Der phönizische Meisterstreich (2025)

GESCHÄFTSGESPRÄCHE IM PUPPENHAUS

4/10


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ORIGINALTITEL: THE PHOENICIAN SCHEME

LAND / JAHR: USA, DEUTSCHLAND 2025

REGIE: WES ANDERSON

DREHBUCH: WES ANDERSON, ROMAN COPPOLA

CAST: BENICIO DEL TORO, MIA THREAPLETON, MICHAEL CERA, SCARLETT JOHANSSON, TOM HANKS, BRYAN CRANSTON, MATHIEU AMALRIC, BENEDICT CUMBERBATCH, RUPERT FRIEND, RIZ AHMED, BILL MURRAY, CHARLOTTE GAINSBOURG, JOHANNES KRISCH, KARL MARKOVICS, IMAD MARDNLI U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Es kommt nicht oft vor, dass man abseits inszenierter Gala-Filmpremieren gemeinsam mit Schauspielern im Kino sitzt, die im gerade gezeigten Film vorkommen. Auch wenn der renommierte österreichische Schauspieler Johannes Krisch nur eine winzig kleine Nebenrolle bekleiden durfte, stach diese doch aufgrund ihres leuchtend roten Ornats aus mancher Szene heraus und zog die Blicke, die normalerweise Scarlett Johansson gegolten hätten, auf sich. Und nicht nur er stand auf der Ensembleliste von Wes Anderson, auch Karl Markovics war wieder mit dabei, versteckt in einer schwarzweißen Szene, die zwischen Leben und Tod einen Mann vorführt, der sich laut Andersons Drehbuch Zsa-Zsa Korda nennt und Zeit seines Lebens auf wüste Weise die Weltwirtschaft durcheinandergebracht hat, ungefähr so wie Donald Trump eben jetzt, nur vielleicht etwas charmanter, weniger Vorschlaghammer.

Dieser Zsa-Zsa steht in der Gunst der Schicksalsgötter, denn die lassen ihn auch nach zahlreichen Attentatsversuchen nicht und nicht über die Klinge springen. Was dieses Glück im Unglück aber bei diesem Mann von Welt ausgelöst hat, ist eine Art Besinnung, die ihn an seine wohl einzige Tochter denken lässt, eine Novizin namens Liesl, gespielt von Kate Winslets Tochter Mia Threapleton. Im Film darf sie das Erbe von Benicio del Toro antreten, allerdings nur probehalber. Was beide nicht wissen: Ein Vereinigung, die sich Excalibur nennt, will dem Geschäftsmann seinen wirtschaftlichen Erfolg madig machen, indem sie durch Preisabsprachen sämtliche Projekte in Phönizien sabotieren. Wer jetzt schon das müde Augen bekommt, kann sich gleich auch noch den Polster richten: Es wird noch viel unspannender.

Das Schwinden der Lust am Detail

Dabei geht es um ein Preisgefälle und eine gewaltige Finanzierungslücke. Investoren müssen umgestimmt und dazu bewogen werden, mehr zu zahlen. Und so weiter und sofort, alles natürlich in penibel arrangierten Puppenhaus-Settings, die auch im Hintergrund nichts dem Zufall überlassen. Diese Bildwelten kennen wir bereits zur Genüge, nur hier und da lässt sich Anderson zu einer bewegteren Bildsprache hinreissen. Anders als seine Kurzfilme (u. a. Ich sehe was, was du nicht siehst), die zu Pop-Up-Bilderbüchern erstarrt sind, ist Der phönizische Meisterstreich zumindest eine Arbeit, die an ihrem Anspruch zu ermüden scheint und längst nicht mehr so akkurat das Lineal durchs Bild zieht wie in anderen Werken. Asteroid City aus 2023 ist da noch pastelliges Manifest, da sehnt man sich mit Heißhunger nach harten Kontrasten. Dieser Film hier, so hat man den Eindruck, will aus seinem zur Genüge rezitierten Dogma ausbrechen, hin und wieder passiert das auch und rekapituliert frühere Filme wie Darjeeling Limited. Und dennoch: Worauf der Fankreis wartet, muss eintreten. Wes Anderson wird zu seinem eigenen, gefälligen Manieristen, der längst nicht so penibel alles einsortiert wie er selbst zu seinen besten Zeiten, als diese seine Welten ob des Vintage-Avantgardismus noch ein Staunen wert waren.

Immer noch stehen die Stars des Films alle Schlange wie an einem Sommertag vor dem hippen Bio-Eisladen mit fünf Euro pro Kugel. Von Tom Hanks über Bryan Cranston, Benedict Cumberbatch, Michael Cera, Matthieu Amalric und sogar Charlotte Gainsbourg sind sie alle da und geben sich die Klinke in die Hand für ulkige Kurzauftritte in einer Geschichte, die nicht viel mehr Reibung erzeugt als der frisierte Geschäftsbericht eines Superunternehmers. Wen interessieren schon Finanzierungsverhandlungen, auch, wenn sie bunt und schön und dekorativ ins Bild gesetzt werden? Mich jedenfalls nicht.

Der phönizische Meisterstreich (2025)

Glass Onion: A Knives Out Mystery

WER IM GLASHAUS SITZT

6/10


glassonion© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: RIAN JOHNSON

CAST: DANIEL CRAIG, JANELLE MONÁE, EDWARD NORTON, DAVE BAUTISTA, KATE HUDSON, KATHRYN HAHN, LESLIE ODOM JR., MADELYN CLINE, JESSICA HENWICK, NOAH SEGAN, ETHAN HAWKE, HUGH GRANT U. A. 

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


Mit Rian Johnsons Whodunit Knives Out hätte Krimigöttin Agatha Christie eine Riesenfreude gehabt, war der doch ganz im Stile ihrer eigenen Fälle konzipiert, die manchmal so undurchschaubar waren, dass man sich als Leser nur noch wundern konnte, warum man auf die Wahrheiten dahinter nicht schon eher gestoßen war. Christie hat ihre kriminalistischen Abenteuer stets so verwoben, dass die Indizien und Verdachtsfälle in munterer Geistesgegenwart die richtigen Haken schlugen, ohne zu weit auszuholen. Johnson ist mit Knives Out genau diesen Anweisungen – oder anders gesagt: dem Stil des überschaubaren Kreises üblicher Verdächtiger – gefolgt. Das Ergebnis war von Christopher Plummer über Don Johnson bis Ana de Armas der illustre Reigen eines familiären Tohuwabohus, inmitten dieses Sturms im Herrenhaus Daniel Craig als moderner Hercule Poirot, genannt Benoit Blanc. Mit französischem Namen, aber ohne französischem Akzent. Für seine charmante, eloquente und auch zurückhaltende Art hat er sich wohl vom Gehirnakrobaten aus Belgien inspirieren lassen, den mittlerweile Kenneth Branagh in ganz anderen Filmen sehr solide nachinterpretiert. Blanc ist einer aus der Gegenwart. Ein bisschen wie Sherlock Holmes am Verzweifeln, wenn keine neuen Fälle eintrudeln. Von James Bond fehlt jede Spur.  

Und so wird Benoit Blanc in seinem zweiten Fall auf die Insel eines unanständig reichen Superreichen a la Elon Musk geladen, der mit seinen engsten Vertrauten ein luxuriöses Wochenende zu verbringen gedenkt, das noch dazu mit einem netten Cluedo-Spiel aufgepeppt werden soll, übertragen auf das Anwesen und all die netten Gäste. Was diesen Miles Bron am meisten überrascht, ist das Erscheinen seiner längst aufs Abstellgleis des Erfolges verfrachteten Business-Partnerin Andi, die ebenfalls eine dieser verzwickten Rätsel-Einladungen in Form einer Box erhalten hat. Dass Benoit Blanc auch noch aufschlägt, war im Gegensatz dazu überhaupt nicht vorgesehen. Doch der ist nun mal hier, und schon bald, nachdem alle ihre Ambitionen anhand langer Gespräche dargelegt haben, kommt es zum verhängnisvollen abendlichen Umtrunk. Einer streckt die Patschen, und es ist nicht der Hausherr, welcher im Spiel eigentlich das Opfer sein sollte.  

Rian Johnson setzt zu Beginn seines Glamour-Krimis die richtigen Hebel in Bewegung. Das Böse unter der Sonne lauert anfangs überall, wir haben das Mittelmeer, Leinenhosen umspielen Daniel Craigs Beine, Kate Hudson trägt einen breiten Sonnenhut wie seinerzeit Diana Rigg unter Guy Hamiltons Regie. Janelle Monáe (u. a. Moonlight, Harriet) unterstreicht ihre stoische Mimik mit flaschenbodengroßen Sonnengläsern. Während Dave Bautista, unser geliebter Drax aus dem Marvel-Kosmos, hier völlig aus der Agatha Christie-Reihe tanzt. Als tätowierter Youtube-Hüne ist er mit von der Partie und bringt das ganze Sammelsurium aus Motiven, Indizien und Manierismen auf einen etwas anderen Kurs. Und endlich – endlich darf Edward Norton wieder mal aus dem Nebenrollenschatten diverser Wes Anderson-Filme heraustreten und eine größere Rolle spielen, die ihm formidabel zu Gesicht steht. Als reicher Schnösel geht er problemlos durch, vielleicht spielt er sich auch ein bisschen selbst, ist doch klar, wie wenig umgänglich der Star hinter den Kulissen agieren kann.

Mit all diesem Potenzial sollte Johnson ein ähnlicher Spaß gelingen wie bei seinem Franchise-Kick Off. Und ja, es sieht alles danach aus. Die Charaktere sind wohlpositioniert, alle haben ihre Hühnchen, die sie mit Edward Norton rupfen wollen. Die Sonne brennt heiß, das Anwesen ist unübersichtlich genug, um zündende Mystery darin zu verstecken. Was für ein Filmabend, könnte man meinen. Und dann holt Johnson aus. Sehr weit, viel zu weit. Wie beim Stabhochsprung wuchtet er sich über die dramaturgische Latte, unter welcher kompaktes Rätselraten garantiert scheint – und ufert aus. Mit Rückblenden, die viel zu lange dauern, verwässert Glass Onion – A Knives Out Mystery seine Mitgefangen-Mitgehangen-Regel zu sehr, um seinen anfänglichen Suspense zu halten. Story Twists werden viel zu früh platziert, all die Motive der einzelnen Figuren so sehr ausgewalzt, als ginge es längst nicht mehr darum, einen Mord aufzuklären. Das ist nur bedingt interessant, wohingegen Mona Lisas Lächeln, das einmal hinter Panzerglas und dann wieder ohne erstrahlt, einen netten Sidekick ergibt, der für die Story aber ungenutzt bleibt. Genauso wenig wie manches Detail am Rande, dass mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. So ist schnell klar, worauf der Krimi, der nur noch zur Nebensache wird, hinausläuft. Und Benoit Blanc, der kann nicht viel mehr tun als seine Indizien-Rede zu schwingen und zuzusehen, wie sich die erfolgsverwöhnte Elite untereinander aufreibt. Genau das ist schließlich sehenswert, während die Hatz nach der Mörderin oder dem Mörder hinter dem Horizont des Mittelmeeres entschwindet.

Glass Onion: A Knives Out Mystery