Do Revenge (2022)

WIE DU MIR, SO ICH DIR

5/10


DO REVENGE© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JENNIFER KAYTIN ROBINSON

BUCH: JENNIFER KAYTIN ROBINSON, CELESTE BALLARD

CAST: CAMILA MENDES, MAYA HAWKE, RISH SHAH, SOPHIE TURNER, AUSTIN ABRAMS, ELIZA BENNETT, ALISHA BOE, TALIA RYDER, SARAH MICHELLE GELLAR U. A.

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


Sind die Eltern mal berühmte Schauspieler, werden es deren Kinder oft ebenso. Da bräuchte man nur Uma Thurman und Ethan Hawke als Beispiel nehmen, aus dessen Ehe Stranger Things-Star Maya Hawke hervorgegangen war. Da staunt man wieder, wie lange Andrew Niccols SciFi-Streifen Gattaca zurückliegt, denn am Set dieses Films haben sich die beiden kennengelernt. Maya Hawke ist mittlerweile 24 Jahre alt und schon dick im Geschäft. Dank ihres erfrischenden Spiels im Netflix-Knüller rund um düstere Parallelwelten steht ihr eine schillernde Karriere bevor, und der Weg dorthin wird mit mittelprächtigen Werken gepflastert, in welchen sie wie gewohnt ihr strahlendes Lächeln verbreitet, dieses aber nicht die Handlung ganzer Filme pushen kann. Da braucht es schon noch ein knackiges Drehbuch und eine schlüssige Story, die vor allem im Thriller-Genre eine plausible Basis schaffen muss, auf der dann, aufbauend, eine Wendung die andere bedingt.

Die Programm-Virtuosen bei Netflix denken womöglich nicht zweimal nach, wenn ihnen ein Film ins Haus steht, der einen Star aus Stranger Things im Cast hat. Da scheint ganz egal, worum dieser wirklich handelt. Wichtig ist, Publikumslieblingen präsent zu halten. Und ja, natürlich, Maya Hawke zählt zu den Lieblingen der Serie, vor allem auch, weil sie eine queere Funktion übernimmt, und zwar auf eine Weise, die sich nachvollziehen lässt. Auch in Do Revenge ist Hawkes Rolle ähnlich ausgestaltet – sie gibt Eleanor, eine High School-Schülerin, die nicht gerade die Beliebtheitsskala anführt, sondern eher als duckmäuserische Außenseiterin am besten nicht auffallen will. Krasser Gegenpol zu diesem Charakter ist Drea Torres (Camila Mendes) – ein Social Media-Star und It Girl, überall beliebt und bewundert und so authentisch wie billige Weihnachtsbeleuchtung. So ist das, wenn man nur nach außen hin funktioniert – man vergisst zusehends, wer man wirklich ist und welche Werte man vertritt. Jedenfalls sind es unmöglich die, für die man auf sämtlichen Kanälen Werbung macht. Wie auch immer – eines Tages enthüllt ihr Liebhaber ein Sex Tape. Im prüden Amerika ist sowas natürlich Grund genug, die Blamierte schief anzusehen oder ihr die Freundschaft zu kündigen. Geht ja gar nicht. In dieser Not tun sich Eleanor und besagte Drea zusammen, um Rache zu üben. Allerdings auf eine Art, wie wir es in seinen Grundzügen aus dem Hitchcock-Werk Der Fremde im Zug gewohnt sind. Um ungewünschte Emotionen beim Racheschmieden außen vor zu lassen, soll die jeweils andere dem Subjekt des Hasses eines auswischen. Eleanor Dreas Ex-Freund, und Drea jener Kommilitonin, die Eleanor seinerzeit auf einem Feriencamp grausam erniedrigt hat.

In Anbetracht von wohlgesetzter Rache stellt sich mir die Frage: Sollten die zur Rechenschaft Gezogenen nicht wissen, wer ihnen die Suppe versalzt? Normalerweise funktioniert das so: Wenn man Rache übt, denn es geht ja in erster Linie darum, als Absender unübersehbar zu sein, damit der oder die Vorgeführte den Zusammenhang auch überzuckert und die Chance bekommt, sein oder ihr damaliges Verhalten zu reflektieren. In Do Revenge ist schon mal die Ausgangssituation eine, die über sich selbst stolpert, solange kein letales Kapitalverbrechen mit im Spiel ist, denn da muss der Absender niemandem mehr übermittelt werden. Im Laufe des Films aber werden wir sehen, wohin das führt. Und dennoch: das ganze Konstrukt einer Intrigenkomödie kommt nicht aus seiner selbstgefälligen Convenience-Blase heraus. Mit Hitchcock hat das ganze Hin und Her nichts zu tun, viel mehr mit dem zynischen Young Adult-Thrillern Eiskalte Engel von Roger Kumble oder Heathers von Michael Lehmann, mit Winona Ryder in der Hauptrolle.

In Eiskalte Engel gibt sich Sarah Michelle Gellar die Ehre – lustigerweise (oder vielleicht genau deshalb) darf die Ex-Buffy hier als Schuldirektorin die Next Generation des Intrigantenstadels, dem sie selbst mal angehört hat, an die Kandare nehmen. Das alles hilft aber dennoch nicht viel: Do Revenge fehlt der Biss, den die vorhin genannten garstigen High School-Filme einst hatten. Jennifer Kaytin Robinson, Co-Autorin von Thor: Love and Thunder, läutet scheinbar ein neues Zeitalter von viel zu bequemen Rachefeldzügen ein, die sich kaum mehr ins Zeug legen. Der Story-Twist gegen Ende wirkt aufgesetzt, das Vorführen an den Bildungsstätten oder House-Partys war schon mal zorniger, wenn nicht gar perfider in der Wahl der Mittel. Schwarze Komödie? Manchmal ja, meistens jedoch: nein. Bei Do Revenge ist Rache zwar ein süßes Wort, doch kurz danach hätte man gerne wieder etwas Salziges.

Do Revenge (2022)

Der Himmel wird warten

REKRUTEN FÜR DEN GOTTESSTAAT

7/10

 

himmelwirdwarten© 2017 Neue Visionen

 

LAND: FRANKREICH 2016

REGIE: MARIE-CASTILLE MENTION-SCHAAR

MIT NOÉMIE MERLANT, NAOMI AMARGER, SANDRINE BONNAIRE, CLOTILDE COREAU, ZINEDINE SOUALEM U. A.

 

Der IS, die Sekte des Terrors, fehlgeboren aus der Religion des Islam, arbeitet mit den gleichen Mitteln wie alle anderen radikalen Vereine, die so tun, als würden sie eine Religion vermitteln: mit Gehirnwäsche, werbewirksamer Verführungskunst und Lügen, die einzig darauf abzielen, Ängste zu schüren. Im Grunde wirbt der IS wie seinerzeit der Katholizismus mit der Absolution durch den Ablasshandel. Was hätten diese geld- und machtgierigen Bonzen damals nur alles Erdenkliche noch tun können, wären sie durch soziale Medien wie Facebook oder YouTube vertreten gewesen? Die damals relativ leichtgläubige, furchtsame und vor der Obrigkeit devote Welt wäre dem Papst noch mehr zu Füssen gelegen als es tatsächlich der Fall war. Erzählen lässt sich schließlich viel, auch das Blaue vom Himmel mit all seinen Jungfrauen. Und die Hölle, die gibt es immer noch. Aus dem Konzept gerissen erscheinen diese Methoden ziemlich lächerlich – gelingt es aber, den noch formbaren Geist eines jungen Menschen an den Angelhaken perfider Manipulation zu bekommen, wird es erst richtig gefährlich. Genau davon berichtet Mention-Schaar´s Film über die Krümmung des guten Willens und das Brechen junger Seelen.

Dabei erzählt Der Himmel wird warten zwei Geschichten, die erst am Ende das Missing Link zueinander sichtbar machen. Die ineinander verwobenen Episoden schildern detailliert die Radikalisierung eines französischen Teenagers in eine Islamistin, die sich nur zu gerne für einen Einsatz in Syrien rekrutieren lässt. Auf der anderen Seite sehen wir eine Metamorphose in die andere Richtung, von der Resozialisierung in ein normales Leben. Die Mechanismen, die für beide Richtungen jeweils angewandt werden, sind erstaunlich gut extrahiert. Blickt man in die Abgründe sowohl während der Befreiung aus einer verzerrten Realität als auch während der Vergiftung des Geistes durch den Fanatismus islamistischer Rattenfänger, lassen sich für einen Außenstehenden Warnsignale gut erkennen und abgrenzen. Für einen Gefangenen inmitten diffuser Wahrheiten, die nichts als Propaganda sind und als Fake News auf den ersten Blick logisch erscheinen mögen, ist die Abgrenzung vor dem „Bösen“ leichter gesagt als getan.

Der Himmel wird warten basiert lose auf dem Buch der Sozialpsychologin Dounia Bouzar (die auch im Film sich selbst spielt) und ist ein Pflichtprogramm für Schulen rund um den Erdball. Klar auch, dass dieses Lehrstück über Manipulation aus Frankreich kommt, hat dieses Land nicht genug Scherereien mit den scheinbar wahllos wie Metastasen aufpoppenden Terrorismus, der Stadt und Land in Angst und Schrecken versetzt hat. Doch nicht nur Frankreich, auch Österreich hat das eine oder andere Opfer vom Kreuzzug in den Nahen Osten abhalten können – manche wiederum nicht. Der vorliegende Film ist brisanter denn je, und so geradlinig und edukativ in seiner Szenenwahl, dass sich Schülerinnen und Schülern richtigen Alters die faschistoiden Mechanismen nicht nur im Moment, sondern auch merkbar für die Zukunft sonnenklar erschließen. Der Himmel wird Warten ist eine Präventivmaßnahme fürs Kino und für den Fernseher aus dem Lehrerzimmer. Ein Film, der gezeigt werden muss, gefährliches Denken im Ansatz ersticken kann oder gar nicht gleich aufkommen lässt. Anfang der Achtziger war es der semidokumentarische Sekten-Film Ticket to Heaven mit Kim Catrall und Saul Rubinek, der das Leben nach der Gehirnwäsche präzise schildert. Nicht zu vergessen Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Die schonungslose Drogenstory nach Tatsachen war zu meiner Schulzeit das Aufklärungskino schlechthin. Zwar manchmal notwendig reißerisch, dafür aber Mittel zum Zweck. So und nicht anders funktioniert das Medium Film, wenn es einen Bildungsauftrag erfüllen muss. Und dieser Auftrag besteht. Auch dafür muss Kino eine Plattform sein.

Der Himmel wird warten

Power Rangers

DER STOFF, AUS DEM DIE SPIELZEUGHELDEN SIND

4/10

 

powerrangers

REGIE: DEAN ISRAELITE
MIT ELIZABETH BANKS, BRYAN CRANSTON, BECKY G, NAOMI SCOTT, DACRE MONTGOMERY

 

„Bis zur Unendlichkeit, und noch viel weiter!“ Das Leitmotiv kennen wir doch, oder? Niemand geringerer als der legendäre Buzz Lightyear, Beschützer des Universums, hat dieses motivierende Credo drauf. Dabei ist der grünweiß gepanzerte Knilch eine Spielfigur aus Toy Story, die auf Knopfdruck die Arme heben, Heckspoiler aufklappen und einige blecherne Onliner von sich geben kann. Da sind die Power Rangers nicht viel anders. Auch sie beschützen das Universum, und auch sie sind nur Spielzeug. Dass man Spielzeug zu einer Bedrohung werden lassen kann, wissen wir spätestens seit Transformers. Und frühestens seit Masters of the Universe. Es ist Zeit, es zuzugeben – ja, auch ich habe diese Fantasygurke mit Dolph Lundgren als Halbwüchsiger genossen, ungeachtet aller haarsträubenden Logiklöcher. Mittlerweile ist in Sachen Spielzeugverfilmungen einiges weitergegangen – doch weiter als bis zur Wiederbelebung totgeglaubter Actionfiguren dann doch auch wieder nicht. Dabei fängt der zu erwartende infantile Science-Fiction-Spaß sogar ganz vielversprechend an.

5 Teenager, allesamt Außenseiter, die an die Nachsitzrunde des Breakfast Clubs erinnern, geraten zufällig und sogar erst ungewollt aneinander, um dann gemeinsam auf ein seit prähistorischen Zeiten dahinsiechendes, eingegrabenes Raumschiff zu stoßen, dass als mobile Zentrale der ersten Power Rangers reaktiviert wird. Natürlich sind die fünf Freunde die Auserwählten, keine Frage. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Da ist es scheinbar egal, ob der Retter der Welt ein Charakterschwein ist oder ein Intellektueller mit sozialer Ader. Welch ein Zufall, dass genau die richtigen das Schiff betreten haben. Richtig zumindest im Sinne des Castings. Alle 5 sind neue, motivierte Gesichter, und könnten bald in kommenden Serienformaten wiederentdeckt werden. Im Bordcomputer der entdeckten Basis steckt „Walter White“ Bryan Cranston, der wie durch ein Wunder amerikanisches Englisch spricht. Wenn er doch zumindest so herumstottern würde wie Max Headroom. Ihm zur Seite ein seltsam aufgeweckter Roboter mit ALF-Attitüden. Der Film hat seine besten Momente, als jeder einzelne der Kandidaten oder Kandidatinnen seine bzw. ihre Superkräfte entdeckt. Ein bisschen Mystery, ein bisschen Chronicle. Dieser lockere Independentanspruch verblasst dann, wenn Elizabeth Banks als üble Antagonistin die Bühne betritt.

Was passiert hier? Zuerst als Mumie wiedererweckt, mutiert der Tribute von Panem-Star zu einer Trash-Ikone Marke Xenia. In ihrem relativ textilfreien Hartschalen-Kampfbikini und dem goldenen Zepter ist Bösewicht Rita Repulsa ungefähr so ernstzunehmend wie Dolph Lundgren mit blonder Föhnfrisur. Eine zum Fremdschämen lächerliche Figur, was aber nicht an den schauspielerischen Ambitionen von Elizabeth Banks liegt, sondern an der Figur an sich. Und dann der Supergau: Blecherne Dinos und Riesenkäfer ackern sich durch eine Kleinstadt und beeindrucken mit der Beschaffenheit aufgeblasenen Plastikspielzeugs. Dagegen wirken Michael Bay´s Transformers-Kreaturen wie ernstznehmende Bedrohungen. Der Anspruch, martialischen High-Tech anders zu gewanden als Optimus Prime & Co, geht nach hinten los. Power Rangers verspricht anfänglich ein vergnügliches, erfrischendes Aha-Erlebnis, um dann auf ganzer Linie zu enttäuschen. Tatsächlich ist die lebendig gewordene Spielzeugwelt mehr Schein als Sein. Trivialer Kinderkram, hinter dem sich leider kein lohnenswertes Cinematic Universe verbirgt.

Power Rangers