Cop Secret

KÜSSE VOR DEM SHOOTOUT

5/10


copsecret© 2022 MFA+ Filmdistrubution


LAND / JAHR: ISLAND 2021

BUCH / REGIE: HANNES ÞÓR HALLDÓRSSON

CAST: AUÐUNN BLÖNDAL, EGILL EINARSSON, STEINUNN ÓLINA ÞORSTEINSDÓTTIR, SVERRIR ÞÓR SVERRISSON, BJÖRN HLYNUR HARALDSSON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Fußballprofis können auch anders: Sie müssen nicht unbedingt im Selbstmitleid versinken wie der zum Ersatzspieler degradierte Ronaldo oder der fesche Neymar, der gerne eine Schwalbe wäre. Sie müssen auch nicht klein beigeben und während der Weltmeisterschaft in Katar die Regenbogenbinde ablegen. Fußballprofis können auch einfach Filme machen – um auszudrücken, was die Regenbogenbinde nicht durfte. Um auszudrücken, dass männliche und weibliche Stereotypen in einer liberalen Welt nichts zu suchen haben. Einer dieser Fußballer ist Hannes Þór Halldórsson, Torhüter der isländischen Nationalmannschaft. Tja, wer hätte das gedacht: Ein Spitzensportler, der Filme macht – dass bei all dem Training immer noch Zeit bleibt für Drehbuch und Regie, ist womöglich ein klarer Fall von effizientem Zeitmanagement.

Halldórsson hat sich mit Cop Secret dem gerne maskulinen Genre des Action- und Copthrillers angenommen. Eigentlich ganz klassisch und fast so, wie man es von einem Guy Ritchie erwarten würde, der so harte Kerle wie Jason Statham für Radau in der Unterwelt sorgen lässt. In Reykjavik ist es aber nicht Statham, sondern einer, der ihm nicht nur ähnlich sieht, sondern genauso lakonisch und kaltschnäuzig seine Arbeit verrichtet wie dieser: Auðunn Blöndal, im Film als Bússi die härteste Socke unter der Polarsonne, und es wäre fast schon gemeingefährlich, diesem Rauhbein einen Partner zuzuteilen. Doch genau das passiert, in Gestalt von Hörður, einem Schönling sondergleichen – adrett, aufgeräumt und charismatisch. Die beiden passen, wie bei Buddy-Movies üblich, natürlich nicht zusammen – müssen aber bald an einem Strang ziehen.

Islands Hauptstadt Reykjavik präsentiert sich hier auf Augenhöhe mit allen anderen Großstädten dieses Planeten, die längst schon dank actionreicher Verfolgungsjagden das Budget für die Stadtsanierung neu evaluieren mussten. Hoch im Norden schlägt man nun auch besorgt die Hände über den Kopf zusammen, wenn schnittige Karossen in blaustichigen, groben Bildern über frischen Asphalt brettern. Und auch die Unterwelt selbst mitsamt ihren schrägen Rädelsführern hat wohl genug Exkursionen in den vielfach erprobten Westen unternommen, um zu wissen, wie man sich geben muss: Brutal, verrückt und größenwahnsinnig. Nur versprühen diese Vibes relativ wenig von dem, was wir als Liebhaber des skandinavischen oder gar isländischen Kinos so sehr zu schätzen wissen: das Lakonische, Mystische, Skurrile. Cop Secret will von all dieser Mentalität nichts wissen und orientiert sich lieber an gefälligen Vorbildern. Zumindest, was den Plot angeht. Der ist austauschbar und nicht der Rede wert. Ein Thriller von der Stange, dessen Handlung man schnell vergisst.

Weniger in Vergessenheit gerät dabei aber jene Komponente, um die es Regisseur Halldórsson eigentlich geht: Das Konterkarieren des Bildes vom starken Mann, vom maskulinen Berserker, der sich nicht erlauben darf, schwul zu sein. Oder eben doch? Wenn die beiden Vorzeige-Adonisse aus dem Action-Genre langsam bemerken, dass sie einander nicht egal sind, so fühlt sich das zwar ungewohnt an, widerspricht aber in keiner Weise dem Charakter der Protagonisten. Warum auch – weder ist ein Homosexueller weibisch und weich, noch ein Hetero permanent auf Reibung aus. Vorgefertigte Rollenbilder geraten in den Schwitzkasten, und wenn Bússi und sein Partner vor dem nächsten Shootout noch schnell Küsse tauschen, so ist das willkommen anders. Wäre dem so, dass diese erfrischende Sichtweise auch einen ganzen Film tragen könnte, hätten wir hier ein Update zum Genre des neuen Actionfilms. So aber bietet der Thriller nichts neues, und dem sexuellen Statement misst man nicht mehr bei als einer kuriosen Nebensache.

Cop Secret

Ambulance (2022)

MIT MILZRISS AUF DER ÜBERHOLSPUR

6,5/10


ambulance© 2022 Universal Pictures Germany


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: MICHAEL BAY

CAST: JAKE GYLLENHAAL, YAHYA ABDUL-MATEEN II, EIZA GONZÁLEZ, GARRET DILLAHUNT, KEIR O’DONNELL, JACKSON WHITE, A MARTINEZ U. A. 

LÄNGE: 2 STD 16 MIN


Eins muss man Michael Bay wirklich lassen. Er weiß, wie man Hochglanzbilder macht. Das fußt mit Sicherheit auf seiner frühen Profession als Werbefilmer für Automobilmarken, die ihre fahrbaren Untersätze gerne bei niedrigstehender Sonne über den glitzernden Asphalt geschickt haben mochten. Mit der Zeit sind diese Bilder geblieben – erleichternd hinzu kommt die Arbeit mit Drohne und Kamera. Was bei Ambulance – dem Remake eines recht erfolgreichen dänischen Reißers – vorrangig ins Auge fällt und dieses auch bei manchen Sequenzen nachkullern lässt, sind die dynamischen, geradezu ungebremsten Kamerafahrten, die einem Bumerang gleich mal in eine Richtung ausholen, um dann um 360 Grad schwenken, auf den Kopf stehen und wieder zurückschnellen. Ruhende Takes waren gestern. Bei Bay ist alles in Bewegung. Und glücklicherweise trommeln diesmal nicht turmhohe Robotergiganten auf die urbane Infrastruktur ein, sondern ist gerade mal ein Krankenwagen unterwegs, der nicht daran denkt, anzuhalten. Klingt ein bisschen nach Jan de Bonts überschätzten Kassenschlager Speed? Ein bisschen schon, nur der Unterschied liegt darin, dass in Speed ein Anhalten des Busses aus rein bombentechnischen Gründen nicht ratsam gewesen wäre, während in Ambulance den flüchtenden Sani-Tätern gerade mal die halbe Polizei von LA im Nacken sitzt. Das wäre alles eine recht schnell ausgestandene Sache, hätten die Brüder Jake Gyllenhaal und Yahya Abdul-Mateen II nicht auch noch eine bildschöne Rettungsfahrerin in Gestalt von Eiza Gonzáles an Bord, die sich um einen doppelt angeschossenen Polizisten kümmern muss. Es gilt also, einige Faktoren zu berücksichtigen, will man einen glimpflichen Ausgang erwarten.

Und Jake Gyllenhaal, der ist ja längt nicht mehr der Good Guy im Filmbiz. Bewiesen hat er das mit Nightcrawler oder auch zuletzt als Drohnen-Jongleur Mysterio im vorletzten Spiderman-Streifen. Diesmal greift er in hemdsärmeliger Arroganz zu Geldsack und Maschinenpistole – dank einer schwer einschätzbaren Mimik steht ihm der Fiesling sichtlich gut. Bay hat also das richtige Ensemble für seine über zwei Stunden lange Verfolgungsjagd gefunden, die kaum dramaturgischen Leerlauf hat. Und Bay hat – wie schon damals in The Rock – Fels der Entscheidung – zu seinen Tugenden zurückgefunden, bevor das große Hasbro-Franchise eingesetzt hat. Knapp und klassisch bringt der gehetzte Werbespot-Ästhet mit der lockeren Kamera seine Parteien ins Spiel. Dann folgt ein Straßenzug dem nächsten, und sie alle glühen unter heißem Gummi. Dank des Martinshorns verkommt die Ampelschaltung in der Stadt der Engel zur peripheren Lichtorgel.

Die Qualitäten dieses unterhaltsamen, wenn auch nicht durchgehend fesselnden, weil in seinem Plot recht erwartbaren Actionfilms liegen allerdings im Mikrokosmos des Krankenwagens: wenn Gonzales mithilfe ärztlicher Zuschaltung versucht, dem durchlöcherten Cop die Kugel zu entfernen, beisst man fast schon die Zähne zusammen. Und das Machtverhältnis in diesem Dreieck aus Opfer und Täter entbehrt nicht einer gewissen wechselnden Dynamik.

Mit Ambulance hat Michael Bay fast so etwas wie einen Mix aus Stirb langsam und Emergency Room vollbracht, und das, ohne sich anschließend verstecken zu müssen. Die unsäglichen Nummern 6 Underground oder Armageddon sind ist da fast schon vergessen, und der schräge Ulk so mancher Randfigur lockert das Stück Actionkino auch nur insofern auf, da es den gespielten Ernst der Lage nicht vollends zum Narren hält.

Ambulance (2022)

Brennpunkt Brooklyn

SCHUSS INS KREUZ

7/10


the-french-connection© 1971 20th Century Fox


OT: THE FRENCH CONNECTION

LAND / JAHR: USA 1971

REGIE: WILLIAM FRIEDKIN

CAST: GENE HACKMAN, ROY SCHEIDER, FERNANDO REY, MARCEL BOZZUFFI, TONY LO BIANCO, EDDIE EGAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Die von mir sehr geschätzte Fachzeitschrift cinema liefert mit ihrer Rubrik „Geburt eines Filmklassikers“ monatlich jede Menge Hintergrundinfos zu Werken, die längst Geschichte geschrieben haben. Und die man eigentlich als Filmfan nicht links liegen lassen kann. Inspiriert vom letzten Beitrag, und weil auch derzeit das Filmangebot trotz Netflix weitgehend überschaubar bleibt, habe ich mir William Friedkins Drogenthriller Brennpunkt Brooklyn – im Original The French Connection – oder einfach beides – zur Brust genommen. Und es lohnt sich, das Making-Of im Vorfeld durchzuackern, denn dann ist der Filmgenuss um eine Dimension reicher, wenn all die beschriebenen Szenen nicht mehr aus dem Konzept gerissen, sondern als Teil des Ganzen zu sehen sind und der Zuseher weiß, was da hinter den Kulissen eigentlich alles los war.

Zum Beispiel die ausufernde Verfolgungsjagd mit dem Auto. Das Kuriose dabei: Gene Hackman, der hinterm Steuer sitzt, verfolgt gar nicht mal einen anderen Wagen, sondern hetzt dem Antagonisten hinterher, der in der Schnellbahn über ihm stets eine Nasenlänge voraus ist. Auch nach 50 Jahren – da fällt mir auf: der Film feiert heuer gar ein halbes Jahrhundert Jubiläum, Gratulation! – bietet diese Szene aufgrund seines innovativen Kameraeinsatzes und einem wirklich makellosen Schnitt feinstes Actionkino. Für den Schnitt gabs ja sogar einen von fünf Oscars. Die anderen gingen unter anderem an die Regie und an Gene Hackman. Verdient? Nun, Antihelden wie dieser sind mittlerweile in jeder zweiten Krimiproduktion zu finden. Damals allerdings waren Filmhelden noch Leute mit Ehre und Ethik und salonfähigem Auftreten. Gene Hackman war das, so wie zur selben Zeit Clint Eastwood als Dirty Harry, plötzlich alles nicht mehr. Hackman war gelinde gesagt ein Raubtier mit Polizeimarke und Porkpie-Hut, einer, der nicht anders konnte, als seiner Lust am Auflauern und Jagen einfach nachzugeben. Friedkin zeichnet diese Figur als eine, die sich rein durch dieses Tun definiert. So kommt es mitunter, dass das Sakrileg vom Schuss in den Rücken des Killers in dieses Charakterprofil einfach hineinpasst. Hier geht’s um das Erlegen des kriminellen Freiwilds an sich. Insofern wird Hackman in dieser Rolle richtig groß, und auch am Ende, als er im Halbdunkel einer verfallenen Fabrikhalle den Feind ausmacht, spricht direkt ein bisschen der Wahnsinn.

Brennpunkt Brooklyn ist tatsächlich ein guter Film. Allerdings nichts, das nahe geht, und nichts, das wärmt. Aber etwas, das bestechend akkurat seinen roten Faden verfolgt, ohne sich in Nebenstories zu verlieren. Der winterharte Thriller (da können selbst die paar Szenen in Marseille nichts dran ändern) reduziert seinen Plot aufs Wesentliche, lässt unentwegt bespitzeln und beobachten. Scheider und Hackman sitzen und stehen stets auf Nadeln, da ist nichts, was sie ruhen lässt. Nur die Kälte bremst den Drang, die Dinge am liebsten so zu regeln, als wäre Anarchie die neue Ordnung. Platzhirsche der Gerechtigkeit, wenn man so will. Und selbst die ist nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn – wäre die Biographie von Jimmy „Popeye“ Doyle, so Hackmans Rolle (die auf einer wahren Figur beruh – auch jene von Scheider), etwas anders verlaufen, könnte man ihn gut und gerne auch auf der anderen Seite des Gesetzes sehen.

Brennpunkt Brooklyn

Honest Thief

EHRLICH WEHRT SICH AM LÄNGSTEN

5/10


honestthief© 2021 Leonine


LAND: USA 2020

REGIE: MARK WILLIAMS

CAST: LIAM NEESON, KATE WALSH, JAI COURTNEY, JEFFREY DONOVAN, ROBERT PATRICK, ANTHONY RAMOS U. A. 

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Kino ist nicht wirklich Kino ohne Filme mit Liam Neeson! Was waren das doch vor Pandemiezeiten für Guilty Pleasures auf der After-Work-Kino-Agenda. Wenn das Hirn schon nach der Arbeit alles gegeben hat und Kopflastiges aus Frankreich bitte nicht für Zerstreuung sorgen soll – dann kommt Liam Neeson gerade recht. Da ist nichts doppelbödig, nichts subversiv, nichts von irgendwelchen Metaebenen abzuholendes. Liam Neeson-Filme sind, was sie sind. Ein Ort der Zerstreuung, vorhersehbar bis zum Abspann, aber durch diese Überraschungslosigkeit alleine fühlt man sich gut aufgehoben, weil man um diese Uhrzeit, also jene nach der Arbeit, wirklich nichts braucht, was einen den boden wegzieht. Olivier Megaton, Jaume Collet-Serra – alles Regisseure, die ihren Star immer gut verstanden und auch immer wieder klassisch gut in Szene gesetzt haben. Da sind die ausgewaschenen Scripts nur Nebensache, es ist wie das Lesen eines Bastei Lübbe-Heftromans vom Kiosk. Wenn sowas gefällt, gefällt es immer wieder.

Das scheint auch beim brandneuen Thriller Honest Thief der Fall zu sein. Kein Megaton, kein Collet-Serra hinter der Kamera – diesmal ist’s Mark Williams, sonst eigentlich nur als Produzent unterwegs. In diesem Film allerdings schickt dieser den schlaksigen Iren auf einen Kreuzweg der Reue. Heißt also: Liam Neeson als Tom Dolan ist ein Bankräuber, ein Meisterdieb, den man nach 8 Jahren sträflichen Handwerks einfach nie überführen konnte. Fast wie Robert Redford in Ein Gauner & Gentleman. Doch die Liebe, die sorgt fürs Umdenken: Dolan besinnt sich seiner Sünden und will keine Geheimnisse mehr vor Freundin Annie (Gray Anatomy-Star Kate Walsh). Er klingelt beim FBI und will sich stellen, die entführte Knete sei überdies in einem Lagerraum abzuholen. Wie das bei der Polizei aber manchmal (zumindest im Kino) leider so ist, machen zwei ambivalente Beamte das Beste draus und reißen sich zumindest einen Teil des Geldes unter den Nagel. Und der „ehrliche Dieb“ muss natürlich auch noch verschwinden…

Storytechnisch kracht es leider enorm im Gebälk – da will partout keine Logik im Handeln der Antagonisten aufkommen, die ihre Lage völlig grundlos verkomplizieren. Gut, dann hätten wir keinen solchen Film, aber vielleicht eine Geschichte, die ein bisschen leiser unterwegs wäre. Das ist dann aber kein Liam Neeson-Film, wie wir ihn kennen, und das Genrepublikum wäre enttäuscht. Also: die hanebüchenen Wendungen lieber in Kauf nehmen und einen bußbereiten Action-Opa als Bombenbastler die Hutschnur platzen lassen, die dann auch noch Feuer spuckt. Im Vergleich zu früheren Thriller-Kapriolen ist Honest Thief aber recht schwachbrüstig, will vielleicht mehr Gutmenschenkrimi mit Drama-Attitüde sein und weniger rot sehen. Der Versuch hinkt, Neeson und Jai Courtney die Hälfte des Films ebenso. Für Zwischendurch allerdings ist Honest Thief am Ende des Arbeitstages aber immer noch eine brauchbare Zerstreuung, wie das Zappen zwischen den Fernsehkanälen. Da kann es durchaus sein, dass man irgendwo nochmal auf Liam Neeson trifft.

Honest Thief

Unhinged – Ausser Kontrolle

ICH HASSE MONTAGE

6,5/10


unhinged© 2020 Leonine Distribution 


LAND: USA 2020

REGIE: DERRICK BORTE

CAST: RUSSEL CROWE, CAREN PISTORIUS, GABRIEL BATEMAN, JIMMI SIMPSON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Ist das Wochenende vorbei, und die Arbeitswoche beginnt, hat nicht nur Kater Garfield jeden Grund zum Jammern. Der ganze Stress geht wieder von vorne los. Doch Kopf hoch: das nächste Wochenende kommt bestimmt – oder? Im Falle der frisch geschiedenen Jungmutter Rachel könnte dieser Montag zum schlimmsten ihres Lebens werden. Und das nur, weil Rachel, gestresst und entnervt, einem Verkehrsteilnehmer ein wutentbranntes Hupkonzert um den Latz geknallt hat. Jeder andere würde da maximal den Finger zeigen (auch nicht die feine englische), doch dieser hier verlangt bei der nächsten roten Ampel eine Entschuldigung. Was denn – den Verkehr behindern und dann noch die beleidigte Leberwurst spielen? Rachel denkt nicht daran, einzulenken. Und der andere, der namenlose bärtige Hüne im Cockpit eines monströsen Geländewagens, ebenso wenig. Nur: dieser ist ein Psychopath, Rachel hingegen nicht. Und es kommt, was kommen muss: ein Katz- und Mausspiel, für das nun an einem Montag wie diesen wirklich keiner Zeit hat, spinnt sich durch den Wochenbeginn.

Inspiriert von stilbildenden Klassikern aus dem Genre, wie zum Beispiel Steven Spielbergs Duell, darf Althase Russel Crowe mal so richtig den ganz bösen Buben spielen. Mit flatternden Nerven, die nur medikamentös zu beruhigen sind, schweißnasser Stirn und einer Wut in Bauch und Blick, das einem irgendwie anders wird, zieht seine Figur des scheinbar völlig grundlosen Irren eine Spur der Verwüstung durch New Orleans. Dabei hätte doch alles mit einem bisschen mehr an Selbstbeherrschung und vielleicht einer Anlehnung an die Binsenweisheit „Der klügere gibt nach, der Esel fällt in den Bach“, nur ein beschissener Montag wie jeder andere werden können. Aber nein – Wut tut nicht immer gut, Trotzverhalten genauso wenig. Nicht zu vergessen – die Arg- und Achtlosigkeit. Im Psychothriller Unhinged – Ausser Kontrolle scheint so manches arrangiert zu wirken, um überhaupt eine Gewaltspirale wie diese in Gang zu setzen: bei näherer Betrachtung allerdings sind diese Umstände durchaus reale, verdammt blöde Zufälle, die in garstiger Fatalität wie Dominosteine aufeinander fallen. Russel Crowe ist dieses Chaos eine Genugtuung. Warum allerdings, das weiß keiner so genau. Nur so viel: der Staat ist wieder mal an allem schuld. Näher geht Derrick Borte nicht auf seinen Wutbürger ein. Das unterscheidet ihn nicht gerade vorteilhaft von der Figur aus Joel Schumachers ähnlichem Amoklauf Falling Down. Michael Douglas Ambition für sein Ausrasten ist dort allerdings viel präziser, nachvollziehbarer – trotz all der sträflichen Handlungen war D-Fens immer noch einer, auf dessen Seite man war, da sein Unmut einem ganzen System galt. Russel Crowe quält hingegen nur einen einzelnen Sündenbock. Dieser widerwärtige Fokus ist längst nicht mehr Teil eines Vorhabens, diese Wut erklären zu wollen. Was bleibt, ist ein Hickhack zwischen Stark und Schwach, teils richtig perfid und finster, teils horrend überzeichnet. Unterm Strich aber grundsolide, auf Zug inszeniert und die Spannungsschraube lässt sich auch nur mehr mit Drehkreuz aufdrehen.

Unhinged – Ausser Kontrolle ist kurzweiliges Aggressionskino ohne sozialpolitischer oder gar psychologischer Metaebene. Hier geht´s um das, was man sieht und auch wieder nicht sieht, wenn der fahrbare Untersatz des bösen Mannes um die nächste Ecke biegt. Stimmt, ER kann jedem passieren. Also immer recht freundlich, nicht immer gleich hupen, denn das macht jeden Autofahrer rasend – wer weiß, wofür es gut ist. 😉

Unhinged – Ausser Kontrolle

Peninsula

ZOMBIEKEGELN IN SEOUL

5,5/10


peninsula© 2020 Koch Films


LAND: SÜDKOREA 2019

REGIE: YEON SANG-HO 

CAST: DONG-WON GANG, DO-YOON KIM, JUNG-HYUN LEE, KWON HAE-HYO, LEE RE, MIN-JAE KIM U. A.

LÄNGE: 1 STD 56 MIN



Vor vier Jahren zwängten sich blutdürstende Virenträger durch die schmalen Gänge und Abteile eines Zuges nach Busan. In Busan, so hieß es, könnte man als Gesunder vor einer nicht näher bestimmten Epidemie Zuflucht suchen. Dieser spannende und hochdramatische Thriller zählt für mich bis heute zu einem der stärksten Beiträge des Zombie-Genres. Nicht aber, weil es versucht, der bereits sehr abgegriffenen Thematik neue Aspekte abzugewinnen, sondern weil Regisseur Yeon Sang-Ho es gut verstanden hat, das Potenzial eines Katastrophenthrillers punktgenau und mit sehr viel Gefühl für Timing effizient auszunutzen. Die räumliche Enge – wir wissen, so etwas macht die Dramatik noch kerniger – tat ihr Übriges.

Völlig losgelöst vom Horror auf Schiene allerdings hat Sang-Ho an einer Fortsetzung gebastelt – die genauso vier Jahre später einsetzt und die nur so viel mit dem Erstling gemeinsam hat, als dass dieser vernichtende Virus jener ist, den wir schon in Train to Busan hatten. Statt eines Zuges fährt jetzt ein Schiff nach Seoul, und zwar eines mit illegalem Auftrag. Vier Flüchtlinge, die in Hongkong relativ mittellos auf ein Ende der Katastrophe warten, bekommen die Chance, sich ein neues Leben aufzubauen, sofern sie bereit sind, ein waghalsiges Ding zu drehen: Nämlich zurück ins Zentrum des Zombiewahnsinns, um einen Truck, angefüllt mit Millionen von Dollar, aus dem Chaos zu bergen. Auftrag natürlich angenommen, so schwer wird das wohl nicht werden, vor allem wenn die Operation nachts verläuft, da diese Zombies bei Dunkelheit sowieso nichts auf die Reihe kriegen. Untertags aber sind die kranken Horden jedoch schnell, rasend schnell. Und so sehr es auch danach aussieht – sie sind nicht das einzige Problem.

Klingt nicht so wirklich nach Horror? Stimmt – in Peninsula hat es das interessierte Publikum eindeutig mehr mit einer gewissen Art von Endzeit-Action zu tun, die in ihren wildesten Momenten ganz klar seine Inspiration im Mad Max-Universum sucht. Seoul – in ansprechend postapokalyptischen Panoramagemälden für den nächsten Jahreskalender verewigt – ist Rennstrecke und Hindernisparcour zugleich. Quer durchs Gemüse und durch Zombiecluster hindurch brettern aufgepimpte fahrbahre Untersätze, hinterm Steuer Gesetzlose, die anderen Gesetzlosen nachjagen. Natürlich gibt´s auch jene, die im Meistern der Situation ganz vorne mit dabei sind, und die selbstredend zu den Guten gehören, um einen Konflikt austragen zu können, der über den Zombies steht, die in ihrer instinktgesteuerten Aggression oftmals über sich selbst fallen, um dann umgeworfen zu werden wie Kegel, als wäre Seoul eine riesige Bowlingbahn.

Peninsula ist dystopische Action, die nur in seltenen Momenten überrascht, die zeitweise sogar mit so viel Vorhersehbarkeit um die Kurve schert, dass trotz all der quietschenden Reifen Langeweile aufkommt. So etwas passiert, wenn vom Waggon bis zur Stadtgrenze der Aktionsradius expandiert. Ein ähnliches Problem hatte auch damals Stirb langsam – jetzt erst recht. Der Actionfilm erklärte gleich ganz New York zur Bühne. Seoul ist auch nicht gerade ein Dorf, dementsprechend verliert sich der wüste Banditen-Eastern in so manche dramaturgische Sackgasse – und schwächelt dem straffen Original deutlich hinterher.

Wenn schon die südkoreanische Metropole von allen Göttern verlassen scheint – das Pathos hat´s da noch nicht rausgeschafft, ganz besonders aus dem Finale nicht, das alle Register der Theatralik zieht, was auch erst gekonnt werden will, und hier nicht ohne Wirkung bleibt. Klar wird – das Publikum ist manipulierbar, ein bisschen so wie all die Zombies, die nicht anders können als funkelnden Lichtern hinterherzutorkeln.

Peninsula

6 Underground

BLEIBEN SIE DRAN BIS NACH DER WERBUNG

2/10

 

6-underground© 2019 Netflix

 

LAND: USA 2019

REGIE: MICHAEL BAY

CAST: RYAN REYNOLDS, MÉLANIE LAURENT, DAVE FRANCO, ADRIA ARJONA, COREY HAWKINS, MANUEL GARCIA-RULFO U. A.

 

Durch das viele Streaming auf diversesten Plattformen und dem individuellen Zusammenstellen des Abendprogramms verlieren Werbeblöcke immer mehr an Bedeutung. Wer tut sich das heute noch an, einen Film auf einem Privatsender zu sehen, der mindestens dreimal von fünfminütigem Werbegedusel unterbrochen wird? Abgesehen vom Show-affinen Publikum wohl niemand mehr. Kommt der Film also nicht zur Werbung, muss die Werbung in den Film: Product-Placement. Und niemand nimmt hier so wenig ein Blatt vor dem Mund wie Michael Bay. Penetranter kann man Produkte nicht präsentieren, maximal bei James Bond war das so, aber Michael Bay rückt Whiskey, Kaffee und Uhrenmarken so dermaßen großformatig ins Bild, als würde er uns damit erschlagen wollen. Gusto auf Kaffee bekomme ich dennoch nicht, und die Digitaluhr meines Receivers zeigt mir ohnehin an, wie spät es ist – oder wie lange dieser Film, den ich mich bar jeder Vernunft entschieden habe, zu Ende zu gucken, noch dauern wird.

Dabei hat Michael Bay anfangs gar nicht mal so schlechte Filme gemacht. Das Handwerk hat meist gestimmt. The Rock mit Sean Connery war da noch ein richtiger Knüller, Pearl Harbour punktete abgesehen vom vielen Pathos mit ordentlichen Schauwerten und Pain & Gain war zwar heillos überzeichnet, dafür aber im Ganzen stimmig. Die Transformers-Filmreihe erwähne ich aber lieber nicht. Ich denke ich lehne mich da nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass dieses CGI-Gekloppe neben der unsäglichen Police Academy wohl für die schlechteste Filmreihe aller Zeiten herhalten muss. Und jetzt hat Michael Bay eine Stange Geld von Netflix in die Hand gedrückt bekommen, um zu machen, was er eben gerne machen will, weil es ohnehin schon egal ist, weil Kaffee, Uhren und Whiskey ohnehin schon ordentlich Bares auf den Tisch gelegt haben. Bei 6 Underground klappt einem durchaus die Kinnlade herunter, aber die ist schon bei Armageddon der Schwerkraft erlegen, und das sicher nicht, weil das Werk so gut war. Es ist auch schon wieder eine Art Kunst, einen durchschnittlichen Action-Plot (The Expendables ohne Bezahlung oder Rachegeister, die keiner gerufen hat) aus der Feder der Deadpool-Autoren so dermaßen ins Groteske zu verzerren, dass man beim Sichten des Filmes das Gefühl hat, am Restless-Leg-Syndrom zu leiden. Mit anderen Worten: ständig in ruheloser, unkoordinierter Bewegung, und auf äußerst unangenehme Weise. Bay kombiniert triefenden Gegenlicht-Pathos vor ganz viel Sunset mit fehlplatzierten Gore-Elementen und einer Werbeclip-Schnittästhetik, die eigentlich für 30 Sekunden-Spots gedacht ist, nicht aber für ein 2-Stunden-Monstrum wie dieses. Inmitten dieses Mischmaschs hypernervösem Krawumm und kreischigem Bumm Bumm ein stereotyper Ryan Reynolds, der sich in ein Deadpool-Sequel wünscht. Mélanie Laurent aber hat sichtlich Spaß, denn sowas in der Art hat sie noch nie gemacht.

6 Underground ist wie ein Indoor-Spielplatz für Erwachsene, auf die keiner ein Auge hat. Dass das ins Auge geht, zumindest dramaturgisch, ist nur die logische Folge. Platte Actionfilme gibt es natürlich wie Sand am Meer, aber solch einen noch dazu so aufzupolieren, als wäre er etwas Besonderes, ist so faszinierend wie Trash Marke Dschungelcamp, bei dem man genauso wenig wegsehen kann.

6 Underground

Collide

FÜR HERZ UND NIERE

6/10

 

TT_Autobahn_SD32_42319.CR2© 2016 Universum Film

 

LAND: USA 2016

REGIE: ERAN CREEVY

CAST: NICHOLAS HOULT, FELICITY JONES, ANTHONY HOPKINS, BEN KINGSLEY, JOACHIM KROL U. A. 

 

Sieh mal einer an, wer tummelt sich denn da? Erstmal der großartige Anthony Hopkins, gefolgt vom legendären Ben Kingsley (der sich aber mittlerweile des Öfteren in unsäglichem Trash verirrt, und sei es auch nur für einen fünfminütigen Auftritt, um einen Billigfilm zu pushen). Des weiteren X-Men-Beast Nicholas Hoult und niemand Geringerer als Rogue-One-Star Felicity Jones, die für Die Entdeckung der Unendlichkeit mit einer Oscar-Nominierung geadelt wurde. Und wer ganz genau hinsieht, kann sich an Nebenrollen-Quereinsteiger Joachim Król erfreuen. Er darf sogar die Wumme auf „Hannibal Lecter“ richten, was will man als deutscher Filmroutinier im Rahmen einer internationalen Produktion denn mehr? Stellt sich die Frage: Was machen all diese Stars denn hier? Nun, ihr gemeinsamer Nenner ist, sagen wir´s mal so, ein relativ simpler Actionfilm. Nun, simpel heißt jetzt nicht zwingend misslungen. Simpel kann auch erstaunlich sehenswert sein. Collide von Eran Creevy ist irgendwo in der Mitte. Jetzt nicht ganz so erstaunlich sehenswert, aber auch längst nicht misslungen. Das liegt vor allem daran, wie die Rollen eben besetzt sind.

Ganz im Vordergrund steht Nicholas Hoult. Einer, der wahnsinnig gut Auto fährt und Boliden aus Fremdeigentum auch gerne kurzschließt. Zumindest hat er das mal gemacht. Die kriminelle Laufbahn will der us-amerikanische Endzwanziger zugunsten seiner großen Liebe Felicity Jones natürlich an den Nagel hängen – hätte das ganze nicht einen unübersehbaren Haken: die große Liebe erkrankt – und braucht dringend eine neue Niere. So Spenderorgane sind nicht billig, und das nötige Kleingeld hat man auch nicht in der Portokassa. Also noch mal einen Coup landen, im Auftrag von Drogenboss Geran – gespielt von Ben Kingsley –, um dem zwielichtigen Geschäftsmann Hagen Kahl – diesmal Hopkins – eins auszuwischen. Es heißt ja meist: wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. In Collide hat der Dritte allerdings wenig zu lachen, und ist wenig später andauernd auf der Flucht.

Collide ist sauber inszeniertes Handwerk ohne viele Schnörkel. Ein Actionfilm unter vielen? Nicht ganz, obwohl in seinen Ansprüchen genügsam, und die beiden Grand Seigneurs – vor allem Kingsley – überzeichnen sich bis zur Selbstparodie. Der Gummi, der glüht. Und zwar nicht nur auf der Autostrada, da wird auch Filmkulisse Köln zum heißen Pflaster. Die Action kann sich sehen lassen, die können getrost mit dem Karosserie-Geplänkel aus anderen Filmen mithalten. Und umso weniger zu verstehen bleibt da die Tatsache, dass Collide hierzulande nicht mal im Kino lief. Gut, es werden Unmengen an durchschnittlicher Actionware produziert, mit durchwegs ansehnlichem Cast – die alle ins Kino zu bringen geht natürlich nicht. Vieles ist auch wirklich zu banal. Doch Collide hat was. Da ist womöglich mehr dran als an Filmen wie Anna, Luc Bessons was weiß ich wievielter Interpretation einer Femme fatale. Collide ist augenzwinkernd genug, um zwischen verschwörerischer Lovestory und Seitenstechen fördernder Action in leicht wegzusteckender Schwebe zu bleiben, der Film hat ordentlich Drive und mit Felicity Jones ein Mädel, um welches sich nachvollziehbar bangen lässt. Durch den Druck, der hinter der Action steht, bleibt der Film auf Zug und Nicholas Hoult wünscht man dabei gutes Gelingen.

Collide