Appaloosa

WER HAT ANGST VORM SCHWARZEN MANN?

4/10

 

appaloosa© 2018 HBO

 

LAND: USA 2008

REGIE: ED HARRIS

CAST: ED HARRIS, VIGGO MORTENSEN, JEREMY IRONS, RENÈE ZELLWEGER, LANCE HENRIKSEN U. A.  

 

Nein, dieser Film ist nicht die US-Version von Ostwind. Er hat nichts mit der gleichnamigen Pferderasse zu tun, und es geht auch nur peripher um Pferde, die maximal als reitbare Untersätze für coole schießwütige Socken herhalten müssen, wie Ed Harris eine ist. Obwohl: schießwütiug würde ich gar nicht sagen. Ed Harris hat sich ganz so wie Countryikone Johnny Cash mal komplett in schwarz gekleidet. Das steht ihm, keine Frage. Ein passender breitkrempiger Hut dazu – sieht fein aus. Wäre Ed Harris schwarz, wäre er Denzel Washington aus der Neuverfilmung von Die glorreichen Sieben, aber soweit wollen wir nicht gehen. Ed Harris kommt also in das Kaff, das so heisst wie eine Pferderasse, nämlich Appaloosa, und will dort für Recht und Ordnung sorgen. An seiner Seite: Viggo Mortensen, hinter dichtem Schnauzer versteckt und bei den Allüren seines unberührbaren Mentors auf Ausgleich bemüht. Denn ja – dieser Shootist Virgil Cole, den Harris verkörpert, der setzt da an, wo die dörfliche Justiz Marke Sheriff versagt. Und das tut sie in diesem Film. Jeremy Irons ist daran Schuld, der treibt als machtgeiler Viehbaron überall sein Unwesen und glaubt er ist Gott in Frankreich.

Ist er nicht, das wissen wir. Das wissen wir schon seit Die rechte und die linke Hand des Teufels, wo der im Maßanzug herumkommandierende Major letztendlich ordentlich Prügel einsteckt. Wie das bei klassischen Western eben so ist, lässt sich bei Appaloosa schon ziemlich siegessicher vorhersagen, wie das Ganze enden wird. Das nimmt dem Genre mittlerweile auch fast all seine Spannung, aber es ist immer wieder eine Genugtuung, zu sehen, wie das Unrecht seine Hosen verliert. Mit diesem Man in Black namens Virgil Cole hat das Unrecht einen seltsam autistischen Gegner, der nicht so richtig kann mit anderen Leuten. Sozial etwas inkompetent, und mit Frauen läuft da auch fast nichts. Für diese Komponente hat sich Ed Harris Renée Zellweger auf den Pferderücken geholt – nun, nicht die beste Wahl. Harris, der mit Appaloosa 2008 seine zweite Regiearbeit nach der elektrisierenden Künsterbiopic Pollock vorlegt, hat zwar jede Menge namhafter Schauspieler für seine klassische Westernpistole verpflichten können (all die erwähnten sind längst noch nicht alle bekannten Gesichter), geschickt zusammenspielen lässt er sie nicht.

Appaloosa ist so hölzern geraten wie die ungebeizten Holztüren des Saloons, nur deren Schwung hat er nicht. Ed Harris spielt unglaublich steif, Mortensen kommt sich, trotz seiner sonst so professionellen Qualitäten, vermehrt fehl am Platz vor. Und Renée Zellweger ist schwer auszuhalten. Ihre übertriebene Attitüde schmerzt, und überhaupt wirken auch all die anderen Pro- und Antagonisten wie bestellt und nicht abgeholt. Als hätte Ed Harris, selbst wohl überfordert mit der Aufgabe, seiner klischeehaften Rolle ambivalentes Leben einzuhauchen, keine Zeit und keine Nerven dafür gehabt, seine Co-Akteure durch den Dreh zu geleiten. Angesichts dieser bedeutenden Namen sollte das vielleicht gar nicht notwendig sein, aber je simpler und austauschbarer ein Film ist, umso schwieriger wird es, dem Setting etwas Neues, Erfrischendes abzugewinnen. Appaloosa, das ist die Verfilmung eines Westernromans, wie er am Fließband geschrieben wird, noch dazu von jemandem, der nebenbei noch allerlei Detektivgeschichten Marke Hammett und Chandler veröffentlicht hat, was aber prinzipiell kein Grund wäre, dem Westernmythos nur mit Abziehbildern zu begegnen. Appaloosa ist aber genau das: ein Abziehbild ohne Charisma, Dutzendware auf staubiger Straße. Warum Ed Harris bloß diese Vorlage gewählt hat? Weil er vielleicht in Jugendjahren diesen Robert B. Parker gelesen hat? So wie hierzulande manche Winnetou nicht aus ihrer Kindheit wegdenken können? Schon möglich. Dann ist es wiederum ein sehr persönliches Werk. Doch für mich als Zuseher hätte das keine Relevanz.

Appaloosa

The Good Liar – Das alte Böse

WER EINMAL LÜGT, DEM GLAUBT MAN NICHT

4/10

 

thegoodliar© 2019 Warner Bros. GmbH

 

LAND: USA 2019

REGIE: BILL CONDON

CAST: HELEN MIRREN, IAN MCKELLEN, RUSSEL TOVEY, JIM CARTER, JOHANNES HAUKUR JOHANESSON U. A.

 

Ich hätte nie gedacht, dass der integre, weise, knollennasige Gandalf zu so etwas fähig wäre: nämlich zu lügen wie gedruckt. Er sieht ja auch viel zu treuherzig aus, aber Vorsicht: man soll nie einen Menschen nach seinem Äußeren beurteilen. Ian McKellen, der sieht tatsächlich schon sehr knuddelig aus, fast schon wie seinerzeit Walter Matthau. Dessen Hängebacken waren legendär, aber auch Matthau war zuletzt ein richtiger Grumpy Old Man. Ian McKellen ist – ohne wallendem weißen Haar, Rauschebart und Zauberhut – ein gewinnender älterer Herr, der scheinbar überhaupt nichts Böses will. Seine kleinen wässrigen Augen blicken gütig, er ist ganz Gentleman, vor allem Damen gegenüber, und insbesondere Helen Mirren, die beim ersten Date der beiden ganz die diskrete feine Dame gibt und fast ein bisschen wie die Queen mit verschmitztem Understatement punktet. Wir wissen natürlich: der Schein trügt hier gewaltig, auf beiden Seiten, so schmeichelnd, süßlich und zuvorkommend die beiden auch sind. Der Film würde nicht The Good Liar – Das alte Böse heißen (der deutsche Zusatztitel ist ein bisschen bärbeißig, aber gut), würden Mirren und McKellen sich nicht gegenseitig gehörig auf die Seife steigen lassen.

Und ja, anfänglich macht es Spaß, den beiden zuzusehen. Und der beste Moment ist wohl der, wenn Ian McKellen mit sich alleine ist, ganz inkognito, und aus dem gütigen Opa-Blick plötzlich ein finsteres „Gschau“ wird, inklusive abschätziger, arroganter Mundhaltung. Gut gemimt, keine Frage. McKellen weiß, Theater zu spielen. Und selbiges vorzuspielen. Ob aber Helen Mirren etwas im Schilde führt, bleibt lange unklar. In diesem Punkt erreicht The Good Liar doch einige Momente dezenten Suspense, in gepflegter pensionsbedingter Gemütlichkeit, obwohl Altsein allein nicht zwingend heißt, nichts mehr auf dem Kerbholz zu haben.

Dann aber ganz plötzlich weiß The Good Liar einfach nicht mehr weiter. Bill Condon, der mit Mr. Holmes jetzt nicht gerade für den cineastischen Bringer in Sachen Sherlock Holmes gesorgt hat, der hat sich meiner Meinung nach mit der literarischen Vorlage zu seinem aktuellen Film gehörig vergriffen. Der Roman von Nicholas Searle ist nur bedingt empfehlenswert. Der Plot nimmt eine Wendung, die ungefähr so aufgesetzt wirkt wie die pflichtbewusste Sonntagseinladung der lamentierenden Schwiegermama am Muttertag. The Good Liar fühlt sich an, als wären zwei Geschichten fragmentarisch vorhanden, die aber unbedingt entweder einen Anfang oder ein Ende brauchen. Natürlich auch mit Story-Twist, denn ein Thriller ohne solchen ist kein Thriller mehr, der Rest wäre dann allzu vorhersehbar. Schön und gut, wenn beide Geschichten zusammenpassen würden. Das überkonstruierte Schicksal der beiden Altvorderen jedoch ist weder glaubwürdig noch authentisch oder ernsthaft nachvollziehbar. Das, so vermute ich, liegt sicher an der literarischen Vorlage, und ein Film dazu macht es nicht besser.  Interessant dabei ist, dass beide Darsteller – Mirren und McKellen – nur schwer die unwillkürlich aufgebrummten Aufgaben ihrer Filmfiguren stemmen können. Als hätten sie selbst nicht gewusst, was auf sie zukommt. Und darauf verzichtet, ihre Charaktere dem Plot entsprechend neu zu orientieren. Nun, das hätten sie schon zu Beginn machen sollen, aber der Beginn des Films, der versprach etwas ganz anderes. Und der hätte diesen bedeutungsschweren Überbau über Schuld, Verjährung und Rache überhaupt nicht nötig gehabt. Lieber einfach ganz charmant hinters Licht führen, ohne die Welt zu bewegen. Das hätten die augenzwinkernden Psychoduelle der beiden zwischen Kaffeekränzchen, Schlummertrunk und galantem Türaufhalten schon vollauf erfüllt.

The Good Liar – Das alte Böse