Das Haus der geheimnisvollen Uhren

WER HAT AN DER UHR GEDREHT?

4/10

 

House With A Clock In Its Walls© 2018 Universal Pictures International Germany GmbH

 

ORIGINAL: THE HOUSE WITH A CLOCK IN ITS WALLS

LAND: USA 2018

REGIE: ELI ROTH

CAST: JACK BLACK, CATE BLANCHETT, KYLE MACLACHLAN, OWEN VACCARO U. A.

 

Jeder, der auch nur irgendwie im Englisch-Unterricht aufgepasst hat, wird um die meisterhafte Erzählung Edgar Allan Poe´s, nämlich The Tell-Tale Heart, nicht herumgekommen sein. In dieser äußerst gruseligen Geschichte, auf Deutsch Das verräterische Herz, treibt das Pochen desselbigen einen Mörder in den Wahnsinn. In einen ähnlichen Geisteszustand soll das Ticken einer verhängnisvollen Uhr die Bewohner einer alten Zauberervilla versetzen. Des Nächtens nämlich treibt das dröhnende, mechanische Pochen den Onkel des Waisenjungen Lewis aus dem Bett und in die weitläufigen, brockatgeschmückten Gänge, um dem Ursprung dieses vermaledeiten Geräuschs auf den Grund zu gehen. Dieser Onkel, gewohnt exaltiert und verschroben verkörpert von Jack Black, muss sich nach dem Tod seiner Schwester des 10jährigen Jungen annehmen. Ihm zur Seite: Cate Blanchett als stets in Zyklamen gekleidete, gutmütige Hexe. Lange können die beiden ihre Ambitionen vor dem hellhörigen Jungen nicht verbergen – und mit der Offenbarung einer bisher unbekannten Welt der Magie und des Phantastischen findet auch allerlei Ungemütliches ihren Einzug in das üppig ausgestattete Gemäuer, das ohne weiteres auch ehemaliger Besitz der Addams Family hätte sein können. Allein es fehlt Butler Lurch, der stets in erschreckend fahler Lethargie auf die Schwelle tritt. Diese Aufgabe übernimmt in Eli Roth´s Fantasygrusel ein altmodischer Fauteuil. Ganz nett, auch das von selbst klimpernde Klavier und die als Generali-Löwe zugeschnittene Hecke, die permanent unter Laubdurchfall leidet. Warum eigentlich nicht, zur Überbrückung bis zum kommenden Grindelwald-Verbrechen ein pittoresker Zeitvertreib. Doch der ehemalige Folterknecht Roth, der gerne ein bisschen das Gespür von Edgar Allan Poe oder R. L. Stine hätte und aus einer guten Laune heraus nur so ansatzweise Harry Potter und Konsorten zeigen will, wo der Zauberstab sonst noch geschwungen werden könnte, scheitert wieder mal ganz besonders an seiner Unfähigkeit, sein ambivalent kinderfreundliches Abenteuer dramaturgisch richtig zu timen.

Ich kenne leider John Bellair´s literarische Vorlage nicht, doch jene Geschichte, die Roth hier erzählt, bleibt in ihrem vermeintlichen Detailreichtum, der gar keiner ist, weit hinter Rowling´s Magierwelten zurück, mag vielleicht ein bisschen so sein wie Gänsehaut, kommt aber nie richtig in Schwung. Dafür tut der Cast, was er kann, um die holprige Regie auszugleichen. Jack Black und Cate Blanchett sind Professionisten nach Vertrag, Jungschauspieler Owen Vaccaro lässt sein Gefühlsspektrum zwischen Trauer, Furcht und Zuversicht auf Hochtouren laufen. Die Schauspieler sind also nicht das Problem – es ist die Dynamik einer windumtosten Nacht und seiner schlagenden Fensterläden. Mal herrscht Leerlauf, dann heult es wieder in den Ritzen und Sollbruchstellen baufälliger, aber bewohnbarer Denkmäler. Ähnlich verliert Das Haus der geheimnisvollen Uhren immer wieder an Energie, erarbeitet sich mühsam einen neuen Spannungsbogen, der aber nie so wirklich kommen will. Spooky wird es, das schon – jüngeres Publikum könnte versucht sein, bei begleitenden Erwachsenen Zuflucht zu suchen. Älteren wird das teils überzeichnet groteske Szenario, das im Wiederspruch zur oberflächlich auserzählten Story steht, leicht irritieren oder langweilen. Viel ältere werden den augenzwinkernden Retro-Zauber Der Rabe von Roger Corman mit den Horror-Ikonen Vincent Price und Boris Karloff vergeblich erhoffen – so kauzig-verspielt hätte ich mir die Uhren-Odyssee nämlich durchaus erwartet.

Ein Versuch war die Verfilmung des Schauerromans vielleicht aber sicherlich wert, nur Eli Roth scheitert auch wie zuvor bei Death Wish an dem Qualitätsanspruch, potenziell spannende Geschichten aus einem Guss zu erzählen. Das vergeblich ambitionierte Abarbeiten einzelner Szenen ist als wochentagsfüllendes Tageswerk allerdings permanent spürbar. So können Welten wie diese kaum fesseln, trotz Auferstehung der Toten. Kyle MacLachlan als wurmzerfressener Hexer ist wohl bildgewordenes Fazit des ganzen Streifens: irgendwie untot, manchmal sehr lebendig, aber gleichzeitig bar jeglicher Vitalität.

Das Haus der geheimnisvollen Uhren

Death Wish

KEIN KILLER, DER NICHTS BÖSES DABEI DENKT

3/10

 

deathwish© 2018 Universum

 

LAND: USA 2018

REGIE: ELI ROTH

MIT BRUCE WILLIS, VINCENT D´ONOFRIO, ELISABETH SHUE U. A.

 

„Aus dem Weg, ich bin Arzt!“ – So etwas hören Passanten manchmal, wenn das Damoklesschwert schwindender Gesundheit auf offener Straße herniedersaust und Spezialisten auf den Plan ruft, die lebensrettende Maßnahmen einleiten. Bei Bruce Willis ist das etwas anderes. Der ist auch Arzt, aber leitet keine lebensrettenden Maßnahmen ein. Nicht auf offener Straße, und schon gar nicht „in the crowd“. Eher in den dunklen Seitengassen, und dort wird Leben verkürzt, weil die Justiz gelähmt hinter Paragraphen verharrt und die Exekutive machtlos ist. Und eigentlich alles wieder so sein sollte wie im wilden Westen, wo das Faustrecht Recht spricht und der Stärkere keinen tadelnden Fingerzeig dulden muss. Leute wie Bruce Willis haben genug mitgemacht, keine Frage.

Des Kinos Folterknecht Eli Roth hat sich eingebildet, unbedingt dem Selbstjustiz-Klassiker Ein Mann sieht Rot aus den 70ern Erste Hilfe leisten zu müssen. Ein Film, nachdem eigentlich nie jemand gefragt hat. Und der mit Ledergesicht Charles Bronson ohnehin schon top besetzt war. Das ist aber nicht die einzige Frage, die Death Wish – so das neue Original aus 2018 – unfreiwillg aufwirft. Aber womöglich denkt so manch ein Studio in Trump´schem Einmaleins, erfährt, dass das Original in den Kinos der 70er gut besucht war und das ganze proportional in die Jetztzeit hochrechnet. Dabei aber vergisst, einen völlig anderen Zeitgeist miteinzuberechnen, der die Kassen nicht unbedingt wieder laut klingeln lassen muss. Das Thema Rache allerdings ist anscheinend immer en vogue. Ist dem wirklich so? Könnte sein, der Mensch ist ja immer noch so ein impulsives, triebgesteuertes Wesen unter dem Mäntelchen scheinheiliger Kultiviertheit. Einmal nur leicht kratzen, schon fährt der Mensch seine Krallen aus. Wo geliebt und gelitten wird, da darf Gewalt Genugtuung fordern. Und Bruce Willis hat schließlich seine bessere Hälfte zu betrauern, während die Tochter im Koma liegt. Und das alles nur wegen raubmordendem Gesindel auf den Straßen.

Nur der Mann, der rot sieht, tut dies nicht sofort. Da vergeht einige Zeit. Die rentnerschwere Glatze, die wie so viele Schauspieler aus den Achtzigern ihr Ausdrucksrepertoire auf maximal zwei Mimiken eingespart haben, trauert erstmal, bangt natürlich um den Nachwuchs – zeigt aber nie diesen brennenden, wütenden, kaum zu beherrschenden Hass, der einem Menschen innewohnen muss, der dann plötzlich zur Waffe greift und das Böse auf der Welt kaltblütig wegmissioniert. So sehr diese Selbstjustiz-Szenarien auch mit plumpen Pathos und marktschreierischr Plakativität daherkommen – die Wandlung eines liebenden Familienvaters zum rechtschaffenen Killer ist eine durchaus schwierige Rolle. Eine Figur so glaubwürdig hinzubiegen verlangt Fingerspitzengefühl, psychologische Kenntnis und Erkenntnis, eine sich selbst übertreffende Leidensfähigkeit vor der Kamera. Das ist keine Performance auf Knopfdruck, das ist ein ganzes Spektrum an hochkochendem Verhalten. Vielleicht hätte das Bruce Willis früher einmal meistern können – mittlerweile aber ist der hier dargestellten rächenden Vaterfigur keine Sekunde zu glauben, was sie vorgibt, zu empfinden. Fehlt die psychologische Referenz, fehlt auch die Patrone im Magazin. Da mag geballert und seltsamerweise grausam gequält werden wie bei Eli Roth üblich – im Grunde macht der ganze Film nur „buff“ und „peng“, wenns hoch kommt dann vorne noch ein Fähnchen raus, auf dem steht, dass Rache auch keine Lösung ist. Aber das braucht der Film seinem enttäuschten Publikum gar nicht erst unter die Nase zu reiben. Für diese alttestamentarische Interpretation von Gerechtigkeit als Ausgleichssport für überlastete Akademiker gibt´s von meiner Seite keine mildernden Umstände.

Death Wish