Jim Knopf und die Wilde 13

ENDE(S) LEGENDE

5/10


jimknopf_wilde13© 2020 Warner Bros. Entertainment

LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2020

REGIE: DENNIS GANSEL

CAST: SOLOMON GORDON, HENNING BAUM, LEIGHANNE ESPERANZATE, RICK KAVANIAN, ANNETTE FRIER, CHRISTOPH MARIA HERBST, UWE OCHSENKNECHT, MILAN PESCHEL, SONJA GERHARDT U. A. 

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Nach Filmen wie Beasts of No Nation braucht es dringend ein Kontrastprogramm. Ein zuversichtlicheres Weltbild, oder gar einen entrückten Ausflug in irreale Gefilde, wie zum Beispiel in die merkwürdigen Traumwelten eines Michael Ende. Da kommt die erst kürzlich im Kino veröffentlichte und jetzt, nach Corona, wieder auf die Leinwand gebrachte Fortsetzung von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer gerade recht: Jim Knopf und die Wilde 13 nennt sich diese Episode – und das war’s dann auch schon mit dem Findelkind und seinen obskuren Erlebnissen zu Wasser, zu Land und in der Luft. Zwei Romane hat Michael Ende geschrieben. Regisseur Dennis Gansel bringt dieses kostenintensive Herzensprojekt schließlich als visuell starkes Kindererlebnis zu einem wohlgefälligen Ende. Ob Ende selbst wohl damit zufrieden gewesen wäre? Das würde ich gerne wissen. Ich weiß nämlich nur, dass der kultisch verehrte Schreiberling mit Wolfgang Petersens Unendlichen Geschichte so gut wie gar nichts anfangen konnte – obwohl der 80er-Hit für mich nach wie vor zu einem der besten Filme des phantastischen Genres zählt.

Jim Knopf also rätselt immer noch über seine Herkunft, und es dauert nicht lang, da beruft Alfons der Viertelvorzwölfte eine Krisensitzung ein. Zu oft würde Lummerland von Seefahrern übersehen werden – es brauche dringend einen Leuchtturm. Knopf und sein Freund Lukas haben die Idee: wie wär’s mit Tur Tur, dem Scheinriesen (je weiter man weg ist, desto größer wird er)? Niemand hat eine bessere Idee, also werden Dampflock Emma wieder mal die Luftkissen umgebunden – und los geht’s übers Meer. Klar, dass den beiden auf dieser Expedition die berüchtigten Piraten der Wilden 13 in die Quere kommen (die in Wahrheit nur zwölf sind, weil der Kapitän zählt doppelt). Und die wissen anscheinend mehr über Jim Knopfs Herkunft.

Michael Endes Bücher galten ja (und gelten) allesamt als unverfilmbar. Und offensichtlich ist das so: dessen Welten sind so dermaßen entrückt, abstrakt und verspielt, sodass jegliches Bemühen, diese Phantasmagorien zu entwirren und zu visualisieren, auf irgendeine Weise scheitern müssen. Die unendliche Geschichte selbst besteht aus zwei Teilen – lediglich der stringentere erste Teil wurde verfilmt und kommt seiner Vorlage auffallend nahe. Dessen Fortsetzungen sind verkitscht und jegliche Fantasie durch eine Ausstattungswut eingeschüchtert, dass die Filme kaum anzusehen sind. Ganz klar eine falsche Herangehensweise an die Materie aus Endes Werkschau. Dennis Gansel hat sich mit Jim Knopf zugänglicheres Material gesichert – aber selbst das liebäugelt mit märchenhaftem Surrealismus, der sich einer routinierten Umsetzung sperrt. Man nehme allein schon Lummerland mit den wenigen, wie Traumgestalten agierenden Bewohnern, von denen keiner weiß, was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Endes Ideenreichtum ist sagenhaft, Gansels Ideen zur Umsetzung müssen allerdings zwangsläufig an ihre Grenzen stoßen.

Und das passiert relativ bald. Schwer zu sagen, woran es liegen mag. Henning Baum als bärbeißiger Gutmensch im Blaumann ist zweifelsohne ideal besetzt, zumindest optisch. Auch Jim Knopf hat in Solomon Gordon sein Live-Act-Pendant gefunden. Christoph Maria Herbst, Uwe Ochsenknecht und gar Rick Kavanian, im Dutzend billiger, werden ihren Vorlagen ebenfalls gerecht. Aber nur, soweit das Charakterdesign reicht. Sobald sie alle miteinander interagieren, verfällt das Abenteuer maximal in einen zögerlichen Schleichgang. Die einzelnen, optisch genussvoll aufbereiteten Szenen und Welten scheinen in einer gewissen Berührungsangst zueinander zu stehen. Die Dialoge wirken zu sehr auswendig gelernt, der fehlende Schwung in der Geschichte macht aus einem versprochenen Fantasyspektakel eine betuliche Puppenspiel-Dramatik. Was gar nicht so weit hergeholt wäre, gibt es doch Jim Knopf längst schon als Augsburger Puppenkisten-Event. Die Realverfilmung wirkt ähnlich, will aber, und das merkt man an jeder Szene, etwas ganz anderes sein.

Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

VOM KNOPF, DER NICHT AUFGEHEN WILL

4/10

 

jimknopf© 2000-2018 Warner Bros.

 

LAND: DEUTSCHLAND 2018

REGIE: DENNIS GANSEL

CAST: SOLOMON GORDON, HENNING BAUM, ANNETTE FRIER, CHRISTOPH MARIA HERBST, UWE OCHSENKNECHT U. A.

 

Die Welten, die Michael Ende Zeit seines Lebens schuf, sind schon höchst seltsam. Und je seltsamer, umso faszinierender. In Die unendliche Geschichte einzutauchen ist ein ganz eigenes, nicht unbedingt erbauliches, aber zumindest fast schon bewusstseinserweiterndes und höchst rätselhaftes Erlebnis. Klar, dass sich laut Michael Ende selbst Wolfgang Petersen an der Verfilmung des ersten Teils des Buches die Zähne ausgebissen hat. Gerecht, so Ende, ist er seinem Werk mit der Bebilderung von Fantasien nicht geworden. Aber was soll´s, mich hat Die unendliche Geschichte in den 80ern sehr bewegt. Werfe ich heute einen Blick auf die Kulissen der Babelsberg-Studios, hat das ganze Szenario ähnlich wie Der dunkle Kristall immer noch seinen analogen Reiz und ungelenken Charme. Den tricktechnisch verwöhnten Nachwuchs hat es jedenfalls immer noch fasziniert. Warum? Weil die epische Geschichte rund um Bastian, Fuchur und Atreju keine Allerweltsfantasy ist. Von dieser surrealen Phantasmagorie ist der Weg nicht allzu weit zu Michael Ende´s einsamer Insel, die mitten im Nirgendwo liegt: Lummerland. Dieses Twin Peaks für Kinder ist sogar noch um einiges eigenartiger. Eine enklavische Welt, in der fünf Personen so leben, als wären sie Teil einer größeren Gesellschaft. Lummerland ist ein Königreich mit Untertanen, die in ihrer Abgeschiedenheit so niemals überleben könnten. Wohin Herr Ärmel jeden Morgen geht, weiß man genauso wenig wie all die Telefonate, die König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte den lieben langen Tag führt. Und die Lokomotive Emma kann sich tagtäglich eines chronischen Passagiermangels erfreuen. Diese Welt, die muss Michael Ende irgendwann erträumt haben. Und es ist nicht unbedingt ein gemütlicher Traum. All diese merkwürdigen Figuren folgen der abstrakten Logik einer zeitlos-surrealen Traumsequenz, in der es keine Vergangenheit und keine Zukunft zu geben scheint. Wie Geister, die täglich das Gleiche tun. Der Waisenjunge Jim Knopf ist der Einzige, der irgendwie ein Ziel hat. Die Neugier nach seiner Herkunft führt ihn also weg von diesem spieluhrähnlichen Mikrokosmos des Irrealen, und zwar mitsamt Lokomotive Emma und Lukas, des Lokomotivführers. Auf schienenlosen Wegen geht´s in eine weitaus ergiebigere Welt jenseits des Horizont, auf der Suche nach einer gewissen Frau Malzahn, an die Jim Knopf von 13 völlig identen Piraten eigentlich verkauft hätte werden sollen.

Der deutsche Filmemacher Dennis Gansel (u. a. Die Welle, Napola) hat sich dieses eigenwilligen Märchens angenommen, wohl wissend, wie schwer es ist, Michael Ende adäquat auf die Leinwand zu bringen. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer mag ein ambitioniertes Stück hoch budgetiertes Eventkino sein, ist aber von einem inspirierenden Abenteuer so weit entfernt wie ein Rationalist von den unendlichen Weiten Fantasiens. Ende selbst wird wohl nicht mehr seinen Senf dazugeben können, umso mehr wundert es mich, dass die Odyssee des zugegeben trefflich gut gecasteten Jim Knopf und des brummigen Blaumannträgers Lukas gar so stockend vorwärtskommt, als wäre die Regie ein Abklopfen der Befindlichkeiten des Urhebers in einer Geschichte, mit der eigentlich niemand so richtig warm wird. Schon gar nicht Henning Baum, der zwar recht lässig seine Pfeife raucht, aber so wirkt, als müsste er für jede weitere Szene neu motiviert werden. Da kommt der kleine Solomon Gordon trotz seiner Spielfreude nicht wirklich an. Womöglich ist es die Arbeit vor dem Greenscreen, die diesem Film seine Geschmeidigkeit nimmt, obwohl manche Szenen an natürlichen Schauplätzen wie zum Beispiel in Südafrika gedreht wurden. Irgendwann – ich weiß nicht, ob das im Buch ähnlich beschrieben wird, denn ich habe Jim Knopf nur auszugsweise gelesen bzw. vorgelesen – mündet die Suche nach Jim´s Ursprung in einer Mischung aus Terry Gilliam´s Time Bandits und des kleinen Drachen Kokosnuss, was stilistisch nicht wirklich miteinander harmonieren will und auch nicht dazu beträgt, das holprige Ablesen der Textzeilen vor dem geistigen Auge ablenkend zu kaschieren.

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer ist der zaghafte Versuch, der schrägen Fantasie eines versponnenen Tagtraumes zu entsprechen und bleibt trotz aller tricktechnischen Raffinesse befremdliches Stückwerk, das nur in wenigen Momenten durch die glatte Oberfläche eines hastig durchgeblätterten Bilderbuchs dringt, das wie ein ungeliebtes Auftragswerk zu Ende gedreht sein will. Dass der Knopf dabei aufgehen soll ist ein Ding der Unmöglichkeit. obwohl bei Michael Ende doch eigentlich alles möglich scheint.

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

The Mechanic: Resurrection

DER AUSTAUSCHBARE

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mechanic

Wie funktioniert eigentlich das Drehbuchschreiben bei einem Actionfilm? Hat man da erstmal alle Actionszenen im Kopf, die man gerne machen will? Alle Stunts, die man ausführen, alle Sets, die man explodieren lassen möchte? Könnte sein. Und dann? Ja, dann ordnet man diese unter dramaturgischen Gesichtspunkten entsprechend an und flickt dazwischen eine Geschichte ein. Das macht dann nichts, wenn die Handlungsstränge so sehr verbogen werden, dass sie eine Actionszene mit der anderen verbinden. Das klingt irgendwie nach Pfusch. Und ist es auch.

Nach ähnlichem Tutorial dürfte der zweite Teil der Auftragskiller-Action mit der lakonischen Halbglatze Jason Statham entstanden sein. Dabei hat sich der deutsche Regisseur Dennis Gansel für dieses Abenteuer verpflichtet. Jemand, der bereits durchaus handwerkliches Geschick bewiesen hat, wie zum Beispiel in der Neuverfilmung von Morton Rhues Die Welle. Doch wie so oft hängen Drehbuch und Regie sehr eng zusammen. Und für den Inhalt kann man Gansel nicht wirklich belangen.  The Mechanic: Resurrection nimmt zwar gleich von Anbeginn an ziemlich Fahrt auf, verheddert sich aber wie eingangs erwähnt in einem kruden Setzkasten billigster Versatzstücke, die auf Biegen und Brechen versuchen, das Geschehen von einer Keilerei zur nächsten voranzutreiben. Nicht nur einmal stellt sich die Frage des Warums, und im Kopf des Betrachters rattern bereits Handlungsalternativen dahin, die für das Szenario viel plausibler gewesen wären. Abgesehen davon ist der Expendable Statham ein für ausgedehnte Langeweile sorgender, weil unkaputtbarer Elitekämpfer, dem man außer Fesselspielen nichts wirklich anhaben kann. Sich die Kampfmaschine zum Feind zu machen, allein das entbehrt nicht einer gewissen Dummheit, die der Bösewicht an den Tag legt, übrigens wieder mal in feinster Stereotypie dargestellt und vorhersehbar wie das Wetter zu Weihnachten. Ob einen afrikanischen Diktator im Knast oder einen Waffenhändler im eigenen Swimming Pool – Statham schafft sie alle. Und das ist kein Spoiler, weil ohnehin klar. Langsam wird es an der Zeit, auch für den Chuck Norris des neuen Jahrtausends witzige Zweizeiler zu kreieren. Und nebenbei ziert Jessica Alba in absolut talent- und schulterfreier Aufmachung die bessere Seite des Haudegens, da ja nicht nur martialische Schauwerte, sondern auch weibliche Reize den routiniert-belanglosen Actioneintopf erst so richtig komplettieren sollen.

Bei aller Liebe zu Jason Statham und seinem ersten Auftritt als Arthur Bishop – hier haben die Macher von The Mechanic: Resurrection viel zu sehr mit den affektierten Largo Winch-Eskapaden aus dem Frankenreich geliebäugelt. Diese aalglatten Actionfilme hat man ob ihrer relativ ungriffigen, vorhersehbaren Nachahmerei unerreichbarer Vorbilder schnell wieder vergessen. Und dasselbe Schicksal wird auch der zweite Aufguss von The Mechanic ereilen. Ein schlecht durchdachter Actionfilm im Stile der 80er, aber ohne dem augenzwinkernden Retro-Charme von Sylvester Stallones Altherrenbande. An dem vieles gefällig wirkt, aber nichts wirklich Sinn macht. Was da vielleicht noch überbleibt, ist Tommy Lee Jones in einem gegen sein Image gebürsteten Cameo-Auftritt eines schwulen Waffenschmugglers, der ebenfalls auf der unfreiwillig auszuführenden Todesliste Stathams steht. Ihn vergisst man vielleicht nicht so schnell.

The Mechanic: Resurrection