Das Kanu des Manitu (2025)

SENIORENTELLER FÜR ZIPFELKLATSCHER

5/10


© 2025 Constantin Film


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2025

REGIE: MICHAEL HERBIG

DREHBUCH: MICHAEL HERBIG, CHRISTIAN TRAMITZ, RICK KAVANIAN

KAMERA: ARMIN GOLISANO

CAST: MICHAEL HERBIG, CHRISTIAN TRAMITZ, RICK KAVANIAN, JASMIN SCHWIERS, JESSICA SCHWARZ, FRIEDRICH MÜCKE, SKY DU MONT, DANIEL ZILLMANN, TUTTY TRAN, TOBIAS VAN DIEKEN, PIT BUKOWSKI, AKEEM VAN FLODROP, MERLIN SANDMEYER, WALDEMAR KOBUS U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Erfolgskonzepte soll man nicht verstauben lassen. Das hat sich zuletzt auch Seth McFarlane gedacht und nach sage und schreibe 37 Jahren der Kanone noch einmal die Kleider vom Leib gerissen. Michael Bully Herbig, legendärer Parodist und Spaßmacher, hat sich womöglich ähnliches gedacht und dem Karl May-Ulk Der Schuh des Manitu, wohl erfolgreichster Kinofilm in Geamtdeutschland seit 1968, ein Dacapo beschert. Wann, wenn nicht jetzt, bevor es zu spät ist und sowohl Herbig, Cristian Tramitz und Rick Kavanian zu alt sein würden, um diesen Bullen zu reiten.

Woke und auch wieder nicht

Hier ist es fast schon ein Vierteljahrhundert her, seit man über die kulturelle Aneignung von drei Bayern nicht nur gelacht hat. Dass kein waschechter amerikanischer Indigener die Rolle des Abahatchi verkörpert hat, stieß schon damals manchen sauer auf. Längst wird schon als politisch unkorrekt betrachtet, wenn im jährlichen Faschingsfest im Kindergarten der eine oder andere Federschmuck zwischen Spiderman und Elsa den Franchise-Einheitsbrei unterbricht. Darf man alles nicht, soll man alles nicht? In hypersensiblen Zeiten wie diesen braucht es wieder mehr Akzeptanz. Und keinen pseudomoralischen Separatismus. Im Kanu des Manitu sitzt also ein Ensemble, das sein will, was es sich wünscht, dank der Möglichkeit, zum Apachenhäuptling zu werden, auch wenn kein Apache in den Genen steckt. Diese Lust an der uneuropäisch anderen Geschichte und die ganz andere Kultur ist komödiantischer Liberalismus, den man Michael Herbig nicht vorwerfen kann. Der ist diesmal ohnehin bemüht, keine hohen Wogen entstehen zu lassen, in Anbetracht dessen, dass Komödie vieles, wenn auch nicht alles darf.

Zum Vielen gehören persiflierte Klischees und ein zünftiges dialektbetontes „Servus“ aus dem Munde eines Indigenen, der partout nicht mehr Indianer genannt werden will. Diese zentraleuropäische Begrüßungsformel gilt dem Best Buddy, nämlich Christian Tramitz als Old Shatterhand-Neuauflage. Beide bilden eine Bromance für die Ewigkeit. Eine Freundschaft, die fast schon das Siegel einer langjährigen Ehe verdient, in der kleine Streitigkeiten den Alltag auf die Probe stellen, der eine ohne den anderen aber nicht kann. Diese beiden, seinerzeit Pierre Brice (auch kein Apache) und Lex Parker, bilden das Herzstück einer Fortsetzung, die in den Weiten der Prärie nach griffigen Gags suchen muss. Zugegeben, Der Schuh des Manitu war damals zwar der Blockbuster schlechthin, auf seine Art Deutschlands „weißer Hai“, das Vokabular der Witze aber zumindest für mich nicht ganz so bissfest. Charakter- und Genreparodie ging einher mit Slapstick im Stile von Zucker und Abrahams, mit eigenwilligen Showeinlagen und hampelndem Gesang. Das Bayrische machte es dann noch um einiges schräger. Bully konnte sich somit sicher sein, dass ihn niemand hier nachahmt.

Pointen wie Wasserquellen

Bis heute bleibt diese sonderbare Art of Humor unverwechselbar, wenngleich, und das zumindest im Sequel, etwas zu entschleunigt. Während im späten Nachzügler der Nackten Kanone Liam Neeson im Minuten-, wenn nicht gar Sekundentakt über kleine und große Witze stolpert, lässt Herbig den Wilden Westen als weites Land erscheinen, auf welchem sich niederfrequentierte Pointen wie Wasserquellen tummeln. Zum Kanu des Manitu zu gelangen hat keine Eile, es bleibt Zeit genug für partnerschaftliches Geplänkel und Rick Kavanians Wortspiele. Jessica Schwarz als Antagonistin führt, ohne genau zu wissen wie, einen diversen Männertrupp an, der das titelgebende Kanu finden will. Das geht nicht, ohne Abahachi zu entführen, und wo Abahachi ist, ist der Ranger nicht weit. Der trifft auf seine erwachsene Tochter, die wiederum heuert in Dimitris Taverne an. Und alle sind wiederum auf die Hilfe Winnetouchs angewiesen, dem homosexuellen Fechtkünstler, der die Puderrosa- auf die Rumba-Ranch upgraden ließ. Schräge Figuren also in einem dahinplätschernden Erholungstrip, auf welchem unausgeschlafene, allerdings merkwürdige Kalauer darauf warten, performt zu werden.

Im Western nichts Neues

So richtig originell ist das alles nicht. Und vor allem harmlos. Man gewinnt sogar den Eindruck, dass sich Bully Herbig regelrecht darum bemüht, die gute alte Zeit wieder aufleben zu lassen, nur ist der Proviant fast aufgebraucht und die Freundschaft der beiden so sehr etabliert, dass sie sich fast nichts mehr zu sagen haben. Am Ende taucht auch die aus dem Ei gepellte Ikone einer Erznemesis wieder auf, der guten alten Zeiten wegen. So wie Die Nackte Kanone kehrt auch Das Kanu des Manitu wie der Schuster zurück zu seinen Leisten, ohne das Design neuer Hufe. Wer damals gelacht hat, wird diesmal nur schmunzeln.

Das Kanu des Manitu (2025)

Smoking Gun

SCHÖNES FRÄULEIN, DARF ICH´S WAGEN?

7,5/10

 

damsel_pHcHoj© 2018 Universal Pictures

 

ORIGINALTITEL: DAMSEL

REGIE: DAVID & NATHAN ZELLNER

CAST: ROBERT PATTINSON, MIA WASIKOWSKA, DAVID ZELLNER, NATHAN ZELLNER, JOSEPH BILLINGIERE, ROBERT FORSTER U. A.

 

Edward Cullen ist zurück! Für jene, die Twilight nicht kennen: es ist der Vampir, der tagsüber funkelt wie ein Swarovski-Kristall, auf Debussy steht und überhaupt auf sterbliche Oberstufenschülerinnen wie Kristen Stewart eine war. Bevor nun aber falsche Hoffnungen aufkommen: nicht Cullen selbst ist zurück, sondern der, der ihn so erfolgreich und Hype-anfällig gespielt hat – nämlich Robert Pattinson. Wie wir Filmfreunde natürlich alle gelesen haben, wird Pattinson als möglicher neuer Batman gehandelt (mittlerweile ist es fix!). Geht denn das? Nun, ich meine: Ja, sehr gut sogar. Auch Pattinson wird älter, reifer und differenzierter in seinem Schauspiel. Ist zwischen eingangs erwähnter Blockbuster-Reihe und aktuellem Stand Gefahr gelaufen, im natürlich nicht zu verachtenden Low-Budget-Arthousekino zu stranden. Und gerade eben ist der ehemalige oder Immer-noch-Mädchenschwarm im Science-Fiction-Film High Life zu sehen, an der Seite von Juliette Binoche. Vom Raumanzug ist es kein weiter Sprung mehr ins Bat-Suit. Zwischendurch kann er ja mal halt machen und sich das Schießeisen umschnallen. Was er mittlerweile auch schon getan hat. Und zwar in einem Western, der so abseits des Mainstreams vor sich hin flaniert, dass ihn wohl kaum einer bislang bemerkt haben wird. Was aber ein Fehler ist. Denn der Film mit dem sträflich kaputtgedeutschenglischten Titel Smoking Gun ist ein – und das wage ich zu behaupten – so kleiner wie feiner Geheimtipp, der den unorthodoxen Geist eines Jim Jarmusch atmet und die Westernanthologie von Joel & Ethan Coen, nämlich The Ballad of Buster Scruggs elegant bei sich einhaken lässt.

Gut, im Original heißt das seltsame Stelldichein zwischen Birkenwäldern und freakigen Saloons Damsel – ein Wort, dass wohl kaum mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im täglichen Sprachgebrauch zu finden sein wird. Damsel steht umgangssprachlich für ein Fräulein nach altem Geschlechterbild, das unbedingt von einem starken männlichen Helden vor was auch immer gerettet werden muss. Diese Damsel spielt Mia Wasikowska – bewährte Alice unter der Fuchtel von Tim Burton und tougher Stiefvaterschreck in Park Chan Woks Stoker. Das angeblich zartbesaitete Fräulein ist entführt worden – und der liebestrunkene Vagabund Samuel (eben Pattinson) will sie befreien, sind doch beide längstens verlobt und füreinander bestimmt. Dem prärietauglichen Minnesänger zur Seite: auch so ein Loser, ein falscher Prediger unter dem Herrn, der die beiden nach geglücktem Heldenakt stante pede trauen soll. Das Problem dabei: nichts passiert, wie es passieren soll. Und die Karten werden im Viertelstundentakt neu gemischt. Und niemand, der auch nur glaubt, die Handlung dieses Films im Voraus erahnen zu können, wird diese Wette gewinnen. Smoking Gun ist wie ein Taschenspielertrick am Straßenrand, wie das obligate Hütchenspiel, wo seltsamerweise die Murmel immer dort ist, wo sie nicht sein kann. Das ist verblüffend. Und in ungefähr so ähnliche schenkelklopfend staunende Zwischenwelten tauchen die Gebrüder Zellner ihren skurrilen Schwank, der mit seltsam verträumten Bildimpressionen aufwartet, um dann wieder in clownesker Italowestern-Manier a la Sergio Corbucci Heldenapotheosen vom Himmel zu holen und Männer- wie Frauenrollen zu karikieren.

Diese Gebrüder Zellner, mir bis dato völlig unbekannt, werde ich zukünftig genauer verfolgen. Im Grunde hecken sie ähnliche Dinge aus wie die Coens, schreiben selbst, inszenieren selbst, doch was sie von den anderen unterscheidet, ist, dass sie sogar selbst mitspielen. Und wäre das nicht der Fall gewesen, wäre die ganze schlendernde Westerngroteske, die vor allem anfangs an Szenen absurder Theaterstücke eines Ionesco oder Beckett erinnern, nur halb so süffisant gewesen. David Zellner als Pastor wider Willen spielt das Häufchen Elend mit selbstverachtender Inbrunst, weiß sich weder da noch dort zu helfen und erbittet händeringend beim großen Manitu um das Glück, das man doch zur Zeit der großen Treks doch im Westen finden kann, oder etwa nicht? Ja, so ist das mit den Mythen. Da wird ordentlich aufgeräumt, in Smoking Gun. Melancholische Bitternis wie bei Buster Scruggs sucht man allerdings vergebens – das ist aber auch nicht weiter schlimm. Schlimm genug sind all die Wendungen, die aus völlig verklärter Liebe völlig außer Kontrolle geraten. Smoking Gun ist ein ungewöhnlicher, leichtfüßiger Spaß, der die Kugeln aus verbogenen Gewehrläufen niemals gerade fliegen lässt und neugierig macht auf das bisherige Repertoire der Zellners. Howdy, kann ich da nur sagen. Und wer kann, der greife zur Gitarre und schrummt mal ein bisschen mit.

Smoking Gun

The Ballad of Buster Scruggs

SPIEL MIR DAS LIED VOM SCHICKSAL

8/10

 

THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS© 2018 Netflix

 

LAND: USA 2018

DREHBUCH UND REGIE: JOEL & ETHAN COEN

CAST: TIM BLAKE NELSON, JAMES FRANCO, LIAM NEESON, TOM WAITS, ZOE KAZAN, BRANDON GLEESON. SAUL RUBINEK U. A.

 

Also ehrlich, das wäre doch was. Eine Neuverfilmung des Comics Lucky Luke unter der Regie von Joel und Ethan Coen. Das könnte ich mir durchaus vorstellen, womöglich aber kaum unter FSK 16 – das wäre ein Lucky Luke von der zwar schrägen, aber durchaus blutigeren Sorte. Ganz im Stile der ersten Erzählung im Rahmen eines vielgestaltigen Westerns, der da endlich wieder unter den Fittichen der beiden gelockten Masterminds über den Bildschirm stiefelt. Leider nicht über die große Leinwand, denn das war nur den Besuchern der Filmfestspiele von Venedig vorbehalten. Wir Endverbraucher können nur mit einem Stream via Netflix in den Genuss dieses bemerkenswerten Episodenfilmes kommen, und zwar exklusiv via Netflix. Da gibt es keine anderen Möglichkeiten. Das ist schon ziemlich raffgierig, dann sollte Netflix zumindest eine Kinokette eröffnen oder sich in anderen Ketten einkaufen, damit nicht nur das alternativlose Abo der einzige Weg nach Westen bleibt. Denn mit The Ballad of Buster Scruggs sind die Coens wieder ganz dick im Geschäft. Da bin ich ohne viel Überredungskunst sehr schnell bereit, den letzten Film aus 2016, nämlich Hail, Cäsar!, wieder ganz schnell zu vergessen. Überzeugt hat mich diese dünnsuppige Hollywood-Hommage nämlich überhaupt nicht. Die so eigenwillige wie genüssliche Anthologie aus dem Wilden Westen hingegen schon. Und ich wage sogar zu behaupten, diese ganz lässig im Sattel sitzende Fingerübung mit selbstverständlich einem Originaldrehbuch ist das Beste seit A Serious Man. Ganz die unverkennbare Handschrift, ganz der zynische, schwarze Humor. Und ganz die melancholische Lakonie, die in ihren Filmen stets ihre künstlerische Raffinesse am deutlichsten feiert.

Worin Joel und Ethan Coen für uns geschmackvoll blättern, das ist ein altes Buch gesammelter Kurzgeschichten, um die Jahrhundertwende verlegt. Für Bibliophile womöglich interessant, wäre es im Antiquariat erhältlich. Einzelne kolorierte Farbtableaus, geschützt mit Reißpapier. The Ballad of Buster Scruggs ist dabei nur die erste von insgesamt sechs Episoden, die unterschiedlicher nicht sein können, sich untereinander auch kein Crossover bescheren und aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen quer durch ein unwirtliches und gleichzeitig idyllisches Amerika wandern. Hineingepfeffert in dieses endlose Nirgendwo: der versprengte Mensch. Gemeinsam haben sie neben des Umherziehens, Vagabundierens und Irrens vor allem eines mit im Gepäck: die Ironie des Schicksals. Zu einer Zeit, in der Leben und Tod fast schon zur Grauzone einer unsicheren Existenz verschmolzen sind, kann das Glück sehr kurzlebig sein. Zukunft war womöglich etwas, worauf man sich nicht verlassen durfte. Ein gemachter Pionier war sehr schnell ein toter Pionier. Und die, die gut mit dem Schießeisen umgehen konnten, die trafen dann irgendwann auf jene, die das noch besser konnten. Ein Leben und Sterben lassen, vereint in einer messerscharfen filmischen Anthologie über den Westen. Und zwar so, wie er selten zu sehen ist. Manchmal hat The Ballad of Buster Scruggs etwas von den sarkastischen Stelldicheins eines raubeinigen Italowesterns, manchmal etwas von den redseligen Eskapaden eines Tarantino. Doch meist finden die Coens wieder zu ihrem Stil zurück, ohne Hommage an irgendwen sonst sein zu wollen. Dieser mehr als zweistündige Reigen des Willens, Unwillens und einer Art Schicksalsergebenheit stellt seine traurigen, verblendeten und idealistischen Gestalten, die allesamt wundervoll gecastet und gegen den Typ besetzt sind, vom Regen in die Traufe. Dieses weite, feindselige, unnahbare Land, in das die Sehnsuchtsvollen aufbrechen, scheint leere Versprechungen zu bergen und nur den wenigsten Gnade zu gewähren. Das ist ein Amerika des Wilden Westens, das völlige andere Randgeschichten erzählt, im sozialen Abseits, eingebettet in Bildern, durch die John Wayne und seine hemdsärmeligen Cowboykollegen bereits in bestem Cinemascope vorbeigeritten sind. Die Regiearbeit ändert Blickwinkel und behält sie dennoch bei. Als wäre der Focus längst nicht mehr der auf die der großen Helden, sondern auf begleitende Zaungäste, die auch so gamblen wollen wie jene, die als Ikonen des Westens längst verherrlicht wurden.

Was daraus wird, ist ein bizarres Panoptikum zwischen knarzenden Salontüren, staubigen Ebenen und dem Recht des Stärkeren. Zwischen Goldrausch, Armut und einem Herz für Hunde. Dazwischen kauzige Country-Balladen in verklärender Romantik, die sich selbst persifliert. In den besten Momenten hat Buster Scruggs dieses märchenhaft Entrückte wie in O Brother where art thou?. Dann ist dieser Film wie ein stockdunkler Song von Johnny Cash, der aber so klingt wie ein tänzelnder Salon-Gig auf dem verstimmten Pianino in irgendeiner Spelunke, und der dann endet, wenn irgendeiner auf den staubigen Brettern liegt.

The Ballad of Buster Scruggs