Sicario 2

IM GIFTSCHRANK DER KARTELLABWEHR

4/10


sicario2© 2018 Studiocanal


LAND / JAHR: USA 2018

REGIE: STEFANO SOLLIMA

DREHBUCH: TAYLOR SHERIDAN

CAST: BENICIO DEL TORO, JOSH BROLIN, ISABELA MERCED, MATTHEW MODINE, CATHERINE KEENER, JEFFREY DONOVAN U. A. 

LÄNGE: 2 STD 3 MIN


Denis Villeneuve, der eben mit Dune sein Kinopublikum von der großen Leinwand weg beeindruckt, hatte sechs Jahre zuvor einen Drogenthriller inszeniert, der die Mittel und Wege der USA, den Drogenkartellen im benachbarten Mexiko Herr zu werden, infrage stellt. Mittendrin in diesem schmutzigen Krieg ohne Moral findet sich Emily Blunt wieder, die nicht weiß, wie ihr geschieht. Eine Identifikationsfigur für das Publikum. Jemand auf greifbarer Höhe. Vernünftig, anständig, fehl am Platz in Missionen wie dieser. Klar wusste Villeneuve wieder ganz genau, wie er seinen finsteren und künstlerisch hochwertigen Kriminalfilm in Szene setzt. Mit stilvoll komponierten Gemälden aus Nacht und Nebel, hinterlegt mit dem bedrohlich wummernden Score von Jóhann Jóhansson. Drei Jahre später dann die Fortsetzung. Emily Blunt ist womöglich in der Privatwirtschaft tätig und hat dem fragwürdigen Business der Kartellbekämpfung den Rücken gekehrt. Übrig bleibt Charles Bronson-Imitat Josh Brolin, der sich längst schon nicht mehr fragt, wohin die fairen Wege führen. Alle anderen führen nämlich nach Mexiko. Ziel ist es, sämtliche Clans gegeneinander aufzuhetzen. Wen würde Brolin wohl dringender für diesen Job benötigen als seinen Busen-Sicario Alejandro – Ex-Anwalt und wortkarger Racheengel, stets in den Diensten der US-Behörden, die so tun als wären sie der Geheimdienst – es aber nicht sind. Kernstück des Auftrags: die Tochter von Oberboss Reyes zu entführen.

Von der ersten Minute an wird klar, dass Villeneuve mit seiner akribischen Art und Weise, Filme zu inszenieren, längst das Boot verlassen hat. Stefano Sollima hat übernommen, der zuletzt mit Tom Glancy´s Gnadenlos ein recht schales Stück Actionkino hervorgebracht hat. Genauso wenig Bedeutung hat Sicario 2. Dieser Film hinkt meilenweit hinter dem Original aus 2015 hinterher. Und in erster Linie deshalb, weil hier so jemand wie Emily Blunt nichts mehr zu melden hat. Töchterchen Reyes, gespielt von Isabella Merced (u. a. Sweet Girl) hat nicht die narrative Kraft dafür, diesen unbesetzten Blickwinkel einzunehmen. Sie ist Teil des Syndikats, aber nicht Teil einer Welt, die sich der unsrigen auch nur irgendwie annähert. Brolin ist viel zu desillusioniert, und del Toro, in seinem Charakter deutlich inkonsequenter als 2015, wäre lieber in einem Italowestern gelandet, zwischen Lee van Cleef und Clint Eastwood.

Enttäuschend dabei ist, dass eigentlich Taylor Sheridan das Drehbuch verfasst hat. Wir kennen ihn aus Werken wie Hell or High Water oder Wind River, beides achtbare Scripts. Zuletzt lief Angelina Jolie unter dessen Regie in They Want Me Dead durch brennende Wälder, verfolgt von zwei platten Killern ohne Charisma. Das kommt hin, wie ich finde. Charisma hat in Sicario 2 auch kaum jemand. Von Integrität keine Rede. Was bleibt, ist das Hinbiegen einer undankbaren Mission, die letzten Endes die prophezeite Sinnlosigkeit eines Antikriegsfilms zelebriert und den Moralapostel peitscht, bis dieser angesichts seiner misslichen Lage nur noch resigniert.

Sicario 2

They Want Me Dead

SO NAH AM FEUER

4/10


theywantmedead© 2021 Warner Bros. Entertainment Germany


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: TAYLOR SHERIDAN

BUCH: TAYLOR SHERIDAN & MICHAEL KORYTA, NACH DESSEN ROMAN

CAST: ANGELINA JOLIE, FINN LITTLE, AIDAN GILLEN, NICHOLAS HOULT, JON BERNTHAL, MEDINA SENGHORE U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


They Want Me Dead – Wer genau? Egal, das ist nicht so wichtig. Irgendwelche x-beliebigen politischen Funktionäre, die irgendein x-beliebiges Konto frisiert haben und die eben zwei x-beliebige Killer losschicken, um all jenen, die davon wissen, das Leben zu verkürzen. In dieser Austauschbarkeit scheint sich dieser Thriller nach der Vorlage eines soliden Krimi-Schmökers von Michael Koryta zu gefallen, frisch vom Mängelexemplar-Wühltisch einer Franchise-Buchhandlung. Diesen hatte vielleicht Taylor Sheridan oder gar einer der Produzenten des Filmes auf dem Nachttisch oder als Lektüre im Handgepäck vom letzten Urlaub, ich weiß es nicht – jedenfalls erhärtet sich der Eindruck, dass diese Buchvorlagen für effizient abzudrehendes Spannungskino aus einer Begeisterungslaune herrühren, die gerade mal jemand beim Lesen gehabt haben muss. Und Those Who Want Me Dead (so der Titel des Buches) mag vielleicht ganz kurzweilig geschrieben sein – als Film überzeugt der Stoff relativ wenig. Auch wenn der Wald brennt, und auch wenn Angeline Jolie hier einen traumatischen Einsatz als Feuerwehrfrau verarbeiten muss.

Die bislang sehr selten gesehene Ex von Brad Pitt, die man eine Zeit lang viel mehr mit Celebrity als mit filmischen Qualitäten verbunden hat, ist als toughe und einzig weibliche Brandbekämpferin unter Männern diejenige, die, nach psychologisch betreuter Auszeit, wieder an die Arbeit gehen darf. Und zwar auf einen Beobachtungsturm irgendwo in den wilden Waldweiten der USA. Sobald es in der Ferne auch nur ansatzweise orange schimmert, gibt’s Alarm. Währenddessen aber sind in der Gegend ein forensischer Buchhalter mit seinem Sohn auf dem Lewis & Clark-Straßentrail unterwegs, auf der Flucht vor eingangs erwähnten Killern, die aber dem verzweifelten Vater bereits eine Nasenlänge voraus sind. Die Folge: ein Crash, der Vater tot, das Kind schlägt sich mit den brisanten Daten durch den Forst. Klar, dass der eingeschüchterte und traumatisierte Knabe auf Heldin Angelina trifft, die sich um den gehetzten Sechstklässler selbstredend kümmert. Und natürlich sind die beiden skrupellosen Mordmaschinen in Menschengestalt nicht nur hinter dem Jungen her, sondern auch hinter seiner Beschützerin. Ein vorsätzlich gelegter Waldbrand soll helfen, damit niemand ihnen in die Quere kommt.

Dass sich so ein Waldbrand einer Monsterwelle gleich rasend schnell ausbreitet, damit haben die beiden Killer wohl nicht gerechnet. Wir, die Zuseher, allerdings schon. Wir haben schließlich Backdraft gesehen, den Klassiker zum Thema Feuerverhalten. Das intensive Tatsachendrama No Way Out – gegen die Flammen, in welchem Josh Brolin und Miles Teller dem wütenden Chaos entgegentreten, bietet hier ebenfalls den besseren Einblick.

Womit wir sonst noch gerechnet haben? Nun, es gibt in They Want Me Dead eigentlich kaum etwas, das nicht vorherzusehen war. Taylor Sheridans Film fühlt sich an, als wäre er ursprünglich viel länger gewesen, als wäre er grob gekürzt worden – entsprechend substanzlos verrichten alle ihren Job, mit Ausnahme des Jungdarstellers Finn Little, der wieder mal ob des intensiven Spiels für Verblüffung sorgt. So richtig enttäuschend aber sind „Kleinfinger“ Aidan Gillen und der völlig verheizte Nicholas Hoult. Normalerweise werden solche Rollen mit weniger renommierten Akteuren besetzt. Hier jedoch markieren beide schauspielerisch den schwarzen Peter.

They Want Me Dead hätte so etwas wie Mörderischer Vorsprung mit Sidney Poitier werden können. Trotz der Feuer-Komponente und den wunderbaren Overviews auf amerikanische Wälder hat Taylor Sheridans Film leider nichts, was ihn aus der Masse routinierter Outdoor-Thriller hervorhebt. Da hilft nicht mal Angelina Jolies Diven-Bonus. Im Gegenteil, der wirkt manchmal fehl am Platz.

They Want Me Dead

Wind River

JAGDSZENEN AUS WYOMING

6/10

 

windriver© 2017 Wild Bunch

 

LAND: USA 2017

REGIE: TAYLOR SHERIDAN

MIT JEREMY RENNER, ELIZABETH OLSEN, GRAHAM GREENE, JULIA JONES U. A.

 

Wenn es gerade so wie in diesem Frühsommer fast schon unerträglich heiß wird, können Filme wie dieser für die notwendige Abkühlung sorgen. Vielleicht ist Wind River ja sogar der Abkühlung zu viel, ein Pullover in Griffweite wäre ratsam. Denn dort, in Wyoming, wohin uns dieser Thriller führt, herrscht eisiger Winter. Eine Wildnis wie von Gott verlassen, eine Landschaft, von Wind und Wetter geformt. Wenn es mal schneit, dann nur als Schneesturm. Dazwischen, bei klarem Himmel – klirrende Kälte, die man leicht bekleidet nicht lange überleben würde. Schon gar nicht barfuss. Denn das ist die Leiche, die von Wildhüter Cory gefunden wird, unweit des Indianerreservats Wind River, mitten im Schnee. Tod durch Kälte. Normalerweise ein Fall für den Bezirkssheriff, doch welcher dieser Fälle ist schon normal. Noch dazu, da der verkniffene, wortkarge Jägersmann irgendwie von Anfang an schon mit drin steckt, und da auch nicht herauswill, ähnelt der Tod dieser 18jährigen Indianerin jenem seiner Tochter, die er vor drei Jahren zu Grabe tragen musste. Wie es das Schicksal will, bittet FBI-Agentin Jane Banner den so gebrochenen wie verschlossenen Spurensucher um Hilfe – hier in dieser lebensfeindlichen Gegend so dringend notwendig wie ein Bissen Brot.

Ich kann mich noch gut erinnern – vor zwei Jahren war der Hinterland-Krimi Hell or High Water in aller Munde, schon allein wegen der Nominierung zum besten Film. Der alternde Jeff Bridges will da Chris Pine und Ben Foster das Handwerk legen. Regiedebütant Taylor Sheridan hat da zwar nicht Regie geführt, aber das Drehbuch beigesteuert. In Wind River hat der gebürtige Texaner gleich beide Parts übernommen und diesmal Jeremy Renner einen weißen Overall übergezogen, um ihn nicht nur Pumas, sondern auch Mörder jagen zu lassen. Der sympathische Schauspieler, der sowohl die Avengers-Clique als auch das Team um Mission Impossible verlassen zu haben scheint, ist allein auf weiter Flur eindeutig besser dran. Renner ist ein Einzelgänger. Die meisten seiner Rollen sind das. Teamplayer ist was anderes. Das muss er aber auch nicht mögen. Oder gar machen müssen. Dem als Hurt Locker bekannt gewordenen Kalifornier steht der trauernde Wildhüter, der mit dem Motorschlitten durch den Tann dröhnt und  treffsicher zu zielen weiß, enorm gut zu Gesicht und legt seine bislang beste Performance auf die Piste. Fast wie eine Art Jean-Paul Belmondo, aber nicht in der Arroganz eines James Bond oder in Gigolo-Manier eines Jason Statham – das sind Einzelgänger, die alles können und mit Schmäh und Understatement letzten Endes immer gewinnen. Diese Attitüden hat der traumatisierte Shootist alle nicht. Sein Einzelgängertum ist auf das Wesentliche eingerext. Und längst ist nicht klar, ob er am Ende des Tages immer noch über allem steht. Das weiß selbst „Scarlett Witch“ Elizabeth Olsen nicht – als Greenhorn unter den FBI-Ermittlern hat sie zwar alle ihre Hausaufgaben gemacht – die Arbeit auf freiem Feld ist aber etwas, das man nur durch Erfahrung effizient bewerkstelligen kann. Diese Erkenntnis lässt Olsen in ihrer Rolle aufgehen und begegnet Jeremy Renner auf Augenhöhe. Dass sich beide sowohl ihren Defiziten as auch ihren Stärken bewusst sind, macht sie zu Identifikationsfiguren in einem Thriller, der allerdings einfach nur ein Thriller ist.

Ja, es ist saukalt, die unwirtliche Natur ist leinwandfüllend, das Licht des Tages meist schwindend. Landschaften, die schon in Genrefilmen wie Mörderischer Vorsprung die eigentlichen Stars der Geschichte waren. Dass es in Wind River um so Abscheulichkeiten wie Vergewaltigung und Mord geht, mag zwar zeitweise bleischwer im Magen liegen, letzten Endes aber wagt sich Sheridan´s Neo-Western kaum grenzüberschreitend weiter vor, um auch die Metaebene eines gesellschaftskritischen Diskurses aufs Tablett zu bringen. Ansätze sind zwar vorhanden, alle möglichen Ressourcen gehen aber auf die stark fokussierte Kriminalgeschichte, die dadurch aber auch so ziemlich lückenlos den Spannungsbogen bis zum Ende straff hält. Sheridan hat gute Arbeit gemacht, und war, so wie es scheint, vor allem für die endlos scheinende Wildnis Wyomings zu begeistern. Sonst ist Wind River wie schon Hell or High Water kein Kunst-, sondern eher das Handwerk eines bodenständigen Films über den gezähmten wilden Westen der Gegenwart, als Debüt verständlicherweise etwas hemdsärmelig, aber nach guter alter Schule inszeniert. Mag sein, dass die nächste Regie den eigenen Stil Sheridan´s womöglich erst definieren wird.

Wind River