Der Spion

IM OSTEN WAS NEUES

7/10


derspion© 2021 24 Bilder


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2020

REGIE: DOMINIC COOKE

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, MERAB NINIDZE, RACHEL BROSNAHAN, JAMES SCHOFIELD, JESSIE BUCKLEY U. A. 

LÄNGE: 1 STD 52 MIN


Ein Grund zum Jubeln für alle Cumberbitches: der idealen Besetzung sowohl für den neuzeitlichen Superdetektiven als auch für Marvels Dr. Strange gelingt auch der Spionagefilm mit links. Hier gibt sie einen, der geheime Informationen aus dem Osten in den Westen schmuggelt. Mit Hut, Mantel und Oberlippennbart ist Benedict Cumberbatch die Inkarnation des rückgratvollen Geheimniskrämers, und das ist auch der Grund, warum Der Spion (im Original: The Courier) nicht nur ein weiterer Geschichtsfilm nach üblichem Schema geworden ist. Hier würzt der charismatische Schauspieler mit seinem unverwechselbarem Timbre und prägnantem Konterfei die Chroniken eines politischen Kraftakts mit darstellerischer Raffinesse. Ein Job, der wohl zu seinen bislang besten gehört.

Cumberbatch schlüpft in die Rolle des unbescholtenen und durchschnittlichen Geschäftsmann Greville Wynne, der im Osten das große Geld wittert, und, ehe er zweimal Russland sagen kann, plötzlich am Tisch mit dem MI6 und der CIA Platz nimmt, die ihn, und gerade ihn, unbedingt als Kurier engagieren wollen. Garantiert würde er sich dabei schadlos halten. Der russische Geheimdienst würde keinen Verdacht schöpfen, wenn Wynne nur so tut, als würde er mit Oleg Penkowski, einem Wissenschaftsoffizier, diese oder jene Verträge abschließen. In Wahrheit aber soll Penkowski seinem neuen Geschäftspartner alle möglichen Informationen übermitteln, die hinter dem Säbelrasseln der Russen stecken. Irgendwann ist dann auch die Sache mit Kuba mit dabei. Brandheisse Informationen also, die zu beschaffen natürlichen ihren Tribut fordern.

Filme über die Kuba-Krise gibt es so einige. In erster Linie natürlich Thirteen Days, Roger Donaldsons eingängige Aufbereitung der Fakten aus Sicht der Amerikaner. Als feines Ergänzungsprogramm lohnen sich nun Dominic Cookes Betrachtungen von der anderen Seite des Atlantiks. Und es passiert eigentlich zeitgleich, zumindest in manchen Momenten des Films, der eine ganz schöne Zeitspanne abdeckt, bis kurz vor dem großen Knöpfedrücken, das damals, in den 60er Jahren, über Ende und Verbleib unserer Zivilisation entschieden hat.

Dominic Cooke, im Grunde Theaterregisseur, hat schon mit der Literaturverfilmung Am Strand (mit Saoirse Ronan in der Titelrolle) viel Gespür für das Zusammenspiel von Charakteren bewiesen. Diese Gabe macht eben auch Der Spion sehenswert, denn es ist nicht nur Cumberbatch, der groß aufspielt und der (vermutlich mit reichlich CGI nachgeholfen) gehörig an Gewicht verliert, was für die Biographie von Wynne leider unentbehrlich bleibt. Dabei teilt er seine Figur in drei emotionale Landschaften, die aber fließend ineinander übergehen. Anfangs gibt er sich ängstlich, naiv und bürgerlich, später übt er sich als Kurier par excellence, den der Jagdinstinkt antreibt – und am Ende gibt er als Insasse im russischen Gefängnis den ungebrochenen, aber traumatisierten Gepeinigten. Da sieht man wieder, was der Mann alles kann. Ihm zur Seite steht Merab Ninidze als einer, der fast schon zu Wynnes Freund wird: Verschlossen, freundlich, gleichermaßen besorgt. Ein erbauliches Gespann, diese beiden. Und letzten Endes erstaunlich, was das für Leute waren, die mitgeholfen hatten, die Welt zu retten.

Der Spion

Outside the Wire

MEIN CHEF, DER ROBOTER

3,5/10


outsidethewire© 2021 Netflix

LAND: USA, UNGARN 2021

REGIE: MIKAEL HAFSTROM

CAST: ANTHONY MACKIE, DAMSON IDRIS, EMILY BEECHAM, PILOU ASBÆK, MICHAEL KELLY U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Der wirklich einzige interessante Idee in dieser brandneuen, auf Netflix erschienenen Action-Dystopie ist die Überlegung, was wohl wäre, wenn die Befehlskette zwischen Mensch und Maschine von der Maschekseite aufgezogen wird. Wenn also ein Roboter den Ton angibt, und der Mensch als ausführendes Organ diese und jene Verordnung umsetzt.

Wir befinden uns in Outside the Wire in einer ungewissen Zukunft, in der Osteuropa, genauer gesagt die Ukraine, keinen Grund hat, freudig in die Zukunft zu blicken. Das Gebiet an der Grenze zu Russland wird von brutalen Warlords dominiert. Natürlich erfordern es die Umstände ein weiteres Mal, die USA als Problemlöser bemühen zu müssen. So campiert die Army im Westen des Landes und hofft auf bessere Zeiten. Unterstützt wird das Militär von Drohnenflliegern, die aber nicht in Europa, sondern bequem in der Heimat in ihren Containern sitzen und für den Überblick sorgen. Klar, dass diese Jungs am Steuerknüppel kein Gespür dafür haben, wie es ist, mittendrin statt nur dabei zu sein. Einer dieser Jungs – ein Lieutenant – handelt eigenmächtig – und wird ins Kriegsgebiet strafversetzt. Dabei wird er Captain Leo zugeteilt, einem Supersoldaten, der eben gar kein Mensch, sondern Maschine ist, irgendwo zwischen T800 und den Replikanten aus Blade Runner, mit vollem Bewusstsein und einem abrufbarem Spektrum an Gefühls- und Schmerzempfindung. Hätte der Supermann nicht ab und an einen Körper wie ein Glasfrosch, würde man nie auf die Idee kommen, es hier mit der technischen Weisheit letztem Schluss zu tun zu haben. Ist aber so. Beide – Roboter und Mensch – werden auf Mission geschickt. Es überrascht nicht, dass das Ziel dessen variabel ist, und die Belange patriotischer Rebellen plötzlich Vorrang haben.

Dass sich futuristische Filme wie dieser auch wieder am bereits schon zur Genüge abgedroschenen Thema der Atomkriegs-Angst aus dem kalten Krieg vergreifen, verwundert etwas. Und lässt aber auch das Gesicht einschlafen. Das sieht dann mimisch ungefähr so aus wie jenes von Anthony Mackie, der sich wirklich angestrengt bemüht, die Ausstrahlung eines programmierten Menschen zu vermitteln und dabei recht simpel gestrickt durch die Trümmerlandschaft des Ostens stakst. Vieles in Outside the Wire ist leider nicht Outside the Box, wie man so schön sagt – und der Stoff, aus dem der Actionfilm gemacht ist, bereits ein fadenscheiniger. Für Netflix und Mikael Hafstrom, seines Zeichens verantwortlich für Escape Plan oder Zimmer 1408, war die Qualität des Drehbuchs wohl nicht ausschlaggebend. Zugpferd Mackie, der bald mit The Falcon and the Winter Soldier womöglich das Erbe von Captain America antreten wird, sollte das schlampig formulierte Drehbuch entsprechend aufwerten. Und nicht nur er: auch Goldene Palme-Preisträgerin Emily Beecham (Little Joe) mischt hier mit. Allerdings – Star-Appeal reicht bei solchen Filmen nur, wenn sie mit einer ganzen Riege an großen Namen zugepflastert werden, ähnlich wie bei den Expendables. Und auch nur dann, wenn sich stramme Kriegsaction einer ansehnlichen Choreographie rühmen kann. Was hier leider auch nur halbgar bleibt.

Outside the Wire ist somit grobe Dutzendware, die mit eingangs erwähner Idee vielleicht einiges hätte anfangen können, wäre das Script nicht wie ein Ikea-Möbel aus Fertigteilen des Genrefundus zusammenmontiert.

Outside the Wire