Mother’s Baby (2025)

DA IST WAS FAUL IM WINDELSTAAT

7/10


© 2025 Freibeuter Film


LAND / JAHR: ÖSTERREICH, SCHWEIZ, DEUTSCHLAND 2025

REGIE: JOHANNA MODER

DREHBUCH: ARNE KOHLWEYER, JOHANNA MODER

KAMERA: ROBERT OBERRAINER

CAST: MARIE LEUENBERGER, HANS LÖW, CLAES BANG, JULIA FRANZ RICHTER, JUDITH ALTENBERGER, CAROLINE FRANK, NINA FOG, JULIA KOCH, MONA KOSPACH U. A.

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Es schreit nicht, es weint nicht, es schläft so still, dass Mutter meinen könnte, der Allmächtige hätte es zu sich genommen: Babys, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Eltern, die, auf das Schlimmste in der frühen Kindschaft vorbereitet, plötzlich völlig entstresst gar eine Verschwörung vermuten. So könnte man Johanne Moders neuen Film synoptisch übers Knie brechen, der sich vom revolutionsmüden Hipster-Parship aus Waren einmal Revoluzzer verabschiedet hat, um mit dem Genrekino anzudocken. Ganz so wie Andreas Prochaska, der diesjährig mit Welcome Home Baby ganz ähnlich, und doch wieder ganz anders, die Themen der Mutterschaft in einen dörflichen Albtraum verpackt. Das österreichische Horrorkino pulsiert mit diesen beiden Filmen durch den Kino-Herbst, wobei Johanna Moder deutlich weniger ihr Heil im Nachinterpretieren bereits etablierter Versatzstücke sucht. Mother’s Baby will sich bewusst nicht zu blankem Horror bekennen – Verdacht, Paranoia und eine postnatal belastete Psyche sind die Hauptingredienzien für einen Suspense voller Indizien, in dem Marie Leuenberger (Verbrannte Erde, und eben auch mit Stiller im Kino) zwischen ratloser Jungmutter und mutiger Hobby-Detektivin in eigener Sache den gesamten Film auf ihren Blickwinkel reduziert. Das macht uns, ob wir wollen oder nicht, zu Verbündeten, und auch wenn wir uns wundern, was Jungmutter Julia alles vermutet – wir können diesem zusammenfabulierten Netz nur schwer entschlüpfen, schon gar nicht, wenn sich die ganze Welt gegen ein einziges Individuum stellt, dem, wie Kassandra aus der Antike, niemand Glauben schenkt. Auszuhalten ist das nicht – dieser Zustand, allein mit der möglichen Wahrheit.

Das Rundum-Sorglos-Baby

Leuenbergers Figur der misstrauischen Mutter ist jedoch keine gebrochene, kümmerliche, vulnerable Seele ohne Resilienz, sondern ihr eigener Fels in der Brandung, wenn schon Gatte Hans Löw nichts von Julias Verdächtigungen wissen will. Diese fußen aber alle auf klar erkennbaren, seltsamen Verhaltensmustern, die Gynäkologe Claes Bang (genial als Dracula in der zweiteiligen Bram Stoker-Interpretation auf Netflix) und Hebamme Gerlinde an den Tag legen. Als Gerlinde ist hier Julia Franz Richter zu sehen, die in Welcome Home Baby ihrerseits eine werdende Mutter verkörpert, die ähnlich wie Mia Farrow in Rosemary’s Baby wie die Jungfrau zum Kind kommt.

Denn zu Beginn, da ist alles noch froher Erwartung, als Dr. Vilfort seiner Patientin verspricht, das es mit dem Mutterglück diesmal auch wirklich klappen wird. Als es dann nach neun Monaten endlich soweit ist, und die Geburt schwieriger wird als gedacht, entschwindet das Baby ganz plötzlich in den Armen des Arztes dem Blickfeld seiner Mutter – bis auf weiteres. Frühgeburt, Atemnot, Sauerstoffgehalt, all das hört Julia sehr viel später als Begründung. Daheim dann sind die Auffälligkeiten, was das Kind selbst betrifft, unübersehbar. Es ist, als würde sich der Spross den Bedürfnissen der Erwachsenen anpassen, wie eingangs erwähnt tut er all das, um den Eltern eben nicht die schwierigste Zeit des Familienlebens zu bescheren – sondern verhält sich unerwartet geräusch- und bedürfnislos. In Julia keimt der Verdacht, dass hier irgendetwas nicht stimmt, dass das Baby vielleicht gar nicht das ihre ist? Die aufdringliche Hebamme und die Sache mit dem Axolotl als ideales Haustier bestärken nur den Horror im Kopf der Mutter, die dann, auf sich allein gestellt, Ermittlungen auf eigene Faust anstellt.

Verdacht alleine hält lange vor

Mother’s Baby ist wohldosierte Mystery, die lange in der Schwebe bleibt, dabei aber nicht schwurbelt oder ich in unheilvollem Indiziensalat verliert wie Andreas Prochaska in seinem Folk-Grusel. Das Unheimliche hier ist wohl eher schleichende Skepsis und Argwohn, Moder spielt mit der Sorge der Vernachlässigung, der Wucht der Verantwortung und der maternalen Identität. Übertragen wird das Ganze aber nicht, so wie in Die My Love probiert und gescheitert, auf die innere Psyche der Mutterfigur, sondern hinterfragt als bröckelnde Rundumwahrnehmung die Sicht auf die Welt und deren Werte nach einem Paradigmenwechsel, den jede werdende Familie erlebt. Moder hätte beim Psycho- und Gesellschaftsdrama bleiben können, doch die Lust am Kleinkind-Horror, den es nicht erst seit Das Omen gibt, ist einfach zu groß, um nicht darin wühlen zu wollen. So bleibt Mother’s Baby stets greifbar und bodenständig, bürdet sich auch nicht zu viel auf, sondern setzt seinen perfiden, leisen Albtraum als zielorientierte Kritik auf eine Optimierungsgesellschaft in Szene, die vor nichts mehr zurückschreckt.

Mother’s Baby (2025)

Ich bin dein Mensch

DIE SIMULATION DER ZWEISAMKEIT

7/10


IchBinDeinMensch© 2021 Majestic Filmverleih


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

REGIE: MARIA SCHRADER

CAST: MAREN EGGERT, DAN STEVENS, SANDRA HÜLLER, HANS LÖW, WOLFGANG HÜBSCH, ANNIKA MEIER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 48 MIN


Es ist menschlich, sich was vorzumachen. Mit der eigenen zurechtverdrängte Realität lässt sich doch gut leben. Warum sollte man also da aufhören, wo es vielleicht am schönsten wäre? Bei der Partnerschaft. Manchmal reicht da einfach nur eine Stimme, um sich zu verlieben. Jean Cocteau hatte die Stimme am Telefon. Für Joaquin Phoenix in Spike Jonzes Her war Scarlett Johannsons Organ zu einer nicht körperlichen KI mehr als genug, um sich zu verlieben. Wenn dann aber ein attraktiver Mann mittleren Alters, augenscheinlich aus Fleisch und Blut, jeden Wunsch von den Augen abliest, kann das nur ein Erfolgsmodell werden. Damit nämlich rechnet eine in Berlin ansässige Robotik-Firma und hat bereits Eurozeichen in den Augen, als nur noch eine einzige Hürde überwunden werden muss, bevor die Innovation auf den Markt kommt: die Testung in privatem Haushalt. Für so etwas wird die Archäologin Alma mehr oder weniger zwangsverpflichtet. Sie muss den Partner-Androiden Tom für 3 Wochen mit zu sich nach Hause nehmen und auf die Frage Eignen sich Roboter als Partner-Ersatz? ein so gut es geht objektives Gutachten verfassen. Alma hat wenig Lust dazu, steckt sie doch bis über beide Ohren in einer Studienveröffentlichung zum Thema Keilschriften. Doch da muss sie durch – und nimmt den etwas hölzern wirkenden Charmebolzen mit in die eigenen vier Wände. Dieses Gekünstelte, so meint Tom, gibt sich bald – er muss seinen Algorithmus nur noch perfektionieren. Was aus diesen nächsten Wochen daraus entstehen mag – es ist nicht vorherzusehen. Und das ist schon mal eines der schönen Dinge, die diesen Film als etwas sehr Interessantes klassifizieren.

Ich bin dein Mensch ist ein Science-Fiction-Film, der noch weniger als Her visuellen Futurismus auch nur irgendwie nötig hat. Niemals blickt man in das Innere von Tom, niemals auch nur sind scheinbar schwebende Displays, Kabeln oder Knöpfe jemals relevant. Maria Schrader schlägt mit ihrem durchdachten Beitrag zum Informationszeitalter eine ganz andere Richtung ein. Dabei ist es, im Gegensatz zu ebenfalls recht durchdachten Filmen aus dem Roboter-Genre, auch nicht gerade die Frage der Ethik, die hier im Vordergrund steht. Für sie ist der Umstand, oder die Möglichkeit, alsbald einen Mensch-Ersatz menschlichem Willen zu unterwerfen, ein Umstand, der genauerer Betrachtung bedarf. Ein sozialpsychologisches Problem also. Eine ganz eigene Studie, die Maria Schrader hier betreibt, und für die sie mit Maren Eggert eine ebenso kritische wie leidenschaftliche Verfasserin gefunden hat. Vor ihr der charmante, ein bisschen als eine Mischung aus Anthony Perkins und James Stewart empfundene Gesellschafter – Dan Stevens (u. a. Die Schöne und das Biest, Downton Abbey) schafft als grüblerischer und gutmütiger Android mit britischem Akzent einen brillanten Balanceakt zwischen Star Trek´s Data und einem menschlichen Superhirn wie Sheldon Cooper, dazwischen aber gelingen ihm verblüffend menschliche Züge, bei welchen man als Zuseher fast schon selbst vergisst, dass dieser Tom eigentlich ein Roboter ist. Dabei zählen seine durchaus logisch nachvollziehbaren Handlungen, die enormes komödiantisches Potenzial entfalten, zu den wirklich witzigen Höhepunkten des Films.

Ich bin dein Mensch ist aber nur zum Teil Komödie. Im Grunde ist Schraders Film eine Gewissensfrage – an den Menschen im Zustand erdrückender Isolation und an ein künstliches Wesen, das vorgibt, alles zu verstehen. Die Simulation der Zweisamkeit allerdings kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, ist sie doch darauf ausgerichtet, die Grundmotivation der Lebenden, nämlich das Streben nach unerfüllten Wünschen, vorwegzunehmen. Doch andererseits… was weiß man.

Diese nachdenkliche, spitzzüngige und enorm pointierte Komödie über ein gesellschaftliches Grundproblem unserer Zeit schlägt zwar klar einen Kurs ein, lässt aber trotzdem alle Fragen offen. Und das in einer Zeit der vermeintlichen Fortschritte und anmaßenden Gewissheiten.

Ich bin dein Mensch