Night Teeth

ZÄHNEFLETSCHEN AM RÜCKSITZ

5,5/10


nightteeth© 2021 Netflix

LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: ADAM RANDALL

CAST: JORGE LENDEBORG JR., DEBBY RYAN, LUCY FRY, ALFIE ALLEN, RAÚL CASTILLO, ALEXANDER LUDWIG, MEGAN FOX U. A. 

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Längst sind sie da, wir wissen es nur nicht: Vampire – verfluchte Untote mit Stil, Tischmanieren und Intellekt.Urvater Dracula legt natürlich die Latte hoch. Der war schließlich ein Graf und klug genug, sich stets Vorteile zu verschaffen. Oder eben Kompromisse einzugehen. So einen Pakt schlossen in diesem erst kürzlich auf Netflix veröffentlichten Eckzahn-Thriller Blutsauger mit Menschen bereits schon vor 100 Jahren. Bislang haben sich noch beide Parteien an die Abmachungen gehalten, ganz nach dem Motto: du kommst mir nicht in die Quere, und ich dir nicht. Und ja, wir wissen auch – es reicht immer ein Einzelner, um das ganze mühsam errichtete Gefüge zum Einsturz zu bringen. Dieser Einzelne ist Vampir Victor, der sich als möglicher Clanleader hintergangen fühlt und aus Trotz und Eitelkeit gleich die ganze Stadt übernehmen will. Hierfür schickt er zwei seiner Mädels in den nächtlichen Großstadtdschungel, um den partyfeiernden, blutschlürfenden Pöbel, der ihm in die Quere kommen könnte, auszumerzen. Die wiederum buchen dafür einen Chauffeur, der zufällig auch den Menschenclan vertritt: der Mexikaner Jay. Dumm nur, dass Jay an diesem Abend ganz andere Termine wahrnehmen muss, währen der kleine Bruder Benny die ganze rote Blutsuppe alleine auslöffeln muss, sehr zu seinem Missfallen.

Bei Night Teeth schien man wohl recht unschlüssig, für welches Zielpublikum diese teils handzahme, teils ganz vergnügliche, teils ein bisschen blutige Neu- und Uminterpretation von Michael Manns Taxi-Thriller Collateral mit Tom Cruise wohl geeignet sein kann. In diesem Bemühen, das breite Spektrum der Young-Adults abzudecken, gerät der Film in eine unausgegorene Zwangslage: nämlich dem Wunsch, zu zeigen, was man nicht zeigen darf, auf unwillige, aber resignative Weise zu wiederstehen. Ach würde man doch den Blutkonsum so ausufernd zelebrieren können wie im handfesten Reißer Daybreakers oder im eiskalten Polarnacht-Horror 30 Days of Night. Zumindest aber dürfen Vampire ihrem klassischen Steckbrief mehr entsprechen als die im Sonnenlicht glitzernden Convenience-Vampire aus Twilight. Bis heute lässt sich diese Blutverdünnung nur schwer verzeihen.

Die beiden Darstellerinnen Debby Ryan (Letztendlich sind wir dem Universum egal) und Lucy Fr, die bereits mit Vampire Academy Erfahrung im Blutsaugergenre sammeln konnte, schwören auf ihre zudringlichen Skills und präsentieren auch auf recht elegante Weise ihren Bonus an der Kauleiste. Ihre Rollen verkörpern sie tatsächlich mit Spaß am Spiel, irgendwo zwischen Joss Whedons Buffyverse und Teenieromanze. Fragen wie: Was würdest du tun, wenn es deine letzte Nacht wäre, kokettieren mit Zweideutigkeiten und lenken das urbane Roadmovie in die entsprechende Richtung. Wuschelkopf Jorge Lendeborg (Bumblebee) tut was er kann, um verzweifelt zu wirken, während er versucht, den Mut eines Slackers aus dem Hut zu zaubern. Das Dreieck stimmt, alles andere ist halbgar, vom Lack- und Lederfetischismus aus den Underworld-Filmen gibt es keine Spur, denn die Vampire, die haben sich eben noch besser in den Alltag integriert als in Beckinsales strenger Kammer. Vieles sonst scheint fehlbesetzt, wie zum Beispiel Alfie Allen, der gerne die Rolle mit Megan Fox hätte tauschen sollen. Ihr überraschend kurzer, schicker Cameo enthält das Potenzial für einen ganzen Film. Sie als Endgegnerin hätte man als Gutmensch zwar nicht haben wollen, wäre aber für die Qualität des Films die bessere Option gewesen.

Night Teeth

Blood Red Sky

NOSFERATU FLIEGT ECONOMY

5,5/10


bloodredsky2© 2021 Netflix


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

REGIE: PETER THORWARTH

CAST: PERI BAUMEISTER, CARL ANTON KOCH, ALEXANDER SCHEER, KAIS SETTI, DOMINIC PURCELL, ROLAND MØLLER, GRAHAM MCTAVISH U. A.

LÄNGE: 2 STD 3 MIN


So eine Anreise mit dem Flugzeug ist oft langwierig, vor allem, wenn man von Europa aus nach Übersee will. Ereignisreich ist was anderes, es sei denn, man hat Flugangst, was natürlich nichts ist, was sich auszuleben lohnt. Während man also im Halbschlaf auf Stand-by verweilt, bleibt genug Gelegenheit, darüber nachzusinnieren, was in einem Flieger, kilometerhoch über den Wolken, sonst noch alles passieren könnte. Wie wär’s zum Beispiel mit Snakes on a Plane? Samuel L. Jackson weiß nun, wie sich hochgiftige Reptilien fern ihres Habitats nicht zu benehmen wissen. Terroristen on a Plane ist leider ein allzu realistisches Szenario, da denkt man lieber gleich weiter und wünscht sich Liam Neeson dazu – Non-Stop gefällig? Zombies fahren da lieber Zug (Train to Busan), doch wie wäre es mit Vampiren, die nach einer Bloody Mary in der Economy Class plötzlich unruhig werden? Guillermo del Toro und Chuck Hogan lassen ihre Vampirsaga The Strain ebenfalls in einem Flugzeug beginnen, doch dieses war da schon am Boden. In Blood Red Sky können wir, exklusiv auf Netflix, den ganzen Flug hautnah miterleben. Und wie es ist, nicht auszukönnen, wenn die Blutgier keine Klassenunterschiede mehr macht.

Im Zentrum des recht geradlinigen Geschehens steht Nadja – natürlich eine Vampirin, die aber immer noch die Pflichten einer Mutter lebt. An ihrer Seite ein kleiner Junge, der über Mamas Befinden natürlich Bescheid weiß. Nadja durchlebt dank spezieller Medikamente, die das Böse unterdrücken, ein halbwegs normales Leben, doch auf Dauer kann das so nicht weitergehen. In den USA verspricht ein Experte neue Hoffnung – also alles zusammenpacken und rein in den Flieger. Nur: so viel Pech muss man mal haben. Dieser Transatlantikflug wird von einer duschgeknallten Räuberbande übernommen, die mit dem Absturz der Maschine über London die Börsenkurse durcheinanderbringen und damit groß absahnen will. Alle Hausaufgaben haben die Jungs allerdings nicht gemacht, die eigenen Leute schießen buchstäblich quer – und entfesseln in Nadja ihr dunkles Geheimnis.

Voller Ungeduld wartet der Zuschauer natürlich auf das Hereinbrechen der panikmachenden Ausnahmesituation, die Motivation hinter jedem Katastrophenfilm. Viel anders als bei allen anderen Filmen, in denen es um entführte Flugzeuge geht, läuft dieses Szenario auch nicht ab. Bis eben Peri Baumeister, deren Schicksal in knackigen Rückblenden aufgearbeitet wird, ihre entsprechende Wandlung durchmacht und plötzlich so aussieht wie Max Schreck aus Nosferatu. Die Maske hat ganze Arbeit geleistet. Das Aussehen, kombiniert mit dem expressiven Gebaren eines solchen Dämons, der – halb Tier, halb Mensch – fauchend und zähnefletschend durch die schmalen Gänge tigert, ist die eigentliche Attraktion des von Peter Thorwarth inszenierten Horror-Actionthrillers, um dessen Realisierung dieser eine gefühlte Ewigkeit lang werben hat müssen. Weder hat, wie versprochen, Universal den Film unter seine Fittiche genommen, noch hat die Covid-Krise die Umsetzung des Projekts in die Gänge gebracht. Letzten Endes hat sich Netflix erbarmt, und nach vielem Hin und Her ist Thorwarths Herzensprojekt endlich Wirklichkeit geworden.

Die Idee ist ja prinzipiell eine gute – sieht auch hübsch aus, und das Volk der Nacht darf sich auch ausgiebigst am menschlichen Buffet gütlich tun. Wirklich auf Zug ist Blood Red Sky aber nicht inszeniert. Zu fahrig und zwischendurch in seiner Spannungskurve absackend, scheint sich der Plot des Reißers immer wieder neu orientieren zu müssen, so, als hätte er die Übersicht verloren. Der Horror gerät ins Stocken, ergötzt sich manchmal zu viel an blutverschmierten Mündern, und dann fragt man sich gar, wo denn Buffy eigentlich bleibt. Doch wie auch immer: Thorwarth führt seinen Flug der Verdammnis dann doch noch souverän bis an sein wie auch immer geartetes Ziel, und Peri Baumeisters so monströses wie verschrecktes Konterfei bleibt nachhaltig, aber interessanterweise nicht unangenehm, in Erinnerung.

Blood Red Sky

Vampires vs. the Bronx

UNSERE TEUFLISCHEN NACHBARN

3/10


vampiresvsthebronx© 2020 Netflix


LAND: USA 2020

REGIE: OSMANY RODRIGUEZ

CAST: JADEN MICHAEL, GERALD W. JONES III, GREGORY DIAZ IV, COCO JONES, SHEA WHIGHAM, SARAH GADON,  U. A. 

LÄNGE: 1 STD 25 MIN


Halloween naht, das macht sich überall bemerkbar. Auch Netflix hat da wohl recht vorausschauend damit angefangen, sämtliches mitunter auch familientaugliches Material an Grusel und wohlig schauriger Fantasy ins Sortiment zu quetschen, was gerade bei drei nicht bei anderen Anbietern gelandet ist. Manches hat Netflix auch bestellt, und wie es scheint auch nur, um ein saisonmäßiges Angebot zu selektieren, dass Jung und Alt auf die Nacht der Toten einstimmt. Vampires vs. The Bronx ist schon etwas länger im Sortiment, ist ein urbanes Teenie-Abenteuer und versucht, mit dem Stranger Things-Konzept – nerdige Jungspunde treten gegen das Unerklärliche, Metaphysische an – das Prädikat „sehenswert“ zu erhalten. Allein: dieser Film ist alles andere als das.

Schon klar, das Minderheiten-Konzept geht bei Netflix voll auf – das ist schön. Wir haben hier sämtliche Kids mit Migrationshintergrund – in der Bronx genauso wie in den Vororten von Paris. Und wir haben auch eine Handvoll schräger Erwachsener, die eindeutig nicht von hier sind und seltsamerweise nur bei Dunkelheit das Haus verlassen. Was kann da wohl dran sein? Ein weiteres Indiz: diese Fremden arbeiten für Murnau, einer Immobiliengesellschaft, die ganze Straßenstriche des Grätzels aufkauft – um sie wiederzuverkaufen. Gentrifizierung nennt man das, aber die geht womöglich nach hinten los. Denn die Kids, die merken bald, dass mit den spitzzahnigen Untoten etwas in ihrer Nachbarschaft sickert, das ungesunde Folgen haben könnte. Da fragt sich natürlich: Wo bleibt Buffy, the Vampire Slayer? Denn das hier wäre genau ihr Fall. Leider nebbich, ist das falsche Universum. Also müssen die Freunde selber ran, mit Knoblauch, Holzpflöcken und was das Handbuch für Vampire sonst noch so hergibt.

Obwohl die Dämonen hier recht bissfreudig sind – Vampires vs. The Bronx fehlt es an Biss, und zwar an allen Eck- und Durchhäusern. Das größte Problem ist die Dynamik. Es will nichts so recht in die Gänge kommen, das Drehbuch wirkt unausgegoren und provisorisch, wie die Vorfassung eines viel besseren Films. Schauspielerisch hangeln sich die Jungdarsteller von Textzeile zu Textzeile, anfangs wird Zoe Saldana in einem Cameo noch vor ihrem namentlichen Erscheinen im Vorspann verheizt, und der schiefnasige Obervampir ist meilenweit von dem Kaliber eines Spike, ebenfalls aus Buffy, entfernt. Sarah Gadon ist die einzige aus dem recht austauschbaren Dramatis Personae, gegen die es wert ist, das Kruzifix unter dem T-Shirt hervorzuholen. Sonst aber bleibt Vampires vs. The Bronx ein schwächelndes Stück vorhersehbare Routinearbeit ohne Nervenkitzel, scheinbar gemacht für wenig Budget und unter Zeitdruck hingehudelt.

Vampires vs. the Bronx

The Last Man on Earth

ÜBERLEBEN HAT SEINEN PRICE

6,5/10

 

lastmanonearth© 1964

 

LAND: USA, ITALIEN 1964

REGIE: SIDNEY SALKCOW, UBALDO RAGONA

CAST: VINCENT PRICE, FRANCA BETTOIA, EMMA DANIELI, GIACOMO ROSSI-STEWART, UMBERTO RAHO U. A. 

 

„Das Virus ist neu, dessen Verhalten gänzlich unbekannt, aber eines ganz gewiss: extrem ansteckend.“ – „Die Labore der Welt arbeiten fieberhaft an einem Gegenmittel“ – „Jeder Verdachtsfall muss gemeldet werden“. Phrasen, die uns irgendwie bekannt vorkommen? So oder sehr ähnlich lassen sich diese Zeilen aus vorliegendem Filmwerk extrahieren, das da heißt: The Last Man on Earth. Der knallharte Höhepunkt des frühlingshaften Lockdowns rief zwangsläufig pessimistische Worst Case-Visionen auf den Plan, mochten sie auch noch so abstrus sein. Natürlich verliert man sich da manchmal gar im Reich der Fantasie, und kurzerhand weckt so manches in diesem Film vage Erinnerungen daran.  Wie zum Beispiel dieses Virus hier, das es nicht dabei belässt, den Exitus herbeizuführen, nein – es verwandelt die Toten in Vampire. Sind es denn Vampire? Nein, eher Zombies. Oder irgendwas dazwischen. Relativ antriebslose Kreaturen von blaugrauer Hautfarbe und satten Ringen unter den Augen, die in untoter Phlegmatik an die Tür von Horrorikone Vincent Price klopfen. Ja genau, dieser Mann hat als einziger die Apokalypse überlebt. Und sich zugegebenermaßen recht kommod arrangiert. Das Haus ist vampirsicher, und die Pflicht des Tages: Vampire töten. Damit macht er unserer geliebten Buffy wirklich ernsthafte Konkurrenz. Jahrzehnte vor Joss Whedons Kultserie hat schon jemand ganz anderer zum Holzpflock gegriffen, um seinem Tagwerk nachzugehen, und damit meine ich nicht Van Helsing. Räumungsdienst Price ackert im Planquadrat die Straßen ab, und all die schlafenden Ungeheuer, die er zu fassen bekommt, werden gepfählt und entsorgt. So weit so trostlos, hat der ältere Herr doch seine ganze Familie zu Grabe getragen, darüber hinaus seine Frau zweimal beerdigt, weil sie zum Wiedergänger wurde.

Zugegeben, all die Momentaufnahmen aus der postapokalyptischen Urbanität mit all den kreuz und quer herumliegenden Toten hat etwas leicht Verstörendes. Und obwohl The Last Man on Earth als typisches B-Movie daherkommt, hat dieses einen gar nicht mal so trivialen Plot. Filmkenner wissen längst: der italienisch-amerikanische Science-Fiction-Grusel basiert auf dem Roman Ich bin Legende von Richard Matheson und – ganz genau – selbiger war auch Vorlage sowohl für den Omega-Mann mit Charlton Heston als auch für den Will Smith-Streifen I Am Legend. Tatsächlich aber trifft der Titel der Buchvorlage viel eher den Charakter des Vincent Price-Erstlings. Und siehe da, nicht nur was die plausible Legendenbildung des einsamen Ordnungshüters betrifft, liegt The Last Man on Earth in seiner Erklärung weiter vorne, sondern auch in der Prämisse des Filmes überhaupt, den ein ganz anderer Zombiefilm sozusagen weiterspinnt: The Girl with all the Gifts.

Ich bin fast versucht, The Last Man on Earth mit all seiner Technicolor-Optik und dem naiven Raumschiff-Enterprise-60er-Kolorit als Trash-Perle zu bezeichnen, die sowohl all die ratlose Panik vor dem Virus vorwegnimmt als auch in seinen Endzeit-Gedanken überraschend konsequent bleibt.

The Last Man on Earth