Mandy (2018)

WAHNSINN, ICH GEH FÜR DICH DURCH DIE HÖLLE

6/10


mandy© 2018 Plaion Pictures

LAND / JAHR: USA, BELGIEN 2018

REGIE: PANOS COSMATOS

DREHBUCH: PANOS COSMATOS, AARON STEWART-AHN

CAST: NICOLAS CAGE, ANDREA RISEBOROUGH, LINUS ROACHE, NED DENNEHY, OLWEN FOUÉRÉ, LINE PILLET, BILL DUKE, RICHARD BRAKE U. A.

LÄNGE: 2 STD 1 MIN


Wer hätte damals gedacht, dass Nicolas Cage im Herbst des Jahres 2018 dem Slash Filmfestival tatsächlich die Ehre erweisen würde. Laut Slash-Mastermind Markus Keuschnigg kam er, sah sich um und ging wieder. Doch immerhin: Er hostete damit seine Rache-Phantasmagorie Mandy, die Autorenfilmer Panos Cosmatos als Reminiszenz an den Hippie-Drogenrausch der ausklingenden Sechziger und beginnenden Siebziger anlegt, als nostalgische Konservierung einer längst vergangenen New Hollywood-Revolution im Kino, an das Haare schwingende Aquarius und dem Lebensgefühl aus Woodstock. Das klingt natürlich nach beschwingten Vibes, doch Mandy ist alles andere als das. Panos Cosmatos bricht mit den Dogmen und korrumpiert eine verklärte Ära so sehr, dass er diese als Albtraum manifestiert. Als der Realität entfremdetes Konstrukt, aufgeblasen wie die Opfer eines exaltierten Avantgardisten, getaucht in die Lieblingsfarbe Rot, konturiert durch sattes Schwarz. Grobkörnig, in der Bewegung verzerrt und tragödienhaft manieriert wie der düsterste Shakespeare, der je geschrieben wurde.

Dass hier Sehgewohnheiten strapaziert werden und es Cosmatos vor allem darum geht, sein Publikum aus jener Bequemlichkeit zu holen, welche die Sichtung von Bewährtem auf die Dauer mit sich bringt, mag den Genre-Kunstfilm bereichern. Bild und Ton verschmelzen zu einer Bilderorgie, die immer wieder in ihrer eigenen Ambition ertrinkt und auch zu viel in sich hineinstopft, um sich dann, ebenfalls in Rot, im übertragenen Sinn zu übergeben, um dann weiterzuvöllern im theatralischen Gebaren der beiden Hauptdarsteller – eben Nicolas Cage und der fulminante Linus Roache, den Vikings-Fans als den angelsächsischen König Egbert mit Sicherheit in Erinnerung behalten haben. Seine Dialoge mit Travis Fimmel als Ragnar Lodbrok sind legendär. In Cosmatos‘ Actionhorror probiert er sich als manische, gottgleich angesehene Leitfigur eines obskuren Sektenkults, der, unterwegs mit seiner sinistren Entourage, der faszinierenden und titelgebenden Mandy (entrückt: Andrea Riseborough) begegnet, die ahnungslos die Straße entlangwandert. Sie ist schließlich die bessere Hälfte von Cage, der im Grunde ein zufriedenes Leben führt, wäre da nicht die Besitzgier des teuflischen, gern mit nacktem Oberkörper agierenden Antagonisten, der das engelsgleiche Opferlamm für sich haben will – und diese in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem sicheren Zuhause entführt. Cage ist verzweifelt, will die Liebe seines Lebens wieder zurückholen, scheitert anfangs aber und muss dabei zusehen, wie Mandy der Tod ereilt. Danach gibt‘s kein Halten mehr: Cages gemarterte Figur erlangt jene Manie wie sein Widersacher sie besitzt. Wut, Obsession und Aggression brechen sich Bahn und hinterlassen eine Blutspur im grobkörnigen Stil. Eine Kettensäge ist dabei nur eine der Utensilien, die Cage in die Finger bekommt, um alles und jeden zu meucheln, der die Unterwelt bevölkert. Dazwischen dämonische Biker, fratzenhaft und mit verzerrten Stimmen, wohlweislich im Gegenlicht und als kämen sie vom Set eines George Miller, der sich am Mad Max-Franchise abarbeitet. 

Ja, Cage geht grinsend durch die artifizielle Hölle. Dramaturgisch hat Cosmatos dafür aber keinerlei Ideen – was er wiederum versucht, durch seine unverkennbare Optik wieder auszugleichen. Nur: Optik allein reicht nicht immer. Vorallem nicht, wenn diese nur minimal variiert wird. Schwülstig, dampfend, wabernd, als Drogenrausch überstilisiert, laufen die filmischen Methoden im Kreis, treten auf der Stelle – abwechslungsreich ist Mandy daher nicht. Sondern ein einziger, fetter Brocken; sättigend, nicht leicht verdaulich und noch dazu nährstoffarm.

Mandy (2018)

They See You (2024)

STEGREIFBÜHNE DER VERDAMMTEN

4,5/10


theyseeyou© 2024 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


ORIGINALTITEL: THE WATCHERS

LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: ISHANA SHYAMALAN

CAST: DAKOTA FANNING, OLWEN FOUÉRÉ, GEORGINA CAMPBELL, OLIVER FINNEGAN, ALISTAIR BRAMMER, JOHN LYNCH, SIOBHAN HEWLETT U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Ein eifriger Filmemacher ist er, dieser M. Night Shyamalan – alle zwei Jahre gibt’s einen neuen Film, der letzte war sogar erst 2023 zu sehen: Knock at the Cabin, was allein schon vom Titel ein bisschen an The Cabin in the Woods erinnert und mit diesem zumindest auch inhaltlich das Setting einer einsamen Hütte im Wald gemeinsam hat. Ein Jahr später gleich der nächste – und noch im Kino zu sehen: der Serienkiller-Thriller Trap: No Way Out mit Josh Hartnett. Ist einer wie Shyamalan mal so berühmt, verwundert es oft nicht, dass der Nachwuchs gefeierter Künstlerinnen und Künstler, um nicht unter der Dominanz ihrer Eltern zu verschwinden, ebenfalls nach dem Erfolg eifern, was sich schließlich leichter bewerkstelligen lässt als bei Otto Normalverbraucher, der nicht schon aufgrund seiner Verwandtschaft den Fuß in der Tür weiß und mit Vitamin B auf die große Leinwand gelangt. Der Anfang ist gemacht – der Rest wäre dann wohl wirklich eine Frage des Könnens. Ob Shyamalans Töchterchen Ishana ihre eigene künstlerische Identität gefunden hat, mag angesichts ihres Regiedebüts They See You (im Original: The Watchers) dahingestellt sein. Sie tut schließlich genau das, was ihr Vater tut. Gruselige Mystery mit Story-Twist(s) in Szene setzen, das Ganze natürlich auch selbst verfasst, um ihrem Vorbild in nichts nachzustehen.

Zum Schaffen seltsamer Welten gehört allerdings auch die Handhabung einer eigenen Handschrift. Ishana Shyamalan hat sie nicht. Der Einfluss ihres Vaters ist augenscheinlich, das Setting natürlich ein Vertrautes, verirrt sich doch Dakota Fanning im zwielichtigen Dickicht, aus dem es kein Entkommen gibt. Und Wälder, die sind nicht erst seit The Blair Witch Project spooky genug, um gleich für eine ganze Latte an Filmen herhalten zu können. Was dann noch ans Set gehört, ist eine Zuflucht – ein Haus, ein Tunnel, ein Bunker, was auch immer. Da, sobald sich die Nacht senkt, Fannings Figur im düsteren Tann nicht mehr allein zu sein scheint, läuft sie um ihr Leben – und landet per Zufall in den Armen einer höchst seltsamen Community, die schon jahrelang hier festsitzt und allnächtlich showgeilen Monstren das Fernsehprogramm gestaltetn. Eine Seite des bunkerähnlichen Gebäudes, in dem sich alle einfinden, ist schließlich verspiegeltes Glas – und so präsentieren sie sich, aufgereiht wie beim Da Capo-Applaus in einem Theater, einer unbekannten Macht, die tagsüber in Lächern im Waldboden haust.

Ishana Shyamalan quält sich durch einen verworrenen Pulk an unausgegorenen Mystery-Elementen und Motiven aus folkloristischen Legenden. Dabei misslingt es, das mit allerlei Bedrohlichkeiten aufgebauschte Geheimnis hinter diesem Spuk nicht mit der tatsächlichen Wahrheit, die natürlich ans Licht kommen muss (weil Papa das auch immer tut), zu vereinbaren. Eine biedere Harmlosigkeit erobert das Szenario, die Geschicklichkeit mit den Twists, die, sollten sie gelingen, auf unerwartbare Weise hereinbrechen sollten, erlangt man schließlich nicht mit einem Fingerschnippen. Letztlich enttäuscht der zumindest atmosphärische Versuch eines archaischen Schreckens aufgrund einer gewissen Ratlosigkeit, wie ein Plot wie dieser auf geniale Weise zu Ende gebracht werden könnte. Shyamalan Senior, zumindest Produzent, hat da auch keine knackfrischen Ideen in petto, die benötigt er schließlich selbst, denn aus dem Ärmel schütteln lassen sich narrative Pointen schließlich niemals. Da viel Bekanntes in They See You lediglich variiert wird, ist das Ergebnis dieser Kalkulation kein überraschendes.

They See You (2024)