Das Ding aus einer anderen Welt (1982)

APRÈS-SKI FÜR DEN BODY-HORROR

7/10


dasdingauseineranderenwelt© 1982 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 1982

REGIE: JOHN CARPENTER

DREHBUCH: BILL LANCASTER

CAST: KURT RUSSELL, WILFORD BRIMLEY, T. K. CARTER, DAVID CLENNON, KEITH DAVID, RICHARD DYSART, CHARLES HALLAHAN, PETER MALONEY, RICHARD MASUR, DONALD MOLFAT U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Was hätte ich nicht alles verpasst, hätte ich mich nicht vor einiger Zeit auch dem Genre des Horrorfilms zugewandt – diesem Füllhorn an Ideen, Metaebenen und neuen Blickwinkeln, die nicht nur auf Zustände unserer Gesellschaft schielen, sondern eben auch auf die Psyche des Menschen und seinen überbordenden Angstfantasien, die diese hervorbringen kann. Womöglich war ich zuvor zu viel Hosenschisser, vielleicht zu sensiblen Gemüts, zu wenig mit mir selbst im Reinen, um über den grauenerregenden, furchteinflößenden und doch wieder enorm reizvollen Dingen zu stehen, die sich in einem der unersättlichsten Nischen der Filmwelt auftun, als fixes und verlässliches Standbein einer unglaublich liebgewonnenen Kunstrichtung.

Auf dieser neuen Bühne finden sich etliche Klassiker, die nachzuholen ich mich bemüßigt fühle – insbesondere Werke, die auf andere Genres wie zum Beispiel der Science-Fiction übergreifen. Neben dem Universum von Alien, das von jeher nicht auf meinem Angsthasen-Index stand, da ich eine Affinität für Kreaturen wie diese wohl in mir habe, seit ich denken kann, ist John Carpenters Antarktis-Schocker natürlich eine Art Mischkulanz, die Abenteuer, Wissenschaft, die Tücke extraterrestrischer Lebensformen und Survival auf winterharte Weise miteinander verbindet. Längst ist Das Ding aus einer anderen Welt (oder im Original kurz und knapp The Thing) zeitloser Kult und angesichts seiner analogen Tricktechnik immer noch verblüffend effektiv, ganz so wie das Rancor in Die Rückkehr der Jedi-Ritter, Phil Tippett sei Dank.

Diese zur damaligen Zeit noch nie dagewesenen Effekte bilden das Kernstück dieses in der langen Polarnacht des Südpols stattfindenden Gemetzels ganz im Stile eines Abzählreims, denn was bleibt der Crew einer solchen Forschungsstation auch anderes übrig, als den schrecklichen Tatsachen ins Auge zu sehen: Dieser Organismus, dessen tatsächliche Form gar nicht mal existiert, sondern nur als perfides mikrobiologisches Irgendwas mit jedem noch so erdenklichen mehrzelligen Lebewesen fuhrwerken kann wie es ihm beliebt, lässt sich nicht so fassen wie der Xenomorph in den Alien-Filmen oder gar medizinisch bekämpfen wie das schnöde Virus in Outbreak. Dieser amorphe Organismus offenbart sich in monströsen Gestaltexplosionen, die aus einem Fiebertraum des Schriftstellers H. P. Lovecraft entnommen sein könnten. Tatsächlich waren für The Thing anfangs recht profane Entwürfe vorgesehen, die in die insektoide Richtung gegangen wären. Diese Ansätze wurden bald über Bord geworfen. Stan Winston wurde beratend ins Boot geholt und nach einer fast einjährigen Schaffensperiode mit nun für alle Kinogeher sichtbarem Endergebnis setzte Carpenters Biomasse-Wahnsinn neue Maßstäbe. Schon klar, dass dieser Film auf der erfolgreichen Alien-Welle geritten war, doch was es zu sehen gab, war etwas völlig anderes. Angesichts dieses mutigen Umdenkens in Sachen Form-Experiment erscheinen David Cronenbergs Mutationen aus Die Fliege fast schon salonfähig. Mit Slither führt DC-Hoffnung James Gunn den Horror der physischen Wucherung als skurrile Hommage auf Carpenter nochmals formschön ins Feld.

Angesichts dieses Creature-Revival bemüht sich einer wie Kurt Russell auf redliche Weise darum, den Arschtreter zu mimen, der in furchtlosem Draufgängertum nicht lange fackelt, um den Parasiten vom Outer Space einzukreisen. Den verzweifelten Heldenmut einer von Sigourney Weaver dargebotenen Ltd. Ripley, die zwischen Angst und Improvisationstalent dem Grauen die Stirn bietet und überdies noch einen Meilenstein in Sachen Frauenpower im Film setzt, besitzt Russell allerdings nicht. Seine und auch alle die anderen Figuren sind untereinander austauschbar und letztlich auch zu viele, um sbiographische Aspekte hervorzuholen, die ihre Schicksale relevanter gemacht hätten.

Interessant ist am Ende auch die Überlegung, wie ein Organismus wie dieser denn seinen evolutionären Erfolg verbucht. Mit Mensch und Tier scheint Das Ding aus einer anderen Welt wohl Pech zu haben, denn keines dieser Ausgeburten scheint auf längere Sicht überlebensfähig.

Das Ding aus einer anderen Welt (1982)

Slither – Voll auf den Schleim gegangen (2006)

DA IST DER WURM DRIN

7/10


slither© 2006 United International Pictures


LAND / JAHR: USA 2006

DREHBUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: ELIZABETH BANKS, NATHAN FILLION, MICHAEL ROOKER, GREGG HENRY, TANIA SAULNIER, BRENDA JAMES, DON THOMPSON, JENNIFER COPPING, JENNA FISCHER U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Wie habe ich bedauert, dass Michael Rookers Figur des Ziehvaters Yondu im zweiten Teil der Guardians-Trilogie seinen letzten Auftritt absolviert hat. Ich muss gestehen, der blauhäutige Pirat mit seiner pfiffigen Pfeilwaffe war schon sowas wie mein Lieblingscharakter in diesem Universum. Doch auch wenn Rooker seine Rolle nicht mehr so wirklich ausleben kann – zu Gunns Haus- und Hofensemble zählt er trotzdem. Denn mit Slither – Voll auf den Schleim gegangen war er von Anfang an dabei. Übersehen wird man ihn nicht, denn seine Figur ist diesmal eine, die ihr Äußeres so lange verändert, bis kaum mehr menschliche Züge erkennbar sind. Fast so wie in David Cronenbergs Die Fliege? Wohl eher wie in John Carpenters The Thing. Letztendlich bleibt ein Organismus zurück, der die Weltherrschaft an sich reißen will. Um diesem Bio-Aggressor das Handwerk zu legen, bedarf es eines guten Magens. Und etwas Verständnis für Charles Darwins Leitsatz: Survival of the fittest. Nicht unterschätzen sollte man auch das eigene Verständnis dafür, dass wir alle doch nur aus einem Haufen Zellen bestehen, die so ihre Befehle haben und das tun, was sie tun müssen. Dass sich die biologische Beschaffenheit aufgrund dessen, das extraterrestrische Organismen dazwischenreden, ganz anders ausgestalten kann, sollte einer gewissen objektiven Betrachtung überlassen werden. Und dann – ja, dann hat man seinen Spaß. Mit Eiterbeulen, explodierenden Körpern und grotesken Mutationen, die dem Invasor aus der Hand fressen. Doch was wäre ein Splattervergnügen wie dieses, hätte James Gunn nicht auch gleich mehrere Handvoll Zombies im Repertoire. Die schieben sich ebenfalls durch die Gassen, gesteuert von sagen wir mal den spanischen Wegschnecken nicht ganz unähnlichen Parasiten, die durch die menschliche Futterluke ins Gehirn gelangen.

Die amerikanische Kleinstadt ist dabei immer und überall der ideale Schauplatz Nummer Eins (wenn man mal von arktischen Forschungsstationen absieht), wenn es darum geht, den Worst Case zu entfesseln. Der angrenzende Wald ist dabei die Quelle allen Übels. Und kaum streift Michael Rooker durch den Forst, hat’s ihn auch schon erwischt. Ehefrau Elizabeth Banks weiß noch nichts von ihrem Unglück, und Polizist Nathan Fillion (auch in Guardians of the Galaxy Vol. 3 zu sehen) kann im Rahmen der eskalierenden Ereignisse nur noch staunend kundgeben, wie sehr er nicht glauben kann, was er sieht.

Jene, die Slither auf den Schleim gehen wollen, bekommen ein deftiges Mahl serviert. Gunn erprobt seinen Stil in einem parodistischen Genre-Punsch aus Zombiefilm, Science-Fiction und Body-Horror, alles in der Isolation eines abgelegenen Kaffs irgendwo im Nirgendwo, dessen Abgeschiedenheit erst die Hölle auf Erden möglich macht. Trotz des hohen Ekel- und Blutfaktors, trotz dieser heillos überzeichneten Eskapaden, herumspritzend mit allen möglichen Körpersäften und bizarren koitalen Riten, die, wenn man im Zoologiehandbuch blättert, längst im irdischen Tierreich zum Usus gehören, bleibt Slither so richtig bodenständig. Trockener Humor, vorzugsweise als ironisches Statement, nimmt damals schon die freche Schnauze eines Rocket Raccoon vorweg. Dabei hätte dieser einen Tick sarkastischer sein können, etwas rotzfrecher und doch nicht so um die Kompensierung bizarrer Ereignisse bemüht. Die große Furcht dabei, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, und die Gunn auch in seinem Suicide Squad-Spinoff Peacemaker nochmal durchlebt, hängt hier als erschreckende Eventualität über allem. Ein frecher Spruch relativiert vieles – aber eben nicht alles. Und so bleibt Slither in erster Linie ein zwar launig erzählter und leichtgewichtiger, aber durchaus mysteriöser Creature-Thriller, der sich lieber vor den Meistern des Genres, die ihn wohl inspiriert haben, ehrfürchtig verbeugt, als diese lächerlich zu machen.

Slither – Voll auf den Schleim gegangen (2006)

Sea Fever

ALLE IM SELBEN BOOT

6/10


seafever© 2019 Neasa Hardiman


LAND / JAHR: IRLAND, USA, GROSSBRITANNIEN, SCHWEDEN, BELGIEN 2019

BUCH / REGIE: NEASA HARDIMAN

CAST: HERMIONE CORFIELD, DOUGRAY SCOTT, CONNIE NIELSEN, JACK HICKEY, ARDALAN ESMAILI, ELIE BOUAKAZE U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Die Natur findet immer einen Weg, sich des Menschen zu entledigen. Nennt sich: Naturkatastrophen. Neben Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Tsunamis und dem ganzen tektonischen wie meteorologischen Treiben finden sich auch ganz kleine Organismen wie Viren und anderes Zeug dazwischen. Bakterien zum Beispiel. Oder Parasiten. Bei diesen durch den Willen zur Vermehrung angetriebenen proaktiven Winzlingen lässt einem das Gefühl nicht los, dass so etwas nur dazu auf der Welt ist, um Homo sapiens populationstechnisch in die Schranken zu weisen. Der Mensch jedoch ist klug genug, um das Schlimmste zu verhindern. Zumindest gegenwärtig. Oder hier in diesem Bio-Schocker auf hoher See, der genauso gut auf einem Raumschiff irgendwo in den Weiten des Alls hätte spielen können. Dann hätten wir Life von Daniel Espinoza. Doch griffiger wird’s, wenn der Zirkus auf der guten alten Erde abgeht. Und noch schöner, wenn wieder mal Europas Norden Filme wie diese inszeniert. Dann muss es nämlich nicht zwingend gut ausgehen, sondern einfach zu einem den Umständen entsprechenden, plausiblen Ende führen.

Wie auch immer. Ein reines Symptomtagebuch auf einem Fischkutter ist Sea Fever auch nicht geworden. Ein bisschen mehr als das. Vielleicht sogar etwas, dass sich als Nachzügler einreiht in die Ende der 80er Jahre so großzügig auf den Videothekenmarkt geworfenen Monsterhorrorstreifen, die James Camerons Abyss folgten und vorzugsweise in submarinem Umfeld stattfanden. Sea Fever ist aber durchaus subtiler. Zumindest anfangs erinnert der Streifen an das von mir sehr geschätzte Monsterdrama mit dem unverwechselbaren Titel Monsters von Gareth Edwards (by the way: Was wurde eigentlich aus diesem begnadeten Talent?). Auch hier kann die Crew eines irischen Trawlers der unheimlichen Begegnung mit einem zoologischen Mysterium nicht entgehen. Denn irgendetwas hält den Kahn an Ort und Stelle, viele Kilometer von der Küste entfernt. Nur gut, dass die Seeleute ganz zufälligerweise eine junge, zum Leidwesen aller abergläubischen Fischer rothaarige Studentin an Bord haben, die anomale Verhaltensweisen der Meeresfauna beobachten soll. Da Seeleute selten schwimmen können, und schon gar nicht daran denken, ins unheimliche Nass zu tauchen, muss das Mädchen Siobhan ran – und entdeckt da unten in der Dunkelheit etwas, das, würde man es nicht selbst sehen, leider als Seemannsgarn durchgehen muss, das lauschendem Tavernenvolk ungläubiges Kopfschütteln entlockt. Dieses Seemannsgarn hat aber noch ganz andere Qualitäten auf Lager, und es dauert nicht lange und das erste Mitglied der Besatzung spuckt Blut. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, in welchem Siobhan ganz vorne mitrennen muss, hat sie doch das meiste Knowhow, um dem Organismus wissenschaftlich und auch rational auf den Leib zu rücken, ohne sich dabei hinreissen lassen zu müssen, Poseidon anzubeten.

Sea Fever – in deutscher Übersetzung mit Angriff aus der Tiefe relativ austauschbar betitelt – folgt nicht wirklich neuen Pfaden, wenngleich der Blick in die Tiefe und bei dem, was da so zum Vorschein kommt, Thassalophobikern feuchte Hände garantiert. Oberwasser holt sich der Aggressor, ganz ähnlich anderen physisch überlegenen Bioinvasoren in ganz ähnlichen Thrillern, einen nach dem anderen. Das ist routiniert inszeniert und macht trotz der tödlichen Lage Lust darauf, noch tiefer abzutauchen, um dem Ökosystem noch andere Mysterien dieser Art zu entlocken. Darüber hinaus schafft, und das hebt den Film dann doch noch auf eine ethische Ebene, Regisseurin Neasa Hardiman sich und ihrem Skript ausreichend Raum, um auch die Frage nach Verantwortung zu stellen, wenn viel mehr auf dem Spiel steht als nur, die eigene Haut zu retten.

Sea Fever