Exhuma (2024)

HEITE GROB MA TOTE AUS

5,5/10


Exhuma© 2024 Splendid Film


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2024

REGIE / DREHBUCH: JANG JAE-HYUN

CAST: KIM GO-EUN, CHOI MIN-SIK, LEE DO-HYUN, YOO HAE-JIN, JEON JIN-KI U. A.

LÄNGE: 2 STD 14 MIN


Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass kein einziger koreanischer Film jemals kürzer sein darf als zwei abendfüllende Stunden. Am liebsten sind Filme wie diese noch länger, am liebsten hängen sie noch eine halbe Stunde dran. Das bedeutet Sitzfleisch – und einen wachen Geist. Denn die Koreaner, die geben sich nicht damit ab, nur einen singulären Erzählstrang abzuarbeiten – mit anderen Worten: banales, simples Kino, das von Alpha bis Omega schön stringent seine Geschichte erzählt. Geradlinig darf sie sein, jedoch niemals nur eine Dimension besitzen. Da gibt es Meta-Ebenen und Stile, die sich gegenseitig übertrumpfen. Da gibt es Wendungen, Twists und kuriose Begebenheiten, kurzum: womöglich bleibt alles da, wo es drehbuchtechnisch sein soll. Andernorts hätte man schon das Publikum unterfordert und den Rotstift angesetzt, Passagen gestrichen und all die knackige Originalität eingekürzt. Eine Methode, wie es in der US-Filmbranche, zum Leidwesen eines unterschätzten und gähnend gelangweilten Publikums, immer wieder geschieht. Das stets geforderte koreanische Publikum indes ist schon von Kindesbeinen an mit Filmen großgeworden, die stets für Überraschung sorgen und keinen Publikumsparametern folgen wollen. Koreanisches Kino bleibt stets erfrischend. Bleibt immer anders. Und kann sich eben auch Filme wie Exhuma erlauben, die viel zu lange geraten, weil sie viel zu viel erzählen wollen.

Wenn man glaubt, bereits am Ende angelangt zu sein, ist schließlich erst eine Stunde verstrichen, was bedeutet, dass der vollgestopfte Schamanen-Thriller nicht mal noch Halbzeit erreicht hat. Dabei ist die Story schon erzählt, der Geist entfesselt, der Fluch getilgt. Nichts da – Regisseur Jang Jae-hyun weckt die Totenruhe nicht nur einmal, stört die metaphysische Ordnung im magischen Wäldchen auf ein neues. Bringt Unfrieden und will vom Bösen durchsetzte Grabstätten umbetten. Exhuma erzählt eine Menge, lässt beschwören, bekämpfen und besessen sein. Die zweieinhalb Stunden hängen sich rein.

Dabei ist es faszinierend, dabei zuzusehen, wie so ein schamanistisches Ritual abläuft, wenn tote Schweine aufgebahrt und eine bunt gewandete Spiritistin die Messer schwingt. Schließlich geht es darum, böse Mächte abzulenken, damit der schmuck verzierte Sarg des Ur-Patriarchen einer wohlhabenden koreanischen Familie, die längst in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist, ausgehoben werden kann. Denn deren Opa, der spukt schließlich herum und belegt den jüngsten Spross seiner Dynastie mit Flüchen, quält die Lebendigen mit Alpträumen und stänkert so richtig auf paranormaler Existenzebene durch die Gegend. Feng-Shui-Meister Kim ist bei dieser Aktion alles andere als wohl bei der Sache, die beiden Schamanen Lee und Oh können den alten, erfahrenen Experten aber davon überzeugen, diesen Auftrag durchzuführen. Dass dabei noch ganz andere Mächte zurück ins Diesseits beordert werden, damit hätte wohl niemand gerechnet. Die Welt der Götter wird gestört, noch viel Älteres betritt die Bühne der Gegenwart, dessen Existenz bis in die Zeit der japanisch-koreanischen Kriege zurückreicht.

Das Ensemble der Spezialisten steht bald mit dem Rücken zur Wand, es geistert und spukt, das Phantastische ist Jang Jae-Hyun aber näher als der schreckgespenstische Horror. Hätte Neil Gaiman ein Austauschjahr in Südkorea verbracht und dort so manche seiner magischen Anderswelt-Geschichten geschrieben, er hätte Exhuma entwickeln können. Und obwohl hier kaum Leerlauf herrscht in diesem Abenteuer, es immer was zu tun gibt und niemand wirklich zum Durchatmen kommt – Exhuma ist ein anstrengendes, wie bereits erwähnt überlanges und unruhiges Werk, welches knapp vor Filmmitte seinen bisher so geschmeidigen Erzählfluss verliert. Was dann folgt, ist eine fast schon neu erzählte, ganz andere Geschichte, die mit der vorangegangenen nur noch wenig zu tun hat. Zwei Schamanen-Stories im Doppelpack? Nach einer Laufzeit von einer Stunde und fünf Minuten lässt sich der Rest des Films gut vertagen.

Exhuma (2024)

A Taxi Driver

ZUM FIXPREIS MITTEN INS GEMETZEL

7/10


ATaxiDriver© 2021 Koch Films


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2017

REGIE: JANG HUN

CAST: SONG KANG-HO, THOMAS KRETSCHMANN, YOO HAE-JIN, RYU JUN-YEOL U. A.

LÄNGE: 2 STD 17 MIN


Es waren Politdramen wie Salvador von Oliver Stone, The Killing Fields über die Roten Khmer in Kambodscha oder Under Fire mit Nick Nolte, die während des Kalten Krieges im Kino ganz vorne mit dabei waren. Der Kommunismus beeinflusste alle möglichen politischen Herrschaftsstrukturen und war ein buchstäblich rotes Tuch in den Augen der Amerikaner. Überall da, wo totalitäre wie linksextreme Einflüsse zu spüren waren, hat nicht nur die Politik, sondern auch die Filmwelt ihr Interesse kundgetan, insbesondere im benachbarten Mittelamerika. Dann war es lange Zeit ruhig – wenig Politik im Kino, hauptsächlich innerpolitisch Amerikanisches oder der Zweite Weltkrieg mit all seinen Aus- und Nebenwirkungen. Ganz vergessen wurde dabei Südkorea. Mit dem bereits 1917 erschienenen Politdrama A Taxi Driver wird nun den Opfern des Widerstandes gegen die in den Achtzigern mit eiserner Faust agierende Militärdiktatur ein Denkmal gesetzt. Und nicht nur diesen, sondern auch dem ARD-Reporter Jürgen Hinzpeter und einem Taxifahrer, über dessen Geschichte man eigentlich nichts weiß und der nach seinen mutigen Taten auch nach mehrmaligen Versuchen Hinzpeters niemals wieder gefunden werden konnte.

Dabei hat Taxifahrer Kim, dargestellt von Parasite-Star und mittlerweile Jurymitglied in Cannes, Song Kang-Ho, irgendwie wenig Ahnung davon, was in seiner Heimat politisch gerade so abgeht. Wir schreiben das Jahr 1980, und Präsident Chun Do-Hwan hat sich, mit dem Militär im Rücken, längst erfolgreich an die Macht geputscht. Was bedeutet: Meinungsfreiheit und das Fordern demokratischer Rechte werden mit Gewalt erstickt. Leidtragende sind da in erster Linie Studenten, die allein schon aufgrund ihrer Bildung über das, was da faul im Staat ist, ausreichend nachgedacht haben. In einigen Städten kommt es daher im Mai des Jahres zu gewaltigen, bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die, zum Beispiel in Gwangju, in ein blutiges Massaker münden werden. Was der Taxifahrer dort macht? Sowieso schon knapp bei Kasse, gelingt dem improvisationsfähigen Kim, eingangs erwähnten Auslandsreporter Jürgen Hinzpeter mit seinem Taxi abseits der Straßensperren ins Krisengebiet zu schmuggeln, damit dieser die Revolten filmisch dokumentieren kann. Dieses verheerende Ausmaß war dem alleinerziehenden Vater einer Tochter allerdings nicht bewusst. Er und sein deutscher Fahrgast müssen bald um ihr Leben laufen.

Sang Kang-Ho ist in dieser teils erschütternden True Story sogar noch besser als in Parasite: die sonst so unbekümmerte Art seiner Figur erinnert an Roberto Benigni in Ist das Leben nicht schön. Und genau wie der Italiener gelingt dem koreanischen Alltagshelden irgendwann auch nicht mehr, alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Darstellungen des Volksmords sind den Dokumenten Hinzpeters genau nachempfunden, beschönigt wird nichts. Mitunter werden auch die tatsächlichen Aufnahmen herangezogen, um die Authentizität noch zusätzlich zu steigern. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen: A Taxi Driver ist Tragikomödie, packender Politthriller und Zeitdokument in einem – wieder mal ein für Südkorea typischer, vorzüglicher Mix durch mehrere Genres, wobei die ganz eigene koreanische Mentalität den Rhythmus des Films bestimmt. Da findet sich einer wie Thomas Kretschmann, der den deutschen Reporter mimt, nicht so leicht zurecht. Durch sein vergleichsweise ungelenkes Gehabe wirkt er wie ein Fremdkörper. Das wiederum scheint gewollt, denn Ausländer wie dieser sind dem Regime ein Dorn im Auge und fallen auf wie ein Würfel im Bällchenbad.

Dieser Höllenritt ist kaum zu glauben, wird aber, bis auf die Biographie Kims, tatsächlich so gewesen sein. Man kann Jang Huns Film als manifestiertes Loblied auf die Branche der Taxifahrer sehen – oder überhaupt auf die ganz normalen Menschen, die sich gegenseitig zur gemeinsamen Zivilcourage mobilisieren. Rebellen für die gute Sache also – und wie sie das Leben schreibt.

A Taxi Driver