Jurassic World: Die Wiedergeburt (2025)

INDIANA JONES UND DIE INSEL DER DINOSAURIER

6/10


© 2025 Universal Pictures. All Rights Reserved.


ORIGINALTITEL: JURASSIC WORLD: REBIRTH

LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: GARETH EDWARDS

DREHBUCH: DAVID KOEPP

KAMERA: JOHN MATHIESON

CAST: SCARLETT JOHANSSON, MAHERSHALA ALI, JONATHAN BAILEY, RUPERT FRIEND, MANUEL GARCIA-RULFO, LUNA BLAISE, AUDRINA MIRANDA, DAVID IACONO, ED SKREIN, BECHIR SYLVAIN, PHILIPPINE VELGE U. A.

LÄNGE: 2 STD 13 MIN


Aus der brillanten Vision einer Welt, in der die prähistorische Fauna erneut den Erdball besiedelt und mit uns, dem Homo sapiens, Seite an Seite existieren muss – nun, aus dieser Vision wurde nichts. Nur zaghaft hat sich Colin Trevorow 2022 mit Jurassic World: Ein neues Zeitalter an die Umsetzung dieses Szenarios herangewagt, einige wenige Szenen ließen gar einen tieferen Einblick in den Umgang des Menschen mit den Dinosauriern zu. Doch letzlich war das dem Studio viel zu düster, zu zivilisationskritisch – das Publikum lechzt wohl eher nach dem Abenteuer und benötigt auch nicht zwingend die alte Riege von damals – Laura Dern, Sam Neill oder Jeff Goldblum, denn diese Reminiszenz an die Anfänge des Dino-Hype war wohl auch mehr Zwangsbeglückung als intrinsische Notwendigkeit.

Wir wissen: Wenn man sich verfährt, kann man zurück zur Weggabelung, diese wäre ungefähr dort, wo sich Steven Spielberg und Drehbuchautor David Koepp an den Versatzstücken der Romane von unter anderem Jules Verne oder H. G. Wells orientierten, und wo es gelang, das perfekte Survival-Abenteuer für die ganze Familie aus dem Inseldschungel zu stemmen, natürlich mit sensationellen Sequenzen, die längst totgeglaubte Wunder der Natur wiederbelebt hatten, nicht nur zur Freude kleiner Jungs (und weniger der Mädchen), die in ihren Kinderzimmern ihre Regale mit Spielzeugminiaturen diversester Spezies vollgestellt wussten. Nach Vergessene Welt: Jurassic Park aus dem Jahr 1997 ist es aus narrativer Sicht nicht weit bis zum jüngsten Abenteuer, und ja, auch aktuell sieht man anhand des Skripts, dass David Koepp zwar damit beauftragt wurde, sich selbst eine neue, weitestgehend originäre Geschichte aus den Rippen zu leiern, diesem aber nicht wirklich viel anderes einfiel als das, was er ohnehin schon geschrieben hat.

Wir haben eine Insel, eine verbotene Zone, wir haben ein Team waghalsiger Abenteurer, die der Mammon lockt. Wir haben eine Familie, die natürlich nicht sterben darf, denn Universal Pictures ist ein familienfreundliches Studio und will niemanden verstören. Diese Familie kommt, wie seinerzeit die Kids im Original, unfreiwillig zum Handkuss und muss zwischen Faszination für das Urtümliche und Todesangst die Grenzerfahrung ihres Lebens bestreiten, während das Schicksal auf ihrer Seite steht. In der Jurassic World herrscht schließlich ein gerechter Dino-Gott, der die Moral predigt und die Niederträchtigen bestraft, während sogar jene überleben, die sich zu opfern bereit sind. Somit ist von Anfang an klar, wer heil bleibt und wer sterben wird. Koepp und Regie-Visionär Gareth Edwards würfeln die Spielrunde nicht neu, schon gar nicht bei den Figuren. Diese sind klar positioniert, als wäre eine KI mit allen bisherigen Jurassic Park- oder World-Filmen trainiert worden, nur um Charaktere auszuspucken, die ohne jegliche Grauschattierung so klischeehaft sind, dass sich selbst jene „Redshirts“, die als Dino-Futter auserkoren sind, klar zu erkennen geben. Und das Kind? Klar gibt es das. Und nein: es würde niemals, niemals, NIIIIEMALS gefressen werden. Weil sich der Dino denkt: Ach nööö, Kinder und Hunde (oder Babydinos), die sind tabu, da passe ich mich der gesellschaftlichen Moral des Homo sapiens natürlich an.

All diese Vermutungen werden sich bestätigen. Rechtschaffenheit, Anstand und Ordnung dürfen selbst in einer gesetzlosen, archaischen, wilden Welt wie diese, die so aussieht, als wäre sie Teil einer Hohlwelt im Herzen unseres Planeten (Das Godzilla-vs-Kong-Franchise lässt grüßen), nicht über Bord geworfen werden. Letztlich passiert das zumindest einigen der Abenteurer, die unterwegs sind, um die DNA noch lebender Giganten abzuzapfen, die wiederum in der Medizin, speziell für die des Herzens, pharmazeutische Geschichte schreiben soll. Natürlich ist der windige Auftraggeber (Rupert Friend) von Geldgier durchdrungen, Mahershala Ali als anständiger Kapitän seines Kahns nur dann draufgängerisch, wenn die Kohle stimmt und Scarlett Johansson eine, die zwar auch die Dollarscheine in den Augen hat, aber gerne vom einzigen Wissenschaftler in diesem Team eines Besseren belehrt werden wird. Vieles geht dabei schief; die schiffbrüchige Familie, die vom Mosasaurier attackiert wird, ist auch mit dabei. Alle schlagen sich durch die Botanik, um sich am Ende in einem Star Wars-Crossover wiederzufinden, das eine Dino-Mutation vermuten lässt, die so aussieht, als wäre sie aus Jabbas Palast entkommen.

Die Story ist so dermaßen mau, dass vor allem Johansson, die wohl ihre Rolle der Black Widow vermisst und sich als Lara Croft-Verschnitt daher doppelt gefällt, alle Hände voll zu tun hat, um zumindest der menschlichen Seite ein bisschen mehr Charisma zu entlocken. Was Gareth Edwards (u. a. Rogue One: A Star Wars Story) natürlich wieder sensationell gut hinbekommt, sind die Bildwelten, die Optik, die Wiederbelebung so sagenhaft schöner Wesen wie den Quetzalcoatlus oder den Titanosaurus, auch der Mosa schenkt uns eine atemberaubende Performance. Genau dafür geht man ja schließlich in einen Film wie diesen. Hat man mit Dinos nichts am Hut, sind das verlorene Stunden, so aber kann man sich nicht sattsehen an diesen exotischen Biomassen aus grauer Vorzeit, die mitunter ihre Nester in antike Urwaldtempel platzieren, die Indiana Jones wohl noch untersuchen müsste.

Wenn doch nicht alle so einen Radau machen würden während ihrer Tour of Duty durch den Dschungel einer Insel, die es so gar nicht geben kann. Dank eines mangelnden gesunden Menschenverstands lassen sich diverse Arten blicken, doch letztlich auch viel zu wenige. Jurassic World: Die Wiedergeburt besinnt sich der Anfänge, bleibt auf ausgetretenen Pfaden und fordert sein Publikum keine Sekunde, wenngleich es dem Film gelingt, selbst Offensichtliches so zu inszenieren, dass es zumindest nicht langweilig wird.

Jurassic World: Die Wiedergeburt (2025)

Archiv der Zukunft (2023)

SAMMELN, UM DIE WELT ZU VERSTEHEN

6/10


Archiv_der_Zukunft© 2024 Stadtkino Filmverleih


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2023

REGIE / DREHBUCH / KAMERA: JOERG BURGER

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Es ist ein altehrwürdiger, fast schon heiliger Ort. Ein Prachtbau der Erkenntnis und des Imperativs für Ordnung und Übersicht. Als Ist-Zustand ist diese Ordnung längst nicht erreicht. Es scheint, als spräche aus dem Chaos eine Stimme zu uns, die zum Inhalt hat: Mensch, erkenne!

Die Rede ist vom international renommierten Naturhistorischen Museum in Wien, dass wir vermutlich alle aus unserer Kindheit kennen, wenn so manches rekonstruierte Skelett diverser Dinosaurier auf uns Dreikäsehochs herabgeblickt oder anderes fein säuberlich präparierte Getier uns in Staunen versetzt hat. Mit dem NHM, so die Abkürzung, verbindet mich nicht nur die eigene Kindheit oder die begleitete Kindheit des eigenen Nachwuchses, das in diesen Hallen gerne Stunden voll kindlicher Ehrfurcht verbracht hat. Mit dieser Institution verbindet mich auch mein Werdegang als Grafik-Designer, hatte ich mir doch als abschließendes Thema für meine Diplomarbeit die Corporate Identity selbiger zur Brust genommen. Warum ich damals nicht darauf gekommen war, als visualisiertes Logo vielleicht einen DNA-Strang zu verwenden, bleibt mir ein Rätsel. Stattdessen stellte ich den erkennenden Menschen als nacktes, kleines, sich windendes barockes Lebewesen in den Mittelpunkt, entnommen aus dem Kuppelfries des historistischen Baus, der sich mehr oder weniger selbst sieht, indem er auf das Kunsthistorische blickt, dazwischen Maria Theresia als aufgedonnerte Universalherrscherin.

Archiv der Zukunft blickt hospitierend hinter die Kulissen der Ausstellungssäle und dem, was alle Welt sonst so sieht. Viel wichtiger für diesen Hort des Wissens ist das, was genau dort abgeht, wo niemand sonst vorbeikommt, es sei denn, er bucht eine Führung ins Unterbewusstsein eines bis unter die hohe Decke vollgestopften Gebäudes, um voller Respekt und vielleicht auch mit etwas Verwunderung auf jahrhundertealte Sammlungen zu blicken, die in alten Ladenkästen und Archivboxen vor sich hindämmern und je nach wissenschaftlicher Anfrage von überall auf der ganzen Welt aus dem Schlaf geholt werden. Der Filmemacher Joerg Burger, unter anderem bekannt für das Fotografinnenportrait Elfi Semotan, Photographer, macht Stippvisiten in all die Teilbereiche des Hauses, das geht von Grundlagenforschung über Taxonomie und Taxidermie bis hin zu den Fachbereichen Zoologie, Botanik und Mineralienkunde. Auch für Archäologen ist da einiges dabei, und wenn die kleine, pummelige Gestalt der Venus von Willendorf mit etwas Ähnloichem wie einem MRT-Scanner durchleuchtet wird, so ist das Abenteuer Forschung aus erster Hand. Diese Leidenschaft lässt sich schon auch erspüren, obwohl Burger eher nüchtern an die Sache herangeht. Er selbst beobachtet und stellt Fragen, die wir nicht hören. Es ist ihm auch nicht wichtig, wer in seinem Film zu Wort kommt, man kann sich schließlich denken, dass Gelehrte es sind, die über ihr Tun referieren. Manches davon ist hochkonzentrierte Büroarbeit, es sind mitunter staubtrockene, monotone Arbeiten, zum Wohle der Allgemeinheit und der Ordnung, die nicht mal ansatzweise geschaffen wurde, sind doch über Jahrhunderte hinweg Naturalien mehr oder weniger respektlos in diverse Sammlungen verbannt worden, die erst jetzt so richtig gesichtet werden. Das Chaos regiert die Forschung, die Forschung stemmt sich dem nicht enden wollenden Hinabrollen des Felsens von Sisyphos entgegen, und auch wenn viele da hinter ihren vollgestopften Schreibtischen an einen Strang ziehen – es wird nicht weniger.

Die Natur hat viel zu bieten, erklärt Burger, ohne es zu erwähnen. Und für jedes Fachgebiet lässt sich eine gewisse Faszination lukrieren. Es ist das Entdecken und Begreifen, das so glücklich macht, und tatsächlich wirken Burgers Gesprächspartnerinnen und -partner freudig-entspannt, jedoch nicht begeistert. Das monotone Klassifizieren ist eine Sache, die andere ist der rote Faden des Films, wenn es darum geht, das Skelett eines Dinosauriers zu rekonstruieren und so aufzubereiten, dass er im Schauraum auch die Jüngsten abholen kann. Mit moderner Technik lässt sich vieles hinkriegen, was früher unmöglich war oder länger gebraucht hätte. Ein 3D-Drucker scheibt unter Ächzen einen ganzen Dino-Schädel aus dem Rechner. Vieles jedoch bleibt analog und mutet an wie vor hundert Jahren, wenn Feldforscher ihre Bälger beschriften, fein säuberlich auf ein Stückchen Papier, auf dass es im Laufe der Jahrzehnte genauso eine Patina trägt wie jene, die noch zu Kaiserszeiten hingefriemelt wurden.

Archiv der Zukunft gibt Einblick und Rückblick, macht auch nicht davor Halt, sich selbst und seine Geschichte kritisch zu betrachten und Unbequemes zu erwähnen. Das Lamento über ein viel zu knappes Budget fällt immer und immer wieder, es ist, als wäre Burgers Film ein Spendenaufruf an alle oder gar eine Botschaft ans Ministerium für Wissenschaft und Bildung. Dazwischen wird weiter emsig geputzt, gereinigt und klassifiziert. Mit der Zeit wird auch dieser Blick hinter die Kulissen von einer staubigen, nach Spiritus, Kalk und Papier riechenden Trockenheit heimgesucht. Viel Pepp hat Archiv der Zukunft nicht. Es zeigt, was es zeigt, manchmal gar zu wenig, und filmisch betrachtet ist der andere Blick, den Filmemacher ihrem Werk zugestehen, hier nicht von Wert. Sein Einblick in ein Museum von Welt gerät manchmal zur Diashow, und dann wieder zum nüchternen Lehrfilm mit wenigen Extras – fast, als wäre alles eine längst fällige Widmung all derer, die amtlich und ehrenamtlich ihre Zeit und mehr als das investieren, um das prachtvolle Leben rundherum zu beleuchten und wertzuschätzen. Ambitioniert ist das, keine Frage. Und ja, auch recht interessant. Nur den frischen Wind, der durchs Gebäude wehen sollte, lässt Burger außen vor.

Archiv der Zukunft (2023)

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

UND EWIG LOCKT DER THEMENPARK

6/10


jurassicworld_dominion© 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: COLIN TREVORROW

CAST: BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, ISABELLA SERMON, LAURA DERN, SAM NEILL, JEFF GOLDBLUM, DEWANDA WISE, CAMPBELL SCOTT, MAMOUDOU ATHIE, OMAR SY, SCOTT HAZE U. A.

LÄNGE: 2 STD 28 MIN


Es ist auch schon wieder knapp dreißig Jahre her, seit Laura Dern, Jeff Goldblum und Sam Neill vor dem heranpirschenden Tyrannosaurus rex im offenen Jeep das Weite gesucht hatten. Steven Spielberg konnte mit diesem Einstand tatsächlich das Kino verändern, allein dafür zählt er zu den wichtigsten Regisseuren der Filmgeschichte. Die Dinos im Kino waren ein Erlebnis – und sind es noch. Das kitzelt das Kind in jedem Manne hervor, und man schalt sich selbst dafür, die eigenen Plastiksaurier irgendwann mal billig auf dem Pfarrflohmarkt verhökert zu haben. Als Kind hätte man sich gewünscht, dass Urzeitriesen tatsächlich noch existieren würden – in friedlicher Nachbarschaft mit uns Menschen, die nicht auf dem Speiseplan sämtlicher Prädatoren stünden.

So eine ähnliche Vision ist nun, im sechsten Teil der ganzen Franchise, Wirklichkeit geworden, und John Hammond, der kauzige DNA-Weihnachtsmann mit Gehstock, hätte wohl die Hände zusammengeschlagen, wenn er noch gesehen hätte, was sein wissenschaftlicher Ehrgeiz letzten Endes losgetreten hat und vor welchem ökologischen Supergau die Welt heute steht, irgendwo in einem alternativen Universum, in dem passiert ist, was eben passieren muss, sofern wir der Chaos-Theorie laut Dr. Ian Malcolm Glauben schenken wollen: Die Natur findet seinen Weg. So viele Faktoren, die ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen, können vom noch so statistisch versierten menschlichen Superhirn gar nicht allesamt berücksichtigt werden. Statt Corona sind es nun die Urzeitechsen aus allen Epochen des Mesozoikums, die sich parthenogenetisch fortpflanzen und so ihr Überleben sichern, vielleicht gar das Überleben über die Existenz des um Kontrolle ringenden Menschen hinaus.

Mit dieser Dystopie – oder Utopie (je nachdem von welchem Blickwinkel aus man es betrachtet) konnte Regisseur und Drehbuchautor Colin Trevorrow gut arbeiten. Was Jurassic World: Ein neues Zeitalter hier grundlegend zeigt, ist das Was wäre wenn-Szenario einer unmöglichen Koexistenz. So sehr dem ganzen Konzept auch aus wissenschaftlicher Sicht der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann (und das war, wenn man es genauer betrachtet, von Anbeginn an so), lässt dieses tendenziell triviale Wünschdirwas für Saurierfans sein Publikum erst dann so richtig staunen, wenn in einen für uns gewohnten Alltag plötzlich die Erdgeschichte bricht, unter tonnenschwerem Gestampfe und leider nervigem, weil unentwegtem Brüllen. Denn die Dinos in Jurassic World sind Attraktionen und selten lebendiger Teil eines nicht mehr vorhandenen Ökosystems – Pop-Ups mit Event-Knopf auf einem Themenpark, dessen Pforten seit 1993 immer noch offen stehen. Dieser Film hier zieht einen vorläufigen Schlussstrich unter einer so langen Zeit des Rennens, Rettens und Flüchtens. Alles, was gut und brauchbar war, findet hier wieder sein aufgedröseltes Ende, eben auch die gut in Form gebliebenen Altstars und die Helden Bryce Dallas Howard und Chris Pratt.

Da das Franchise sehr stark darauf ausgerichtet ist, die Masse zu begeistern, gibt’s auch keine vielen Überraschungen. Alles passiert abermals. Mit „more of the same“ bereiten zweieinhalb Stunden Abenteuer durchaus Vergnügen, auch wenn der Bonbon bis zum weichen Kern durchgelutscht scheint. Vom Wow-Moment aus Spielbergs Erstling sind wir meilenweit entfernt, doch zum Abklatsch verkommt das Grande Finale dann doch auch nicht. Die Liebe zum Stoff steckt eben im Detail. Wenn Pratt und Howard den maltesischen Schwarzmarkt fürs Dinos entern, findet Jurassic World: Ein neues Zeitalter zivilisationskritische, ja durchaus düstere Bilder und gelangt zu einer knackigen dramaturgischen Dichte, die an Mission: Impossible erinnert, nur mit dem Unterschied, dass hier nicht ab Abzüge, sondern Raptoren klicken.

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

Ammonite

WAS IM VERBORGENEN LIEGT 

7/10


ammonite© 2021 Tobis


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2020

BUCH / REGIE: FRANCIS LEE

CAST: KATE WINSLET, SAOIRSE RONAN, GEMMA JONES, FIONA SHAW, JAMES MCARDLE, ALEC SECAREANU U. A. 

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


Das Suchen in und zwischen den Steinen nach fossilen Zeitzeugen hat zweifelsohne Suchtpotenzial. Es ist wie das Finden von Schätzen, die keiner vergraben hat. Aus eigener Erfahrung reicht es schon zum Freudentaumel, beim Aufklopfen alter Schiefertafeln fossile Schlangensterne zu entdecken. Wie muss es wohl Mary Anning ergangen sein, einer Hobby-Paläontologin aus Lyme Regis an der Südküste Englands? Für sie waren Schlangensterne wohl eher nur Beiwerk, während sie bereits mit 12 Jahren den Schädel eines Ichthyosauriers freilegen konnte. Wenig später wurde das Relikt im British Museum ausgestellt. Und so ging es weiter. Suchen, ausgraben, freilegen, präparieren. Von Ammoniten über Schnecken- und Muschelschalen bis zu anderen Wirbeltieren, die da an den Klippen des Küstenstrichs nur noch auf ihre Entnahme warteten. Und es sicherlich auch heute noch tun.

Doch um wissenschaftliche Sensationen geht es in Ammonite von Francis Lee natürlich nur peripher. Genauso wenig, wie das britische Archäologendrama Die Ausgrabung vorrangig vom Freilegen eines Wikingerschiffs erzählt. Viel eher gehen diese Filme auch der Frage nach: wie sieht das Gefühlsleben von Leuten aus, deren Bestimmung im Entdecken und dem Streben nach Wissen liegt? Bei Mary Anning, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tatsächlich gelebt hat, liegt dieses Tun aber auch in einer gewissen Notwendigkeit. Lees Film nimmt an, dass sie mit sich, ihrer Mutter und ihren Versteinerungen einem gewohnten sozialen Umfeld ferngeblieben war. Könnte so sein, weiß man aber nicht. Auch ist die Beziehung zwischen Anning und der Gattin des Paläontologen Roderick Murchison ein Umstand, der anscheinend frei erfunden wurde. Da es hier in erster Linie nicht um eine biographische Aufarbeitung von Annings Leben geht, sondern vielmehr um die Darstellung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, hat Ammonite ganz andere Ambitionen.

Murchison, ein großer Fan von Annings Arbeit, bittet diese, für einige Zeit auf seine psychisch labile Gattin Charlotte aufzupassen, die an der guten Meeresluft zu neuen Kräften kommen soll. Anning selbst, als mürrische, unnahbare, schroffe Person dargestellt, gibt trotz großzügiger finanzieller Entschädigung widerwillig, aber doch, dem Ansinnen nach. Entsprechend gereizt und angespannt ist die Situation auch zwischen den beiden Frauen, doch als die blasse junge Dame plötzlich erkrankt, ändert sich alles.

Wer sich noch an Jane Campions Meisterwerk Das Piano erinnern kann, dürfte erahnen können, welche Melancholie und naturalistische Opulenz Ammonite aufweisen könnte. Für Kameramann Stéphane Fontaine, der zu Jacques Audiards Filmteam zählt, sind die Kostüme der Spätromantik, das Wetter als Äußerung unberechenbarer Gefühlsregungen und die Gezeiten ein scheinbar grenzenloser Spielraum für bewegte Close Ups, Interieur im Kerzenlicht und der Inhärenz einer ruhelosen, neugierigen, spontanen Natur. Käfer und Krabben queren so manche Szenen, der feine Staub beim Präparieren der alten Knochen durchsetzt die Luft. Es ist ein Film aus einem Zeitalter, in dem Naturwissenschaften alle Welt verblüffen und begeistern konnte. Dazwischen aber etwas, das gar nicht in die Zeit passt: eine Liebe zwischen zwei Frauen. Dabei errichtet Kate Winslet in mimischer Feinarbeit, mit zaghaften Blicken und nur ganz selten einem Heben der Mundwinkel das Portrait einer verschlossenen, gekränkten und schwierigen Person, mit Mut zu unvorteilhaftem, ungefälligem Gebaren. Saoirse Ronan, sowieso meist eine Offenbarung in ihrem Spiel, darf auch hier wieder jene Rollen aus der Gesellschaftshistorie interpretieren, wofür sie so geeignet ist. Ronan ist gleichsam aufgeschlossen, provokant, aber auch ganz dem Zeitbild entsprechend. Zündstoff, der aus reiner Zuneigung mehr macht. Dieses vorsichtige Herantasten zwischen Spitzenmode, der Freigiebigkeit einer erzählerischen Natur und nackter Haut gerät zum gemäldegleichen, geschmackvollen Historienfilm, der biographische Aspekte mit queerer Progressivität verknüpft.

Ammonite