The Ballad of Buster Scruggs

SPIEL MIR DAS LIED VOM SCHICKSAL

8/10

 

THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS© 2018 Netflix

 

LAND: USA 2018

DREHBUCH UND REGIE: JOEL & ETHAN COEN

CAST: TIM BLAKE NELSON, JAMES FRANCO, LIAM NEESON, TOM WAITS, ZOE KAZAN, BRANDON GLEESON. SAUL RUBINEK U. A.

 

Also ehrlich, das wäre doch was. Eine Neuverfilmung des Comics Lucky Luke unter der Regie von Joel und Ethan Coen. Das könnte ich mir durchaus vorstellen, womöglich aber kaum unter FSK 16 – das wäre ein Lucky Luke von der zwar schrägen, aber durchaus blutigeren Sorte. Ganz im Stile der ersten Erzählung im Rahmen eines vielgestaltigen Westerns, der da endlich wieder unter den Fittichen der beiden gelockten Masterminds über den Bildschirm stiefelt. Leider nicht über die große Leinwand, denn das war nur den Besuchern der Filmfestspiele von Venedig vorbehalten. Wir Endverbraucher können nur mit einem Stream via Netflix in den Genuss dieses bemerkenswerten Episodenfilmes kommen, und zwar exklusiv via Netflix. Da gibt es keine anderen Möglichkeiten. Das ist schon ziemlich raffgierig, dann sollte Netflix zumindest eine Kinokette eröffnen oder sich in anderen Ketten einkaufen, damit nicht nur das alternativlose Abo der einzige Weg nach Westen bleibt. Denn mit The Ballad of Buster Scruggs sind die Coens wieder ganz dick im Geschäft. Da bin ich ohne viel Überredungskunst sehr schnell bereit, den letzten Film aus 2016, nämlich Hail, Cäsar!, wieder ganz schnell zu vergessen. Überzeugt hat mich diese dünnsuppige Hollywood-Hommage nämlich überhaupt nicht. Die so eigenwillige wie genüssliche Anthologie aus dem Wilden Westen hingegen schon. Und ich wage sogar zu behaupten, diese ganz lässig im Sattel sitzende Fingerübung mit selbstverständlich einem Originaldrehbuch ist das Beste seit A Serious Man. Ganz die unverkennbare Handschrift, ganz der zynische, schwarze Humor. Und ganz die melancholische Lakonie, die in ihren Filmen stets ihre künstlerische Raffinesse am deutlichsten feiert.

Worin Joel und Ethan Coen für uns geschmackvoll blättern, das ist ein altes Buch gesammelter Kurzgeschichten, um die Jahrhundertwende verlegt. Für Bibliophile womöglich interessant, wäre es im Antiquariat erhältlich. Einzelne kolorierte Farbtableaus, geschützt mit Reißpapier. The Ballad of Buster Scruggs ist dabei nur die erste von insgesamt sechs Episoden, die unterschiedlicher nicht sein können, sich untereinander auch kein Crossover bescheren und aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen quer durch ein unwirtliches und gleichzeitig idyllisches Amerika wandern. Hineingepfeffert in dieses endlose Nirgendwo: der versprengte Mensch. Gemeinsam haben sie neben des Umherziehens, Vagabundierens und Irrens vor allem eines mit im Gepäck: die Ironie des Schicksals. Zu einer Zeit, in der Leben und Tod fast schon zur Grauzone einer unsicheren Existenz verschmolzen sind, kann das Glück sehr kurzlebig sein. Zukunft war womöglich etwas, worauf man sich nicht verlassen durfte. Ein gemachter Pionier war sehr schnell ein toter Pionier. Und die, die gut mit dem Schießeisen umgehen konnten, die trafen dann irgendwann auf jene, die das noch besser konnten. Ein Leben und Sterben lassen, vereint in einer messerscharfen filmischen Anthologie über den Westen. Und zwar so, wie er selten zu sehen ist. Manchmal hat The Ballad of Buster Scruggs etwas von den sarkastischen Stelldicheins eines raubeinigen Italowesterns, manchmal etwas von den redseligen Eskapaden eines Tarantino. Doch meist finden die Coens wieder zu ihrem Stil zurück, ohne Hommage an irgendwen sonst sein zu wollen. Dieser mehr als zweistündige Reigen des Willens, Unwillens und einer Art Schicksalsergebenheit stellt seine traurigen, verblendeten und idealistischen Gestalten, die allesamt wundervoll gecastet und gegen den Typ besetzt sind, vom Regen in die Traufe. Dieses weite, feindselige, unnahbare Land, in das die Sehnsuchtsvollen aufbrechen, scheint leere Versprechungen zu bergen und nur den wenigsten Gnade zu gewähren. Das ist ein Amerika des Wilden Westens, das völlige andere Randgeschichten erzählt, im sozialen Abseits, eingebettet in Bildern, durch die John Wayne und seine hemdsärmeligen Cowboykollegen bereits in bestem Cinemascope vorbeigeritten sind. Die Regiearbeit ändert Blickwinkel und behält sie dennoch bei. Als wäre der Focus längst nicht mehr der auf die der großen Helden, sondern auf begleitende Zaungäste, die auch so gamblen wollen wie jene, die als Ikonen des Westens längst verherrlicht wurden.

Was daraus wird, ist ein bizarres Panoptikum zwischen knarzenden Salontüren, staubigen Ebenen und dem Recht des Stärkeren. Zwischen Goldrausch, Armut und einem Herz für Hunde. Dazwischen kauzige Country-Balladen in verklärender Romantik, die sich selbst persifliert. In den besten Momenten hat Buster Scruggs dieses märchenhaft Entrückte wie in O Brother where art thou?. Dann ist dieser Film wie ein stockdunkler Song von Johnny Cash, der aber so klingt wie ein tänzelnder Salon-Gig auf dem verstimmten Pianino in irgendeiner Spelunke, und der dann endet, wenn irgendeiner auf den staubigen Brettern liegt.

The Ballad of Buster Scruggs

Solo: A Star Wars Story

HAN SHOT FIRST!

7/10

 

null© 2017 Lucasfilm Ltd. & ™, All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2017

REGIE: RON HOWARD

MIT ALDEN EHRENREICH, WOODY HARRELSON, EMILIA CLARKE, DONALD CLOVER, PAUL BETTANY, JOONAS SUATOMU, THANDIE NEWTON U. A.

 

Achtung, Übersetzungsfehler! In Episode IV: Eine neue Hoffnung brüstet sich Weltraum-Ikone Han Solo, tadellos gespielt von Harrison Ford, den Kossalflug in 12 Parsecs hingelegt zu haben. Kossalflug? Da stimmt was nicht. Im Original heißt es nämlich Kessel, und das macht wieder mehr Sinn, wenn Nerds wie meine Wenigkeit wissen, dass es sich hierbei um einen Bergbau-Planeten handelt, der sich schwer orten lässt, da er sich hinter einem galaktischen Nadelöhr befindet, dem sogenannten Mahlstrom. Unter 20 Parsecs ist da schon eine Leistung – aber 12? Eine kleine Erwähnung in George Lucas´ Original von 1977 – und nun ein ganzer Film, der die Geschichte dazu erzählt. Interessiert hat es Star Wars Fans schon immer, was damals wirklich passiert ist. Und um die ganze Erwähnung am Rande der Galaxis auch noch gehaltvoll aufzumöbeln, gibt es noch ein How I met my Wookie als spektakulären Bonus ganz oben drauf.

Die Lego-Trickser Phil Lord und Chris Miller wollten aus dem Stoff, aus dem die verwegenen Helden sind, eine humoristische Improvisationsshow machen. Das ist Disney-Queen Kathleen Kennedy so ziemlich sauer aufgestoßen. Die Folge war ein fliegender Wechsel am Regiestuhl, Experte Ron Howard, der mit Apollo 13 schon erfolgreich gezeigt hat, dass er Dinge im Weltraum ganz gut bewegen kann, hat sich der Sache angenommen. Ob mit Begeisterung oder einfach um seinen Job zu erledigen, wissen wir nicht. Immerhin aber zeichnet Star Wars-Storyteller Lawrence Kasdan wieder einmal fürs Drehbuch verantwortlich, das kann ja schon mal nicht schlecht sein. Solo: A Star Wars Story hat nämlich neben Star Wars VII: Das Erwachen der Macht in mir wohl die meiste Neugier geweckt. Sie zu stillen war wahrhaftig erholsam, wenngleich Howard´s Film längst nicht alles richtig gemacht hat.

Die Frage, die sich bei diesem Abenteuer ohnehin jeder stellt: Wird Alden Ehrenreich in die Fußstapfen von Harrison Ford treten können? Viel mehr müsste die Frage lauten: Kann Alden Ehrenreich die entsprechenden Fußstapfen vorgeben, in denen Harrison Ford dann später treten wird? Tatsächlich muss ich dem Jungspund nicht wirklich die Leviten lesen. Er hat die Figur, die er mal sein wird, richtig gut studiert. So zusammenkonstruiert und einstudiert mag es in manchen Szenen auch wirklich wirken, und zugegeben, der Erwartungsdruck auf seinen Schultern hat sich sicher so angefühlt wie eine Wookie-Massage. Trotzdem gibt er sein Bestes, hat in seinen besten Szenen sogar auch Ford´s Mimik drauf. Vergessen darf man aber nicht, dass Ehrenreichs Han Solo ein Charakter ist, der erst zu dem wird, wie wir ihn aus Episode IV kennen. Heruntergebrochen auf die Persönlichkeit des Ex-Sternenakademikers und imperialen Soldaten, der lieber gestern als morgen stiften geht, mag Ehrenreich-Han noch wie ein risikofreudiger Freigeist wirken, der noch grün hinter den Ohren ist, dem man noch so einiges vormachen und der sich für Dinge wie den Hyperraumsprung noch begeistern kann. Ford-Han ist immer noch ein risikofreudiger Freigeist, vormachen kann man ihm aber nichts mehr. In Episode IV dürfte er schon so gut wie allem begegnet sein. Der Entwicklungsbogen stimmt also. Den Han Solo Lookalike-Contest hat Ehrenreich für sich entschieden. Wie sieht es aber mit dem Rest des Films aus?

Solo: A Star Wars Story wirkt wie ein staubig-schlampiger Schnellschuss aus der Hüfte. Wie einer dieser Spaghetti-Western aus Italien, wie der ungezählte Aufguss einer Django-Projektiloper, die abgerissen und schmutzig einschlägige Zielgruppen verwöhnt. Solo: A Star Wars Story ist stellenweise fast schon ein bisschen Grindhouse. Je dreckiger, je desolater – um so besser! Wirklich strahlend hell wird es im jüngsten Streiflicht aus dem Lucas-Universum nicht wirklich. Die weit weit entfernte Galaxis ist ein Dritte Welt-Ödland, ein Somalia des Universums, wo Armut, Nahrungsknappheit, Verbrechersyndikate und Sklaventreiber herrschen. Die schöne neue Welt unter der Fuchtel des Imperiums ist düsterer denn je, bizarre Ausgeburten von fremden Planeten tummeln sich unter den fahl scheinenden Lampen diverser Sabacc-Spielhöllen oder torkeln unter Tage halbot als Zwangsarbeiter im Dienste des Imperators durch giftige Stollen. Solo bleibt dem rauen, abgenutzten Look von Rogue One: A Star Wars Story so ziemlich treu, die Szenen an der Front allerdings sind noch apokalyptischer als bereits gesehen. Star Wars: Battlefront lässt grüßen, so finster und schlammverkrustet wie aus den Weltkriegsreißern der späten Siebziger. Knallbunt wie ein Papagei hingegen der junge Lando Calrissian – Donald Glover gelingt die narzisstische Hinterfotzigkeit des späteren Gasminen-Besitzers im Vergleich zu Ehrenreich mit genüsslicher Leichtigkeit.

Schön und märchenhaft ist dieses angeblich magische Universum längst nicht mehr. Und so weit weg von Macht, Rebellion und Imperium waren wir bisher auch noch nicht. Doch wie sehr sich auch Solo: A Star Wars Story anstrengt, so undergroundig wie eine ungehobelte Firefly-Version zu sein – dank seiner visuellen Brillanz ist der Ableger immer noch ein willkommener Hingucker, der die Liebe zum Detail zelebriert und dem Extended Universe neue Völkerscharen hinzufügt. Der Teufel im Detail steckt hingegen in der Story. Kasdan und Sohn kritzeln die Erzählung in einer gewissen unharmonischen Schieflage aufs Blatt. Cameos und Referenzen, die auf der Hand gelegen wären, werden (einstweilen noch?) schmählich ignoriert, dafür hegen manche Ereignisse die vage Vermutung, dass Solo womöglich längst nicht mehr dem Kanon von George Lucas folgt. Schlüsselszenen werden zu Randvermerken, geplante Wendungen sind so gewollt plötzlich, dass sie aufgesetzt wirken. Die geschmeidige Stringenz von Rogue One gilt als vermisst. Es lässt sich somit nicht verbergen, dass Solo unschön aus der Taufe gehoben wurde. Wenn Szenen neu gedreht, wenn Macher wechseln und zeitweise im Grunde gar nichts mehr stimmt. In den Szenenwechseln werden Lücken fühlbar, die Schnittfolge hapert, am Ende läuft einiges sogar ins Leere. Wen schert schon das Schicksal so mancher Figuren, die gerne ein Sequel gehabt hätten? Doch Moment – wie in den Medien zu lesen ist, haben Ehrenreich und Emilia Clarke für weitere Fortsetzungen unterschrieben. Das würde mir den nörgelnden Wind aus den Segeln nehmen. Dann wäre nämlich soweit alles wieder gut. Fraglich nur, ob auf Basis dieser im Einspiel hinterherhinkenden Räuberpistole, die schon ganz gut gefällt, erstmals aber so richtig Haare lässt. Von denen hat aber Chewie dem Erbauer sei Dank noch genug 😉

Solo: A Star Wars Story