Marshall

ROUTINE VOR GERICHT

5/10


marshall© 2017 Droits réservés

LAND / JAHR: USA 2017

REGIE: REGINALD HUDLIN

CAST: CHADWICK BOSEMAN, JOSH GAD, DAN STEVENS, KATE HUDSON, STERLING K. BROWN, SOPHIA BUSH, JAMES CROMWELL, JOHN MAGARO U. A. 

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


Chadwick Boseman lässt sich zurzeit nachhören – und zwar in der auf Disney+ erschienenen, animierten Marvel-Serie What If… . Anscheinend dürften diese Synchronarbeiten schon etwas länger zurückliegen. Gerade als alternativer Star Lord T’Challa hätte Boseman wohl vielleicht sogar einen Multiversum-Auftritt in der neuen MCU-Phase haben und ganz viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Doch leider wird das nichts. Falls man aber den charismatischen Schauspieler nochmal gerne auf den Schirm holen möchte, bietet sich natürlich das Heimkino an. Einer seiner Filme, die wohl nicht ganz so an die große Marketing-Glocke gehängt wurden, weil sie vielleicht zu hausbacken geworden sind, wäre jedenfalls Marshall – ein Biopic über den ersten schwarzen US-Richter der Geschichte. Zuvor war dieser allerdings als Anwalt für Minderheiten tätig, unter anderem für einen Kriminalfall wie jenen, den Regisseur Reginald Hudlin (u. a. Boomerang mit Eddie Murphy) hier als sehr herkömmliches Justizdrama aufbereitet hat.

Marshall spielt in den frühen Vierzigerjahren, zu einer Zeit also, in der es Schwarze deutlich schwerer hatten, vor Gericht Gehör zu finden als natürlich die Weißen. Die waren überdies auch einfach wohlhabender und konnten, wenn schon nicht mehr Sklaven, so doch ihre Bediensteten mit Minderheiten besetzen. Einer davon: Chauffeur Joseph Spell (Sterling K. Brown), der kurzerhand verhaftet wird, nachdem ihm eine wie Kate Hudson, die hier die High Society gibt, der Vergewaltigung beschuldigt. Das Wort einer Weißen steht gegen das eines Schwarzen – der wiederum beteuert, das Verbrechen nicht begangen zu haben. In dieser Not tritt Thurgood Marshall auf den Plan, für den Fälle wie diese zum Job gehören, der aber ganz besonders in dieser Sache mit dem jüdischen Anwalt Sam Friedman (Josh Gad) zusammenarbeiten muss, der zwar nur Versicherungsfälle betreut, in dieser Oberliga aber mitmischen muss, da Marshalls Konzession in diesem Eck der USA nicht gilt.

Es lässt sich in Marshall wieder ganz gut erkennen, wie sehr Chadwick Boseman mit nur wenigen charakterlichen Adaptionen gänzlich unterschiedliche Persönlichkeiten spiegelt. Sein Thurgood Marshall ist weit von einem Black Panther entfernt, und auch weit von seiner letzten, meiner Meinung nach besten Rolle, nämlich die des Trompetenspielers aus Ma Rainey´s Black Bottom. In diesem Film hier gibt sich Boseman distinguiert und aufgeräumt, konzentriert und selbstbewusst – keinesfalls leidenschaftlich. Ein praktisch veranlagter Anwalt, der keiner Obsession erliegt. Entsprechend konventionell ist auch Hudlins Krimidrama geworden. Für ein Fernsehspiel wäre Marshall vielleicht bemerkenswert gewesen. Oder eben gerade richtig. Großes Kino ist diese Routine vor Gericht somit nicht. Es ist ein Spiel nach bewährten Formeln, die allesamt fraglos verstanden wurden. So wirklich packend sind aber weder die mögliche Aussicht auf ein falsches Urteil noch die obligaten Schlussplädoyers. Hier fühlt man sich als stoischer Ordnungshüter auf dem Flur vor dem Gerichtssaal, der Fälle wie diese immer wieder zu hören bekommt. Deren Erörterung mag ja manchmal für die ganze verstockte Gesellschaft von damals zu einem nachhaltigen Ergebnis gelangt sein. Das Wie und Weshalb, das dazu führt, ist aber doch nur pflichtbewusste Tagesagenda.

Marshall

Message from the King

DU KOMMST NOCH IN MEINE GASSE

4/10


message-from-the-king© 2018 Netflix

LAND / JAHR: USA 2016

REGIE: FABRICE DU WELZ

CAST: CHADWICK BOSEMAN, TERESA PALMER, LUKE EVANS, ALFRED MOLINA, NATALIE MARTINEZ, TOM FELTON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


So wirklich wohl würde ich mich in der Nähe dieses Mannes selbst dann nicht fühlen, hätte ich keinen Dreck am Stecken wie so viele dieser finsteren Visagen, die da in Los Angeles für Unrecht und Chaos sorgen. Chadwick Boseman, der, leider verstorben, womöglich nächstes Wochenende posthum mit einem Oscar geehrt werden wird, verbrachte 2016 noch seinen Auslandsurlaub im schmuddeligen US-Moloch an der Westküste, um seine Schwester zu suchen, die, so wie er befürchtet, irgendwelchen Schergen zum Opfer gefallen sein könnte. Aus Südafrika reist dieser Jacob King also an, finster und wortkarg und irgendwie fehl am Platz. Eingemietet in einer ebenso schmuddeligen Absteige, in der auch die alleinerziehende Kelly haust, scannt er bald das gesellschaftliche Umfeld seiner nahen Verwandten und sucht nach Namen und Spuren. Ein solcher fällt sehr bald, und die dazugehörigen Gesichter sind wenig einladend. Klar haben die was damit zu tun, und klar kreuzt King nicht nur einmal bei diesen Leuten auf, die das wiederum gar nicht gerne sehen.

Message from a King, direkt vom Toronto International Film Festival von Netflix aufgekauft und abgeholt, setzt den zur damaligen Zeit gerade mal als Black Panther ins Feld geführten Boseman (First Avenger: Civil War) als martialischen Schnüffler in Szene, der in stoischer Selbstjustiz und familiärem Pflichtbewusstsein unschöne Angelegenheiten vom Tisch räumt. Wie er das macht, das weiß zum Beispiel auch einer wie Liam Neeson, der ein Liedchen davon singen kann, wie man lästiges Geschmeiss von der Kernfamilie fernhält. Nur – Chadwick Boseman ist nicht Liam Neeson. Letzterer hat diese gewisse hemdsärmelige Attitüde, wie ein autodidaktischer Heimwerker, der bei seinen Bösen für den nötigen Wasserrohrbruch sorgt. Boseman hingegen gefällt sich in arroganter Selbstgerechtigkeit und weiß anscheinend immer, dass er besser ist als alle anderen. Diese Überheblichkeit macht den Marvel-Helden, dem als Adeliger von Wakanda dieses Gehabe gut zu Gesicht steht, zu einem enervierend einsilbigen Nachtfalken.

Das allerdings ist nicht das einzige Handicap des so blutigen wie derben Thrillers, wo Fahrradketten eine einschneidende Rolle spielen. Das Problem ist auch, in relativ kurzer Zeit einfach viel zu viele Figuren ins Spiel zu bringen, die noch dazu einen recht konfusen Krimiplot flankieren, der einfach zu viel will. Nebst diesem Kommen und Gehen an Personen, die irgendwas im Schilde führen oder auch nicht, gibt’s sogar noch eine zarte Romanze mit Teresa Palmer. Dabei verpasst der Film aufgrund der vielen moralisch verwirrten, halb angedachten Figuren die Möglichkeit, das Moralbewusstsein des Zusehers entsprechend zu reizen. Will heißen: Regisseur Fabrice du Welz wählt in dieser unheilvollen, urbanen Wildnis als Kampfplatz gerade mal die emotionale Sackgasse.

Message from the King

Ma Rainey´s Black Bottom

WEIT MEHR ALS NUR MUSIK

8/10


blackbottom© 2020 David Lee/NETFLIX

LAND: USA 2020

REGIE: GEORGE C. WOLFE

CAST: VIOLA DAVIS, CHADWICK BOSEMAN, COLMAN DOMINGO, GLYNN TURMAN, MICHAEL POTTS, TAYLOUR PAIGE, JEREMY SHAMOS U. A.

LÄNGE: 1 STD 34 MIN


Gut möglich, dass der erschreckend früh verstorbene Chadwick Boseman zu ähnlichen Ehren kommen könnte wie seinerzeit Heath Ledger für seinen Joker. So eine posthume Auszeichnung könnte sein Schaffen gebührend veredeln, und es wäre ja nicht nur eine Anerkennung aus rein respektvollen Gründen. Es wäre auch absolut verdient. Denn Chadwick Boseman, der als Black Panther natürlich schon eine gute Figur gemacht hat, konnte in seiner allerletzten Rolle als Trompetenspieler Levee dann doch noch alle Register seines Könnens ziehen – und eine Performance hinlegen, bei der man, während sie so dynamisch und expressiv abgeht, zweimal hinsehen muss, um den Schauspieler dahinter wiederzuerkennen, obwohl 20er-Jahre-Haircut und Schnauzer eigentlich nicht wirklich viel in die Irre leiten sollten. Nein, es ist ganz einfach sein Spiel, sein knorriges, impulsives, verletzliches Auftreten, dieser naive Idealismus. Eigenschaften, die Bosemans Rolle erfüllen muss und die ihn so anders erscheinen lassen. Der gerade mal 43 Jahre alt gewordene Künstler ist hier nicht allein auf der Bühne – mit donnernden Schritten stakst eine charismatische Erscheinung in dieses kleine Aufnahmestudio, mit schillerndem Kleid, geölter Haut, bis unter den Haaransatz geschminkt – aufgedonnert wie eine stattliche Diva, die keinen Snickers-Riegel abbekommen hat: Viola Davis. Sie verkörpert die authentische Figur der Ma Rainey, die tatsächlich als Mutter des Blues gilt und scheinbar den sentimentalen, aber gleichzeitig aufmüpfigen Rhythmus dieser Musikrichtung in glamourösem Ausmaß interpretiert hat.

Beide zusammen – Boseman und Davis – sind ein Gespann, dass sich nicht ausstehen kann, weil sie beide für einen Ist-Zustand der schwarzen Bevölkerung stehen, allerdings jeweils auf unterschiedlichen Sprossen der Leiter. Bosemans Levee ist – wie schon gesagt – Trompeter im Ensemble der Ma Rainey, die im Süden längst große Erfolge feiert und nun, weiter im Norden, von ihrem Manager dazu genötigt wird, eine Platte aufzunehmen. Die Musiker treffen natürlich vorher ein, sammeln sich im Keller, um sich einzugrooven. Trompeter Levee zeigt allen sofort, dass er was ganz anderes vorhat. Eigene Kompositionen, eigene Interpretationen. Er will sein eigenes Ding drehen. Die anderen Musiker belächeln ihn, lauschen aber seiner Erzählung einer schrecklichen Vergangenheit, währenddessen, von funkelnden Allüren umgeben, die Diva heranrauscht und ihren Neffen, der stottert, mit auf die Platte bringen will. Das ist Nährboden für Zwistigkeiten, elende Wartezeiten, Missverständnissen und Kränkungen, Ego-Trips und Geldgier. In diesen kleinen, engen Räumen nimmt sich Levee, was er bekommt – während Ma Rainey mehr einfordert als möglich scheint.

Ma Rainey´s Black Bottom stammt aus der Feder des Bühnenautors August Wilson, der auch schon die Vorlage für das großartige Familiendrama Fences lieferte. In ihrem Grundton sind beide Filme ähnlich, in beiden Filmen ist die Zukunft einer aufstrebenden Generation Schwarzer trotz immensem Potenzial eine verlorene. In George C. Wolfes Verfilmung des Musik-Kammerspiels ertönt der Blues dazu, das melodische Sprachrohr einer klagenden und gleichsam sich aufraffenden Gesellschaft im Nachteil. Niemand sonst, kein Weißer, kann den Blues so interpretieren. Das weiß Ma Rainey, das weiß Levee, das weiß Wilson und C. Wolfe. In diesem selbstbewussten Kosmos aus Schweiß, Tränen und Blut – und zwischendurch auch kleine rührende Erfolge – entsteht nach anfänglichen, einleitenden Dialogen des ersten Aktes ein dichtes Kräftemessen zwischen Gegenwart und Zukunft. Denzel Washington, der auch in Fences brillierte, wusste, worauf er sich einließ, als er diesen Film hier produzierte. Könnte gut sein, dass er diesmal auf die Liste der Academy kommt, als Beitrag für den besten Film.

Ma Rainey´s Black Bottom

Da 5 Bloods

VOM KRIEG, DER NICHT IN RENTE GEHT

6/10

 

da5bloods© 2020 Netflix

 

LAND: USA 2020

REGIE: SPIKE LEE

CAST: DELROY LINDO, CLARKE PETERS, ISIAH WHITLOCK JR., NORM LEWIS, CHADWICK BOSEMAN, JEAN RENO, MÉLANIE THIERRY, PAUL WALTER HAUSER, JASPER PÄÄKKÖNEN U. A. 

 

Da fällt mir doch gleich ein echter Klassiker von Dire Straits ein: Brothers in Arms. Im Vibra-Sound, recht verhalten und in den imaginären Stahlhelm gesungen, erzählt der Song vom Durch- und Zusammenhalten, wenn die Waffen sprechen. Sowas begründet natürlich, sofern man überlebt, niemals endende Freundschaften. Zwangsfreundschaften sozusagen. Innerhalb der schwarzen Bevölkerung ist das gefühlsmäßig etwas anders. Die sind nicht nur im Krieg Brüder – die solidarisieren sich auch so. Vor allem jetzt, wenn Black Lives Matter. Da sind all jene afrikanischen Ursprungs eine ganze große Familie, um gegen den zur us-amerikanischen Tagesordnung gehörenden Rassismus anzurennen. Spike Lee ist da ganz vorne mit dabei. Rassenhass, Gewalt und Politik waren immer sein Thema. Politik ganz besonders. Und all die ganzen zersetzenden Mechanismen einer Gesellschaft, die, egal ob schwarz oder weiß, so leicht in Frieden miteinander leben könnte. Lee sucht aber in seinen Filmen ganz andere Ansätze und verleiht dem Ansinnen auf ethnische Liberalität den Klang von Stereo, lässt seine wild schraffierten Ideen wie aktivistische Transparente nicht nur auf das Kinopublikum los – sondern jetzt auch auf all die User von Netflix, die exklusiv sein neues Werk begutachten können – und sich, sofern sie es gesehen haben, vielleicht an BlacKkKlansman erinnert fühlen.

Diese True Story, fast schon Satire, führt mit Freuden die White Power der USA ad absurdum, lässt Tomaten auf die weißen Gewänder der Kapuzenträger hinabregnen, wenngleich Lees Film trotz seiner ruhelosen Ambitionen weitestgehend handzahm daherkommt. Diese Phlegmatik könnte mit Da 5 Bloods jetzt ein Ende haben – obwohl auch dieser neue, überlange Streifen rund um den Vietnamkrieg und seine Nachwehen relativ viel Zeit benötigt, um wirklich in die Gänge zu kommen. Aber so ist das in den Tropen: einer Akklimatisierungsphase folgt ein Abenteuer Marke Baedeker, wie man es daheim anschließend gern erzählt. Die 4 Bloods – der fünfte im Bunde hatte schon während des Kriegseinsatzes in Fernost das Zeitliche segnen müssen – finden sich nach Jahrzehnten wieder dort ein, wo die „Blutsbrüderschaft“ ihren Anfang nahm: In Saigon, im Süden des Landes. Warum nun sind sie hier, diese vier Rentner? Mitnichten zum Urlauben. Sondern um einen Goldschatz zu heben, der im Hinterland vergraben liegt, mitsamt den Überresten des fünften Blood, den es als Vorwand zu finden gilt, würden doch die vietnamesischen Behörden dieses satte Kapital niemals ausreisen lassen. Vier Knacker sinds also, denen das Leben bereits ganz schon mitgespielt hat. Und die den Krieg nicht überwinden können. Zumindest einer – Delroy Lindo in bemerkenswert intensiver Spiellaune – scheint massiv traumatisiert. Doch wie geplant brechen sie in den Dschungel auf, und je näher sie ihrer gemeinsamen Vergangenheit kommen, umso präsenter wird ein Krieg, der Jahrzehnte vorbei zu sein scheint. Es ist fast wie ein Fluch, der auf denen lastet, die gekämpft haben.

Da 5 Bloods ist trotz einiger Verzettelungen und zäher Konfusion ein kurioses Konstrukt, das auf gewisse Weise nachwirkt. Perfekt ist Lees Film keineswegs. Die erste Stunde lang, wenn nicht länger, sieht man den vier Veteranen beim Quatschen zu, über das Leben und das Damals. Das wirkt fast so wie eine dieser Travel-Soaps, in denen Promis auf Reisen gehen. Irgendwann gibt’s auch noch einen Reiseleiter, der nur die Geschichte des fünften Blood kennt, aber nicht die des vielen Goldes. Lee wechselt das Bildformat wie ein Fotograf sein Objektiv – von 4:3 bis Cinemascope ist alles da. Aus einem Guss ist das nicht. Gewöhnungsbedürftig sind nicht nur die Szenen aus vergangenen Kriegstagen, die wie Super 8-Aufnahmen inszeniert sind, untermalt von pathetischer Orchestermusik wie für einen Chuck Norris-Reißer, und in denen die Bloods, bis auf den einen fünften („Black Panther“ Chadwick Boseman), genauso alt sind wie 5 Jahrzehnte später. Gewöhnungsgbedürftig ist der ganze Film, der manchmal einfach zu viel skandiert, der schockierende Archivaufnahmen aus dem echten Krieg wie Schrapnelle so manche Szene spaltet. Der Power-Point-Files in seinen War-Punch hineinwirft und alles nochmal aufkocht. Lees Senf zu Black Lives Matter wirkt dabei leider wie aufgesetzt, hat auch aus meiner Sicht mit dem Werk nur peripher zu tun. Aber gut, Spike Lee will so viel wie möglich, fällt fast schon in Rage. Dabei kippt das Werk ins Anarchische. Was folgt, ist ein regelrecht bizarres Apokalypse Now-Revival für die R.E.D.-Generation in drastischen Bildern, ein Antikriegsfilm mit nostalgischem Blick zurück ins Desaster, in dessen Folge der Sieg über den Feind auch nichts weiter ist als eine Niederlage der anderen Art.

Da 5 Bloods

21 Bridges

LOCKDOWN FÜR EINE NACHT

4/10

 

21Bridges© 2019 Constantin Film

 

LAND: USA 2019

REGIE: BRIAN KIRK

CAST: CHADWICK BOSEMAN, SIENNA MILLER, J.K. SIMMONS, TAYLOR KITSCH, KEITH DAVID U. A. 

 

Was machen all die Schauspieler aus dem MCU, wenn sie darauf warten müssen, endlich wieder in ihre gewinnbringenden Rollen zu schlüpfen? Sie verlassen sich auf ihre Agenten, die einen Plan B haben und ihnen Jobs vermitteln, die die Kaffeekassa zwar klingeln lassen, in den Filmgeschichtsbüchern aber nicht mal eine Fußnote wert sind. Einer dieser Stars, der nun Filme dreht, weil er Schauspieler ist, schlüpft normalerweise in die Rolle des Black Panther und nennt sich Chadwick Boseman. Der hat für einen urbanen Polizeithriller unterschrieben, der sich wiederum 21 Bridges nennt und in welchem Brücken ungefähr so eine große Rolle spielen wie die Freiheitsstatue in der Hudson Bay von New York, die im Film nur aus der Entfernung schemenhaft zu erkennen ist. Die Brücken sind auch mal kurz zu sehen, doch abspielen tut sich dort gar nichts. Tatsächlich geht’s darum, den Stadtteil Manhattan mal für eine Nacht runterzufahren und von der übrigen Metropole abzuschotten, da zwei Verbrecher hier irgendwo in den Straßen ihr Unwesen treiben und die natürlich am besten gestern gefasst werden müssen, da sie sich als Copkiller versündigt haben, nebenbei aber noch Hamsterladungen Rauschgift mit sich herumschleppen. Dann klappen wir mal die Brücken hoch, so die Exekutive. Ein Lockdown bis zum Morgengrauen. Das war’s dann auch schon mit den Brücken. Hätte sich da nicht mehr daraus machen lassen können, also mit den Brücken zumindest? Wäre es nicht naheliegend gewesen, diese 21 Brücken irgendwie einzubinden in die nächtliche Hatz?

Stattdessen ist Brian Kirks erste Spielfilmregie Business as usual. In jedem gefühlt zweiten Polizeifilm, so auch in diesem, sind Polizisten schwächer als ihr Berufscodex, und folglich korrupt – selbige Blase zieht sich meist sehr weit und hat gute Connections zur Unterwelt. Dass die Blauuniformierten hier nicht schon längst auf die Barrikaden gestiegen sind, um sich über deren Darstellung im Kino zu beschweren, wundert mich eigentlich. Oder ist da wirklich so viel Wahres dran, dass sich ein ganzes Berufsfeld gar nicht mal so verunglimpft fühlt? Polizisten sind in solchen Filmen leicht austauschbare Stereotypen geworden. Boseman macht hier auch keine Ausnahme. Ein traumatisierter Ehrgeizler, verkniffen und bis zum Komplex unlocker. Dieser Filmfigur kommt keiner nahe, und das nicht, weil sie so gefährlich aussieht oder entsprechend agieren würde. Man kommt ihr genauso wenig nahe wie einem Magistratsbediensteten kurz vor dem Parteienverkehr an einem Montagmorgen. Boseman steckt sein Terrain ab, und eigentlich lädt er uns nicht ein, ihm zu folgen. Da folgen wir lieber den beiden Killern – einer davon Ex-John Carter on Mars Taylor Kitsch – die ganz von selbst in einen mörderischen Strudel Richtung abwärts kreisen. Ihre Performance ist kein Vergleich zu den ermittelnden Guten, die in ihrer verschlafenen Pflichterfüllung eigentlich nur tun, was sie tun müssen. Bei Sienna Miller suche ich auch vergeblich nach dem Kick-Off für ihre Rolle, so zerstreut und mit undefiniertem Hangover zappelt sie hinter Chefermittler Boseman her, dem der Brückenschlag zu seiner teilnahmslosen Assistentin aus dem Drogendezernat einfach nicht gelingen will.

21 Bridges

Black Panther

WIE GOTT IN AFRIKA

7/10

 

nullPhoto: Film Frame © Marvel Studios 2018

 

LAND: USA 2018

REGIE: RYAN COOGLER

MIT CHADWICK BOSEMAN, LUPITA NYONG’O, FOREST WHITAKER, MICHAEL B. JORDAN, MARTIN FREEMAN, ANDY SERKIS U. A.

 

Womöglich wissen wir jetzt, warum das Kongobecken im Herzen des afrikanischen Kontinents so eine unzugängliche grüne Hölle ist, wieso sich hier Mythen und Legenden ein Stelldichein geben und kaum jemand jemals bis ins Herz des Dschungels vorstoßen konnte. Und womöglich ist das gefällige Gedankenspiel des grindigen Bösewichts Ulysses Klaue (wie bezeichnend!) gar nicht mal so weit hergeholt, wenn er sagt, dass El Dorado nie in Südamerika zu finden war. (Näheres lässt sich zum Thema Ur-Amazonas nachlesen). Wenn es nach Marvel ginge, steckt hinter all den unerklärlichen Mysterien nichts anderes als das ähnlich wie Hogwarts verborgene Königreich Wakanda. Der Name klingt wie das neue Zirkusprogramm des Cirque du Soleil, ist aber ein schirmgetarntes High-Tech-Afrika, eine irre Mischung aus palmenbedeckten Lehmhütten, Hochhäusern aus Glas und unterirdischen High-Tech-Zentren, bei denen Bruce Wayne feuchte Augen bekommen würde. Doch zum Glück befinden wir uns im MCU, und nicht bei DC. Also keine Angst vor Batman.

Dieses Königreich regiert ein gewisser Black Panther, seines Zeichens Monopolist auf das Super-Erz Vibranium und krallenbewehrter Avenger im superschnittigen, schwarzen Raubkatzen-Outfit. Chadwick Boseman steht dieses nanotechnologische Superteil ausgesprochen gut, seine Auftritte in Lack, Leder und eben diesem magischen Metall sind angesichts der Formschönheit für meine Begriffe immer noch zu wenig gestreut. Doch darüber kann ich gut hinwegsehen, vor allem, weil Black Panther fast ausschließlich an einem Ort spielt, der noch nie so wirklich Schauplatz für das Superhelden-Gekeile war – eben Afrika. Und weil Afrika in Punkto Exotik nur schwer der Rang abzulaufen ist, muss Disney und Marvel zumindest annähernd mit folkloristischen Versatzstücken aus der Wiege der Menschheit ordentlich Bombast erzeugen, um diesem Status gerecht zu werden. Womit wir bei André Heller wären. Was hat dieser österreichische Universalkünstler jetzt mit Marvel zu tun? Das ist leicht erklärt: Heller´s Bühnenkreation Afrika Afrika!, welche hierzulande wieder die Stadthallen füllen wird, zeigt, so habe ich mir sagen lassen, ein Potpourri aus allen möglichen traditionellen Gesängen, Tänzen und Kostümen. Marvel und Regisseur Ryan Coogler tun es André Heller nach – ihre fiktive Stadt des Unmöglichen ist einerseits eine knallbunte Kostümschau mit Motiven aus West, Ost- und Südafrika, andererseits tänzerische Martial-Arts-Performance, begleitet von Klängen und Stimmen, die an König der Löwen erinnern. Womöglich bewusst, denn König der Löwen ist ja auch von Disney, und im Grunde geht es auch im König der Löwen um Krone und Reich, allerdings auf Widlife-Niveau.

Black Panther ist vom roten Faden der Infinity– und Avengers-Storyline so ziemlich komplett ausgekoppelt. Ein waschechtes Spin-Off sozusagen. Aber eines, das aufgrund seines vorwiegend geglückten Händchens fürs Casting so ziemlich ins schwarze Fell des Panthers trifft. Newcomer Chadwick Boseman – mit Shaft-Attitüde und tatsächlich royalem, aber niemals affektiertem Gehabe – verspricht, zukünftig vermehrt auf der Leinwand präsent zu sein. Lupita Nyong’o, diesmal nicht nur in Motion Capture (Maz Kanata aus Star Wars VII), sprüht vor anmutiger Toughness, und Danai Jekesai Gurira als speerschwingende Pseudo-Massai-Kriegerin sorgt für jede Menge sympathische Female Power – hervorzuheben als Woman in Red in flatternder Rüsche, die den bösen Buben in Südkorea gehörig auf die Pelle rückt. Nur Martin Freeman passt hier nirgendwo hinein. Warum er in dieser Marvel-Produktion als Sidekick zum Handkuss kommt, bleibt im Dunkeln. Freeman mag als Hobbit und Watson seine Fangemeinde zurecht um sich scharen – als CIA-Agent kommt ihm jede Glaubwürdigkeit abhanden, und auch sein Schauspiel zeugt von Ratlosigkeit. Zum Glück hält sich der sympathische Brite im Hintergrund – was kein schwieriges Unterfangen ist, bleibt Black Panther als wohldosierte, in sich abgeschlossene Marvel-Extravaganz in Erinnerung, die mit ganz viel frischem Esprit und neuen, unverbrauchten Gesichtern eine vergnügliche Folklore-Show aus dem schwarzen Afrika auf die CGI-Bühne zaubert – inklusive geharnischten Nashörnern und einem schmissigen Soundtrack zwischen Trommelrythmen und Synthie-Klängen. Marvel hat eine Terra incognita für sich entdeckt und sein Universum um ein sinnvoll bereicherndes Who is Who erweitert. Da freut man sich auf Infinity-War. Und wie immer heißt es – nach dem Abspann sitzenbleiben!

Black Panther