It Follows (2014)

EXISTENZANGST DER JUGEND

7,5/10


© 2014 RADiUS-TWC


LAND / JAHR: USA 2014

REGIE / DREHBUCH: DAVID ROBERT MITCHELL

CAST: MAIKA MONROE, KEIR GILCHRIST, OLIVIA LUCCARD, LILI SEPE, BAILEY SPRY, DANIEL ZOVATTO, JAKE WEARY U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Der Tod dauert ein ganzes Leben, und hört dann auf, wenn er eintritt. Dieses Zitat aus dem deutschen Film Bandits mit Katja Riemann und Nicolette Krebitz werde ich wohl den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen. Es ist zugleich tröstend als auch warnend. Und impliziert, dass der existenzimmanente Sensenmann jederzeit bereit ist, beim Sprung vom Leben ins Ableben nachzuhelfen, wenn man vergisst, achtsam genug zu sein für die raue Challenge des Lebens, das in David Robert Mitchells beklemmender Mystery mit einer Entität hereinbricht, die den jungen Leuten, die sich hier versammeln, nicht nur ein mulmiges Gefühl beschert. So ist das mit der Teenage Angst, mit dem Erwachsenwerden und der Suche nach einer Geborgenheit, die junge Leute im ausklingenden Teenageralter drauf und dran sind, zu verlieren, um sich eine neue, ganz eigene zu erschaffen. Doch bis dahin…

It Follows scheut sich dabei nicht, sämtliche Themen anzureißen, die andere Highschool-Horrorfilme nicht haben. In den gewaltgeilen Slasher-Countdowns wie Nightmare – Mörderische Träume, Ich weiß was du letzten Sommer getan hast, Scream oder wie sie alle heißen sind vorallem der Einfallsreichtum an Tötungsarten und das Platzieren von Jump Scares stilgebende Parameter für das Gelingen grauenerregender Spannung – und weniger die diffuse Stimmung einer abstrakten, allgegenwärtigen Bedrohung, wie sie hier entspannten Schrittes durchs Bild und auf die Kamera zumarschiert. Niemand würde vermuten, dass es sich hierbei um eine unheilvolle Macht handeln könnte, die es auf Jamie (Maika Monroe) abgesehen hat. Man könnte auch sagen, dieses Etwas, dass seinem Opfer beharrlich folgt, ist entweder Fluch oder metaphysisches Virus, eine kaum zu greifende, ewig existierende Macht, vielleicht gar eine in der Amygdala produzierte Angst, die sich nach außen stülpt in die dreidimensionale Welt, weil Bedrohung plötzlich alles sein kann. Interessant dabei ist der Aspekt, dass dieses Etwas durch Sex weitergegeben wird. Ist das Ganze also doch nur eine Metapher für Aids, Syphilis oder HPV, vielleicht gar ein Warnsignal eines prüden Amerikas, in welchem so einige gesellschaftspolitische Fraktionen gerne sehen würden, dass der Vollzug von Liebe gottgegeben erst nach der Vermählung erlaubt sein darf? Als wäre Sex das Übel der Welt – oder ist dann doch auch noch mehr dahinter?

Die Kraft des Zusammenhalts

Bei Sichtung von It Follows fallen die Metaebenen mit der Tür ins Haus. Mit ihr schieben sich geisterhafte Erscheinungen durch Fenster und Türen, gruselige Riesen, fauchende Kinder, entstellte Mädchen. Den Horror hat Mitchell dezent, aber wirkungsvoll eingefangen, die meiste Zeit aber entfaltet die unbequeme Ruhe vor dem nächsten Erscheinen und die damit einhergehende Machtlosigkeit ob des Mysteriösen die größte Wirkung. Maika Monroe (u. a. TAU, Longlegs) als verängstigte junge Frau schiebt auf effektive Weise Panik, und nein, das ist wahrlich kein bisschen übertrieben. Mitchell hätte dabei leicht zum Zynismus neigen können, doch das tut er nicht. Und darin liegt das Besondere an diesem Film. Seine Figuren sind weder selbst schuld noch verursachen sie anderen Schaden noch vertuschen sie irgendetwas, das vielleicht als moralische Nemesis Tribut fordert. It Follows setzt seinen Schwerpunkt auf die Gruppendynamik und den Respekt einer innigen Peer-Group, die durch Zusammenhalt, Opferbereitschaft und Liebe den finsteren Aspekten einer Existenz trotzen möchte. Mitchell zollt ihnen Respekt, verspricht keine Hoffnungen, macht aber neugierig und entschleunigt seine zwischen Stranger Things und Smile angesiedelte, existenzialistische Gruselgeschichte auf mutige Weise. It Follows ist ein Film, der das Gemüt trifft, der das Unerklärliche feiert, es dabei belässt, und gleichzeitig aber Erklärungen schafft, die das Leben betreffen, fernab von all dem Fantastischen.

It Follows (2014)

Don’t breathe

STARR VOR ANGST

5,5/10


dontbreathe© 2016 Sony Pictures Releasing GmbH


LAND / JAHR: USA 2016

REGIE: FEDE ALVAREZ

CAST: JANE LEVY, DYLAN MINNETTE, DANIEL ZOVATTO, STEPHEN LANG U. A. 

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Der alte, blinde Mann ist bald wieder unterwegs – erst kürzlich gab’s hierzu den Trailer Release. Grund genug, mir endlich mal das Original anzusehen, derzeit sehr bequem abrufbar auf Netflix. Ich bin ja prinzipiell nicht so der Horrorfan, allerdings lasse ich mich in der letzten Zeit mehr und mehr zu ganz bestimmten Genrevertretern hinreißen, sofern sie nicht das eigene Weltbild durcheinanderbringen. Interessant sind unter anderem auch Genre-Hybriden wie Don’t breathe. Filme, die sich nicht festlegen, ob sie Horror oder einfach nur Thriller sein wollen. Für mich ist die Chronik eines verhängnisvollen Einbruchs ein astreiner Psychothriller. Mit, sagen wir mal so, einigen wenigen Horror-Einsprengseln, die zur Erkenntnis führen werden, den alten, blinden Mann anfangs gründlich unterschätzt zu haben. Doch auch nach dieser Um- und Neudefinition von Fede Alvarez‘ Überraschungshit aus dem Jahr 2016 will der durchkalkulierte Vier-Wände-Slasher aus so manchen Gründen nicht immer überzeugen.

Die Plot ist, wie meistens bei Horror- und Spannungsfilmen, schnell umrissen. Drei Twentysomethings aus der Unterschicht verbringen ihre Freizeit vorzugsweise damit, in leerstehende Häuser einzubrechen, natürlich meistens zu nachtschlafener Zeit. Für die Diebe kein Problem, ist doch der Vater des einen Chef einer Sicherheitsfirma, die Alarmanlagen installiert. Ist so eine mal deaktiviert, heißt es: die Rucksäcke auf und rein mit dem Klunker. Was die drei aber geritten hat, in einem gottverlassenen Vorort gerade das Haus eines blinden Kriegsveteranen auszuwählen, sind rund 300.000 Dollar, die der Alte bei sich zuhause bunkert. Die Summe als Entschädigung für seine bei einem Verkehrsunfall totgefahrene Tochter. Rocky, Alex und Money warten, bis es finster wird. In der Höhle des Löwen gelandet, steht der alte, blinde Mann flugs auf der Matte. Und denkt nicht daran, seinen wertvollsten Besitz drei Verbrechern zu überlassen.

Don´t breathe funktioniert letzten Endes nur, weil Alvarez auf einen recht relevanten psychologischen Faktor setzt: den der Angst. Was nicht heißen soll, dass der Zuseher plötzlich vor Furcht gebeutelt gar nicht mehr richtig hinsehen kann. Es ist die Angst der Protagonisten. Jane Levy (u. a. Fremd in der Welt) zum Beispiel lähmt die Panik, das Haus nicht mehr verlassen zu können. Auch der andere, Money, steht wie angewurzelt da. Nervlich betrachtet dürfte das nicht so deren Ding sein, Häuser inklusive Bewohner zu überfallen. Durch diese Lähmungserscheinungen hat der knorrige Veteran, mit zorniger Härte verkörpert von Stephen Lang, freie Hand. Und Blinde Menschen, die wütend sind, sollte man genauso wenig unterschätzen wie blinde Aliens, die in A Quiet Place aus dem Schatten kriechen. Im Grunde ist es die selbe Prämisse. Nur – Emily Blunt und Familie scheinen prinzipiell geistesgegenwärtiger zu sein als diese unbedarften Grünlinge, die erst durch ihre Inkompetenz einen gewissen Konflikt erzeugen, der das Potenzial des Filmes ausmachen soll. Letzten Endes aber quält der Millionenshow-Effekt, der bei Filmen wie diesen immer wieder eintritt. Will heißen: Daheim auf der Couch weiß man es besser. So richtig packend wird ein Film aber erst dann, wenn man selbst, wohlig lungernd in der Safe Zone, mit der Besserwisserei nicht mehr weiterkommt. Und niemand greift sich dann noch kopfschüttelnd an den Kopf, wenn in einer Katz-und-Maus-Jagd wie dieser jene den Kürzeren ziehen, die es aufgrund ihres mangelnden Weitblicks zu gar keinem anderen Ergebnis gebracht hätten.

Don’t breathe