Bring Her Back (2025)

STÖRE MEINE KREISE NICHT

7/10


© 2025 Sony Pictures / A24


LAND / JAHR: AUSTRALIEN, USA 2025

REGIE: DANNY & MICHAEL PHILIPPOU

DREHBUCH: DANNY PHILIPPOU, BILL HINZMAN

KAMERA: ARON MCLISKY

CAST: SALLY HAWKINS, BILLY BARRATT, SORA WONG, JONAH WREN PHILLIPS, SALLY-ANNE UPTON, MISCHA HEYWOOD, STEPHEN PHILLIPS U. A.

LÄNGE: 1 STD 39 MIN


Danny und Michael Philippou, bekanntgeworden auf Youtube unter dem Label RackaRacka, können es abermals nicht lassen, die menschliche Seele nach dem Tod ins Diesseits zu bemühen. Sowas hat man früher gern gemacht, mit Séancen, hierzulande als „Tischerlrücken“ bekannt. Die beiden sind nicht etwa interessiert, zu wissen, was nach dem Ableben noch auf uns zukommt; wie das Sterben selbst sich anfühlt. Das ist eine Dimension, diese zu erforschen überlassen sie gerne anderen Leuten. Was die Philippous wollen, ist, die gestorbene Identität, sofern es denn noch eine gäbe, wieder in die uns eigene Realität zurückzuholen. Die Neugier, ob dies gelänge, siegt über die Achtung der Totenruhe, heiligt aber dennoch die Mittel zum Zweck, um ganz deutlich zu signalisieren, dass man an diesen Tabus nicht rütteln soll.

Dem Tod ins Handwerk pfuschen

In Talk to Me, ihrem Regiedebüt, das erfrischend kreativ und demnach auch mit entsprechender Härte an den Horror herangeht, dient ein okkultes Artefakt, in diesem Fall eine mumifizierte Hand, als Sprachrohr für tote Seelen. Dafür schlüpfen sie in den Körper eines lebenden Individuums, um sich zu artikulieren. Solche Spielereien haben natürlich einen Pferdefuß, das ganze geht schief, der Schrecken bricht sich Bahn. Interessant dabei: Hier haben wir es nicht mit bösen Dämonen, dem Teufel oder anderen finsteren Gesellen aus der Hölle zu tun, die uns wie in Conjuring einfach nur quälen wollen. Bei den Philippous sind die Toten die Toten, und sie benehmen sich auch wie solche – abgekoppelt und dahintreibend in eine andere Welt, von der sie nicht wissen, was sie verspricht, weil das Licht sie angeblich noch nicht erreicht hat, und die daher eine brennende Sehnsucht danach verspüren, wieder in ihr altes Leben zurückzugelangen. Ganz normale Behaviours für Verstorbene, in Versuchung geführt von jenen, die sie eigentlich nichts mehr angehen. Auch in Bring Her Back sind okkulte Praktiken relativ funktionabel – in der paranormalen Welt der Philippous ist das Know-How zur Überbrückung der Dimensionen längst praxiserprobt.

Das Thema der Selbstverletzung

Was es dazu noch braucht, ist Trauer. Bittere, unheilbare, irreversible Trauer, die keinen Trost findet, es sei denn, wie der Titel schon sagt: die Verstorbene kehrt zurück. Bis zum Hals in diesem Nährboden der Erschütterung steckt Sally Hawkins als überbordend liebevolle Pflegemutter, welche die beiden elternlosen Geschwister Piper und Andy bei sich aufnimmt. Überrumpelt von all der Gastfreundschaft, wundern sich beide vorerst nur wenig ob des seltsamen Verhaltens ihres Patchwork-Bruders Ollie, der sichtlich Schwierigkeiten hat, zu kommunizieren und generell recht apathisch wirkt. Der Zuseher weiß aber längst, dass der Grund dafür in der Pervertierung von Naturgesetzen liegt, die selbst dem Paranormalen inhärent sind. Diese zu verbiegen oder gar zu brechen, davor mahnt Bring Her Back mit expliziten Bildern, die weniger versierten und geübten Horrorkinogängern durchaus aufs Gemüt schlagen könnten, ist der Bodyhorror hier doch absolut State of the Art und das Realistischste, was man seit Langem zu sehen bekam. Auffallend ist dabei, dass die Philippous schon bei ihrem Vorgänger ihren Horror in der manischen Selbstverletzung orten, ein Thema, das andere Horror-Franchises lediglich als Selbstzweck auf die Spitze treiben. Apropos: Wären diese Gewaltspitzen nicht, wäre die enorm düstere Tragödie in seiner Tonalität mühelos gleichzusetzen mit Nicholas Roegs Wenn die Gondeln Trauer tragen. Nur der Spuk hält sich in Grenzen, der lässt sich, anders als in Talk to Me, diesmal nur erahnen. Viel eher brilliert die sowieso immer famose Sally Hawkins, diesmal völlig gegen ihr Image gebürstet, in einem Psychothriller, der die Klaviatur des Suspense mit variierender Wucht nachzuspielen weiß.

Regenschwerer Psychothriller

Viel schlimmer als das Okkulte wiegt dann doch die Dreistigkeit der Manipulation und der Intrige, in der die Figur des fast achtzehnjährigen Bruders Andy (Billy Barratt) immer mehr versinkt. Vermengt mit der wahrlich erschreckenden Performance des jungen Jonah Wren Phillips ergibt das einen zwar weitaus geradlinigeren und weniger komplexeren Film als Talk to Me, dafür aber lücken- wie atemloses Schauspielkino unter nicht nur emotionalem Dauerregen. Der ideale Film also für den Übergang von Halloween zu Allerheiligen – keine leichte Kost, gnadenlos morbid, andererseits aber unerwartet emotional, melancholisch und am Ende ungemein poetisch, als hätte Del Toro (The Shape of Water mit Sally Hawkins) letztlich noch seine Finger mit im Spiel.

Bring Her Back (2025)

Talk to Me (2022)

SHAKEHANDS MIT DEN TOTEN

7/10


TalkToMe© 2023 capelight pictures


LAND / JAHR: AUSTRALIEN 2022

REGIE: DANNY & MICHAEL PHILIPPOU

DREHBUCH: BILL HINZMAN, DANNY PHILIPPOU

CAST: SOPHIE WILDE, ALEXANDRA JENSEN, JOE BIRD, OTIS DHANJI, MIRANDA OTTO, ZOE TERAKES, CHRIS ALOSIO, MARCUS JOHNSON, ALEXANDRIA STEFFENSEN U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Einmal nur einen Blick ins Jenseits erhaschen. Wäre das nicht was? In Flatliners reizte diese Vorstellung eine Gruppe junger Medizinstudenten so sehr, dass sie den Wahnsinn beging, sich selbst sterben zu lassen – um dann wieder reanimiert zu werden. Doch das Diesseits hat Regeln und Grenzen. Man sollte schon mit einer gewissen Endgültigkeit das Zeitliche segnen, um in den Genuss der Wahrheit am anderen Ufer des Styx zu kommen. Der Fährmann Charon fordert nicht umsonst einen Tribut, und wenn dann manche wieder umkehren, um daheim zu prahlen, wie cool das nicht war, das Licht am Ende des Tunnels gesehen zu haben, so ist das fast schon als Missbrauch einer „göttlichen Ordnung“ zu verstehen. Überdies bringt so eine Vermengung der Dimensionen einiges in Unordnung. Nebenwirkungen sind die Folge, Geister lassen sich sehen, Albträume plagen die Probanden.

Auf ähnliche Weise treibt es die Partygesellschaft im vorliegenden australischen Horrorfilm ziemlich bunt. Doch diese jungen Leute hier sind weder Studenten noch streben sie eine noch so geartete wissenschaftliche Erkenntnis an. Für diese Jungs und Mädels ist das Spiel mit der Unterwelt sowas wie Activitiy für die Generation Scheißdrauf. Die auf Social-Media-Kanälen jeden Schwachsinn zum Trend macht und dabei ablacht, als gäbe es kein Morgen mehr. Statt Flaschendrehen heißt es diesmal Händeschütteln, was erstmal nicht so spannend klingt, doch in Wahrheit ist diese Hand, die es zu berühren gilt, eine magische. Genauer gesagt die eines verblichenen Nekromanten, dessen Kräfte aber immer noch in seinen Extremitäten stecken, die man ihm abgenommen hat. Dieser mumifizierte Griffel also steht auf dem Couchtisch im Eigenheim von irgendeinem Young Adult, der das Ganze natürlich filmt und online stellt. Die Challenge ist, diese Hand zu ergreifen und die verheißungsvollen Worte Talk to Me zu rezitieren. Sodann erscheint aus dem Nichts ein Geist, der nicht weiß, wie ihm geschieht, der aber die Möglichkeit in Betracht zieht, wieder mit seiner heißgeliebten Welt zu kommunizieren, die er einst verlassen hat müssen.

Es wäre kein Horrorfilm, würden diese Toten nicht in ihrem ramponierten Letztzustand erscheinen, von Krankheit und Fäulnis gezeichnet oder schwer verletzt. Milchige Augen starren auf den mutigen Diesseitler, der seine Grenzerfahrung noch mit den Worten Ich lass dich rein so weit steigern kann, dass der Tote in den Körper des Lebenden dringt. Es ist, als würde man sich einen nassen Socken mit nur einer Hand anziehen – bei manchen gelingt das leichter, bei manchen wird’s zur Tortur. Auch die junge Mia (Sophia Wilde), deren Mutter an einer Überdosis Schlaftabletten verstorben ist, pfeift auf die Ordnung der Dinge und triggert das Chaos. Jedes Mal ist das Triezen der Toten ein Kick für alle. Es wird gestaunt, gealbert und verarscht. Und irgendwann will auch der kleine Bruder von Mias bester Freundin ran. Dass Kinder wohl eher davon lassen sollen, sagt schon die Vernunft, doch davon besitzen all die Anwesenden nicht viel. Der Trip wird zum Desaster, die Toten finden einen Weg zu bleiben. Es muss nur der lebende Körper sterben, um übernommen zu werden.

Von Social Media für (oder gegen) Social Media und darüber hinaus: Die Brüder Danny und Michael Philippou, die mit ihrem zweifelhaften Youtube-Kanal RackaRacka immer wieder für Aufsehen und Kontroversen sorgen, haben ihren ersten Spielfilm gedreht – und lassen mit ihrem Die-Geister-die- ich-rief-Grusel auch wirklich nichts anbrennen. Wo Flatliners noch eher im Spielfeld der Mystery zu verorten war, spielt Talk to Me die Nihilismus-Karte aus. Dabei ist der Thriller bei weitem nicht nur darauf aus, sein Publikum zu erschrecken und mit blutigen Gewaltspitzen zu verstören. Ihren Film treiben so manche seelische Traumata um, die mit Verlustangst, Trauer und Verantwortung zu tun haben. Gerade letzteres, nicht nur gemünzt auf das digitale Sodom und Gomorrha, auf das wohl jeder noch so grüne, unbedarfte Halbwüchsige Zugriff haben kann, wird zur großen Gretchenfrage in einer Dekade, in der alles gefakt, alles erlaubt und Respekt dem Spaß im Wege steht. Den dahinterstehenden Hedonismus verbindet ein Gefühl des Abfeierns bis zum Weltuntergang, denn der, könnte man meinen, steht kurz bevor. In diesem emotionalen Dunst aus Alkohol, frechen Sprüchen und Selbstmitleid haben die Toten leichtes Spiel. Man könnte nun vermuten, dass die im Jenseits böse sind, doch sie werden getrieben von einem radikalen Eigennutz, der beunruhigt. Immer wieder dringt Talk to Me in eine panikmachende Düsternis vor, die vor allem die Furcht vor einer Sache verbreitet: dem Alleinsein.

Einsamkeit ist hier der wahre Horror. Einsamkeit in vielerlei Gestalt. Entweder, nicht verstanden, nicht gehört oder im Stich gelassen zu werden. Jeder stirbt für sich allein – und bleibt es schließlich auch. Die Isolation im Dies- und Jenseits ist das Entsetzen, weniger die Bilder der gruseligen Toten, die in perfektem Make-up die Lebenden heimsuchen. Dazwischen immer wieder Skizzen eines Psychogramms von Protagonistin Mia, die ihren Trip in oder durch die andere Welt zum Kreuzweg werden lässt. Talk to Me ist somit nichts für schwache Nerven, ein Horrordrama mit Gewicht, aber nicht schwermütig. Stattdessen neugierig, in offenen Wunden bohrend und in den Abgrund blickend. Der blickt bereitwillig zurück.

Talk to Me (2022)