Knock at the Cabin (2023)

DIE REITER DER APOKALYPSE

6/10


knockatthecabin© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: M. NIGHT SHYAMALAN

CAST: DAVE BAUTISTA, BEN ALDRIDGE, JONATHAN GROFF, NIKKI AMUKA-BIRD, RUPERT GRINT, ABBY QUINN, KRISTEN CUI U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Wer klopfet an? Nein, es sind nicht die Zeugen Jehovas, obwohl sie vom Ende der Welt predigen. Vielleicht verleitet ja ein unwesentliches Detail dazu, nicht unbedingt anzunehmen, die Sekte mit dem Leuchtturm vor der Türschwelle zu haben. Dieses Detail sind archaische Waffen, die aussehen wie Dreschflegel, Morgensterne oder Hellebarden. Sowas tragen die Jehovas nicht mit sich, das ist mal klar. Zumindest noch nicht. Wer sind also diese vier Auserwählten hier, dass sie es besser wissen als der Rest der Welt? Dave Bautista, der Einbauschrank unter den Schauspielern, hat eine Vision gehabt, die er nicht nur nicht mehr loswird. Die drei, die ihn begleiten, hatten dieselben Bilder vor Augen. Kann kein Zufall sein. Man kann nicht einfach dasselbe träumen. Und die Welt kann genauso wenig von heute auf morgen den Bach runtergehen.

Ich wäre genauso skeptisch wie das schwule Pärchen Eric und Andrew samt ihrer kleinen Tochter Wen, die da plötzlich, mitten am Wochenende in der reinsten Idylle, überfallen werden. Wieso sollte ich jemandem glauben, die Welt gehe unter, nur aufgrund seltsamer Koinzidenzen? Ich würde ihnen einen Kaffee anbieten und sie dann schön brav nach Hause schicken, nachdem ich vielleicht ihre Annahmen zerstreut hätte, die argumentell unmöglich zu untermauern sind. Leichter gesagt als getan. Denn die vier seltsamen und nicht minder bedrohlichen Gestalten, die zwar vorgeben, niemandem etwas tun zu wollen, was aber genauso schwer zu glauben ist wie der Weltuntergang, fordern einen selbstlosen Einsatz. Einer der drei aus der Familie Andrew, Eric und Wen müssen geopfert werden. Dies müssen sie allerdings untereinander klären, und zwar schnell, da die Zeit drängt, denn da draußen, jenseits der Hütte im Wald, braut sich bereits was zusammen. Es sind Plagen wie seinerseits Gott über Ägypten gebracht hat, nur globaler. Einer für alle ist also die Devise. Nur wer? Und es stellt sich immer noch die Frage: Warum?

Man möchte meinen, dass all die Schwurbler und Querdenker, die in den letzten drei Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, beim Master of Mystery längst einen Stein im Brett haben. Nicht alles, was so scheint, als könnte zwischen den obskursten Begebenheiten kausale Zusammenhänge bestehen, ist nichts als Zufall. Auf diesem Gedankenspiel baut Shyamalan seinen neuen Home-Invasion-Thriller auf, der sich trotz einiger gewalttätiger Zuspitzungen deutlich friedfertiger gibt als seine paranoide Alien-Invasion Signs – Zeichen, der zumindest bei mir für schlaflose Nächte gesorgt hat. Wie in so einigen seiner Filme gibt es weder Gut noch Böse. All die Figuren und der paranormale Stoff, mit dem sich Shyamalan umgibt, passen selten in gewohnte Schubladen. Und das macht so einiges mit der Wirkung seiner Filme. Weil es irgendwo und irgendwann etwas viel Größeres geben muss und gibt, was der herumirrende Mensch nicht versteht und am Ende auch nicht zu verstehen braucht, da die Wissenschaft ohnehin Ausgang hat.

In Knock at the Cabin geht es einzig und allein darum, die guten alten Riten der Opfergabe, deren Bekannteste wohl jene ist, wenn Abraham auf Geheiß des Allmächtigen seinen Sohn zur Schlachtbank führt, einem neuzeitlichen Praxistest zu unterziehen. Was heißt das für uns? Sind wir den Mythen trotz allen Fortschritts und trotz all der Aufklärung und der Erkenntnis immer noch hilflos ausgeliefert? Und ist die Besinnung auf das Archaische der einzige Weg, unsere Welt zu retten? Das ist viel an philosophischem Gedankengut, das Shyamalan komprimiert hat auf einen mit genretypischen Versatzstücken ausgestatteten Thriller, der viel öfter ins selbstmitleidige Endzeitdrama kippt als vielleicht angestrebt. Dafür eignet sich Ex-Wrestler Bautista wirklich gut, der, gegen sein Image gebürstet, den selbstlosen Lehrer gibt, der meint, auserwählt zu sein. In dieser persönlichen Diskrepanz zwischen Auftreten und Erscheinung liegt die Tiefe seines Charakters als Zugpferd des Films. Und weniger in den Schreckensszenarien, die dieser indirekt über den Fernseher schickt. Anscheinend dürfte Shyamalan nichts mehr erschrecken als Found Footage in den Nachrichten – dieses Ausleben der Angst findet sich auch in Signs wieder, wenn Augenzeugen, die irgendwo anders sind, nur nicht am Schauplatz des Films, das Undenkbare nicht fassen können. Auf diese Weise sammelt der Mysterythriller Bedrohung in kleinen Happen – um am Ende ganz andere Saiten aufzuziehen als wie es sonst bei Shyamalans Filmen üblich ist. Vielleicht liegt das daran, dass Knock at the Cabin auf keinem Originaldrehbuch beruht. Und daher überraschend überraschungslos bleibt, obwohl die Wahrheit hinter all dem sowohl das eine als auch das andere sein kann. Ob Schwurbler oder wahrer Prophet – anscheinend steckt beides im Menschen, und die Chance, was zum Zug kommt, ist Fifty-fifty. Damit arrangiert sich der irrationale Film sehr bald, sehr willig und recht leidenschaftslos, womit er sein eigenes Licht unter den Scheffel stellt.

Knock at the Cabin (2023)

A Taxi Driver

ZUM FIXPREIS MITTEN INS GEMETZEL

7/10


ATaxiDriver© 2021 Koch Films


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2017

REGIE: JANG HUN

CAST: SONG KANG-HO, THOMAS KRETSCHMANN, YOO HAE-JIN, RYU JUN-YEOL U. A.

LÄNGE: 2 STD 17 MIN


Es waren Politdramen wie Salvador von Oliver Stone, The Killing Fields über die Roten Khmer in Kambodscha oder Under Fire mit Nick Nolte, die während des Kalten Krieges im Kino ganz vorne mit dabei waren. Der Kommunismus beeinflusste alle möglichen politischen Herrschaftsstrukturen und war ein buchstäblich rotes Tuch in den Augen der Amerikaner. Überall da, wo totalitäre wie linksextreme Einflüsse zu spüren waren, hat nicht nur die Politik, sondern auch die Filmwelt ihr Interesse kundgetan, insbesondere im benachbarten Mittelamerika. Dann war es lange Zeit ruhig – wenig Politik im Kino, hauptsächlich innerpolitisch Amerikanisches oder der Zweite Weltkrieg mit all seinen Aus- und Nebenwirkungen. Ganz vergessen wurde dabei Südkorea. Mit dem bereits 1917 erschienenen Politdrama A Taxi Driver wird nun den Opfern des Widerstandes gegen die in den Achtzigern mit eiserner Faust agierende Militärdiktatur ein Denkmal gesetzt. Und nicht nur diesen, sondern auch dem ARD-Reporter Jürgen Hinzpeter und einem Taxifahrer, über dessen Geschichte man eigentlich nichts weiß und der nach seinen mutigen Taten auch nach mehrmaligen Versuchen Hinzpeters niemals wieder gefunden werden konnte.

Dabei hat Taxifahrer Kim, dargestellt von Parasite-Star und mittlerweile Jurymitglied in Cannes, Song Kang-Ho, irgendwie wenig Ahnung davon, was in seiner Heimat politisch gerade so abgeht. Wir schreiben das Jahr 1980, und Präsident Chun Do-Hwan hat sich, mit dem Militär im Rücken, längst erfolgreich an die Macht geputscht. Was bedeutet: Meinungsfreiheit und das Fordern demokratischer Rechte werden mit Gewalt erstickt. Leidtragende sind da in erster Linie Studenten, die allein schon aufgrund ihrer Bildung über das, was da faul im Staat ist, ausreichend nachgedacht haben. In einigen Städten kommt es daher im Mai des Jahres zu gewaltigen, bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die, zum Beispiel in Gwangju, in ein blutiges Massaker münden werden. Was der Taxifahrer dort macht? Sowieso schon knapp bei Kasse, gelingt dem improvisationsfähigen Kim, eingangs erwähnten Auslandsreporter Jürgen Hinzpeter mit seinem Taxi abseits der Straßensperren ins Krisengebiet zu schmuggeln, damit dieser die Revolten filmisch dokumentieren kann. Dieses verheerende Ausmaß war dem alleinerziehenden Vater einer Tochter allerdings nicht bewusst. Er und sein deutscher Fahrgast müssen bald um ihr Leben laufen.

Sang Kang-Ho ist in dieser teils erschütternden True Story sogar noch besser als in Parasite: die sonst so unbekümmerte Art seiner Figur erinnert an Roberto Benigni in Ist das Leben nicht schön. Und genau wie der Italiener gelingt dem koreanischen Alltagshelden irgendwann auch nicht mehr, alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Darstellungen des Volksmords sind den Dokumenten Hinzpeters genau nachempfunden, beschönigt wird nichts. Mitunter werden auch die tatsächlichen Aufnahmen herangezogen, um die Authentizität noch zusätzlich zu steigern. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen: A Taxi Driver ist Tragikomödie, packender Politthriller und Zeitdokument in einem – wieder mal ein für Südkorea typischer, vorzüglicher Mix durch mehrere Genres, wobei die ganz eigene koreanische Mentalität den Rhythmus des Films bestimmt. Da findet sich einer wie Thomas Kretschmann, der den deutschen Reporter mimt, nicht so leicht zurecht. Durch sein vergleichsweise ungelenkes Gehabe wirkt er wie ein Fremdkörper. Das wiederum scheint gewollt, denn Ausländer wie dieser sind dem Regime ein Dorn im Auge und fallen auf wie ein Würfel im Bällchenbad.

Dieser Höllenritt ist kaum zu glauben, wird aber, bis auf die Biographie Kims, tatsächlich so gewesen sein. Man kann Jang Huns Film als manifestiertes Loblied auf die Branche der Taxifahrer sehen – oder überhaupt auf die ganz normalen Menschen, die sich gegenseitig zur gemeinsamen Zivilcourage mobilisieren. Rebellen für die gute Sache also – und wie sie das Leben schreibt.

A Taxi Driver

Stowaway – Blinder Passagier

WAS IM WELTRAUM INS GEWICHT FÄLLT

6/10


stowaway© 2021 Wild Bunch


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND, USA 2021

BUCH / REGIE: JOE PENNA

CAST: ANNA KENDRICK, TONI COLLETTE, DANIEL DAE KIM, SHAMIER ANDERSON

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Im Weltraum hört dich niemand schreien. Natürlich nicht. Es gibt ja nichts, das den Schall weiterträgt. Überhaupt: weswegen sollte man auch herumbrüllen, in der Raumfahrt wird ja sowieso nichts dem Zufall überlassen. Es sei denn, Faktoren, die im Weltraum ins Gewicht fallen, glänzen durch Abwesenheit. Besonders wichtig wäre in Sachen Gewährleistung menschlichen Überlebens mal der Sauerstoff, der Luftdruck, natürlich die Schwerkraft, denn neuen Studien zufolge ist 0g ein Umstand, der das menschliche Gehirn in Mitleidenschaft zieht, sosehr wir uns auch ärgern, wenn Dinge irgendwo hinunterfallen. Wir brauchen soziale Interaktion, Wärme, körperliche Ertüchtigung und ausreichend Schutz vor Strahlung. Man sieht wieder: der Mensch hat im Weltraum nichts verloren. Als zu akzeptierendes Schicksal wollen wir intelligente Zweibeiner diese Ultimo Ratio aber nicht hinnehmen. Wir rüsten auf, natürlich technisch. Genetisch verändern ließe sich der Mensch (rein theoretisch) schließlich auch – so gesehen im Streifen Titan mit Sam Worthington. Aber bleiben wir lieber bei der sogenannten Hard Science-Fiction, für die zum Beispiel jemand wie Andy Weir dank seines von Ridley Scott verfilmten Bestsellers Der Marsianer weltberühmt geworden ist. Matt Damon schlägt sich dort auf dem Mars mit all diesen eingangs erwähnten Faktoren herum, und das ist richtig spannend.

Nun nimmt Joe Penna eine ähnliche Richtung. Und das ist wenig verwunderlich, denn Penna ist einer, den nicht nur die Kunst des Überlebens angesichts widriger Umstände fasziniert – zu sehen in seinem Schneedrama Arctic sondern auch die Tatsache, das im Falle höchster Not die Selbstlosigkeit zur Rettung anderer der Menschen höchstes Gut ist. Altruismus in Extremsituationen. Gut, Matt Damon war am Mars so ziemlich allein – auf diesem rotierenden Raumschiff, das sich ebenfalls Richtung Mars bewegt und in 5 Monaten dort ankommen soll, haben wir drei Astronautinnen und Astronauten, natürlich alles Wissenschaftler, die ihrer streng festgelegten Agenda folgen und sich schon so sehr auf den roten Planeten freuen wie Kinder auf Heiligabend. Es wäre eben kein Film von Joe Penna, würde hier nicht ein Präzedenzfall eintreten, mit dem natürlich niemand rechnen würde: Die Crew entdeckt einen bewusstlosen Ingenieur vom Bodenpersonal – 12 Stunden von der Erde entfernt. Er wird verarztet, gepflegt, psychologisch betreut, im Kreise der drei herzlich willkommen geheißen. Einziger Wermutstropfen bei diesem Come together: der CO2-Filter ist durch den Unfall irreparabel beschädigt worden. Will heißen: zu wenig Sauerstoff für 4 Passagiere. Was also tun?

Nun eröffnen, gemäß der utopisch-technischen Science-Fiction, die Science Busters ganz ohne rosa Nippelhemd und Physikerwitze eine zutiefst ernste Lektion in Sachen Sauerstoff, Schwerkraft, Vakuum und Sonnenwinde, alles als Kammerspiel auf engem (und grenzenlosem) Raum, bis ins kleinste Detail liebevoll ausgestaltet. Und alles auf einem verständlichen Niveau auch für jene, die nicht zwingend mit Astrophysik auf du und du sind. Penna will natürlich mehr als eine Chronik der Lösungsfindung durchschleusen, er will das soziale, und vor allem für jeden individuell zum Ausdruck kommende Drama beobachten, das diese verzwickte, panikmachende Situation mit sich bringt. Mission oder Menschenleben? Was ist ein solches angesichts einer höheren, wissenschaftlichen Bestimmung für die ganze Menschheit? Ist es da legitim, Opfer zu bringen? Stowaway – Blinder Passagier einigt sich auf ein durch Zufälle bestimmtes Schicksal, auf einen sich selbst lösenden gordischen Knoten. Das ist nicht so effektiv wie zum Beispiel in Gravity, der ganz anders mit inneren Wahrnehmungen spielt als dieser Film hier. Und der ist zum Glück aber auch nicht so pathetisch wie Ad Astra. Stowaway konzentriert sich auf seine Fakten und sichtbaren Emotionen, bleibt natürlich akkurat, mitunter aber nüchtern und trocken. Viel Bindung zur Situation entsteht nicht, da fehlt das subjektive, verspielte Element. Interessant natürlich, so eine pragmatische Science-Fiction durchstarten zu lassen, und interessant auch, was daraus wird. Mehr als das wird es jedoch nicht.

Stowaway – Blinder Passagier