Mortal

SOWAS VON GELADEN

6,5/10


mortal© 2021 Ascot Elite Entertainment


LAND / JAHR: NORWEGEN, USA, GROSSBRITANNIEN 2020

REGIE: ANDRÉ ØVREDAL

CAST: NAT WOLFF, IBEN AKERLIE, PRIYANKA POSE, ARTHUR HAKALAHTI U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


In Skandinavien geht man Hand in Hand mit den Mythen, so ist das dort einfach. Egal ob Trolle, Feen oder überhaupt gleich Walhalla – für jede und jeden scheint da was dabei zu sein. Auf alle Fälle hält Regisseur André Øvredal ziemlich viel davon – er scheint von all dem Metaphysischen um ihn herum richtiggehend verzückt zu sein. Das hat schon sein Erstling Trollhunter bewiesen – eine findige wie originelle und vor allem auch stimmige Mockumentary über einen Mythenjäger und zwei Journalisten, die sich mit haushohen Kreaturen anlegen. Einen Ausflug ins Hollywoodkino hat Øvredal auch schon hinter sich – auf Einladung von Guillermo del Toro. Scary Stories to Tell in the Dark hat als Halloween-Mitternachtseinlage ziemlich gut funktioniert. Jetzt ist der Mann wieder retour und wühlt an den Wurzeln des Weltenbaumes Yggdrasil herum. Dabei ist ihm aber nicht danach, die alten Zeiten von Wikinger und Co wieder aufleben zu lassen. Er bleibt schön brav im 21. Jahrhundert und sichtet in seinem selbst verfassten Abenteuer einen jungen Mann, der gut und gerne Mitglied in Professor Xaviers Schule für Menschen mit besonderer Begabung sein könnte.

Dieser junge Mann namens Eric, gespielt von Nat Wolff (u.a. Margos Spuren), hat die gängige Physik aus dem Lehrbuch nicht ganz so im Griff wie er es gerne hätte. Da ist die Sache mit dem Feuer, mit der Hitze, mit den vielen Blitzen. Eric weiß nicht, wohin mit sich und seinem leuchtenden Arsenal, streunt durch Norwegens Wälder und bemüht sich, den Menschen fernzubleiben. Das klappt nicht – und bald liegt der erste Tote im Gras. Von der Polizei verhaftet, findet Eric in Psychologin Christine eine Person auf Augenhöhe, die ihm auch zuhört. Und die das Rätsel um all diese körperliche Energie zu ergründen versucht.

Mortal fühlt sich an wie die Origin-Story eines Superheldenfilms. Nur europäischer, nordischer. Weniger weltenrettend und für höhere Ziele kämpfend oder gar einen Finsterling die Stirn bietend. Protagonist Eric ist voll und ganz mit seinen Anomalien beschäftigt, die immerhin formschön, wie sich das für Wetterphänomene gehört, in Szene gesetzt sind. X-Mens Storm müsste sich langsam was überziehen. Mortal ist daher ein abenteuerlicher Trip in Richtung Familien- und Kulturgeschichte mit ansehnlichen Make-up- und Brandeffekten, den Øvredal aber fast ein bisschen zu brav erzählt. Weniger brav gebärdet sich das gängigen oder gewohnten Kinoerwartungen zuwiderlaufende Finale des Films. Hier zeigt Øvredal plötzlich mit aller finsterer Konsequenz, was er kann und wohin ihn seine phantastischen Spinnereien eigentlich führen können: in ein Ende, das eigentlich keines ist, sondern der Auftakt zu noch viel mehr. Auserzählt mag Nat Wolffs Genese aus meiner Sicht noch nicht sein. Oder doch? Dann wäre das ein mutiger, dramaturgischer Schachzug. Den sich zum Beispiel Hollywood im Mainstreamkino des Phantastischen sehr selten zutraut.

Mortal

Gundala

MISTER BLITZABLEITER

5,5/10

 

gundala© 2019 Koch Media

 

LAND: INDONESIEN 2019

REGIE: JOKO ANWAR

CAST: ABIMANA ARYASTYA. TARA BASRO, ARIO BAYU, BRONT PALARAE, LUKMAN SARDI U. A.

 

Was das Entertainment im Westen so hervorbringt, scheint Indonesien zu gefallen. Am liebsten Marke Event – bunt und laut und wohlgefällig. Was eignet sich da nicht besser als Hollywoods Comic-Universen? Superhelden gehen immer. Aber müssen es wirklich immer nur die Avengers oder die Justice League sein? Gibt’s da nicht auch noch andere Helden? Nicht zwingend aus der zweiten Reihe, aber aus einer ganz anderen Hemisphäre. Siehe da, Indonesien hat sowas auch (wer hat die eigentlich nicht – ich warte eigentlich schon auf Österreichs Verfilmung von ASH). Erschaffen wurde einer dieser Charaktere vor wirklich schon langer Zeit, und zwar Ende der 60er Jahre, von einem Autor namens Harya „Hasmi“ Suraminata: Gundala. So heißt der gute Mann, und der hat fast schon eine ähnliche schicksalhafte Kindheit wie unser wohlbekannter Batman. Gundala also muss zusehen, wie sein Papa stirbt und wird dann auch noch von Mama alleingelassen. Den Reichtum eines Bruce Wayne hat der Knabe freilich nicht, also läuft er weg, irgendwo hin, und sieht dabei zu, dass er nicht in ein Gewitter kommt, was in der Regenzeit in Jakarta des Öfteren mal passiert. Die Blitze nämlich, die scheinen es auf den Kleinen abgesehen zu haben.

Dieses Jakarta, das ist wie Gotham City. Es herrscht Unfrieden zwischen dem Proletariat und den Arbeitgebern, Menschen- und Arbeitsrechte sind Mangelware, das Volk protestiert, wo’s nur geht. Irgendwo in diesem Moloch treibt so mancher zu Unrecht entstellter Antagonist sein Unwesen, mit sämtlichen anderen Finsterlingen im Schlepptau. Es folgt – wie kann es anders sein – für Gundala die große Stunde der Erkenntnis, für etwas ganz anderes bestimmt worden zu sein als nur für ein normales Leben, das geprägt ist von Wunschträumen nach der Heimkehr seiner Mutter.

Natürlich hat Gundala später auch sein eigenes Outfit, das ein bisschen aussieht wie das von Wolverine aus den Comics und Deadpool zusammen. Ein Superheld braucht sowas, und er braucht auch übermenschliche Kräfte, um den Bösen ordentlich den Hintern zu versohlen. Joko Anwar beginnt sein Origin-Movie nebst ordentlich Dramatik mit beeindruckenden Bildern, die manchmal an David Finchers grünstichig-verregnete Optik erinnern. Technisch gesehen gibts da wirklich nichts auszusetzen, Effekte und alles andere sind State of the Art, da müsste Hollywood anerkennend nicken. Aber wie das bei Origin-Stories eben mal so ist, kann auch Indonesien nicht anders, als im Grunde die immer gleiche Geschichte zu erzählen. Vom gekränkten Finsterling und vom selbstlosen Volksvertreter. Vor allem im Mittelteil hat Gundala schön fotografierte, aber satte Längen, die dem Genre der Comicverfilmung nicht viel Neues abgewinnen.

Die südostasiatische Antwort auf Marvel und Co ist nicht volltönend, aber grundsolide, durchaus sympathisch und für ein bereits verwöhntes Publikum gefällig genug, um seine Fans zu finden. Selbst den Teaser für eine mögliche Fortsetzung kann sich das Heldenkino Indonesiens nicht verkneifen. Die Comics um Gundala und Co wird man hierzulande aber vergeblich suchen – es sei denn, dieses DVD-Release entwickelt sich zu einem erfolgreichen Selbstläufer, was ich dann aufgrund des bereits gesättigten Marktes aber kaum glauben kann.

Gundala

Frankensteins Braut

DIE HAARE ZU BERGE

7/10

 

frankensteinsbraut© 1935 Universal Studios

 

LAND: USA 1935

REGIE: JAMES WHALE

CAST: BORIS KARLOFF, COLIN CLIVE, VALERIE HOBSON, ELSA LANCESTER, ERNEST THESIGER U. A.

 

Kaum eine Nacht blieb so nachhaltig legendär wie jene auf dem Anwesen des Schriftstellers Lord Byron, wo dieser höchstselbst mit dessen Leibarzt John Polidori und dem Ehepaar Shelley bei Nacht, Sturm und Gewitter einen Wettstreit um Gruselgeschichten führte. In diesen paar Stunden trauter Stimmungsmache dürfte wohl die Grundidee zu Frankenstein entstanden sein, ebenfalls der Roman Vampyr, den Polidori zwar ersonnen, von Byron aber des Plagiats bezichtigt wurde. James Whale nimmt in der Fortsetzung seines Klassikers aus den 30er Jahren jene Zusammenkunft zum Anlass, um die blutjunge Mary Shelley eine Fortsetzung zu ihrem Bestseller erzählen zu lassen – nämlich Frankensteins Braut. Etwas hat also überlebt. und alle, die mit Frankenstein bereits eine Mußestunde fürs Retrokino genossen haben, möchten meinen, dass Frankensteins Monster in der brennenden Windmühle wohl nicht überlebt haben kann. Hat es doch. Und es ist wütend. Wäre ich auch, wäre ich das Monster. Keiner liebt mich, keiner will mich, jeder will mir an die Schrauben. Boris Karloff wäre mit einem einmaligen Auftritt als Kultmonster wohl sowieso nicht zufrieden gewesen. 4 Jahre später soll dann noch die letzte Episode mit ihm als finsterer Quadratschädel in die Kinos kommen – Frankensteins Sohn. Aber den hebe ich mir für nächstes Halloween auf.

Die geschundene, gedemütigte Kreatur irrt also nach dem Showdown in der Mühle durch die Lande, hungrig, durstig, müde. Und keine Menschenseele ist gewillt, dieser Schreckgestalt menschliche Grundrechte zuzugestehen. Das Monster muss sich also selbst nehmen, was es braucht, sonst gibt´s kein Morgen. Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner, das muss sich der klobige Riese mit den mächtigen Stiefeln wohl hinter die angenähten Ohren schreiben. Aber nicht alle Menschen sind schlecht. Boris Karloff wiederfährt auch diese Erkenntnis, doch leider viel zu kurz. Eine traurige Geschichte, wäre da nicht ein sinisterer Wissenschaftler namens Prätorius, der den traumatisierten Dr. Frankenstein dazu zwingt, nochmal durch die Hölle neuen Erschaffens zu wandeln. Wenn es schon einen künstlichen Adam gibt, dann darf eine Eva nicht fehlen. Wer macht schon gerne halbe Sachen? Und das Monster freut´s obendrein, denn dann wäre es nicht mehr ganz so allein. Der Good Will geht da mit dem Fanatismus Hand in Hand, und das ethische Gewissen hält brav die Klappe.

James Whale findet in seinem Sequel zum Original aus dem Jahr 1931 einen wunderbaren Zugang. Auch wenn der knapp 80 Minuten lange Streifen bereits schon 84 Jahre auf dem Buckel hat, erstaunt es, wie stilsicher der Brite seinen Gruselklassiker inszeniert hat. Wobei: auf der Gruselskala erreicht Frankensteins Braut wohl nicht mal die goldene Mitte, mittlerweile gruseln uns in Film und Fernsehen ganz andere Sachen und längst nicht mehr die Ikonen des Schwarzweißhorrors. Doch man staune: Der gediegene Schloss-und-Riegel-Grusel, den sich Whale hier mit aufwändigen Kulissen und ganzen Indoor-Waldszenen für eine Menge Dollars bezahlen lässt, hat nach so vielen Jahrzehnten nichts von seinem Charme verloren. Und für damalige Sehgewohnheiten dürfte dieser Blockbuster tricktechnisch sehr wohl State of the Art gewesen sein. Highlight ist ohnedies das Erwachen von des Monsters besserer Hälfte als die schillernde Geburtsstunde der wirren Stehfrisur, quasi der Grundstein der Gothic-Matte für Damen, mitsamt silbernen Strähnchen. Wie Elsa Lancaster als frisch geteaserte Königin der Untoten in mechanisch anmutenden Rundblicken ihre Umwelt wahrnimmt, ist nach wie vor eine kleine Sternstunde filmischen Expressionismus, die die Werke Robert Wienes oder Friedrich Wilhelm Murnaus ehrt. Der verwirrten Braut zur Seite natürlich Boris Karloff, der sich aber nur noch Karloff nennt, und beide zusammen sind, ob sie es wollen oder nicht, das wohl schaurig schönste Paar, wenn es ums Tindern von Freaks geht.

Frankensteins Braut