Cat Person (2023)

VORSICHT VOR MÄNNERN

7,5/10


cat-person© 2023 Studiocanal


LAND / JAHR: FRANKREICH, USA 2023

REGIE: SUSANNA FOGEL

DREHBUCH: MICHELLE ASHFORD, NACH DER KURZGESCHICHTE VON KRISTEN ROUPENIAN

CAST: EMILIA JONES, NICHOLAS BRAUN, GERALDINE VISWANATHAN, ISABELLA ROSSELLINI, HOPE DAVIS, CHRISTOPHER SHYER, LIZA KOSHY, JOSH ANDRÉS RIVERA U. A.

LÄNGE: 2 STD 


Etwas schräg ist der Kerl an der Kinokassa eigentlich schon, aber andererseits auch süß. Doch Vorsicht. Dieses „Süß“ könnte nur die Fassade für einen charakterlichen Zustand sein, der – wie bei zu viel Süßem – in weiterer Folge für Unwohlsein sorgt. Ein Problem, mit welchem Frau sich herumschlagen muss, will akuter Männernotstand im Rahmen heterosexueller Beziehungsmuster behoben werden. Denn Männer wollen – ganz oben auf der Agenda – empirischen Wissens nach immer nur das eine. Dafür schlüpfen sie in Rollen, die für das andere Geschlecht attraktiv genug erscheinen. Sie bewahren ihre Geheimnisse und verkaufen sich gänzlich ohne Unzulänglichkeiten. Eigenwerbung und Partner-PR – nichts davon, damit ist zu rechnen, mag authentisch sein. Und doch passiert es immer wieder. Denn die Liebe ist – wie Conny Francis schon singt – ein seltsames Spiel, aus dessen Fehlern niemand lernt.

Dieser Kerl an der Kinokassa also, dieser Robert, der auf charmante Weise unbeholfen daherkommt, will Margot (Emilia Jones) gerne näher kennenlernen. Oftmals hat man Pech und das Gegenüber ist bereits vergeben – so aber hat Robert Glück und beide kommen sich näher. So weit, so simpel wäre Cat Person von Susanna Fogel, gäbe es da nicht die potenzielle Gefahr, die, sensibilisiert durch News und Medien, hinter jedem Mannsbild steckt, welches sich an soziokulturell tief verankerten Stereotypen und Rollenbildern abarbeitet, die jahrhundertelang alles Weibliche als zu unterdrückendes Feindbild entsprechend behandelt haben, aus Angst, nicht nur intellektuell zu unterliegen. Mit dieser herumgeisternden Möglichkeit, die Katze im Sack erstanden zu haben, muss Margot nun umgehen. Ein kleiner Trost mithilfe eines Glaubenssatzes gefällig?

Männer, die Katzen halten, also eben Cat Persons, sind harmlos, so sagt man. Stimmt das? Je mehr die beiden Zeit miteinander verbringen, desto deutlicher regt sich in Margot der Verdacht, dass mit Robert irgendetwas nicht stimmt. Oder ist es nur die eigene Angst, irgendwann ausgeliefert zu sein? Als die Katze durch Abwesenheit glänzt und der Sex dann auch kein zündendes Heureka verursacht, sondern ganz im Gegenteil, lediglich zur Tortur wird, distanziert sich Margot, will gar Schluss machen. Doch einen Mann wie Robert einfach so abservieren, der vielleicht seinen Psychopathen hervorgekehrt, wenn es um Kränkung geht? Immer mehr spitzt sich Cat Person zum Thriller zu, zum psychologischen Tagebuch unguter, gar bedrohlicher Vorahnungen, die in der Fantasie Margots eher Gestalt annehmen als es tatsächlich der Fall ist. Diese stete Furcht vor toxischer Männlichkeit gebiert Ungeheuer, wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Susanna Fogel, welche die viral gegangene Blogger-Story von Kristen Roupenian interpretiert, spielt geschickt mit Erwartungen, Ängsten und den Zwickmühlen gesellschaftlicher Pflichten, die auf kolportierten Glaubenssätzen basieren. Cat Person atmet die kontaminierte Luft aus Misstrauen und berechtigter Vorsicht. Anders als Bisheriges, das aus spannungsgeladenen Beziehungskisten gezaubert wurde – von Eine verhängnisvolle Affäre bis zum eben in den Kinos angelaufenen Romantikdrama It Ends with Us mit Blake Lively – liefert Cat Person keinen offenen Kampf und keine klar markierten Positionen. Die spielerische Suspense entsteht durch das Ausleben der bitteren Konsequenzen, die aufgrund von Vorurteilen entstehen, die über ein gesamtes Geschlechterbild hinwegschwappen. Die Vermutung ist das Indiz, die Möglichkeit der Beweis. Fogel ist eine ausgesprochen kluge und ungewöhnliche Tragikomödie gelungen, deren Protagonisten einem leidtun können, die jedoch Opfer des eigenen mitgelebten sozialen Wahnsinns geworden sind, der immer mehr um sich greift. Ein Film, der ausser oft ins Schwarze auch den Puls der Zeit trifft.

Cat Person (2023)

Bodies Bodies Bodies

SIE WOLLEN NUR SPIELEN

6/10


bodiesbodiesbodies© 2022 Public House Rights LLC.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: HALINA REIJN

BUCH: SARAH DELAPPE, NACH EINER STORY VON KRISTEN ROUPENIAN

CAST: AMANDLA STENBERG, MARIA BAKALOVA, RACHEL SENNOTT, CHASE SUI WONDERS, PETE DAVIDSON, LEE PACE U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Die Zukunft der Menschheit liegt in den Händen solcher Leute? Na, ich hoffe doch nicht ausschließlich. Denn Party, Party, Party geht auch nicht immer, obwohl jugendlicher Hedonismus zur besseren Resilienz die Schräglage unserer Welt manchmal auf die leichte Schulter nehmen darf. Ganz so sehr dem Frust über Klimakrise, Krieg und Geldknappheit muss man sich auch nicht immer hingeben, andererseits aber wäre ein bisschen mehr Bodenhaftung angesichts einer Realität wie dieser schon wünschenswert. Die Mädels und Jungs in Bodies Bodies Bodies kreisen jedoch in erster Linie um ihre aufgebauschten Befindlichkeiten, während man auf der Luxuswelle vor sich hintreibt und gerade zum Splish Splash ins feudale Heim eines selbsternannten Sex-und Koks-Gottes, dargestellt von Pete Davidson, eingeladen wird.

Es beginnt das hysterische Kammerspiel mit der großzügigen Darstellung eines innigen French Kiss zwischen zwei Mädels (Amandla Stenberg und Borat-Oscarnominierte Maria Bakalova), die so frisch verliebt sind wie das 90er-Girlie-Duo t.a.t.u., und zum feuchtfröhlichen Wochenende aufschlagen, das sie mit einer recht illustren Runde an jungen Frauen und einem älteren Herrn (Lee Pace – kaum zu glauben dass der mal den anmutigen Elben Thranduil gegeben hat) teilen müssen. Sophie und ihre Freundin Bee werden kritisch beäugt, lässt sich Sophie doch seit längerer Abstinenz erstmals wieder blicken. Ein Drogenproblem hat die soziale Interaktion leider verhindert, doch das Verständnis hat bei so vielen Ego-Trips aktuell keinen Platz. Als der angekündigte Hurrikan für diesen Tag langsam Anstalten macht, hereinzubrechen, sucht die Gruppe Vergnügungssüchtiger indoor nach Beschäftigungen – und probiert das hübsche Spiel Bodes Bodies Bodies aus, was ungefähr so zu funktionieren scheint wie das gerne zelebrierte Werwolfspiel vom Düsterwald. Ein Mörder geht um und killt seine Mitspieler bei Berührung. Das Opfer fällt zu Boden und schon muss jener Spieler, der es entdeckt, dreimal Bodies rufen, um das Rätselraten einzuläuten. Es wäre kein Thriller, sondern einfach nur ein Partyfilm, würde nicht tatsächlich einer der Anwesenden bald das Zeitliche segnen. Und es passiert auch: Gerade Pete Davidson als Gastgeber klebt blutverschmiert an der Verandatür. Whodunit? Vielleicht die zuvor von ihm kompromittierte Freundin? Oder gar der undurchschaubare Gelegenheitsflirt Greg, der sich bereits frühzeitig ins Schlafgemach abgeseilt hat? Irgendwer will sich da an irgendwen – oder gleich an allen? – rächen, denn es dauert nicht lange, da wird die blutige Spur immer länger und länger.

Das Blut, das tragen bald alle Protagonistinnen wie Kriegsbemalung im Gesicht. Und es sieht nicht so aus, als hätten sie all den Körpersaft deswegen dort, weil sie zufällig in die Wunden der Opfer gefallen sind. Das sieht zwar seltsam aus, doch vielleicht ist das Absicht. Vielleicht herrscht hier, im englischsprachigen Erstling der Niederländerin Halina Reijn, ein Zickenkrieg zwischen selbstgerechten Influencer-Ladies, die in ihrer Smartphone-Blase auf und ab gackern, als gäbe es kein Morgen mehr. Für manche wird dieser auch nicht aufziehen, und es ist manchmal tatsächlich kaum auszuhalten, den keifenden Frauen beim verbalen Austeilen zuzuhören, deren Stimmen sich bis zum exzessiven Gekreische überlagern, wenn sich die Reichen und Schönen am Boden wälzen, weil keine die sein will, für die sie die anderen halten. Bodies Bodies Bodies ist aber, hat man die Katze aus dem Sack gelassen, am Ende einer turbulenten Blutnacht voller Ein-, Aus- und Zufälle das Armutszeugnis einer unzurechnungsfähigen Society, die ihre Selbstdarstellung bis zur Selbstüberschätzung treibt. Dabei wird Social Media nicht per se verteufelt, sondern viel mehr das, was man daraus macht. Worauf es ankommt, verschwimmt zusehends. Und der viele Lärm war um nichts.

Bodies Bodies Bodies