Infinite – Lebe unendlich

MEISTER, DIE VOM HIMMEL FALLEN

3,5/10


infinite© 2021 Paramount Pictures


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: ANTOINE FUQUA

CAST: MARK WAHLBERG, CHIWETEL EJIOFOR, SOPHIE COOKSON, DYLAN O’BRIEN, RUPERT FRIEND, JÓHANNES HAUKUR JÓHANNESSON, JASON MANTZOUKAS, TOBY JONES U. A. 

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Ewig zu leben muss eine Qual sein. Vampire wünschen sich insgeheim nichts lieber als endlich gepfählt zu werden. Je länger man lebt, desto lebensmüder wird man, desto mehr geht einem das Wertempfinden am Allerwertesten vorbei. Leben als inflationäres Gut – da ist der Tod doch das, was allen Ewigen das Besondere an der Existenz wieder zurückbringt. Selbst im Buddhismus ist die Reinkarnation endenwollend, denn irgendwann, wenn man brav genug ist, winkt das erholsame Nirwana. Denn Leben ist anstrengend.

Es gibt so viele Filme, die betrachten den Stillstand des Zellzerfalls oder aber deren rege Erneuerung als Privileg. Ist es aber nicht. Auch in Infinite – Lebe unendlich, dem neuen „Blockbuster“, der beim Testscreening womöglich durchfiel und auch sang und klanglos, ohne viel Werbung zu investieren, im Bücherschrank des Streamingriesen Amazon auftaucht, gibt es (ich muss ein Gähnen unterdrücken) elitäre Auserwählte, die das fernöstliche Geheimnis des Lebens und Wiederlebens bestätigen. Interessant dabei ist, dass sie Spezies und Geschlecht stets treu bleiben. Moment, würde Buddha sagen – so war das aber nicht gemeint. Ohnehin nicht, denn die vom religiösen Aspekt abgleitende Idee erinnert viel eher an die Serie Altered Carbon, ist aber in Infinite natürlichen Ursprungs.

Einer der davon Betroffenen ist Mark Wahlberg, der Erinnerungen an ein Leben hat, das nicht seines ist. Anscheinend hat seine Psyche einen Knacks – aber es wäre nicht Mark Wahlberg, wenn psychische Defizite nicht auf äußere Einflüsse zurückzuführen wären. Seine Figur des Evan ist eine von jenen, die auf das Erlernte aus früheren Leben zurückgreifen können und so ein Know-How mit sich herumtragen, das sie für andere wie vom Himmel gefallene Meister erscheinen müssen. Es gibt aber auch die, die das nicht wollen, quasi die Nihilisten. Die wollen der Reinkarnation ein Ende setzen, also alles Leben auf der Erde tilgen. Dafür braucht es natürlich einen Muskelprotz wie Wahlberg (was für Oberarme!), um Obernihilist Chiwetel Ejiofor das Handwerk zu legen.

Die Idee ist ein bisschen anders als zum Beispiel jene von The Old Guard, basiert auf dem Roman The Reincarnationist Papers von D. Eric Maikranz und kann sich unter der Regie des erprobten Routiniers Antoine Fuqua bereits als erfolgreich verfilmt betrachten. Was noch dazu kommt: das Drehbuch stammt von John Lee Hancock, seines Zeichens Schreiberling für Perfect World oder The Little Things, den er auch inszeniert hat. Keine Ahnung, was letzten Endes hier passiert ist, aber Fuquas und Hancocks Arbeit muss unter enormem Zeitdruck gestanden haben. Unter diesem passieren einfach Fehler – Schlampigkeitsfehler, logische Fehler – überhaupt generelle Denkfehler, die sich prinzipiell mal nicht zwingend in einen Film so dermaßen manifestieren sollten, dass sie den Lauf der Dinge in einen kausalen Zusammenhang stellen.

Bei Infinite – Lebe unendlich tun diese Denkfehler richtiggehend weh. Abgesehen davon, dass Mark Wahlberg ein rein handwerklicher Schauspieler ist, der seinen Job fernab von Method Acting rein pragmatisch angeht, begnügt sich die Science-Fiction-Action mit austauschbaren, lieblos durchgetakteten Formeln und überzeichneten Figuren, die nicht viel weiterdenken als bis zum sichtbaren Horizont. Größte Selbstüberschätzung der Gegenseite: anzunehmen, es gäbe sonst kein Leben als dieses auf der Erde, um wiedergeboren zu werden. Die Physik wäre nämlich im ganzen Universum inhärent, und das Bemühen der Bösen, deren Beweggrund ich besser verstehen kann als den der Guten, damit sinnlos.

Infinite – Lebe unendlich

The Discovery

DER TOD ALS PLAN B

4/10


discovery© 2017 Netflix


LAND / JAHR: USA, GROSSBRITANNIEN 2017

BUCH / REGIE: CHARLIE MCDOWELL

CAST: JASON SEGEL, ROONEY MARA, ROBERT REDFORD, JESSE PLEMONS, RILEY KEOUGH U. A. 

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Manchmal wird klar, warum Filme, von denen man noch nie etwas gehört hat, obwohl man als Filmnerd täglich up to date bleibt, auf diversen Streaming-Portalen – in diesem Falle auf Netflix – in der Versenkung verschwinden. Wo sollen sie auch sonst hin? Für den Retail-Markt zu „independent“, fürs Kino zu speziell, doch im Stream kann sich jeder bedienen, wer will. Und bedient sich keiner, macht’s auch nichts. Irgendwann sind diese Filme dann weg vom Radar, tauchen vielleicht im Free TV auf – das war’s dann. Angesichts des vorliegenden Films lässt sich sogar vermuten, dass einer wie Robert Redford gar nicht mehr weiß, in diesem Streifen überhaupt mitgespielt zu haben. Doch das hat er. Und nicht nur Redford: der Cast für The Discovery kann sich wirklich sehen lassen. Neben dem Altstar treffen auch noch Komödiant Jason Segel, der mal was Ernstes spielen wollte, und die wunderbare Rooney Mara aufeinander. Als Support streift auch noch Charakterdarsteller Jesse Plemons durchs Bild.

Dabei liegt diesem kleinen großen Science-Fiction-Drama von Malcolm McDowells Filius Charlie eine faszinierende Idee zugrunde. Was, wenn es der Wissenschaft gelingen könnte, herauszufinden, ob es ein Leben nach dem Tod gibt? In dieser alternativen Zukunft ist genau das passiert. Der Tod ist längst nicht mehr das Ende, und darüber hinaus soll das, was danach kommt, um Einiges besser sein. Klar, dass dann all die Unzufriedenen, Kranken und Depressiven zu drastischen Mitteln greifen, um das Ticket ins Jenseits zu ergattern. Die Selbstmordrate schnellt in die Höhe, händeringend wird die Bevölkerung gebeten, doch einen Sinn in diesem Leben hier zu finden – und nicht im nächsten. Entdecker Thomas Harbor allerdings sieht sich dafür nicht verantwortlich – bis ein Mann während eines Interviews vor seinen Augen Suizid begeht. Harbor zieht sich daraufhin zurück, Jahre später besucht ihn sein Sohn auf seinem Anwesen, das mittlerweile zum Elite-Rehabilitationszentrum für gescheiterte Selbstmörder herhalten muss. Darunter Rooney Mara, diesmal ganz in blond. Jason Segel gefällt das.

Zum Beispiel hätte Mike Cahill aus dieser Sache wohl wieder etwas ganz Feinsinniges fabriziert. McDowell hingegen scheitert dabei, diesen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, diesen Beginn einer neuen Menschheitsgeschichte, in ein Kammerspiel zu packen. Diese Rechnung geht nicht auf. Und das liegt nicht daran, dass er das Warum und Wie zu diesem wissenschaftlichen Durchbruch nicht erklärt. Genau diesen dramaturgischen Schachzug verorte ich auf der Habenseite. Erklären lässt sich das ganze sowieso nicht, daher bleiben die Beweise vage, und die Tatsache allein, dass es so ist, müsste genügen. Viel wichtiger und ebenso viel interessanter bleibt die psychosoziale Resonanz. Genau da hat der Film aber enorme Defizite. Wie es sich anscheinend für einen waschechten Independent-Kandidaten gehört, setzt McDowell auf viel Geschwurbel, viel Gerede. Schicksalsschläge aus des Professors Familie kommen hoch, Jason Segel windet und verliebt sich. Geistert durchs Haus und blickt gemeinsam mit Rooney Mara ins Narrenkästchen. Das fühlt sich recht träge an, und das weiß der Filmemacher selbst anscheinend auch, also wird’s später noch ordentlich mysteriös und dank gewisser halbseidener Versuche, eine Logik in das philosophische Konstrukt einzubinden, obendrein noch so konfus, als würde man bei einem, der im Schlaf redet, den Kontext verstehen wollen.

So viel Potenzial für so ein höchst sensibles, spannendes Thema. Jedoch ein Film, der so schnell verdrängt werden wird wie der Gedanke ans eigene Lebensende, das irgendwann – oder vielleicht auch nie, weil gegenwärtig zu abstrakt – kommen wird.

The Discovery