The Last Shift

DER FLOH IM OHR

6,5/10


thelastshift© 2020 Sony Pictures


LAND / JAHR: USA 2020

BUCH / REGIE: ANDREW COHN

CAST: RICHARD JENKINS, SHANE PAUL MCGHIE, ED O’NEILL, DA’VINE JOY RANDOLPH, ALLISON TOLMAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


In Nightmare Alley von Guillermo del Toro wurde Richard Jenkins eben erst übers Ohr gehauen. Und zwar so richtig. Mit Gefühlen spielt man nämlich nicht, das ist unterste Schublade. Man setzt aber auch niemanden einen Floh ins Ohr, vor allem dann nicht, wenn dieser wieder zurückspringt und Konsequenzen Tür und Tor öffnet, die so nicht beabsichtigt waren. So eine Eigendynamik lässt sich in dem auf Netflix veröffentlichten (aber nicht produzierten) Independentstreifen The Last Shift beobachten. Und ja, mit Richard Jenkins, diesmal alles andere als der reiche Krösus wie in eingangs erwähntem Film, sondern als einer, der nach 38 Jahren des beruflichen Alltags in einer mehr oder weniger heruntergekommenen Fastfood-Filiale die Schirmkappe an den Nagel hängen will. Ab nach Florida, mit der pflegebedürftigen Mama. Zuvor jedoch muss Stanley, so Jenkins‘ naiv-redselige Figur, seinen Nachfolger einschulen. Der wiederum ist ein junger Afroamerikaner, vorbestraft wegen Denkmalschändung und aus dem Gefängnis entlassen. Jevon ist Familienvater und Freigeist, werden will er allerdings Schriftsteller. Er sieht, wie Stanley schuftet. Für nichts und wieder nichts. Weiß dabei einiges zu Arbeitsrecht und Ausbeutung zu sagen. Der alte Burger-Profi erkennt sich langsam als missbrauchtes Rädchen einer Geldmaschine, die den Arbeitswillen nicht schätzt. Ein Floh im Ohr, wie schon gesagt.

Und Jenkins schluckt als astreiner Loser und knapp am Sozialfall vorbeischrammender Fachidiot die bittere Pille. Manch einer wird dann zum Amokläufer wie Michael Douglas in Falling Down. Andere versuchen, sich auf andere Weise schadlos zu halten. In beiden Fällen merken die Gelegenheitsrebellen wohl kaum, dass sie andere unfreiwillig mitziehen – auch wenn der Drang nach sozialer Gerechtigkeit absolut nachvollziehbar scheint. Emmy-Preisträger Andrew Cohn hat die Ironie eines alltäglichen Schicksals zwischen Frittierfett, stinkenden Toiletten und gut gemeinten Ratschlägen wohlmeinender Mitbürger platziert – dabei liegt dem Autor kein aufbrausender Rundumschlag im Sinn wie ihn vielleicht Ken Loach austeilen würde, denn der äugt mit seinen Fallstudien stets den dunklen Abgrund hinab. The Last Shift erspäht diesen zwar, lässt seine vom Schicksal unbeschenkten Gestalten zu ihrem fragwürdigen Glück doch erstmal lieber feststecken. Es geht weder vor, noch zurück, es geht aber auch nicht weiter abwärts. Cohn schöpft Vertrauen in seine verirrten Idealisten. Belehrt sie lieber, und weist sie an, ihr Weltbild auf die jeweils mögliche Weise geradezurücken. Klar ist der Prozess ein düsterer, unbequemer. Bei Andrew Cohn aber auch einer, der mit leisem, subversivem Humor die ungesunden Schräglagen gelebten Sozialrechts ausmisst und mitunter auch die Ursachen bei jenen sucht, die übervorteilt wurden.

The Last Shift

21 Bridges

LOCKDOWN FÜR EINE NACHT

4/10

 

21Bridges© 2019 Constantin Film

 

LAND: USA 2019

REGIE: BRIAN KIRK

CAST: CHADWICK BOSEMAN, SIENNA MILLER, J.K. SIMMONS, TAYLOR KITSCH, KEITH DAVID U. A. 

 

Was machen all die Schauspieler aus dem MCU, wenn sie darauf warten müssen, endlich wieder in ihre gewinnbringenden Rollen zu schlüpfen? Sie verlassen sich auf ihre Agenten, die einen Plan B haben und ihnen Jobs vermitteln, die die Kaffeekassa zwar klingeln lassen, in den Filmgeschichtsbüchern aber nicht mal eine Fußnote wert sind. Einer dieser Stars, der nun Filme dreht, weil er Schauspieler ist, schlüpft normalerweise in die Rolle des Black Panther und nennt sich Chadwick Boseman. Der hat für einen urbanen Polizeithriller unterschrieben, der sich wiederum 21 Bridges nennt und in welchem Brücken ungefähr so eine große Rolle spielen wie die Freiheitsstatue in der Hudson Bay von New York, die im Film nur aus der Entfernung schemenhaft zu erkennen ist. Die Brücken sind auch mal kurz zu sehen, doch abspielen tut sich dort gar nichts. Tatsächlich geht’s darum, den Stadtteil Manhattan mal für eine Nacht runterzufahren und von der übrigen Metropole abzuschotten, da zwei Verbrecher hier irgendwo in den Straßen ihr Unwesen treiben und die natürlich am besten gestern gefasst werden müssen, da sie sich als Copkiller versündigt haben, nebenbei aber noch Hamsterladungen Rauschgift mit sich herumschleppen. Dann klappen wir mal die Brücken hoch, so die Exekutive. Ein Lockdown bis zum Morgengrauen. Das war’s dann auch schon mit den Brücken. Hätte sich da nicht mehr daraus machen lassen können, also mit den Brücken zumindest? Wäre es nicht naheliegend gewesen, diese 21 Brücken irgendwie einzubinden in die nächtliche Hatz?

Stattdessen ist Brian Kirks erste Spielfilmregie Business as usual. In jedem gefühlt zweiten Polizeifilm, so auch in diesem, sind Polizisten schwächer als ihr Berufscodex, und folglich korrupt – selbige Blase zieht sich meist sehr weit und hat gute Connections zur Unterwelt. Dass die Blauuniformierten hier nicht schon längst auf die Barrikaden gestiegen sind, um sich über deren Darstellung im Kino zu beschweren, wundert mich eigentlich. Oder ist da wirklich so viel Wahres dran, dass sich ein ganzes Berufsfeld gar nicht mal so verunglimpft fühlt? Polizisten sind in solchen Filmen leicht austauschbare Stereotypen geworden. Boseman macht hier auch keine Ausnahme. Ein traumatisierter Ehrgeizler, verkniffen und bis zum Komplex unlocker. Dieser Filmfigur kommt keiner nahe, und das nicht, weil sie so gefährlich aussieht oder entsprechend agieren würde. Man kommt ihr genauso wenig nahe wie einem Magistratsbediensteten kurz vor dem Parteienverkehr an einem Montagmorgen. Boseman steckt sein Terrain ab, und eigentlich lädt er uns nicht ein, ihm zu folgen. Da folgen wir lieber den beiden Killern – einer davon Ex-John Carter on Mars Taylor Kitsch – die ganz von selbst in einen mörderischen Strudel Richtung abwärts kreisen. Ihre Performance ist kein Vergleich zu den ermittelnden Guten, die in ihrer verschlafenen Pflichterfüllung eigentlich nur tun, was sie tun müssen. Bei Sienna Miller suche ich auch vergeblich nach dem Kick-Off für ihre Rolle, so zerstreut und mit undefiniertem Hangover zappelt sie hinter Chefermittler Boseman her, dem der Brückenschlag zu seiner teilnahmslosen Assistentin aus dem Drogendezernat einfach nicht gelingen will.

21 Bridges