The Toxic Avenger (2023)

GIFTSTOFFE, AUS DENEN HELDEN SIND

6,5/10


© 2025 Legendary Pictures


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: MACON BLAIR

DREHBUCH: MACON BLAIR, NACH DER VORLAGE VON LLOYD KAUFMAN

KAMERA: DANA GONZALES

CAST: PETER DINKLAGE, JACOB TREMBLAY, TAYLOUR PAIGE, KEVIN BACON, ELIJAH WOOD, JULIA DAVIS, JONNY COYNE U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN


Troma – was bedeutet das? Klingt ungefähr so wie Trauma, und die Frage ist, ob die Assoziation gewollt war oder nicht, jedenfalls könnten Zartbesaitete und auch weniger Zartbesaitete, die zumindest alle menschlichen Extremitäten anatomisch richtig an ihrem Platz wissen wollen, traumatische Erfahrungen gemacht haben, hätten sie zum Beispiel Filme wie Bloodsucking Freaks, Surf Nazis Must Die oder Cannibal! The Musical gesehen. Troma ist schlicht und ergreifend eine Produktionsfirma für grenzwertigen Stoff, der vorallem Gorehounds abholt – Freunde und Liebhaber körperlicher Zerstörungswut. Diese durchaus erfolgreiche Firma wurde, passend für diese Zeit, in den Siebzigern gegründet und hat im Laufe ihrer Erfolgsgeschichte vor allem einen Superhelden hervorgebracht, der weder ins Marvel- noch ins DC-Universum und wenn, dann am Ehesten noch ins Universum der Boys passen würde, doch auch dort wäre der rabiate Quasimodo mit dem Herzen aus Gold immer noch ein Außenseiter. Die Rede ist vom Toxic Avenger, oder auch Atomic Hero – so der Titel des damals, 1984, veröffentlichten Splatter- und Gore-Hits, der mittlerweile längst Kultstatus genießt und Peter Jackson, Quentin Tarantino oder Takashi Miike nicht unwesentlich beeinflusst hat. Gerade bei Jackson erkennt man spätestens bei Sichtung seiner Filme, die vor der Verfilmung der Tolkien-Romane das Licht der Leinwand erblickten, eine wenig zimperliche Besinnung auf das Portfolio TromasBad Taste oder insbesondere Braindead sprechen dabei für sich.

Pimp up the Trash

The Toxic Avenger – und ich schreibe hier von der Neuverfilmung – hatte seine Premiere schon 2023, verschwand aber danach aus unerfindlichen Gründen zwei Jahre lang in einem temporären Giftschrank, um nun doch nochmal voll mit einem österreichweit regulären Releasedatum durchzustarten. Ich selbst konnte die Österreichpremiere im Rahmen des Slash-Festivals genießen – und ja, dieses Verb trifft die Gemütslage durchaus, denn Peter Dinklage, von Grund auf ein unendlich sympathischer Charakter, egal, was er spielt, verleiht dem grüngesichtigen, entstellten Berserker, der an die schrille LSD-Version eines Charles Laughton aus Der Glöckner von Notre Dame erinnert, so viel Herzenswärme, dass man ihm seine radikale Vorgehensweise bösen Buben gegenüber durchaus verzeiht – auch wenn das eine oder andere Mal ganze Gedärme ihren Weg durch den Anus ans Tageslicht finden oder Köpfe munter drauflosexplodieren, wenn der Avenger mit seinem giftklumpigen Besen ausholt, um irreparable Schädelfrakturen zu verpassen. Man möchte es ja kaum für möglich halten, aber so knuffig und liebevoll kann ein Gorefilm sein, der seine zahlreichen Gewaltspitzen als grelle Himbeersaft-Orgie komponiert, und zwar so weit und so sehr intensiv, dass sie Teil dieser ganzen völlig irrealen Überzeichnung werden, die hier stattfindet.

Macon Blair, der 2017 die bemerkenswerte Thrillerkomödie Fremd in der Welt schrieb und inszenierte (abrufbar auf Netflix), später aber mit einer unsäglichen Komödie wie Brothers (mit Peter Dinklage und Josh Brolin) den Totalabsturz riskiert, holt sich für diese fast schon salonfähige und massentaugliche Sause eine ganze Reihe namhafter Schauspieler ans Set – mit Dinklage und Elijah Wood hat er schließlich schon gearbeitet gehabt, jetzt kommen noch Kevin Bacon und Jacob Tremblay als des Avengers Stiefsohn hinzu – so schillernd kann gewolltes Underground-Kino sein, das aber ordentlich Budget gehabt haben muss.

Viel Herzblut, viel Kunstblut

Mit diesem Budget bringt sich die Story eines Putzmanns in einem skrupellosen Chemiekonzern in Position: Als Winston Gooze muss er feststellen, dass all die Jahre inmitten giftiger Dämpfe seinen Tribut gefordert haben. Nur noch knapp ein Jahr, dann wird der Hirntumor lethale Ausmaße erreichen. Winston hofft auf Entschädigung von einem Konzern, der hochgiftigen Abfall in die Umwelt entlässt, ohne Rücksicht auf Verluste, was wiederum an Trumps Nachhaltigkeitsbewusstsein erinnert. Natürlich lässt man ihn hängen, und während er seinem Vorgesetzten Kevin Bacon eine Lehre erteilen will, schmeißt man ihn kurzerhand in den Sondermüll. Nach Tim Burton werden manche zum Joker, andere eben zum grünen Gnom, der seinen Wischmopp schwingt und völlig unerwartet zum Helden wird, nachdem er mit einer Verbrecherbande im wahrsten Sinne die Wände eines Fast Food-Restaurants dekoriert. Die Bösen machen bald Jagd auf ihn, und so kann die Geschichte ihren natürlich vorhersehbaren Lauf nehmen, denn inhaltlich originell ist The Toxic Avenger beileibe nicht.

Schließlich kann man sich nicht auf alles konzentrieren, und schließlich muss ja auch dem Troma-Spirit gehuldigt werden, denn all die grenzwertigen „Meisterwerke“ von damals sind allesamt wohl kaum drehbuchpreiswürdig, da es doch vorrangig um die visuelle Grenze geht, um den blutigen Dekor, um den Gladiatorenkampf an sich. Plakativität hat hier seine Daseinsberechtigung wie  nirgendwo sonst, und nur Peter Dinklage, Jacob Tremblay und ja, auch Taylour Paige ist es zu verdanken, dass diese Herzenswärme und dieser Feel-Good-Faktor all diese obszöne Gewalt so sehr durchdringt, dass man den Gore-Faktor nur noch peripher wahrnimmt.

The Toxic Avenger (2023)

Superman (2025)

DAS METAWESEN AUS DER NACHBARSCHAFT

7,5/10


© 2025 Warner Bros. Entertainment Inc.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE / DREHBUCH: JAMES GUNN

KAMERA: HENRY BRAHAM

CAST: DAVID CORENSWET, RACHEL BROSNAHAN, NICHOLAS HOULT, EDI GATHEGI, NATHAN FILLION, ISABELA MERCED, ANTHONY CARRIGAN, MARIA GABRIELA DE FARÍA, SKYLER GISONDO, SARA SAMPAIO, ZLATKO BURIČ, SEAN GUNN, BRADLEY COOPER, WENDELL PERCE U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Vorbei ist die opernhafte Schwermut von Kal-El, der in der Gestalt von Henry Cavill und unter der Regie von Zac Snyder durch ein verregnetes, dunkles Metropolis wandelte und es gar mit Batman in stählerner Rüstung aufnahm. Diese Art und Weise, das DC-Universum zu beleben, in allen Ehren. Ich gebe zu, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte Snyder gerne dranbleiben können. Die Besetzung der ganzen Justice League ließ keine meiner Wünsche offen. Cavills Superman war zwar etwas eitel und gerne auch arrogant, aber glaubhaft, physisch sehr präsent und mitreißend. Wir brauchen über Wonder Woman gar nicht reden (Gal Gadot wird wohl nie besser werden), über Ben Affleck als Batman vielleicht schon, obwohl auch er einer war, der den Comicvorlagen, die vor Pathos generell nicht zurückschrecken, gerecht wurde. Doch bei DC hat sich die dystopische Interpretationsweise des Superman-Universums ausgelebt – schade drum.

Vom Pessimismus zum Optimismus

James Gunn sollte das Ruder übernehmen und die Capes aus dem Dreck ziehen. Alle wussten, wenn Gunn hier ansetzt, regnet es bunte Shows, die rotzfrech, locker und subversiv sein können. Nach seinem Super – Shut up, Crime!, einer herzallerliebsten, blutigen Grunge-Sause über Superhelden und solche, die es gerne wären, aber nicht sind, blieb der Visionär (ja, es ist einer) seinem Stil und seiner Tonalität immer treu. Auch seine Best Friends wie Michael Rooker, Nathan Fillion oder Brüderchen Sean Gunn sind auf irgendeine Art und Weise immer mit dabei, sie wissen schließlich, wie der Hase läuft. Mit den Guardians of the Galaxy erhielt das MCU einen Spin in Richtung Parodie, alles unterlegt mit launigen Songs aus der Evergreen-Schublade. Vielleicht manchmal zu gewollt, vielleicht ein bisschen zu konstruiert – doch das neidvolle DC dürfte da keine strengeren Vorgaben gemacht haben, ganz im Gegenteil, wenn man sich ansieht, was Gunn mit Superman gemacht hat. Der Waise vom Planeten Krypton ist hier nicht mehr und nicht weniger der nette Junge aus der Nachbarschaft, ein „Spidey“ mit Kräften, die man sich kaum vorstellen kann. Und der das Zeug dazu hätte, im Handumdrehen den ganzen Planeten Erde zu unterjochen. Wenn er denn gewollt hätte.

Doch Superman will nicht, er ist durch und durch Humanist, Menschenfreund und Helferlein. Sieht sich als Mensch unter Menschen und nutzt dabei seine außerordentlichen Skills, um weder die Dinge zu lenken oder es besser zu wissen, sondern um anderen, die Not leiden, unter die Arme zu greifen. Großgezogen in einfachen Verhältnissen an Land und mit Werten, die ein Zusammenleben garantieren, ist Kal-El längst zur Tagesordnung übergegangen. Niemand braucht schließlich nochmal eine Origin-Story, nochmal den ganzen Steckbrief von Smallville bis zum Daily Planet. Die Parameter sind gesetzt, Gunn geht davon aus, das wir das alles längst wissen – auch über Erzfeind Lex Luthor, den hier diesmal nach Jesse Eisenberg Nicholas Hoult gibt, als wandelndes Elon Musk-Mahnmal gegen Egomanie und Größenwahn. Dieser Luthor lässt sein Süppchen in Gunns Superman schon lange köcheln und spielt bereits mit den Dimensionen, was ein bisschen an Marvels Multiversum erinnert. Das Raum-Zeit-Gefummel bringt einige Kollateralschäden mit sich, darüber hinaus haben wir es hier mit einer geopolitischen Situation zu tun, die an den Ukrainekrieg erinnert, und einem an Putins Reich angelehnten Aggressor, der die Machtinteressen anderer hofiert. Trotz allem bleibt Gunn so sehr gelassen, dass diese Assoziation mit der Realität wohl kaum die Freude daran trübt, neben einem manchmal etwas zerstreut wirkenden Superman auch anderen kauzigen Metawesen (Mister Terrific, Green Lantern, Metamorpho: alle liebenswert) dabei zuzusehen, wie sie uns Normalsterblichen den Arsch retten. Das tun sie mit einer lausbübischen Leidenschaft für das Richtige, nehmen alles mit Ironie, aber nicht auf die leichte Schulter. Alles wird gut, lautet ihr militant optimistisches Credo.

Wie sympathisch ist der Kerl?

Diese neue Tonalität bringt Farbe und frischen Wind in das fast hundert Jahre alte Comicleben, dabei fehlt es weder an ordentlichen Desaster-Schauwerten noch an phantastischen Details. Superman will launige Science-Fiction-Komödie bleiben und Gunns bereits auf den Weg gebrachte Guilty Pleasures wie The Suicide Squad und Peacemaker mit in die neue Ära nehmen. Beide Formate gelten als Vorbilder für diesen nächsten Schritt, Superman die Gutmenschen-Fadesse vom Leib zu reißen und einen durchaus gemütlichen Idealisten zum Vorschein zu bringen, der oft nicht weiß, wie ihm geschieht und durch David Corenswets erfrischend unprätentiöse Natürlichkeit eine Sympathie ausstrahlt, dass man ihn und die Figur, die er spielt, nur ungern wieder ziehen lassen will. Schließlich ist das Gunns Spezialität: Charaktere zu entwerfen, die nicht perfekt sind, die sich selbst im Weg stehen, die sich zusammenraufen müssen und nicht immer willens sind, für andere in die Presche zu springen. Das macht sie aber greifbar, und dadurch nimmt Superman so gut wie jede Hürde, die bei einem Reboot wie diesen notgedrungen aufpoppen.

Mag sein, dass der Plot selbst, in den man hineingeworfen wird wie in kaltes Wasser (kein Fehler!) erst erwachsen werden muss, die Skills und Features liegen aber griffbereit und weisen den Weg in ein hoffentlich lang anhaltendes, konstantes DC-Universum, in dem man sich irgendwann wohl die größte Frage stellen muss: Wie passt der düstere Batman in das alles hinein? Pattinson kann es kaum sein, denn stilistisch sind das von Matt Reeves geschaffene Universum und das von Gunn viel zu konträr, um eine Synergie zu bilden. Das aber ist eine andere Geschichte, und wir kehren nochmal zurück in Kal-Els antarktisches Domozil, um mit ihm alle Viere gerade sein zu lassen, während Iggy Popp aus dem Äther tönt. Die Vibes holen mich ab. Noch passt alles zusammen.

Superman (2025)

Kraven the Hunter (2024)

OH, THOSE RUSSIANS!

6/10


Aaron Taylor Johnson (Finalized)© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: J. C. CHANDOR

DREHBUCH: RICHARD WENK, ART MARCUM, MATT HOLLOWAY

CAST: AARON TAYLOR-JOHNSON, FRED HECHINGER, RUSSEL CROWE, ARIANA DEBOSE, ALESSANDRO NIVOLA, CHRISTOPHER ABBOTT, LEVI MILLER U. A.

LÄNGE: 2 STD 7 MIN


Das US-amerikanische Publikum macht sich mittlerweile eine Hetz daraus, das Sony’s Spider-Man Universe oder kurz SSU insofern zu verhöhnen, da es ihm keine Aufmerksamkeit schenkt. Warum genau ist das so? Liegt das wirklich an den schlechten Drehbüchern dieser Filme? Liegt es daran, dass Spider-Man zu hundert Prozent dem Mauskonzern gehört und Sony zum Resteverwerter degradiert wurde, der mit mehr oder weniger unbekannten Nebenfiguren Vorlieb nehmen muss, die im Grunde allesamt Antagonisten des einzig wahren Helden sind, des freundlichen Burschen aus der Nachbarschaft? Was soll Sony nur tun, wenn genau jene übrigbleiben, die man auch nicht unbedingt beim Turnunterricht als erstes in die Mannschaft wählt?

Sony versucht, das Beste daraus zu machen, schließlich sind diese Lizenzen kostenintensiv und man will Potenzial nicht verschleudern, wenn es nicht unbedingt sein muss. Das Zugpferd beim Restlessen ist natürlich Venom – den Burschen kennt man, neben dem Green Goblin womöglich der markanteste Bösewicht in Marvels Parallelwelt, die sich längst schon damit geoutet hat, nicht zur Zeitlinie des MCU zu gehören. Portale gehen auf und zu, Spider-Man ist niemals in Sicht und wird auch (fast) nie erwähnt. In dieser Welt gibt es ihn nicht, da gibt es nur die Schurken, die aber keine Schurken mehr sind, denn wer will schließlich Filme sehen, die sich an den Werten der Gesellschaft abarbeiten? Aus Venom wird also ein Guter, aus Morbius irgendwas dazwischen, Madame Web – nun, die ist da eine Ausnahme, mit ihrer Clique aus Jugendlichen Damen, und letzten Endes und um up to date zu bleiben rückt Kraven the Hunter nach. Auch ein Erzschurke, eine Nemesis für Spider-Man, nur der Lizenz-Deal verbietet es. Kraven mausert sich ebenfalls zu einem nicht ganz so finsteren Finsterling, der noch finstere Gesellen auf der Liste hat, um diese abzuarbeiten und alle, die grundlos Böses tun, über den Jordan zu schicken.

Dass Kraven The Hunter niemanden hinter dem Ofen hervorlockt oder von der hauseigenen Wohnzimmercouch schmeißt, um das laxe Fernsehpublikum, das sowieso damit rechnet, den Film alsbald streamen zu können, ins Kino zu zitieren, war fast zu erwarten. Die Säle bleiben leer, niemanden interessiert ein vom wilden Löwen gebissener Russe und Spross eines neureichen Drogen-Oligarchen, der seinen chamäloiden Bruder vor anderen bösen Russen beschützt. Man könnte vermuten: Vielleicht liegt es an den Russen? An Hauptdarsteller Aaron Taylor-Johnson womöglich nicht, der wird schließlich in ferner Zukunft zum neuen James Bond. Man könnte sich also schon mal an dieses Gesicht gewöhnen. An Fred Hechinger liegt es wohl auch nicht, der Charakterdarsteller hat Charisma und eine ganz eigene Ausstrahlung, das haben wir zuletzt in Ridley Scotts Gladiator II gesehen, da gab er Diktator Caraccala auf verschmitzt diabolische Weise. Und Russel Crowe? Wenn er mal nicht Exorzismus betreibt, schiebt er sich als Nebenfigur in so manchen Möchtegern-Blockbuster.

Also woran liegt es noch? Wohl kaum am Handlungsaufbau. Kraven the Hunter erzählt eine klassische und von daher auch wenig überraschende Origin-Story eines Antihelden mit kleinen logischen Fehlern, die sich dank der Drehbuchautoren von The Equalizer auch ungefähr so anfühlt – stets darauf ausgerichtet, kurzen Prozess mit denen zu machen, die die Schwachen drangsalieren. Es kommt noch afrikanisches Freiwild hinzu, und mit Hochgenuss lyncht Taylor-Johnson niederträchtige Trophäenjäger auf eine Art, die Genugtuung verschafft. Regisseur C. J. Chandor lässt sich viel Zeit für Zwischenmenschliches, fühlt sich kaum gestresst oder gedrängt dabei, seine Figuren auf eine Art ins Geschehen einzuführen, als hätte er alle Zeit der Welt – als hätte ihm das Studio einen weiteren Teil bereits zugesichert. Nur leider hat es das nicht, und leider darf trotz des relativ offenen Endes wohl kaum mit einer Fortsetzung gerechnet werden. Kravens Spuren verlaufen also im Sand – bis dahin aber verdient Kraven the Hunter deutlich mehr Respekt als unisono ausgebuht zu werden.

Das liegt schon allein an mehr als nur solide durchchoreographierten Actionsequenzen, die an Mission Impossible oder in Bond-Manier durchaus unterhält. Dafür beweist Chandor ein wahres Händchen. Und auch wenn Kreaturen wie The Rhino (den ersten eher lumpen Auftritt hatte Paul Giamatti in Spider-Man: Rise of Electro) oder Psychoschurken wie The Foreigner nur als Wegzehrung für einen dauerhungrigen Jäger herhalten müssen: Die Gründe für den Megaflop muss man woanders suchen. Bei unglücklicher Medienberichterstattung oder Vorschussmisstrauen; Mütterchen Russland oder gar beim frappanten Unbekanntheitsgrad einer Randfigur, die längst nicht so viel Teamgeist besitzt wie die Guardians of the Galaxy. Die waren damals wohl auch eher unbekannt. Dafür aber deutlich bunter.

Kraven the Hunter (2024)

Blue Beetle (2023)

DIE EHRENRETTUNG DES PILLENDREHERS

4/10


bluebeetle© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: ANGEL MANUEL SOTO

DREHBUCH: GARETH DUNNET-ALCOCER

CAST: XOLO MARIDUEÑA, BRUNA MARQUEZINE, SUSAN SARANDON, RAOUL TRUJILLO, DAMIÁN ALCÁZAR, GEORGE LOPEZ, ELPIDIA CARRILLO, HARVEY GUILLÉN U. A. 

LÄNGE: 2 STD 7 MIN


Zac Snyders großes Superheldenkino ist leider Geschichte. Zugegeben, ich war und bin ein Fan seines Stils. Snyders Zugang zu den Heroen von DC ist nach wie vor und aus meiner Sicht der treffsicherste. Vor allem jener, der den Comics aus vielerlei Hinsicht am gerechtesten wird. Da mag der düstere Batman von Matt Reeves vielleicht gar zu viel in den Abgrund geblickt haben – im Snyder Cut der Justice League oder eben auch im Extended Cut von Dawn of Justice findet das auf die Leinwand gewuchtete Superman-Universum genau die richtige Balance zwischen opernhafter Schicksalssymphonie und Teamgeist.

James Gunn will nun alles anders machen. Es soll bunter, lustiger, schräger werden. Für die Suicide Squad hat das perfekt gepasst. Für andere Superhelden-Genesen womöglich weniger. Wie für Blue Beetle zum Beispiel. Denn bunter, lustiger, schräger ist nicht gleich unverkrampft. Wer auf Teufel komm raus dem Konkurrenten Marvel nacheifern will – auch wenn dieser schon längst in einer Identitätskrise steckt – wird niemals einen eigenen Stil zustandebringen. Snyder hatte ihn. Nach ihm waren DC-Filme, mit wenigen Ausnahmen, nur noch eine Irrfahrt, insbesondere bei Black Adam. Bei Blue Beetle schwebt überdies noch der Anspruch über allem, dem ungeliebten Nachbarn Mexiko einen Comic-Actionfilm zu schenken, der das Temperament der Lateinamerikaner feiern und den Charme typischer Telenovelas versprühen soll. Stellt sich die Frage: Wie geht die Tragikomik einer politkritisch angehauchten Sozialkomödie mit den Prinzipien eines kunterbunten Actionfilms um?

Die Blue Beetle zugrundeliegende Tragik, die von einer lebenslustigen mexikanischen Familie aus der Halbvolles-Glas-Perspektive betrachtet wird, ist jene einer zutiefst verschuldeten und sozial benachteiligten Unterschicht, deren letzte Hoffnung im Studienabschluss des nun erwachsen gewordenen Sohnemanns liegt. Der kehrt vom Auslandsstudium wieder in die heimischen Gefilde zurück, nur um die Hiobsbotschaften seiner Liebsten zu vernehmen, die vom Herzinfarkt des Vaters und vom baldigen Verlust des Hauses erzählen. Die Zukunft von drei Generationen liegt also auf den Schultern von Jaime Reyes, dessen Ausbildung auch nicht dazu beiträgt, einen besseren Job zu ergattern als den einer Haushaltshilfe bei Victoria Kord (Susan Sarandon – nach langer Leinwandabstinenz wieder da und kein bisschen gealtert). Uns sagt der Name wohl nichts – im DC-Universum ist die Dame oberste Chefin eines den Stark Industries verwandten Rüstungskonzerns. Deren Nichte Jenny steht mit ihr auf Kriegsfuß, und als Jaime dann ein paar Tage später in den Heiligen Hallen des Konzerns reinschneit, um seine Karrierechancen zu verbessern, drückt ihm die junge, hübsche Konzernerbin eine Burger-Box in die Hand, mit der Bitte, dessen Inhalt mit dem eigenen Leben zu beschützen. Die Neugier ist zwar ein Hund, aber diesmal ist Bello eher ein Käfer, der sich vor den Augen der ganzen Familie auf Jaimes Rücken schnallt. Bald ist die finstere Victoria nicht nur hinter unserem Helden, sondern auch hinter dessen Familie her. Und Familie ist, wie wir alle wissen, das höchste Gut, dass es zu verteidigen gilt.

Neu ist das Ganze nicht. Die ethnisch diverse Familienbande mit Improvisationstalent – die unterschätzte Oma, die gerne zu Großkalibrigem greift; die schnippische, aber herzensgute Schwester. Und der Auserwählte, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Bei Disney+ schildert die Genese von Ms. Marvel genau die gleiche Geschichte. Der einzige Unterschied: Ein raffgieriger Rüstungskonzern mit skrupellosen Schema F-Schreckschrauben, die alle Macht an sich reißen wollen – Gähn. Blue Beetle erzählt hier ein Abenteuer, dass so vorhersehbar ist, dass man sich sehnlichst wünscht, mit seinen Prognosen danebenzuliegen. Wenn dann eintritt, was zu erwarten war, lähmt der mangelnde Unterhaltungswert die bereits ungesunde Haltung im Kinosessel, Augenrollen inklusive.

Was bei Blue Beetle vielleicht funktioniert, ist die liebenswerte, aber schrecklich naive Figur von Xolo Maridueña. Seine anfängliche Verwirrung, wenn sich extraterrestrische Technik, die an Iron Man erinnert, Venom-gleich in den Körper gräbt und die Kontrolle übernimmt, ist das Launigste an einem Film, der seine ernstzunehmenden Ambitionen missachtet und die trivial-kitschige Fernsehkultur eines Landes, ausgerichtet für ein Massenpublikum, als As im Ärmel missversteht. Der 80er-Synthiesound, die Neon-Graffiti-Graphik im Vorspann – eine Liebesmüh, die sich nicht rentiert. Wenn der Held in seiner dunkelsten Stunde ins Jenseits schielt, um Verstorbene zu treffen, dann ist das nicht so reizend und authentisch wie in Coco – Lebendiger als das Leben. Dann ist das so kitschig wie so manche Illustration aus den Lebensratgebern endzeitaffiner Religionsgemeinschaften. Wenn der Held durch Hass und Wut, und durch sonst nichts das Schicksal für sich entscheiden kann, lacht sich anderswo der Imperator ins Fäustchen.

Blue Beetle ist das Schwächste, was DC seit langem produziert hat. Ein zuckersüßer Mischmasch ohne eigene Ideen und einer Sozialkritik, die nur alibihalber ins Skript kam. Wäre die Gewichtung vielleicht eine andere, würde der Film seine Landsleute auch ernst nehmen, hätte der Film gar das Zeug zu einer vielleicht kontroversen, volksnahen Identitätsfindung.

Blue Beetle (2023)

Black Adam

EIN FELS IN DER SCHWEBE

5/10


blackadam© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JAUME COLLET-SERRA

CAST: DWAYNE JOHNSON, PIERCE BROSNAN, NOAH CENTINEO, ALDIS HODGE, SARAH SHAHI, MARWAN KENZARI, QUINTESSA SWINDELL, VIOLA DAVIS, DJIMON HOUNSOU U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Jetzt wird alles anders! So zumindest will es laut filmstarts der neue Warner-Chef David Zaslav. Und er macht Tabula Rasa. Er sperrt den bereits abgedrehten Film Batgirl in den Giftschrank und hofft, ihn zur Gänze von der Steuer absetzen zu können (was ihm womöglich auch gelingen wird). Er hält auch nicht viel von Solo-Gängen oder unterschiedlichen Herangehensweisen in der Tonalität eines DC Extended Universe. Vielmehr sollte man sich an Marvel wieder ein Beispiel nehmen. So, wie Kevin Feige es macht – und wir sehen ja, auf welcher Erfolgswelle er schwimmt – soll auch das DC-Universum seine Fangemeinde etablieren und zu regelmäßigen Kinoevents einladen, die das Blaue vom Himmel blitzgewittern und so richtig ohrenbetäubend die Motoren heulen lassen. Nicht alle wollen das, die breite Masse aber schon. Dabei gibt es Gerüchte, dass der vermeintlich neue DC-Chef Dan Lin, Executive Producer bei den Lego-Filmen oder Godzilla vs. Kong, Zac Snyder wohl nicht mehr im Regiestuhl sehen will. Die Art und Weise, wie er Filme mache, und insbesondere der Snyder Cut der Justice League (eine Sternstunde der DC-Filme), entspräche nun nicht mehr den Vibes, die Zaslav an seine Seher vermitteln will. Überraschenderweise aber haben die Verantwortlichen mit ihrem neuesten Knüller Black Adam genau das getan. Sie haben nicht nur anhand Marvel gelernt, wie man eingehend sympathische Figuren nah ans Publikum heranbringen und augenzwinkernde Ironie ausgeglichen verteilen kann – sie imitieren den Stil des 300-Schöpfers so sehr offensichtlich, dass es fast scheint, als würde sich Warner in die eigene Tasche lügen.

Unterm Strich heißt das: Mit Black Adam, der ja laut Lin sehr wohl dem neuen Trend der DC-Kinofilme entsprechen soll, erblickt eine eierlegende Wollmilchsau die Leinwand, die so pathetisch ins Feld zieht wie Leonidas und seine Spartaner, so schräg auftreten will wie James Gunns The Suicide Squad und so viel launiges Teamwork samt interner Diskrepanzen darüber pfeffern möchte wie in den Filmen der Avengers-Macher Anthony & Joe Russo. Ungefähr so wabert Black Adam auch daher und plustert sich zu einer gottgleichen Größe auf, in der ein Dwayne Johnson, dem man niemals auch nur ansatzweise böse sein kann, permanent über allen Dingen schwebt und genauso selten Bodenhaftung erreicht wie das Brachialabenteuer selbst.

In diesem erwacht im fiktiven Staat Kahndaq, der Ägypten mit seiner Küstenstadt Alexandrien zum Verwechseln ähnlich sieht, ein gottgleicher Shazam!-Champion aus einem 5000 Jahre andauernden Schlaf, um Rache zu üben. Befreit wird dieser von einer Polit-Aktivistin namens Isis (!), die eine von dämonischer Macht angereicherte Krone in Gewahrsam bringen will, bevor dies die Intergang tut, eine Militärdiktatur, deren Ziel es ist, die antike Monarchie von vor 5000 Jahren wieder weiterzuführen. Da steht – oder schwebt – nun natürlich der stiernackige Schrank von einem Halbgott ins Bild, der so unbesiegbar scheint wie Superman und alles kann, nur nicht in die Knie gezwungen werden. Das wiederum ruft die Justice Society of America auf den Plan und eben nicht die Justice League, um den neu erstarkten Schurken die Leviten zu lesen. Dabei wird klar, das die richtigen Fieslinge ganz andere Leute sind.

Mit dieser neuen Justice Society brechen diverseste Antworten auf Marvels Helden wie Ant Man, Falcon oder „X-Woman“ Storm durch die Schallmauer – deren Terminkalender scheinen wohl nicht so verbucht wie bei Batman, Wonder Woman und Co. Und auch ihr Gütesiegel liegt wohl noch eine Liga drunter, zumindest aber über jener der Suicide Squad, die alle aus demselben Universum kommen. Jaume Collet-Serra ( u. a. Jungle Cruise) schart um den distinguierten Dr. Strange-Verschnitt Dr. Fate so einige schräge Gestalten, die sich auf vergnügliche Art zusammenraufen, um Black Adam in Zaum zu halten. Der wiederum ist nur schwer ernst zu nehmen und hat auch stets – und dank Johnson ­­­– einen Hang zur unfreiwilligen Komik.

Unter dieser orientierungslosen und belächelten Stilsuche leidet auch der ganze Film. Am ehesten noch möge Zac Snyder darauf hinweisen mit den einleitenden Worten „Ich hab’s euch ja gesagt“, dass er seinen eigenen Stil wohl am besten beherrscht, und eben nicht andere Auftragsregisseure ohne eigener Vision wie Collet-Serra. Bei ihm gerät ein in triefendem Pathos ertrinkender 300-Stil mit CGI-Gewitterstimmung und inflationär eingesetzter Slow Motion inmitten donnernder Actionsequenzen zur Trittbrettfahrt neben der Spur eines geschmähten Kenners, der gewusst hätte, wie viel davon ein Film wie Black Adam vertragen könnte. Alle anderen wissen das scheinbar nicht – und kleistern genau dort alles zu, wo weniger mehr gewesen wäre. Ein Mehr hätte auch das schale Skript vertragen, und überhaupt das schauspielerische Engagement der Schauspieler. Das Konzept wirkt seltsam billig, gehetzt und gehudelt, selbst die Effekte sind nicht State of the Art, doch das merkt man anhand des kaschierenden Snyder-Stils nur manchmal.

Dwayne Johnson scheint sich inmitten seines pittoresken Superhelden-Trashs aber sichtlich wohlzufühlen, denn sowas wie Black Adam wollte er immer schon mal machen. Da der Ex-Wrestler einfach ein gewinnendes Wesen besitzt, sieht man ihm selbst dann gerne zu, wenn der Rest die ganze Zeit nur denen nacheifern will, die es besser gemacht hätten.

Black Adam