Brennpunkt Brooklyn

SCHUSS INS KREUZ

7/10


the-french-connection© 1971 20th Century Fox


OT: THE FRENCH CONNECTION

LAND / JAHR: USA 1971

REGIE: WILLIAM FRIEDKIN

CAST: GENE HACKMAN, ROY SCHEIDER, FERNANDO REY, MARCEL BOZZUFFI, TONY LO BIANCO, EDDIE EGAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Die von mir sehr geschätzte Fachzeitschrift cinema liefert mit ihrer Rubrik „Geburt eines Filmklassikers“ monatlich jede Menge Hintergrundinfos zu Werken, die längst Geschichte geschrieben haben. Und die man eigentlich als Filmfan nicht links liegen lassen kann. Inspiriert vom letzten Beitrag, und weil auch derzeit das Filmangebot trotz Netflix weitgehend überschaubar bleibt, habe ich mir William Friedkins Drogenthriller Brennpunkt Brooklyn – im Original The French Connection – oder einfach beides – zur Brust genommen. Und es lohnt sich, das Making-Of im Vorfeld durchzuackern, denn dann ist der Filmgenuss um eine Dimension reicher, wenn all die beschriebenen Szenen nicht mehr aus dem Konzept gerissen, sondern als Teil des Ganzen zu sehen sind und der Zuseher weiß, was da hinter den Kulissen eigentlich alles los war.

Zum Beispiel die ausufernde Verfolgungsjagd mit dem Auto. Das Kuriose dabei: Gene Hackman, der hinterm Steuer sitzt, verfolgt gar nicht mal einen anderen Wagen, sondern hetzt dem Antagonisten hinterher, der in der Schnellbahn über ihm stets eine Nasenlänge voraus ist. Auch nach 50 Jahren – da fällt mir auf: der Film feiert heuer gar ein halbes Jahrhundert Jubiläum, Gratulation! – bietet diese Szene aufgrund seines innovativen Kameraeinsatzes und einem wirklich makellosen Schnitt feinstes Actionkino. Für den Schnitt gabs ja sogar einen von fünf Oscars. Die anderen gingen unter anderem an die Regie und an Gene Hackman. Verdient? Nun, Antihelden wie dieser sind mittlerweile in jeder zweiten Krimiproduktion zu finden. Damals allerdings waren Filmhelden noch Leute mit Ehre und Ethik und salonfähigem Auftreten. Gene Hackman war das, so wie zur selben Zeit Clint Eastwood als Dirty Harry, plötzlich alles nicht mehr. Hackman war gelinde gesagt ein Raubtier mit Polizeimarke und Porkpie-Hut, einer, der nicht anders konnte, als seiner Lust am Auflauern und Jagen einfach nachzugeben. Friedkin zeichnet diese Figur als eine, die sich rein durch dieses Tun definiert. So kommt es mitunter, dass das Sakrileg vom Schuss in den Rücken des Killers in dieses Charakterprofil einfach hineinpasst. Hier geht’s um das Erlegen des kriminellen Freiwilds an sich. Insofern wird Hackman in dieser Rolle richtig groß, und auch am Ende, als er im Halbdunkel einer verfallenen Fabrikhalle den Feind ausmacht, spricht direkt ein bisschen der Wahnsinn.

Brennpunkt Brooklyn ist tatsächlich ein guter Film. Allerdings nichts, das nahe geht, und nichts, das wärmt. Aber etwas, das bestechend akkurat seinen roten Faden verfolgt, ohne sich in Nebenstories zu verlieren. Der winterharte Thriller (da können selbst die paar Szenen in Marseille nichts dran ändern) reduziert seinen Plot aufs Wesentliche, lässt unentwegt bespitzeln und beobachten. Scheider und Hackman sitzen und stehen stets auf Nadeln, da ist nichts, was sie ruhen lässt. Nur die Kälte bremst den Drang, die Dinge am liebsten so zu regeln, als wäre Anarchie die neue Ordnung. Platzhirsche der Gerechtigkeit, wenn man so will. Und selbst die ist nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn – wäre die Biographie von Jimmy „Popeye“ Doyle, so Hackmans Rolle (die auf einer wahren Figur beruh – auch jene von Scheider), etwas anders verlaufen, könnte man ihn gut und gerne auch auf der anderen Seite des Gesetzes sehen.

Brennpunkt Brooklyn

La Gomera

DRAUF GEPFIFFEN

4/10

 

lagomera© 2019 Alamode Film

 

LAND: RUMÄNIEN, FRANKREICH, DEUTSCHLAND 2019

REGIE: CORNELIU PORUMBOIU

CAST: VLAD IVANOV, CATRINEL MARLON, RODICA LAZAR, SABIN TAMBREA, ANTONIO BUÍL, AGUSTI VILLARONGA U. A.

 

Wenn die Spatzen es von den Dächern pfeifen, dann ist alles längst kein Geheimnis mehr. Eine Redewendung, die, wenn man sie genau nimmt, ja gar nicht stimmen kann, denn: verstehen wir, was Spatzen so pfeifen? Natürlich nicht, blöde Frage. Das verstehen nur die Spatzen untereinander. Oder vielleicht die Ureinwohner aus La Gomera, einer relativ grünen Insel der Kanaren, westlich von Nordafrika und ein Teil Spaniens. Dort ist El Silbo sowas wie eine Geheimsprache, gleichzeitig aber auch ein Kulturgut und wirklich eine ziemlich ausgefallene Art und Weise, sind nicht im Klartext unter vier Augen zu unterhalten, auch wenn die Gesprächspartner zur Stoßzeit in der U-Bahn stecken. Diese Sprache hat es nun aus dem Tourismusbüro von La Gomera und aus jedem noch so erdenklichen Reiseführer ins Kino geschafft. In einen Film, der womöglich nicht ganz so viel Geld vom Fremdenverkehrsamt der Insel zugesteckt bekommen hat und, statt die Sonnenseiten des Eilands zu zeigen oder einen pfiffigen Inselkrimi zu präsentieren, ganz auf Schema F in Sachen Drogenkrimi setzt.

Man könnte ja meinen, hier hätte Aki Kaurismäki so seine Finger im Spiel. Hauptdarsteller Vlad Ivanov ist wohl der mit Abstand stoischste Schauspieler, den es gibt. Allerdings ist diese fehlende Mimik nicht Mangel eines schauspielerischen Talents wie bei manch einem B-Movie-Star. Man sieht, Ivanov versucht sichtlich, sich gar nichts anmerken zu lassen. Das ist fast schon grotesk, dieses zomboide Auftreten. Aber gut, es gibt diesem Streifen einen lakonischen Touch, dafür umwuselt ihn eine Femme fatale mit kohlrabenschwarzem Haar und steckt dem Undercoverpolizisten ein Ticket nach La Gomera zu, damit dieser die Pfeifsprache erlernen kann. Wenn er die beherrscht, gehts wieder zurück nach Rumänien, um einen ganz anderen Mittelsmann aus dem Gefängnis zu boxen, der 30 Millionen Euro verschwinden hat lassen. Ein Plot also, der von den Socken haut? Mitnichten. Dieses Hin und Her aus Verrat und Gegenverrat im mafiösen Rauschgiftmilieu ist leider Dutzendware, darüber hinaus ist der Thriller des rumänischen Regisseurs Corneliu Poromboiu unnötig verschwurbelt erzählt. Das Interesse daran ist endenwollend, zumindest bei mir. Und gleichermaßen stellt sich mir die Frage: Warum eigentlich El Silbo, warum diese Pfeifsprache, warum muss dieser stoische Phlegmatiker so ein schwieriges Lautealphabet büffeln? Gibt´s keine verschlüsselten Handys mehr?

Nun, genau das ist das Problem in La Gomera. Diese verschlüsselten Handys gibt es schon, und darüber hinaus auch sonst alles, was der Elektronikmarkt an Überwachungsgadgets zu bieten hat. Poromboiu weiß schon, was er mit seinem Film ausdrücken will. An allen Ecken und Enden beobachten versteckte und weniger versteckte Kameras das Geschehen oder harren Wanzen hinter vier Wänden auf heißen Hörstoff. Da heisst es: zurück zu den Wurzeln, ausweichen auf ein analoges, am besten verbales Medium, das keiner entschlüsseln kann. Eine nette Idee, keine Frage. Doch der Anspruch, hier eine zynische Antwort auf den gläsernen Menschen zu geben, auch wenn dieser durch kriminelle Aktivitäten diese regelrecht heraufbeschwört, bleibt aufgrund des konfusen Plots und trotz einer stimmigen Pointe am Schluss einschläfernd ungehört. Wie ein missglückter Pfiff.

La Gomera

Black and Blue

DIENST NACH GEWISSEN

5,5/10

 

black-and-blue© 2019 Sony Pictures GmbH

 

LAND: USA 2019

REGIE: DEON TAYLOR

CAST: NAOMIE HARIS, TYRESE GIBSON, FRANK GRILLO, MIKE COLTER, REID SCOTT U. A.

 

Trau ihm, er ist ein Cop – so hieß der begleitende deutsche Untertitel des Polizeithrillers Internal Affairs aus den Neunzigern mit Andy Garcia und Richard Gere als schlimmem Finger. Spätestens seit damals ist uns Filmnerds klar: die Exekutive, die für Recht und Ordnung sorgt, dein Freund und Helfer in allen öffentlichen Lebenslagen, der meint es nicht immer gut. Vor allem nicht dann, wenn Profit im Spiel ist, das Geld der Bösen lockt und der Schlüssel zur Aservatenkammer locker in der Hand sitzt. Drogen sind auch gern gesehen, deren Handel gebilligt, sofern der Schnee nicht auf die blauen Schultern fällt. Kommt irgendwas ans Licht, gibt’s einen Triple 9 – folglich Tod der Schurken durch Notwehr, angeblich. Die meisten sind aber ohnehin rechtschaffen, tragen das Gesetz am rechten Fleck und verbiegen es nicht. Im Laufe von Filmen wie diesen sind das aber genau jene, die zum Handkuss kommen, und die, die das Gesetzt verdrehen, sitzen am längeren Hebel, weil sie ein besseres Netzwerk haben als so ein junges Greenhorn wie Naomie Harris. Miss Moneypenny ist hier als blauuniformierte Streifenpolizistin unterwegs, die ihr jugendliches Gossenleben hinter sich lässt und nach ihrem Einsatz in Afghanistan einen Neustart wagen will.

Wie es Copthriller wie diese eben wollen, fällt für die Hauptfigur aller Anfang schwer. Alicia, so heisst die brave Gesetzteshüterin, darf Zeuge davon werden, wie genau das Drogendezernat mit verdächtigen Subjekten umgeht. Und zwar nicht sehr zimperlich. Die Methode lässt sich auch gut und gerne auf unliebsame Augen- und Ohrenzeugen erweitern, vor allem dann, wenn diese eine Bodycam mit sich herumführen, die alles brav in Farbe festgehalten hat. Was folgt, ist natürlich ein Katz-und-Maus-Spiel. Niemandem ist mehr zu trauen und Naomi versucht, wo es nur geht, sich zu verstecken. Tyrese Gibson als brummeliger Ex-Krimineller, der, geläutert und resozialisiert, Schichtdienst im Supermarkt schiebt, wird auch irgendwann wichtig und gibt dem sonst sehr vorhersehbaren Thriller eine  – sagen wir mal so – gewisse Starthilfe in eine recht geschmeidige Richtung. Denn Gibson ist auf seine Art von einnehmender Vertrauenswürdigkeit, und zu sehen, wie der Schrank von einem Mann drauf und dran ist, sich abermals in gefährliche Situationen zu begeben, geht nicht ohne Bangen ab. Also hofft man, das für ihn alles gut ausgeht. Es sei Harris aber verziehen, den Kerl mit in die Sache hineingezogen zu haben, denn beide sind ein recht gutes Gespann. Dieses Buddy-Movie-Element im spaßbefreiten Stile von „Freunde in der Not“ macht den Streifen vor allem recht menschlich und von der Seite der Guten her angenehm aufrichtig.

Black and Blue könnte auch genauso gut Black and White heissen, da die Grenzen sehr klar gezogen sind. Die Guten und die Bösen. Grauzonen gibt es nur alibihalber. Wir wissen, woran wir sind. Klar spielt Frank Grillo nur den Oberbösling, was könnte der Mann mit der einschlägigen Visage eines Antagonisten denn sonst noch spielen? 100 Meilen gegen den Wind wird klar, welche Bullen zur inoffiziellen Sorte gehören. Da strengt sich Regisseur Deon Taylor nicht wirklich an, das läuft alles nach stereotypem Schema. Aber gut, dank dem ungleichen Pärchen lässt sich Black and Blue als brauchbarer Actionthriller, der nicht sonderlich aufwühlt, als Absacker nach einem aufwühlenden Tag durchaus genießen.

Black and Blue