Dangerous Animals (2025)

DER MENSCH IST DEM MENSCH EIN HAI

7,5/10


© 2025 Constantin Film Distribution GmbH


LAND / JAHR: USA, AUSTRALIEN 2025

REGIE: SEAN BYRNE

DREHBUCH: NICK LEPARD

KAMERA: SHELLEY FARTHING-DAWE

CAST: JAI COURTNEY, HASSIE HARRISON, JOSH HEUSTON, ELLA NEWTON, LIAM GREINKE, ROB CARLTON U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Steven Spielberg wusste damals gar nicht, was er den Knorpelfischen mit der Verfilmung des Romans von Peter Benchley eigentlich angetan hat. Kann sein, dass er diese Komponente seines 70er-Jahre-Erfolgs bis heute bitter bereut. Nicht ausschließlich, aber maßgeblich hat sein aufwändig inszenierter Action-Horror dazu beigetragen, dass der Hai an sich zu jenen Tierarten zählt, die Böses im Schilde führen. Als wäre das abnormale Verhalten des Weißen Hais aus dem Film (sein Name: Bruce) die Blaupause für jeden Rückenflossler, der durch die Meere pflügt – und sei er auch noch so klein. So viel allerdings ist wahr: Durch einen Hai kann man durchaus auch das Zeitliche segnen, doch das gelingt schon mit Moskitos und reicht bis zum Elefanten, der sein pummelig-unbeholfenes Image auch niemals wieder loswird. Medienwelt, was hast du getan?

Todfeind Mensch

Hinter all diesen Stigmatisierungen steht natürlich der Mensch, der sowieso und ohnehin für gefühlt jedes Lebewesen auf der Erde den Todfeind darstellt – außer vielleicht Hauskatze und Hund. Nun verhält es sich in Sean Byrnes gewitztem Boot-Horror so, dass hier die treibende Kraft für jedwedes Unheil von so manchem Zweibeiner ausgeht. Zum Beispiel von einem Typen wie Tucker, hinreißend dargeboten von Jai Courtney, der das Scheusal in Menschengestalt mit der sommerlichen Jovialität eines Adventure-Animateurs verknüpft. Letzteres gibt dieser auch vor zu sein, nur um Paare oder im besten Fall Single-Frauen jüngeren Semesters auf einen unvergesslichen Bootstrip einzuladen, der als Höhepunkt einen Cage-Dive vorsieht. Sowas vergisst man natürlich nicht und kann als adrenalingesteigerte Erinnerung für später, wenn der Alltag vor sich hin graut, immer wieder abgerufen werden. So majestätische Geschöpfe in Griffweite – das ist schon was. Für Tucker noch besser, wenn zwischen Mensch und Tier gar kein Käfig mehr ist – und letzteres vielleicht noch im Blutrausch an unschuldigen Touristinnen knabbert, bis sie dahinscheiden. Diesem psychopathischen Serienkiller, der sein Kombüsen-Dinner gerne dann konsumiert, wenn im Hintergrund das letzte gefilmte Gemetzel läuft, fällt such Surferin Zephyr in die Hände, die nach einem One Night Stand mit Schönling Moses ganz früh raus will, um die Elemente zu bezwingen. Sie erwacht erst wieder im Bauch von Tuckers Kahn, angekettet an ein Bettgestell, neben ihr die Lady aus der Eingangsszene. Spätestens nach dieser wissen wir, was es geschlagen hat. Und vor wem man hier wirklich die Hosen voll haben sollte. Jedenfalls nicht vor dem Hai.

Genre-Klischees über den Haufen geworfen

Dangerous Animals ist ein verletzungsfreudiges, bluttriefendes Inspirationswerk, von Sound bis Storytelling wie aus einem Guss. Wer hätte das gedacht? Statt zum wiederholten Male die Tierwelt dafür zu bemühen, die gnadenlose Natur raushängen zu lassen, um Homo sapiens zu zeigen, wer hier das Sagen hat, lenkt Byrne den Fokus vom geplagten Hai auf das Ekelpaket Mensch, in all seiner Perfidität, das sich aus seiner Sucht nach dem ultimativen Lustgewinn seine Stärke holt. Das aber ist nur die eine Seite des straff durchgetakteten, äußerst spielfreudigen Serienkiller-Slashers, der die Subgenres wild miteinander verknüpft und so Innovationen setzt: Die andere Seite ist die Umkehr von Rollenklischees. Hassie Harrison (u. a. Yellowstone) stärkt ihre Figur der vagabundierenden Einzelgängerin mit ordentlich Subtext – dort wäre, wenn man es wüsste, vermutlich auch all das zu lesen, was der Film ohnehin aufs Tapet bringt. Die Rolle des weiblichen Opfers und des tierischen Bösewichts hat sich abgenützt, Byrne setzt neue Parameter und lässt Jay Courtney über seine eigenen veralteten Rollen-Klischees stolpern. Wie die Heldin, die eher sich selbst beißt als von einem Hai gebissen zu werden, dem Bermuda-Burschen Paroli bietet, während der maskuline Mucki-Held sprichwörtlich in den Seilen hängt, ist großes Thrillerkino, so scharf geschnitten und bissfest wie die Revolver-Kauleiste eines bildschönen Mako-Hais.

Dangerous Animals (2025)

Im Wasser der Seine (2024)

HAIE DER GROSSSTADT

7/10


ImWasserderSeine© 2024 Netflix


LAND / JAHR: FRANKREICH 2024

REGIE: XAVIER GENS

DREHBUCH: XAVIER GENS, YANNICK DAHAN, MAUD HEYWANG, YAËL LANGMANN

CAST: BÉRÉNICE BEJO, NASSIM LYES, LÉA LÉVIANT, ANNE MARIVIN, AURÉLIA PETIT, NAGISA MORIMOTO, SANDRA PARFAIT, AKSEL USTUN U. A.

LÄNGE: 1 STD 41 MIN


Die Zoologen, Hai-Experten und Wissenschaftler dieser Welt gehen auf die Barrikaden. Im Wasser der Seine von Xavier Gens ist Mist oberster Güte, da sei selbst Meg mit Jason Statham, so das Echo, noch logischer. Ehrlich wahr? Wie logisch kann Meg wohl sein, wenn Superactionhero Statham einem Megalodon ins Maul tritt und im Alleingang einer prähistorischen Naturgewalt die Leviten liest? Das ist genauso Edeltrash wie Im Wasser der Seine. Und am besten sind Hai-Horrorfilme genau dann, wenn sie genau das sind: hanebüchener Tierhorror jenseits der Verhaltensforschung, der seinen Zenit in Filmen wie Sharknado erreicht – denn gegen Sharknado ist Im Wasser der Seine ja fast schon akribisch recherchiertes Wissenschaftskino. Und auch wenn es das nicht ist – und natürlich ist es das nicht – gelingt Xavier Gens etwas Kurioses. In diesem wild fuhrwerkenden Szenario, das dazu steht, nicht der Realität entsprechen zu wollen, sondern eher einem irrealen Albtraum, dem man hat, wenn man rein intuitiv, impulsiv und subjektiv über Hai-Horror nachdenkt, finden Mako-Haie, die ja grundlegend auch dafür bekannt sind, zu den gefährlichsten Knorplern zu gehören, die wir kennen, ihren Weg in die Stadt der Liebe. Warum das so sein kann? Nun, die Evolution schläft nicht, und muss sich in Zeiten des Klimawandels, des Raubbaus der Meere und der sonstigen Unwägbarkeiten, die das Anthropozän so mit sich bringt, neu erfinden. Da kann es sein, dass sie auf Express umschaltet und Begebenheiten möglich macht, die Tierkundler zur Verzweiflung bringen.

Eine davon ist Sophie, gespielt Bérénice Bejo, die seit dem Neo-Stummfilm The Artist von Michel Hazanavicius kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Der Horrorthriller beginnt mit einem desaströsen Ausflug in den Pazifik, genau dorthin, wo der verstörende „Müllkontinent“ vor sich hintreibt. Vor der Kulisse eines Schandflecks, den wir Menschen verursacht haben, ist die Natur klarerweise mehr als gewillt, ein Exempel zu statuieren – und löscht Sophias ganzes Team aus. Besagter Mako-Hai hat zugeschlagen – ein dicker, fetter, großer. Genau dieser flosselt gemächlich und Jahre später in der Seine herum, gerade zu einer Zeit, als die Bürgermeisterin der Stadt einen Triathlon organisiert, der zum Teil auch in fließendem Gewässer stattfinden soll. Sophia und Polizeibeamter Adil (Nassim Lyes, bekannt aus Xavier Gens Actionfilm Farang) gehen haarsträubenden Gerüchten nach, da ja prinzipiell nicht sein kann, dass ein Räuber aus dem Salzwasser hier sein Unwesen treibt. Sie werden bald eines Besseren belehrt, und ein Wettlauf mit der Zeit bricht sich Bahn, während der Knorpler frühstückt, als gäb‘s kein Morgen mehr. Dieses Morgen allerdings, steht wirklich bald auf der Kippe.

Man sollte sich dieses Szenario selbst ansehen. Man darf sich wundern und an den Kopf greifen. Und dennoch macht Im Wasser der Seine insofern Laune, da es keinen Jason Statham gibt, der alles richtet. Doch immerhin: Die ignorante Bürgermeisterin, die Wissenschaftlerin, auf die keiner hört, die Öko-Aktivistin, die ihr eigenes Ding durchzieht – im Film wimmelt es von Stereotypen und Rollenklischees. Was diesen bewährten Mustern aber passiert, ist das Konterkarieren ihrer Selbst. Xavier Gens lässt sie alle bluten, es wirbeln Köpfe und Gliedmaßen, da gerät Deep Blue Sea zum Kindergeburtstag. Und der urbane Mensch, ob auf logischem Wege oder auch nicht, wird endlich mal wieder dorthin verwiesen, wo sein Platz ist. Und der ist nicht zwingend am Ende der Nahrungskette.

Im Wasser der Seine (2024)