verleihen sollen. Um ein Sequel anzustückeln, meinetwegen. Sonst aber wäre das Herunterbrechen auf einen trivialen Thriller-Plot wie ein eigener Raum, der maximal als Vorzimmer dient.

Escape Room (2019)

Glass Onion: A Knives Out Mystery

WER IM GLASHAUS SITZT

6/10


glassonion© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: RIAN JOHNSON

CAST: DANIEL CRAIG, JANELLE MONÁE, EDWARD NORTON, DAVE BAUTISTA, KATE HUDSON, KATHRYN HAHN, LESLIE ODOM JR., MADELYN CLINE, JESSICA HENWICK, NOAH SEGAN, ETHAN HAWKE, HUGH GRANT U. A. 

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


Mit Rian Johnsons Whodunit Knives Out hätte Krimigöttin Agatha Christie eine Riesenfreude gehabt, war der doch ganz im Stile ihrer eigenen Fälle konzipiert, die manchmal so undurchschaubar waren, dass man sich als Leser nur noch wundern konnte, warum man auf die Wahrheiten dahinter nicht schon eher gestoßen war. Christie hat ihre kriminalistischen Abenteuer stets so verwoben, dass die Indizien und Verdachtsfälle in munterer Geistesgegenwart die richtigen Haken schlugen, ohne zu weit auszuholen. Johnson ist mit Knives Out genau diesen Anweisungen – oder anders gesagt: dem Stil des überschaubaren Kreises üblicher Verdächtiger – gefolgt. Das Ergebnis war von Christopher Plummer über Don Johnson bis Ana de Armas der illustre Reigen eines familiären Tohuwabohus, inmitten dieses Sturms im Herrenhaus Daniel Craig als moderner Hercule Poirot, genannt Benoit Blanc. Mit französischem Namen, aber ohne französischem Akzent. Für seine charmante, eloquente und auch zurückhaltende Art hat er sich wohl vom Gehirnakrobaten aus Belgien inspirieren lassen, den mittlerweile Kenneth Branagh in ganz anderen Filmen sehr solide nachinterpretiert. Blanc ist einer aus der Gegenwart. Ein bisschen wie Sherlock Holmes am Verzweifeln, wenn keine neuen Fälle eintrudeln. Von James Bond fehlt jede Spur.  

Und so wird Benoit Blanc in seinem zweiten Fall auf die Insel eines unanständig reichen Superreichen a la Elon Musk geladen, der mit seinen engsten Vertrauten ein luxuriöses Wochenende zu verbringen gedenkt, das noch dazu mit einem netten Cluedo-Spiel aufgepeppt werden soll, übertragen auf das Anwesen und all die netten Gäste. Was diesen Miles Bron am meisten überrascht, ist das Erscheinen seiner längst aufs Abstellgleis des Erfolges verfrachteten Business-Partnerin Andi, die ebenfalls eine dieser verzwickten Rätsel-Einladungen in Form einer Box erhalten hat. Dass Benoit Blanc auch noch aufschlägt, war im Gegensatz dazu überhaupt nicht vorgesehen. Doch der ist nun mal hier, und schon bald, nachdem alle ihre Ambitionen anhand langer Gespräche dargelegt haben, kommt es zum verhängnisvollen abendlichen Umtrunk. Einer streckt die Patschen, und es ist nicht der Hausherr, welcher im Spiel eigentlich das Opfer sein sollte.  

Rian Johnson setzt zu Beginn seines Glamour-Krimis die richtigen Hebel in Bewegung. Das Böse unter der Sonne lauert anfangs überall, wir haben das Mittelmeer, Leinenhosen umspielen Daniel Craigs Beine, Kate Hudson trägt einen breiten Sonnenhut wie seinerzeit Diana Rigg unter Guy Hamiltons Regie. Janelle Monáe (u. a. Moonlight, Harriet) unterstreicht ihre stoische Mimik mit flaschenbodengroßen Sonnengläsern. Während Dave Bautista, unser geliebter Drax aus dem Marvel-Kosmos, hier völlig aus der Agatha Christie-Reihe tanzt. Als tätowierter Youtube-Hüne ist er mit von der Partie und bringt das ganze Sammelsurium aus Motiven, Indizien und Manierismen auf einen etwas anderen Kurs. Und endlich – endlich darf Edward Norton wieder mal aus dem Nebenrollenschatten diverser Wes Anderson-Filme heraustreten und eine größere Rolle spielen, die ihm formidabel zu Gesicht steht. Als reicher Schnösel geht er problemlos durch, vielleicht spielt er sich auch ein bisschen selbst, ist doch klar, wie wenig umgänglich der Star hinter den Kulissen agieren kann.

Mit all diesem Potenzial sollte Johnson ein ähnlicher Spaß gelingen wie bei seinem Franchise-Kick Off. Und ja, es sieht alles danach aus. Die Charaktere sind wohlpositioniert, alle haben ihre Hühnchen, die sie mit Edward Norton rupfen wollen. Die Sonne brennt heiß, das Anwesen ist unübersichtlich genug, um zündende Mystery darin zu verstecken. Was für ein Filmabend, könnte man meinen. Und dann holt Johnson aus. Sehr weit, viel zu weit. Wie beim Stabhochsprung wuchtet er sich über die dramaturgische Latte, unter welcher kompaktes Rätselraten garantiert scheint – und ufert aus. Mit Rückblenden, die viel zu lange dauern, verwässert Glass Onion – A Knives Out Mystery seine Mitgefangen-Mitgehangen-Regel zu sehr, um seinen anfänglichen Suspense zu halten. Story Twists werden viel zu früh platziert, all die Motive der einzelnen Figuren so sehr ausgewalzt, als ginge es längst nicht mehr darum, einen Mord aufzuklären. Das ist nur bedingt interessant, wohingegen Mona Lisas Lächeln, das einmal hinter Panzerglas und dann wieder ohne erstrahlt, einen netten Sidekick ergibt, der für die Story aber ungenutzt bleibt. Genauso wenig wie manches Detail am Rande, dass mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. So ist schnell klar, worauf der Krimi, der nur noch zur Nebensache wird, hinausläuft. Und Benoit Blanc, der kann nicht viel mehr tun als seine Indizien-Rede zu schwingen und zuzusehen, wie sich die erfolgsverwöhnte Elite untereinander aufreibt. Genau das ist schließlich sehenswert, während die Hatz nach der Mörderin oder dem Mörder hinter dem Horizont des Mittelmeeres entschwindet.

Glass Onion: A Knives Out Mystery