Amrum (2025)

FÜR EINE HANDVOLL HONIG

8/10


© 2025 Warner Bros. / mathiasbothor.com


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2025

REGIE: FATIH AKIN

DREHBUCH: FATIH AKIN, HARK BOHM, NACH DESSEN ERINNERUNGEN

KAMERA: KARL WALTER LINDENLAUB

CAST: JASPER BILLERBECK, KIAN KÖPPKE, LAURA TONKE, DIANE KRUGER, DETLEV BUCK, LISA SAGMEISTER, STEFFEN WINK, LARS JESSEN, TONY CAN, MAREK HARLOFF, DIRK BÖHLING, JAN GEORG SCHÜTTE, MATTHIAS SCHWEIGHÖFER U. A.

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Erst vor wenigen Tagen verstarb Hark Hermann Bohm im Alter von 86 Jahren. Ich muss gestehen: bevor Fatih Akin mit seinem neuen Film über die Kindheit desselbigen in den Kinos startete, konnte ich diesen Namen nur relativ ungenau zuordnen. Mittlerweile habe ich auch diese Wissenslücke in Sachen deutscher Filmgeschichte geschlossen: Das Allroundgenie war nicht nur Filmemacher mit der dichtesten Schaffensperiode in den Siebzigern, sondern auch Schauspieler seit den Sechzigern (unter anderem bei Rainer Werner Fassbinder) und später Drehbuchautor für Fatih Akins Werke Tschick oder Aus dem Nichts. Sein wohl bekanntester Film: Nordsee ist Mordsee. Gut, wieder was dazugelernt. Und was wir bei Amrum noch dazulernen, ist, wie es sich als Kind angefühlt hat, das Ende des Zweiten Weltkriegs mitsamt seiner Nazi-Despotie nur peripher, aber vor allem im Spiegel der Eltern, mitzuerleben.

Krieg und Frieden durch Kinderaugen

Dieser Dreikäsehoch war Hark Bohm, da haben wir ihn wieder, und er hätte wohl selbst diesen Film über sich selbst inszeniert, hätte er nicht angesichts seines fortgeschrittenen Alters klein beigeben müssen. Fatih Akin, Bohms guter Freund, hat sich dieser Sache angenommen und selbst Regie geführt, im Beisein Bohms und nach dessen Drehbuch. denn niemand sonst hätte all diese Details im Kopf gehabt, um einen Umbruch zu beschreiben, der mit Magie, Neugier, Tradition und kindlichem Pragmatismus so sehr einhergeht, dass man glauben könnte, die gute Christine Nöstlinger, die mit Maikäfer flieg! ähnliche Erinnerungen zu Papier gebracht hat, ließe sich von einem wie Taika Waititi inszenieren, auf dessen Kappe das wiederum ganz andere, aber von der Tonalität her durchaus verwandte Meisterwerk Jojo Rabbit geht.

Die Erwachsenen verstehen lernen

Amrum reiht sich in diese verspielten, allerdings ernsthaften, aber niemals im Kummer endenden Betrachtungen auf Augenhöhe junger Heranwachsender so nahtlos ein, dass man diesen hier als inoffizielle Themenfortsetzung von Waikiki und Nöstlinger betrachten könnte, nur eben mit dem inseldeutschen Kolorit jener Menschen, die tagein tagaus mit dem Salz, den Wellen, dem Sand und den Gezeiten leben, die sich mitunter im friesischen Dialekt namens Öömrang unterhalten und eine lakonische Zähigkeit und Resilienz an den Tag legen, dass es zum gestandenen menschelnden Erlebnis wird. Allerdings haben nicht alle ihren stolzen Überlebenswillen hier draußen auf der friesischen Insel – Nannings Mutter hat ihn nicht. Die war Zeit ihres Lebens davon überzeugt, dass Adolf Hitler stets das richtige getan hat. Und als dann das Ende des Krieges und das Ende des Diktators kam, brach für die gute Frau (gespielt von Laura Tonke) eine Welt zusammen. Wie denn den Kummer der Erwachsenen tilgen, fragt sich der kleine Nanning (so Bohms Alter Ego), und findet letztlich die Konklusio, dass nur ein Weißbrot mit Butter und Honig wieder ein Lächeln auf die Lippen von Mama zaubern könnte. So stürzt er sich ins Abenteuer, um das zu beschaffen, was in Zeiten wie diesen rarer nicht sein kann. Vom Bäcker geht’s zum reichen Onkel, von dem zur Imkerin, querfeldein, über Wege, über Äcker und durchs Inseldorf mit dem prägnanten Kirchturm. Der Vater als Obersturmbannführer weit weg im Krieg, der Onkel (Matthias Schweighöfer) in Amerika die Illusion einer besseren Welt. Das Glück der Mutter das Ziel aller Bestrebungen.

Planet Amrum

Fatih Akin ist auch nicht unbedingt einer, der nur ein Thema kann. Vom leichten Sommerroadmovie Im Juli geht’s bis zum verstörenden Serienkillerhorror Der goldene Handschuh, dazwischen fährt Sebil Kekili Gegen die Wand und wird Diane Kruger zum Racheengel. Akin verliert sich dabei aber nie in klebriger Schwermut, sondern hält seine Arbeiten stets in Bewegung, damit sie Raum zum Atmen haben. Frische Luft tanken alle seine Filme, und ganz besonders Amrum. Für diese tiefe Verbeugung vor seinem Mentor, Lehrer und Freund schuf der Filmemacher ein faszinierend unbekümmertes und zugleich berührendes und die Geschichte niemals ignorierendes Abenteuer eines kindlichen Reifungsprozesses von verträumter Weltanschauung bis zur ergriffenen Initiative, bis zum Projekt des Überlebens und der Nächstenliebe. Amrums Charaktere sind jeder für sich unverkennbare Figuren, wettergegerbte Fischer; aufmüpfige, aber herzensgute Bauern, nach vorne blickende Überlebenskünstlerinnen und künstler, die den Krieg als eine Erscheinung erkennen, die ein Weitermachen niemals in Frage stellen würde – auch wenn es bedeutet, alles hinter sich zu lassen. In diesem Spannungsfeld läuft der ungestüme Jasper Billerbeck durch eine denkwürdige Zeitenwende, um für eine Handvoll Honig sein eigenes, liebevoll ausgestaltetes und weniger dämonisches Pans Labyrinth zu schaffen, voller Proben aufs Exempel, Erfahrungen und Weisheiten fürs Leben, die sich erstmal nicht als solche offenbaren.

Erinnerungen als Grundstein des Ichs

Amrum ist ein Werk voll Leichtigkeit und Schwere zugleich, verpackt in rustikalen, wunderschönen Bildern eines rauen, aber ehrlichen Fleckens Sand, Schlamm und Erde. Tragikomisch wäre aber fast zu einfach, viel mehr ist die Improvisationsgabe eine aufgeweckten jungen Geistes, der so gut wie alles mit anderen Augen sieht, so erfrischend, als wäre Nostalgie und Erinnerung essentiell dafür, nach vorne zu blicken, zuversichtlich, egal was kommt. In diesem Fall auf ein schillerndes (erfülltes) Leben wie das des Hark Bohm.

Amrum (2025)

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

BODYSWITCH FÜR LITERATEN

7/10


felixkrull© 2021 Warner Bros Pictures Germany


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

REGIE: DETLEV BUCK

SCRIPT: DANIEL KEHLMANN, DETLEV BUCK, NACH DEM ROMAN VON THOMAS MANN

CAST: JANNIS NIEWÖHNER, LIV LISA FRIES, DAVID KROSS, MARIA FURTWÄNGLER, NICHOLAS OFCZAREK, JOACHIM KRÓL, CHRISTIAN FRIEDEL U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Thomas Mann zu lesen ist Arbeit. Seine Kunst bekommt man nicht bequem vor die Füße gelegt, ist also keine Convenience-Lektüre, die runtergeht wie Öl. Für Thomas Mann muss man sich kognitiv ins Zeug legen, da muss man mitdenken. Thomas Mann ist wie das Besteigen eines Gipfels – auch nicht immer einfach. Dafür aber, wenn dieser als erklommen gilt, ist das Gefühl ein erhabenes, vor allem erfülltes, dank präzise ausformulierter Sätze und geistreicher Umschreibungen. Den großen Literaten auch filmisch umzusetzen, gestaltet sich prinzipiell als eine ebensolche Gratwanderung – zum Glück aber fanden und finden sich immer wieder Könner ihres Fachs, die den Geist Thomas Manns einfangen konnten und können. Luchino Visconti zum Beispiel – aus seinem Tod in Venedig sind die nebligen Bilder vom Lido immer noch in guter Erinnerung. Hans W. Geißendörfer, Urvater der Lindenstraße, hat den Zauberberg Anfang der 80er als internationale Produktion mit unter anderem Charles Aznavour und Rod Steiger auf die Leinwand gewuchtet. Der Geist des Literaten war da immer noch da. Heinrich Breloers Buddenbrooks mit Armin Müller-Stahl geriet hingegen zu einer sitzfleischquälenden, elendslangen Familienchronik, die wohl als Miniserie besser geeignet gewesen wäre. Denn dünne Heftchen sind Manns Werke natürlich keine. Und jetzt, jetzt will Detlev Buck es auch nochmal wissen. Wie es denn so ist, Thomas Mann zu inszenieren. Und zwar ein Werk, das gar nicht mal fertiggestellt wurde, ein Fragment eben. Vielleicht liegen Fragmente besser in der Hand des Filmemachers, wenn das Ende gar nicht mal vom Zaun gebrochen werden muss. Denn das ist stets die größte Hürde, um zu erreichen, dass ein Film zur runden Sache wird.

Eines aber vorweg: Detlev Buck bringt den Klassiker zu einem melancholischen Ausklang, indem er diesen zuvor mit einer verbal durchaus gestrengen, aber leichtfüßigen Dramatisierung liebkost hat. Kein Wunder, hinter dem Drehbuch steht jemand, dessen Bücher ich sehr schätze und der mich zuletzt auch in Daniel Brühls Nebenan in Aufbau und Dialog absolut überzeugt hat: Daniel Kehlmann. Bei Kehlmann ist selten ein Wort zu viel, die Szenen sind knackig und nicht über Gebühr aufgebauscht. Detlev Buck gefällt das, und ich bin froh, dass dieser die Finger von seiner sonst fahrigen Fabulierlust lässt. Die braucht es hier nicht. Bei einem Stoff wie Felix Krull braucht es Millimetermaß, und beide, Kehlmann und Buck, geben sich konzentriert. Die richtige Eleganz des Films hält dann schließlich mit dem lustvoll aufspielenden Ensemble Einzug. Statt Horst Buchholz brilliert diesmal der in Film und Fernsehen mittlerweile recht omnipräsente Jannis Niewöhner. Doch alle Achtung: der junge Mann scheint die beste Wahl für einen Hochstapler zu sein, der sich gar nicht mal als solcher verkauft, sondern viel mehr als charmanter Opportunist, der sich durch ein missgünstiges Leben schlängelt und weiß, bei wem und wann er ansetzen muss.

Das wäre nämlich dann Marquis Louis de Venosta, gespielt von David Kross, welchem Felix Krull sein Leben beichtet, im Schanigarten eines Pariser Cafés. Was Kroll in Paris so treibt? Er mogelt sich von Deutschland in die Stadt der Liebe und arbeitet in einem Hotel als Liftboy mit der Möglichkeit, die Karriereleiter hochzusteigen, wobei der eine oder andere weibliche Hotelgast nicht wirklich von ihm lassen kann. Viel wichtiger aber scheint die Liebe zur schönen Zaza (Liv Lisa Fries), für welche Krull wohl den größten Bodyswitch-Coup seines Lebens landen will.

Die meines Wissens nach dritte Verfilmung des Romans gelingt auf vielen Ebenen, ist formschön in ein heruntergebrochenes Script gegossen und geizt nicht mit stimmigen Kulissen, noblen Kostümen und schrägen Nebenfiguren, die das Karussell des improvisierten Lebens gefällig, aber auch süffisant vorführen.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

Asphaltgorillas

DIE STADT VOLLER AFFEN

6,5/10

 

asphaltgorillas© 2018 Constantin Film

 

LAND: DEUTSCHLAND 2018

REGIE: DETLEV BUCK

CAST: JANNIS NIEWÖHNER, SAMUEL SCHNEIDER, ELLA RUMPF, GEORG FRIEDRICH, MICHAEL OSTROWSKI, KIDA KHODR RAMADAN U. A.

 

Hierzulande – also in Österreich – ist der Deutsche vor allem für Sex, Drugs und Rock’n’Roll bekannt. Die Rede ist von Michael Glawoggers teils psycheledischer Filmtrilogie über Lust und Laster halbseidener (Anti-)Helden aus gesellschaftlichen Grauzonen. Bei unseren Nachbarn im Norden hat der Blonde mit den wahrscheinlich schwarzen Schuhen schon längst, und zwar schon seit den frühen 90ern, Kultstatus erreicht. Detlev Buck ist dort natürlich ein Begriff, und mittlerweile führt er sich selbst im Vorspann auch nur mehr als Buck an, mit der Gewissheit, dass ihn wohl keiner mit Biene Majas Stubenfliege verwechselt. Die schreibt man ja auch mit hartem P, aber wer weiß das schon so genau?

Buck ist also von seinen Gastauftritten an der Donau längst wieder ins Heimatland zurückgekehrt, und hat dabei aber nicht vergessen, die beiden schrägen Vögel Michael Ostrowski und Georg Friedrich mitzunehmen. Die beiden dürften sich mit dem ollen Detlev gut verstanden haben, waren auch sie Teil des Ensembles von Nachtschnecken, Contact High und Hotel Rock’n’Roll. Und so durchgeknallt, wie dort die Saiten aufgezogen wurden, darf es auch in der Thrillerkomödie Asphaltgorillas zugehen. Als Vorlage für diese Reihe betrüblicher Ereignisse diente die Kurzgeschichte Der Schlüssel von Ferdinand von Schirach. Von der Kurzgeschichte bis zum abendfüllenden Neonrausch ist es kaum noch eine Großstadtmeile an zusätzlichen dramaturgischen Verstrickungen hin – und fertig ist das augenzwinkernde Boulevardstück zwischen Luxus-Appartement und Bolidenschuppen. Und wie es besagter Titel der literarischen Essenz des Filmes schon vorwegnimmt: alles dreht sich um einen Schlüssel, der zu ganz viel Geld führt, dass eigentlich für noch mehr Blüten investiert werden will. Das blöde nur: der Schlüssel verschwindet. Jannis Niewöhner und Samuel schneider wissen zwar wohin, kommen aber nicht wirklich an ihn heran. Währenddessen soll aber auch noch der verquere Kleinganove Ronny (herrlich verkorkst und durch den Wind: Georg Friedrich) die Falschgeldmünzer hinters Licht führen.

Turbulent bis zum Kolbenreiber, möchte man meinen. Dabei schaltet Detlev Buck aber einen oder zwei zugedröhnte Gänge runter, gibt sich ob der verfahrenen Situationen unentsprechend gechillt und hat sich die eine oder andere Entrückung durchaus vom leider viel zu früh verstorbenen Michael Glawogger abgeguckt. Daran erinnert auch die eingestreute Bildmetaphorik eines Gorillas, der die Gesetze des Dschungels in Erinnerung ruft. In nacktschnecken hatten wir die Symbolik des durchs Bild laufenden Geparden, auf den keiner genauer einzugehen vermochte, weil er nur fürs Publikum da war, um die instinktive Triebhaftigkeit des Tiers namens Mensch elegant zu umschmeicheln. Obwohl nicht nur Glawoggers kurioses Eintauchen in die Halbwelt situationselastischer Glückritter in Asphaltgorillas seine neu gewürfelte Wiederkehr entdeckt, sondern auch das so trockene wie schildbürgerliche Thrillerkino eines Guy Ritchie. Manche, die dem sprichtwörtlichen Sperrfeuer der Unterweltparteien in die Quere kommen, werden bluten müssen, andere punkten mit lebensmüder Frechheit. Das macht vor allem in der zweiten Halbzeit dieser Filmsafari erst so richtig Spaß, wenn alle am quer durch die Gassen gezogenen roten Theseusfaden ziehen, ohne zu wissen, wer da nun den größten Spielraum hat.

Asphaltgorillas ist ein lustvolles, urbanes Hazardspiel, dass nach einigem zögerlichen Anlauf die Kacke bald am Dampfen hat. Bucks Film spielt mit Neonlicht, gibt in heißen Karossen Gummi und lässt die Straßen funkeln. Das ganze aber ohne viel Metazeugs, übersieht man mal all die brusttrommelnden Primaten, die sich zum Affen machen. Und einer von ihnen, der fängt am Schluss die Banane.

Asphaltgorillas

Hotel Rock ‚N‘ Roll

OSTROWSKI ALL INCLUSIVE

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hotelrock

Liegt es an der Regie Michael Ostrowskis oder am Drehbuch Michael Glawoggers? Womöglich an beidem. Denn der letzte Teil der Sex & Drugs & Rock ’n‘ Roll-Trilogie geht aber so was von zielgerichtet am Ziel vorbei, dass man fast schon gezwungen sein muss, Ostrowskis obsessive Liebe zu Kostümen und knalligen Farben nicht mehr in die Bewertung des Filmes miteinzubeziehen.

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Teil dieser teils surrealen, teils zugedröhnten Filmidee. 2004 kamen Nacktschnecken ins Kino. Und trotz Vorbehalte habe ich den Kinobesuch im Nachhinein in keinster Weise bereut. Die satirische Komödie rund um Lust, Frust und dem Selfmade-Pornobusiness war eine augenzwinkernde Farce, die zwar auch genug an Bodenhaftung verloren, sich aber immer wieder zwischen traumartiger Symbolik und clownesker Situationskomik eingependelt hat. Bei Teil 2 – Contact High – waren die Macher schon deutlicher neben der Spur. Was aber im Grunde auch zum Thema gepasst hat. Der rote Faden war da aber nur mehr Beiwerk. Und das Interesse der Zuschauer auch. Mit Teil 3 hat der schräge Vogel und Komödiant Michael Ostrowski aufgrund des viel zu frühen und sehr bedauernswerten Ablebens von Regiemeister Michael Glawogger beim Grande Finale der Trilogie die Verantwortung auch über die Regie übernommen – und sich eindeutig verhoben. Der knackige Steirer mag ja ein Multitalent sein und am liebsten auf allen Kirtagen gleichzeitig seinen Allerwertesten verpflanzen. Wenn man aber das künstlerische Zepter über alles und jeden hat und niemandem mehr Rechenschaft schuldig ist, passiert zwar etwas sehr persönliches, aber mitunter im wahrsten Sinne des Wortes auch etwas sehr eigenwilliges. Eine ähnliche Tendenz sehen wir bei den aktuellen Werken von Kinski-Bändiger Werner Herzog. Egozentrische Kopfgeburten, die das Publikum vor vollendete Tatsachen stellt.

Hotel Rock ’n‘ Roll ergeht es nicht anders. Die verschwurbelte Grenzkomödie rund um ein vererbtes Hotel hätte zwar genug Potenzial für allerlei Situationskomik und skurriler Ideen – letzten Endes ist die grelle Klamottenkiste scheinbar willkürlich angereichert mit Klamauk, der an die Zeiten von Gottschalk und Mike Krüger erinnert, seltsamen Dialogen und scheinbar lose übereinander gesetzten Handlungsteilen, die im Grunde zwar zusammenpassen, aber irgendwie deplatziert wirken. So, als würden ganze Teile aus dem Drehbuch fehlen. Und so, als würde man mit Fingerfarben einen leeren Bogen Papier vollkleckern, nur weil die Farben so schön farbig sind. Logik hat die Groteske daher keine mehr. Und die Figuren sind nicht mehr als Zerrbilder in einem Spiegelkabinett. Hauptsache bunt. Und Hauptsache laut. Doch das ist zu wenig und relativ uninteressant, um nicht zu sagen langweilig. Einziger Lichtblick ist wieder einmal der ewig grantelnde Georg Friedrich als Möchtegern-Gangster mit Langhaarmähne, der allen die Show stiehlt und die wenigen Lacher zur Gänze für sich verbucht. Und was Detlev Buck in dem ganzen fahrig inszenierten Zinnober zu suchen hat, weiß nur Ostrowksi selbst. Der sollte mal anfangen, nicht immer sich selber zu spielen und zumindest die Regie jemand anderem überlassen.

Hotel Rock ‚N‘ Roll