Wunderschöner (2025)

DIE TRUGBILDER WEIBLICHER FREIHEIT

7,5/10


© 2025 Warner Bros. Entertainment


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2025

REGIE: KAROLINE HERFURTH

DREHBUCH: KAROLINE HERFURTH, MONIKA FÄSSLER

CAST: KAROLINE HERFURTH, NORA TSCHIRNER, ANNEKE KIM SARNAU, EMILIA SCHÜLE, EMILIA PACKARD, DILARA AYLIN ZIEM, ANJA KLING, GODEHARD GIESE, FRIEDRICH MÜCKE, MALICK BAUER, MAXIMILIAN BRÜCKNER, LEVY RICO ARCOS, SAMUEL SCHNEIDER U. A.

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Wenn sich ein Mann als Frauenversteher deklariert, ist ja das alleine schon ein überheblicher und gleichsam herablassender Begriff – als wären Frauen ein Rätsel, das Mann knacken muss, um von einer Frau das zu bekommen, was diesem vorschwebt ergattern zu müssen. Wenn schon Frauenversteher, dann wären es Frauen selbst, die sich dieses „Prädikat“ aneignen könnten. Und im ganz besonderen Karoline Herfurth. Dabei interessiert sie gleichermaßen, wenn nicht brennender, wie ein Mann vielleicht tickt. Was ihn bewegt, was ihn erregt, was ihn scheitern lässt. Wunderschöner, die Fortsetzung von Wunderschön, lässt sich auch ganz ohne Vorkenntnis des ersten Teils betrachten, schließlich sind es ganz andere Fallbeispiele, die hier erörtert werden. Wunderschöner ist bei Weitem nicht nur ein Frauenfilm, was das Werk in eine Nische drängen würde, wo es gar nicht und vor allem nicht ausschließlich hingehört. Genauso gut will Herfurth alles von Männern wissen und vor allem von dieser Diskrepanz zwischen beiden Geschlechtern, die zu überbrücken proaktive Anstrengungen erfordert – von beiden Seiten, dabei deutlich mehr von Seiten der Frau, denn die ist immer noch die Unterdrückte, Missbrauchte, Diskriminierte, während sich der Mann in seiner Machtposition gefällt.

Während Frauen sich längst schon repositionieren und dabei versuchen, aus ihrem Rollenklischee herauszukommen, haben Männer gehörig viel Aufholbedarf. Das Bequemliche an diesem Patriarchat, dieses Ruhekissen, zieht Herfurth den Männern unter dem Hintern weg. Und veranschaulicht auf schmerzliche, liebenswürdige und tragikomische Weise, und ohne jemals mit dem Finger zu zeigen, dass es in auf- und umbruchsbereiten Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeiten mehr gibt, dass im Grunde alles, was die geschlechterbezogene Gesellschaft betrifft, obsolet erscheint. Dieses Miteinander wird in Wunderschöner zu einer komplexen Baustelle im Zeitstrahl der sozialen Entwicklung – eine Baustelle, die nicht mal noch als Fundament wahrgenommen werden kann. Was existiert, mag vielleicht ein Team sein. Ein Ensemble aus Schauspielerinnen und Schauspielern, so wie in diesem Fall, um einen Film zu verwirklichen, der die Grenzen dieser Baustelle absteckt. Der zumindest ersichtlich macht, woran gearbeitet werden muss. Um queere Verhältnisse geht es dabei diesmal nicht.

Wunderschöner erzählt in episodenhaften Sequenzen, deren Erzählfäden aber miteinander verflochten sind, von fünf Frauen unterschiedlichen Alters, die selbst erst erkennen müssen, welche Rollen genau sie in diesem System erstens gerade einnehmen und zweitens einnehmen sollten. Sie positionieren sich, erklären sich, behaupten sich – und begreifen erst so richtig, woran es krankt. Fremddefiniert durch den Mann ist der einzige Weg der der Emanzipation, jedoch nicht auf eine kämpferische Art und Weise, die gerne belächelt wird, sondern auf eine ganz natürliche, fast schon geschlechtsunabhängige. Karoline Herfurth als Familienmutter Sonja, die von ihrem Mann getrennt lebt, von welchem sich aber, aus beiderseitigem Interesse, kein Abstand gewinnen lässt, stellt das Zentrum der mannigfaltigen Erzählung. Nora Tschirner als Lehrerin Vicky wartet, bis ihr Partner von einem Selbstfindungstrip endlich heimkehrt. Anneke Kim Sarnau als die wohlsituierte Politikergattin Nadine muss das Fremdgehen ihres Mannes verkraften und setzt sich mit dem Thema Prostitution auseinander. Emilia Schüle als Julie, die gerne beim Fernsehen arbeitet, muss sich einer toxischen Männlichkeit im Betrieb erwehren, die frappant an Weinstein erinnert. Und schließlich Schülerin Lilly, die sich als junge Frau zwar frei fühlt, den Begriff weiblicher Selbstbestimmung aber erst noch überdenken muss. Alle zusammen, und dazu noch einige tragende und wichtige Randfiguren, erschaffen das komplexe und vielschichtige Bild eines Ist-Zustandes, der nicht darauf aus ist, sein Publikum mit neuen Erkenntnissen zu erhellen. Wunderschöner hat keinen Aha-Effekt, allerdings aber, und das ist viel wichtiger, ruft er geduldete Verhältnisse in Erinnerung, die im Argen liegen. Herfurth führt ihr Ensemble mit Sorgfalt, sie weiß im Vorhinein, was und wie sie es sagen will, ohne plattes Betroffenheitskino zu veräußern.

Wunderschöner distanziert sich auch von den aalglatten Tragikomödien eines Schweighöfers oder Schweigers, sogar von den Ensemblestücken eines Simon Verhoeven oder Wortmann. Am ehesten noch erinnert ihre Arbeit an Doris Dörrie zu ihren besten Zeiten, und dennoch ist Herfurths Film noch immersiver, weil sie Emotionen abbildet, die sonst nur innerhalb der vier Wände bleibt. Das ist charmant und aufrichtig, und auch wenn manchmal der Imperativ zur Veränderung fast schon so präsentiert wird wie ein Werbespot für Frauenrechte, so kann es, genauer betrachtet, selbst davon nicht genug geben. Letztlich will auch Herfurth, das alles gut wird, und man fragt sich, ob angesichts dieser offenen Wunden und Problemzonen im Rahmen eines abendfüllenden Spielfilms jemals irgendetwas davon auf heilsame Bahnen gerät. Herfurth gelingt das Kunststück, ihre Ambitionen nicht überzustrapazieren und auch nichts unter Zeitdruck zu überladen. Letztlich staunt man, wie es ihr gelingt, zumindest Hoffnung und Zuversicht zu schöpfen. Und nein, es ist gar nichts gut, das Happy End ist nur ein neuer Status Quo, die Romantik die Vergessenheit eines Moments. Die Probleme bleiben, denn alles andere wäre ein Affront zur Realität.

Wunderschöner (2025)

Sweethearts

GERMANY´S NEXT SCREAM QUEEN

5/10

 

sweethearts© 2019 Warner Bros. Deutschland

 

LAND: DEUTSCHLAND 2019

REGIE: KAROLINE HERFURTH

CAST: KAROLINE HERFURTH, HANNAH HERZSPRUNG, FREDERICK LAU, ANNEKE KIM SARNAU, CORDULA STRATMANN U. A.

 

Sie haben es schon wieder getan – diese Handvoll smarter Filmschaffender, die schon seit geraumer Zeit das deutsche Kino verwöhnen. Begonnen hat das damals alles mit Til Schweiger, dem das Schauspielen nicht mehr genug war – und der jetzt auch schon – allerdings fast vergeblich und zum Leidwesen der Filmpresse – versucht, in Hollywood mit Stars wie Nick Nolte Fuß zu fassen. Nach ihm kamen dann Matthias Schweighöfer, stiltechnisch ganz im Fahrwasser von Vorbild Schweiger. Dann kam Florian David Fitz. Und dann – ja, dann Karoline Herfurth. Weil Schauspielen allein, das reicht nicht – oder doch? Vielleicht ergänzt das die Sicht auf die eigene Profession ja so dermaßen, dass man das einfach einmal gemacht haben muss. Doch was sagte Brad Pitt kürzlich bei einem Interview zu Ad Astra? „Dort draußen gibt es so viele großartige Regisseure, dass ich nicht wüsste, warum es da auch noch mich bräuchte“. Wahre Wörter. Ohnehin hat Pitt genug damit zu tun, seine Produktionsfirma Plan B auch noch zu hosten. Also ein Muss ist der Sprung ins Regiefach nicht wirklich, es sei denn, man will als Schauspieler mal so richtig so sein dürfen, wie man gerne wollen würde. Das heißt: niemand sagt dir, wann du deine Figur, die du dir vielleicht sogar selbst an den Leib geschrieben hast (wie hier der Fall) wie anzulegen hast. Karoline Herfurth kann also herumschreien wie sie will, und auch noch so allerhand schräges Verhalten an den Tag legen. Und sich selbst so richtig in den Mittelpunkt stellen. Das hat seinen Reiz, macht einen zum Wiederholungstäter. Und das Ego dankt.

Wobei das am besten mit Neurotikern funktioniert. Neurotiker und psychisch labile Zeitgenossen sind im deutschen Dramödienfach im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnig beliebt. Da lässt sich so herrlich überzeichnen, aber nicht so weit, dass der Eindruck entsteht, sich über soziale Defizite lustig zu machen. Nein, bei Filmen wie Sweethearts ist das Hadern mit der Neurose ein sympathischer Zug, etwas Skurril-Harmloses, vielleicht Nerviges, aber niemals etwas, dem man die Integration verwehrt. Herfurth setzt also in ihrer zweiten Regiearbeit nach SMS für Dich auf das Motto Scream Queen, und sie kreischt nicht nur ihrem Co-Star Hannah Herzsprung die Ohren voll. Sie quietscht und meckert auch so in der Gegend herum, natürlich zu Recht, denn sie wird entführt, muss eine Zeitlang trotz klaustrophobischer Schübe im Kofferraum ausharren und bekommt Knarren vorgehalten. Und das nur, weil sie ganz zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war. Immer wieder lustig, solche Zufallsbekanntschaften, wo sich zwei, die gegensätzlicher nicht sein können, zusammenraufen und letzten Endes füreinander da sind, koste es was es wolle – Lemmon und Matthau lassen grüßen. Das Grundprinzip solcher Buddy-Movies nutzt auch Herfurth nach Strich und Faden, und so wie bei den meisten Filmen von Schweiger, Schweighöfer und Fitz kann sie die konveniente und oft probierte Balance zwischen Situationskomik und Tragik halten, noch dazu in gefälliger, wenn auch routinierter Optik. Weh tut hier gar nichts, und all diese Filme fühlen sich unglaublich gleich an. Die, die als sympathische Identifikationsfiguren herhalten sollen, überraschen mitnichten mit keinerlei konterkarierten Wendungen.

Dennoch oder eben deshalb ist Sweethearts im Einheitsbrei der trendigen Schauspielregisseure relativ austauschbar, auch ziemlich vorhersehbar und eigentlich einzig durch das quirlige Spiel seiner rothaarigen Leading Woman einen Blick wert. Jedenfalls kann ich abschließend feststellen, dass, um es mit den Worten von Brad Bitt zu sagen, da draußen weitaus bessere Regisseure längst darauf warten, coole Stoffe zu verfilmen, die sich nicht zwingend um die eigene Person drehen müssen.

Sweethearts