Superman (2025)

DAS METAWESEN AUS DER NACHBARSCHAFT

7,5/10


© 2025 Warner Bros. Entertainment Inc.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE / DREHBUCH: JAMES GUNN

KAMERA: HENRY BRAHAM

CAST: DAVID CORENSWET, RACHEL BROSNAHAN, NICHOLAS HOULT, EDI GATHEGI, NATHAN FILLION, ISABELA MERCED, ANTHONY CARRIGAN, MARIA GABRIELA DE FARÍA, SKYLER GISONDO, SARA SAMPAIO, ZLATKO BURIČ, SEAN GUNN, BRADLEY COOPER, WENDELL PERCE U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Vorbei ist die opernhafte Schwermut von Kal-El, der in der Gestalt von Henry Cavill und unter der Regie von Zac Snyder durch ein verregnetes, dunkles Metropolis wandelte und es gar mit Batman in stählerner Rüstung aufnahm. Diese Art und Weise, das DC-Universum zu beleben, in allen Ehren. Ich gebe zu, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte Snyder gerne dranbleiben können. Die Besetzung der ganzen Justice League ließ keine meiner Wünsche offen. Cavills Superman war zwar etwas eitel und gerne auch arrogant, aber glaubhaft, physisch sehr präsent und mitreißend. Wir brauchen über Wonder Woman gar nicht reden (Gal Gadot wird wohl nie besser werden), über Ben Affleck als Batman vielleicht schon, obwohl auch er einer war, der den Comicvorlagen, die vor Pathos generell nicht zurückschrecken, gerecht wurde. Doch bei DC hat sich die dystopische Interpretationsweise des Superman-Universums ausgelebt – schade drum.

Vom Pessimismus zum Optimismus

James Gunn sollte das Ruder übernehmen und die Capes aus dem Dreck ziehen. Alle wussten, wenn Gunn hier ansetzt, regnet es bunte Shows, die rotzfrech, locker und subversiv sein können. Nach seinem Super – Shut up, Crime!, einer herzallerliebsten, blutigen Grunge-Sause über Superhelden und solche, die es gerne wären, aber nicht sind, blieb der Visionär (ja, es ist einer) seinem Stil und seiner Tonalität immer treu. Auch seine Best Friends wie Michael Rooker, Nathan Fillion oder Brüderchen Sean Gunn sind auf irgendeine Art und Weise immer mit dabei, sie wissen schließlich, wie der Hase läuft. Mit den Guardians of the Galaxy erhielt das MCU einen Spin in Richtung Parodie, alles unterlegt mit launigen Songs aus der Evergreen-Schublade. Vielleicht manchmal zu gewollt, vielleicht ein bisschen zu konstruiert – doch das neidvolle DC dürfte da keine strengeren Vorgaben gemacht haben, ganz im Gegenteil, wenn man sich ansieht, was Gunn mit Superman gemacht hat. Der Waise vom Planeten Krypton ist hier nicht mehr und nicht weniger der nette Junge aus der Nachbarschaft, ein „Spidey“ mit Kräften, die man sich kaum vorstellen kann. Und der das Zeug dazu hätte, im Handumdrehen den ganzen Planeten Erde zu unterjochen. Wenn er denn gewollt hätte.

Doch Superman will nicht, er ist durch und durch Humanist, Menschenfreund und Helferlein. Sieht sich als Mensch unter Menschen und nutzt dabei seine außerordentlichen Skills, um weder die Dinge zu lenken oder es besser zu wissen, sondern um anderen, die Not leiden, unter die Arme zu greifen. Großgezogen in einfachen Verhältnissen an Land und mit Werten, die ein Zusammenleben garantieren, ist Kal-El längst zur Tagesordnung übergegangen. Niemand braucht schließlich nochmal eine Origin-Story, nochmal den ganzen Steckbrief von Smallville bis zum Daily Planet. Die Parameter sind gesetzt, Gunn geht davon aus, das wir das alles längst wissen – auch über Erzfeind Lex Luthor, den hier diesmal nach Jesse Eisenberg Nicholas Hoult gibt, als wandelndes Elon Musk-Mahnmal gegen Egomanie und Größenwahn. Dieser Luthor lässt sein Süppchen in Gunns Superman schon lange köcheln und spielt bereits mit den Dimensionen, was ein bisschen an Marvels Multiversum erinnert. Das Raum-Zeit-Gefummel bringt einige Kollateralschäden mit sich, darüber hinaus haben wir es hier mit einer geopolitischen Situation zu tun, die an den Ukrainekrieg erinnert, und einem an Putins Reich angelehnten Aggressor, der die Machtinteressen anderer hofiert. Trotz allem bleibt Gunn so sehr gelassen, dass diese Assoziation mit der Realität wohl kaum die Freude daran trübt, neben einem manchmal etwas zerstreut wirkenden Superman auch anderen kauzigen Metawesen (Mister Terrific, Green Lantern, Metamorpho: alle liebenswert) dabei zuzusehen, wie sie uns Normalsterblichen den Arsch retten. Das tun sie mit einer lausbübischen Leidenschaft für das Richtige, nehmen alles mit Ironie, aber nicht auf die leichte Schulter. Alles wird gut, lautet ihr militant optimistisches Credo.

Wie sympathisch ist der Kerl?

Diese neue Tonalität bringt Farbe und frischen Wind in das fast hundert Jahre alte Comicleben, dabei fehlt es weder an ordentlichen Desaster-Schauwerten noch an phantastischen Details. Superman will launige Science-Fiction-Komödie bleiben und Gunns bereits auf den Weg gebrachte Guilty Pleasures wie The Suicide Squad und Peacemaker mit in die neue Ära nehmen. Beide Formate gelten als Vorbilder für diesen nächsten Schritt, Superman die Gutmenschen-Fadesse vom Leib zu reißen und einen durchaus gemütlichen Idealisten zum Vorschein zu bringen, der oft nicht weiß, wie ihm geschieht und durch David Corenswets erfrischend unprätentiöse Natürlichkeit eine Sympathie ausstrahlt, dass man ihn und die Figur, die er spielt, nur ungern wieder ziehen lassen will. Schließlich ist das Gunns Spezialität: Charaktere zu entwerfen, die nicht perfekt sind, die sich selbst im Weg stehen, die sich zusammenraufen müssen und nicht immer willens sind, für andere in die Presche zu springen. Das macht sie aber greifbar, und dadurch nimmt Superman so gut wie jede Hürde, die bei einem Reboot wie diesen notgedrungen aufpoppen.

Mag sein, dass der Plot selbst, in den man hineingeworfen wird wie in kaltes Wasser (kein Fehler!) erst erwachsen werden muss, die Skills und Features liegen aber griffbereit und weisen den Weg in ein hoffentlich lang anhaltendes, konstantes DC-Universum, in dem man sich irgendwann wohl die größte Frage stellen muss: Wie passt der düstere Batman in das alles hinein? Pattinson kann es kaum sein, denn stilistisch sind das von Matt Reeves geschaffene Universum und das von Gunn viel zu konträr, um eine Synergie zu bilden. Das aber ist eine andere Geschichte, und wir kehren nochmal zurück in Kal-Els antarktisches Domozil, um mit ihm alle Viere gerade sein zu lassen, während Iggy Popp aus dem Äther tönt. Die Vibes holen mich ab. Noch passt alles zusammen.

Superman (2025)

Twisters (2024)

WIRBEL UMS WETTER

7/10


twisters© 2024 Warner Bros. / Amblin Entertainment


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: LEE ISAAC CHUNG

DREHBUCH: MARK L. SMITH

CAST: DAISY EDGAR-JONES, GLEN POWELL, ANTHONY RAMOS, BRANDON PEREA, DARYL MCCORMACK, MAURA TIERNEY, HARRY HADDEN-PATON, DAVID CORENSWET, KATY O’BRIAN, JAMES PAXTON U. A.

LÄNGE: 2 STD 3 MIN


Schönes Wetter ist langweilig. Blauer Himmel, Sonnenschein von früh bis spät – da kommt zumindest mir das große Gähnen. Wetter ist dann interessant, wenn es sich in Szene setzt. Das beginnt bereits mit einer Wolkenbank, die sich über den Horizont schiebt, mit schwerem dunkelgrauen Regen im Schlepptau. Am schönsten ist es, wenn es gewittert. Wenn dann noch der Sturm bläst, wird’s theatralisch. Zugegeben, das sagt einer, der, wohnhaft im Wiener Becken, von den Konsequenzen eines Unwetters stets verschont bleibt. In der Provinz sieht das schon anders aus. Überflutungen, Murenabgänge, entwurzelte Bäume – Sommer in Österreich.

In den USA hingegen treiben Tornados ihr Unwesen, vorwiegend und alljährlich in den zentralen Ebenen des nordamerikanischen Kontinents, von Texas über Oklahoma bis nach Kansas, diese Spur der Verwüstung nennt sich Tornado Alley. Erst kürzlich gab’s gar im österreichischen Bundesland Steiermark einen kleinen Tornado, doch diese Kapriolen sind nichts im Vergleich zu den Ungetümen, die dort in Übersee aus ganzen Dörfern und Städten Kleinholz machen. Eine Katastrophe, der man im Grunde nichts Erbauliches abgewinnen kann. Doch da gibt es die andere Seite – jene, auf der die sogenannten Tornadojäger zu finden sind – weniger Wissenschaftler als vielmehr Abenteurer, die den Kick suchen. In Twisters, der sagen wir mal Neuauflage von Jan de Bonts stürmischem Klassiker Twister aus dem Jahre 1996, kommen beide Seiten zu Wort – einschließlich jene der Opfer, die Regisseur Lee Isaac Chung (Minari – Wo wir Wurzeln schlagen) gewissenhaft nicht außer Acht lassen will.

In diesem Dreieck der Interessen und Befindlichkeiten lässt Chung das Wetter einem wild gewordenen Rodeo-Büffel gleich aus dem Zwinger. Und präsentiert seinem staunenden Kinopublikum Bilder voller Schönheit und Bedrohlichkeit: Die Natur von ihrer dunklen Seite – so steht es zumindest auf den Filmplakaten. Was aber kann Twisters einem Film wie Twister als Mehrwert verkaufen? Was hat der neue Film, was der alte nicht hatte? Ich erinnere mich noch, dass die Darstellung der Unwetter damals das Beste war, was man auf die Leinwand bringen konnte. Die Story: nun ja, klassisches Hollywood-Katastrophenkino mit Trial und Error, Enttäuschung, Hoffnung, Läuterung und persönlichem Sieg. Den Aufbau der Geschichte hat Chung und Drehbuchautor Mark. L. Smith beibehalten – somit ist Twisters ungefähr so vorhersehbar wie das Wetter der nächsten Tage.

Im Zentrum steht Kate (Daisy Edgar-Jones, Der Gesang der Flusskrebse), die sich nach einer Tornado-Tragödie, während welcher auch ihr Freund ums Leben kam, auch nach fünf Jahren immer noch nicht ganz erholt hat. Javi (Anthony Ramos) der Einzige, der damals noch überlebt hat, will Kate und ihre Fähigkeit, Tornados nachzuspüren, für ein eigenes Projekt gewinnen. Widerwillig kommt sie an Bord, jagt erneut Tornados hinterher und lernt den Youtube-Tornadojäger Tyler Owens kennen, dargestellt von Feschak Glen Powell (A Killer Romance, Top Gun: Maverick), den sie anfangs nicht ausstehen kann.

Was intensiv nach Screwball-Romanze vor dunklen Wolken klingt, in welcher es nicht wirklich viel zu holen gibt, geht unterm Strich als leidenschaftlicher Beweis dafür durch, dass traditionelles Katastrophenkino in uneitler Hemdsärmeligkeit immer noch bestens funktioniert. Twisters, unter der Obhut von Steven Spielberg produziert, entwickelt trotz seiner konventionellen Plot-Struktur unerhört packende Momente, die sich in knappen Intervallen aneinanderreihen. Auch wenn man ziemlich treffsicher ahnt, wer aus der beeindruckenden Himmelhölle geläutert, verändert und soziomoralisch integriert hervortreten wird – auch wenn man weiß, wer welche Beweggründe für sein Tun überdenken wird: es liegt an der straffen Kunst der dramatischen Inszenierung, wie wann welche Emotionen getriggert werden, um die Spannungsschraube zu spüren. Chung und Spielberg schaffen gemeinsam ein sehr menschelndes und menschliches Wetterabenteuer und einen Naturthriller, in welchem Edgar-Jones und Powell mit ihrer Sympathie das Interesse des Publikums gewinnen. Beide sind nicht irgendwer, sondern Identifikationsfiguren, die im Laufe von zwei Stunden viel über sich selbst lernen und sich dementsprechend auch weiterentwickeln. So sehr wie das Wetter in Twisters im Wandel ist, so sehr wandeln sich die Charaktere. Ein Film, der konsequent in Bewegung bleibt.

Twisters (2024)

Pearl (2022)

EINE PERLE VERLIERT DIE FASSUNG

7/10


pearl© 2022 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: TI WEST

DREHBUCH: TI WEST, MIA GOTH

CAST: MIA GOTH, DAVID CORENSWET, TANDI WRIGHT, MATTHEW SUNDERLAND, EMMA JENKINS-PURRO, ALISTAIR SEWELL U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN


Niemand ist bei den Kälbern? Natürlich nicht. Die hübsche junge Pearl will eigentlich etwas ganz anderes aus ihrem Leben anstellen als nur das Vieh bei guter Gesundheit zu halten und den als Pflegefall dahinsiechenden Vater pflegen. Doch wir befinden uns am Anfang des 20. Jahrhunderts, die spanische Grippe geißelt den Erdball wie vor kurzem Covid, nur noch um einen Tick tödlicher. Der Erste Weltkrieg geht langsam seinem Ende zu. Und da ist es am klügsten, sich nach der Decke zu strecken und das Beste aus dem zu machen, was man hat. So zumindest meint es die strenge Institution namens Mutter, die Pearl keinerlei Freiheiten schenkt, sondern stets an ihre Pflicht erinnert, für Haus und Hof geradezustehen.

Was aber, wenn die große weite Welt lockt? Wenn Frau sich selbst dazu ausersehen fühlt, ein Star zu werden? Margot Robbie hat das in Babylon – Rausch der Ekstase schließlich auch hinbekommen, also zumindest anfangs. Wieso sollte Pearl nicht auch das Zeug dazu haben? Eine strahlende Erscheinung ist sie ja. Wenn sie aber dauerstrahlt, kann einem schon anders werden. Und wenn sie dann auch noch zu blaffen beginnt und nicht versteht, warum ihr die Welt nicht zu Füßen liegt, ließe sich der Pfaffe schon zur letzten Ölung bitten.

Mit dieser fast schon ikonischen Figur einer taufrischen Psychopathin gelingt es Ti West, eine neue Institution für das Subgenre des Slasher-Horrors zu schaffen. Eine, die zu Halloween neben Michael Myers, Freddy Kruger und Jason Voorhees die Gegend unsicher macht – in rotem Festtagskleid, mit zwei Zöpfen und bewaffnet mit Axt oder Heugabel. Dabei scheint sie nur tanzen zu wollen – und mehr Beweggründe für ihre Meuchelei zu haben als all die anderen genannten gesichtslosen Killermaschinen. Da hat Pearl ihnen einiges voraus. Nämlich den unverschämten Wunsch auf Selbstbestimmung. Dumm nur, dass eine grundlabile Persönlichkeit wie Pearl nicht anders kann als lustvolles Töten als einfachste Methode zu wählen, ihrem Käfig zu entkommen. Doch da wartet weder Regenbogen noch eine Yellow Brick Road. Wenn’s hochkommt, ist da nur die Vogelscheuche.

Wer Ti Wests 70er-Slasher X gesehen hat – ebenfalls mit Mia Goth, nur in einer anderen Rolle – wird sich beim Gedanken daran, wie die beiden Alten in der heruntergekommenen Ranch vor lauter Neid auf die Jugend eine Filmcrew systematisch dezimiert, die Nackenhaare aufstellen. Die Herrin des Hauses, immer noch getrieben von der Sehnsucht, ein Star zu sein, ist Pearl in hohem Alter. Mit diesem, in enormem Ausmaß den Stil der Technicolor-Filme imitierenden Prequel hält ein leidenschaftlicher Coming of Killer-Film Einzug, der als Reminiszenz aufs frühe Mörderkino genauso funktioniert wie auf Hitchcocks Psychohorror, in welchem ein Motel zum Schauplatz garstiger Alltagsroutine wird. Die Eltern-Kind-Diskrepanzen sind da wie dort ein Thema, und wenn Mia Goth, die hier heult und grinst und kreischt wie eine Furie, zu ihrem Geständnis ansetzt, verzichtet Pearl darauf, nur platter Effekt-Manierismus bleiben zu wollen. Wests Film strebt ebenso nach Größerem wie Mia Goths Figur selbst. Wenn man auch nur irgendwie „Sympathy for the Devil“ entwickeln kann; wenn Filme Zugänge schaffen in eine Welt aus Tod, Verderben und geistiger Verwirrung, dann funktioniert das nur im Rahmen eines entrückten Horrormärchens, das seinen strohaufwirbelnden Judy Garland-Albtraum satirisch konnotiert, ihn aber ernster nimmt als es den Anschein hat. Und das ist das Perfide daran.

Pearl (2022)