The Lost King (2022)

DER KÖNIG UND ICH

8/10


thelostking© 2023 X Verleih


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2022

REGIE: STEPHEN FREARS

DREHBUCH: STEVE COOGAN, JEFF POPE

CAST: SALLY HAWKINS, STEVE COOGAN, HARRY LLOYD, JAMES FLEET, MARK ADDY, LEE INGLEBY, LEWIS MACLEOD, BENJAMIN SCANLAN, ADAM ROBB U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd! Es wird wohl kaum jemanden geben, bei dem es da nicht klingelt. Ein Zitat, das bereits die Jahrhunderte überdauert hat und weitere überdauern wird, aus einem Theaterstück, dem es ebenso ergeht: Richard III. William Shakespeare hat den letzten Plantagenet-Monarchen als buckligen, ekelhaften Thronräuber hingestellt, der die Nachkommen seines Bruders – zwei Prinzen – in den Tower schloss. War dem wirklich so? War Richard III. wirklich bucklig, wirklich so grausam zu seinen Neffen, und wirklich ein Thronräuber? Vieles, so denkt sich die in einem Callcenter arbeitende und unter ME leidende Philippa Langley nach dem Besuch einer Aufführung besagten Stückes, könnte auch nur die hetzerische Darstellung der Tudors gewesen sein, die für etwas mehr als ein Jahrhundert den Thron besteigen werden. Vieles mag vielleicht nur eine subjektive Schlussfolgerung ob eines nicht ganz gefälligen Äußeren gewesen sein. So, wie Philippa selbst stets übervorteilt wird, da sie in Stresssituationen Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren oder meist übermüdet zur Arbeit kommt. Dabei steckt so viel mehr in ihr selbst als von allen anderen angenommen. Es steckt die plötzliche Mission in ihr, die sterblichen Überreste eines verunglimpften Herrschers zu finden, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Der Ex-Ehemann, Steve Coogan, hält das für einen schlechten Scherz. Die Fangemeinde um King Richard, zu welcher Philippa bald zählen wird, begegnet diesem Enthusiasmus zwar mit Wohlwollen, aber aus der Distanz. Denn so ein irres Vorhaben, das kann niemals Früchte tragen.

Und dennoch ist es so passiert. Im Jahre 2012 wurden auf dem Parkplatz eines Sozialzentrums irgendwo in Leicester der Leichnam des verlorenen Königs gefunden, und das nur, weil Philippa Langley in selten gesehener Beharrlichkeit sämtliche Hürden zu überwinden imstande war. Als Durchschnittskonsument(in) ohne akademischen Abschluss, wenig Einfluss und schon gar keinem elitären Netzwerk bis in die höheren Kreise von Wissenschaft und Politik wird man wohl sehr schnell das Handtuch werfen – oder solch eine Schnapsidee, vernüftig, wie man ist, vom Tisch wischen. Doch wo ein Wille, da ein Weg, das zeigt Stephen Frears in seiner neuen True Story mit erfrischender Begeisterung für seine zerbrechlich scheinende Heldin, die allerdings so viel Power in sich trägt, um die gesellschaftliche Ordnung umzukehren. Akademiker und Universitäts-Kapazunder sehen sich bald in einer Philippa untergeordneten Rolle. Sally Hawkins verkörpert die treibende Kraft hinter dem Abenteuer Archäologie nicht, als wäre sie ein weiblicher Indiana Jones mit der für Harrison Ford so typischen unverhohlenen Dreistigkeit, sondern wie jemand, der sich von seiner Intuition leiten lässt. Demotivierende Niederlagen sind der Nährboden für neue Ideen. Improvisation, Flexibilität und vor allem Ehrlichkeit führen Philippa bis jenseits der Grenzen des Möglichen. Verletzlich und doch unerschütterlich hetzt Sally Hawkins als unscheinbare, kleine Amateurin von Pontius zu Pilatus, strahlt mitunter natürlich so einige Verbissenheit aus, die man ihr am liebsten ausreden würde  – doch dieses Abenteuer eines weiblichen „Bilbo Beutlins“, der auf dieser unerwarteten Reise über sich hinauswächst, ist so packend erzählt und dabei noch so wahrhaftig, dass man am liebsten selbst gleich mit anpacken würde, um den Asphalt schneller aufzureißen als es letztlich geschieht.

Mit dabei und nur für Hawkins Charakter sichtbar: Richard III. himself als junger König, meist wortlos, aber für Fragen offen. Ob diese Visionen Philippa tatsächlich heimgesucht haben, wage ich zu bezweifeln. Um die Gedankenwelt der zweifachen Mutter aber entsprechend zu illustrieren, ist dieses Stilmittel tatsächlich eines, das tiefer in die Materie hineinführt, das den verschollenen König nicht auf einen Haufen Knochen oder Shakespeares Interpretation reduziert, sondern eine die Geschichte beeinflussende Person daraus macht, die vielleicht ganz anders war als in unserer Wahrnehmung verankert.

Mit The Lost King entsteht die völlig unprätentiöse, unkitschige und aus ganzem Herzen rekapitulierende Chronik einer unglaublichen Geschichte. Eine, für die Professor Jones wohl alles geben würde. Eine, die aber kein draufgängerischer Akademiker, sondern die gute Seele aus der Nachbarschaft erzählen darf. Weil die Kraft des Willens zwar schwer, aber doch, so laut nach einem König rufen kann, bis dieser sich bequemt, unter all den Erdschichten hindurch die Hand zu heben. Frears begeistert sich selbst für seinen Film und begeistert auch sein Publikum, indem er zwischen Biografie, hautnaher Geschichte und gelebter Archäologie fürs Volk selbst Shakespeare-Banausen in seinen Bann ziehen kann. Weil es um mehr geht als nur um erdverkrustete Gebeine. Es geht um Respekt, Vorurteile und dem Kampf gegen die Arroganz der Privilegierten.

The Lost King (2022)

Der Tod von Ludwig XIV.

MONARCHIE IM ABENDROT

5/10

 

DerTodvonLudwigdemXIV© 2016 Filmgarten

 

LAND: FRANKREICH, PORTUGAL, SPANIEN 2016

REGIE: ALBERT SERRA

CAST: JEAN-PIERRE LÉAUD, PATRICK D’ASSUMCAO, MARC SUSINI, IRENE SILVAGNI, BERNARD BELIN U. A.

 

Die Epoche des Barock ist ein Liebling des Kinos. Der Brite Peter Greenaway hat sich diesen bizarren Erscheinungsformen des elitären Lebensstils in üppigster, direkt maßloser Form hingegeben. Auch Jorgos Lanthimos konnte erst vor kurzem mit seinem Intrigenspiel The Favourite Perücke, Puder und Brokat bis zur Schadenfreude zelebrieren. Das krasse Gegenteil zu diesen Bilderorgien ist Albert Serras extrem zentriertes Kammerspiel, dass eigentlich – in strengem Fokus und in völliger Bedächtigkeit versunken – nur eines zum Thema hat: Hospiz für den Sonnenkönig. Für einen absolutistischen Herrscher, der länger als ein halbes Jahrhundert über Frankreichs Gestaden herrschten durfte. „Der Staat bin ich“, soll er gesagt haben. Historikern zufolge stimmt das aber nicht. Allein: das Zitat sagt über die Regentschaften zu dieser Zeit so ziemlich alles. Ludwig der XIV. also, fast schon gottgleich, ist in dieser französischen Film-Agonie auch nichts mehr anderes als ein gewöhnlicher Sterblicher. Was mich wiederum an das Zeremoniell der Habsburger erinnert, die nur als arme Sünder Einlass in die Kapuzinergruft erbeten können. So ist es auch mit König Ludwig XIV., der sich fatalerweise eine Infektion im linken Bein einfängt. Und was ihm, auch dank der Inkompetenz von Leibarzt und Co, den Rest geben wird.

Nouvelle Vague-Legende Jean Pierre Léaud spielt den Herrscher als Schatten seiner selbst mit unglaublicher Intensität. Vor allem in den Momenten, in denen sein wächsern gewordenes Antlitz für Minuten ins Nichts starrt, bedient sich der Historienfilm barocker Maßlosigkeit. Sonst aber bleibt der Pomp schön draußen in all den anderen Gemächern, und hat keinen Zutritt in das Schlafzimmer, in welchem sich der ganze Film fast ausschließlich abspielt. Um das Bett mit dem Baldachin, um Pölster und Satin herum und nur beleuchtet von wenigen Kandelabern, steht der nahe Hofstaat mit ratlosen Gesichtern. Betrübt, nachdenklich, kaum lösungsorientiert. Hand anzulegen an des Königs Bein? Nie und nimmer. Dass es sich bei den schwarzen Flecken auf dessen Fuß um Wundbrand handelt, wird viel zu spät erst bemerkt. Die rechtzeitige Initiative ergreift auch niemand. Denn was gilt, ist der Befehl des Königs. Und der kommt nicht. So beginnt der Anfang vom Ende eines politischen Zustandes, der das Volk in Abhängigkeit vor den königlichen Worten weiß und dann keine Worte mehr über die Lippen bringt.

Dunkel, mitleidig und befangen bleibt Albert Serras Film. So leicht ließe sich Melodiöses in dieses siechende Szenario einbringen. Der Regisseur tut es nicht. Die Szenen bleiben still, nüchtern. Getuschelt wird im Flüsterton. Alles wartet. Es ist ein Harren auf den ewigen Frieden, unterbrochen von Jammern und dem Flehen um Wasser aus Kristallgläsern. Zugegeben – so hat man Geschichtsfilme noch selten gesehen. Doch war die Wahl der wenigen Mittel und die Kunst des Weglassens wirklich zielführend, um diesen Moment eines Endes am besten zu fassen? Faszinierend ist der fluktuierende Aufmarsch um des Königs Bett seltsamerweise schon. Doch auch gleichermaßen träge, schleppend und zeitraubend. Irgendwann warten wir alle – der Hofstaat und ich – auf die doch bitte endlich hereinbrechende Erlösung des großen Mannes, der unter der Last seiner mächtigen Wolkenperücke wie unter der Last eines Geschichtsbuch füllenden Lebens geradezu erdrückt wird. Das nächste Mal machen sie’s besser, sagt die Entourage beim postmortalen Entnehmen der Organe.

Ja, vielleicht hätte der Film auch besser werden können, wäre des Königs Reflexion auf sein Leben auch Teil des Requiems geworden. Mit dem Tod aber macht man keine Spielchen, so Albert Serras filmische Prämisse. Oder zumindest meine ich, genaus das aus seinem Werk herausgehört zu haben.

Der Tod von Ludwig XIV.

Macbeth (2015)

IM NEBEL DER DICHTUNG

6/10

 

macbeth© 2015 Studiocanal

 

LAND: GROSSBRITANNIEN 2015

REGIE: JUSTIN KURZEL

CAST: MICHAEL FASSBENDER, MARION COTILLARD, DAVID THEWLIS, PADDY CONSIDINE, JACK REYNOR U. A.

 

So eine Witterung ist gut für die Nebenhöhlen. Morgens raus auf auf die baumlosen Ebenen des schottischen Hochlands und den dichten Bodennebel mal so richtig durchziehen lassen. Obendrein ist Feuchtigkeit auch noch gut für die Haut. Wenn man da nicht auch noch gleich in eine Schlacht verwickelt werden müsste, die Heerführer Macbeth gegen die Widersacher des schottischen Königs Duncan auszutragen hat. Da gibt die feuchtkalte Luft auch optisch einiges her, vor allem, wenn das Licht im flachen Winkel auf die in Superzeitlupe heranstürmenden Schotten trifft. Bei so viel Grazie von Mord und Totschlag fangen Anhänger der LARP-Gemeinschaft (Live Act Role Play) womöglich das Träumen an. Das ist in Szene gesetztes Mittelalter, da reicht die hauseigene Digicam, sofern man die Schlachten nachstellen will, auch nicht mehr aus. All die schmerzverzerrten Gesichter wie aus der Zeit gefallene Fotografien, fast schon bis zum Stillstand verlangsamte Leiber im diffusen Dampf, gestaffelt bis zur erahnbaren Spukerscheinung, ganz vorne der Hauptakteur dieses blutgetränkten Dramas, welches keine andere Tragödie sein kann als die des Usurpators Macbeth, auf immer verewigt von William Shakespeare. In der Hand das Schwert. Diese Waffe aus Stahl, die ist längst mehr als nur ein Werkzeug, um zu töten. Das wissen wir seit Excalibur. Seit Balmung. Seit Bilbo´s Stich. Wenn die Klinge im feuchten Boden steckt, leicht vibrierend, dann ist etwas Weltbewegendes passiert. Solche Szenen, die sind ikonisch und eignen sich bestens für ein Theater wie dieses.

Justin Kurzel, der sich später in ähnlich vergeistigter Manier an die Videospielverfilmung Assassins Creed herangewagt hat und für manche zu oft Stimmung mit packender Geschichte verwechselt hat, erarbeitete sich den Beweis seines Könnens mit einem zentnerschweren Brocken Literaturgeschichte. Macbeth inszeniert und spielt man einfach nicht nur so. Das will ins richtige Licht gerückt werden. Und am besten noch in den originalen Versen eines Shakespeare erzählt werden. Da passt die sphärische Bilderflut in den gestreuten Farben des Fegefeuers natürlich bestens dazu. Und Macbeth kann noch so klassisch und unkritisierbar sein – es ist die Geschichte eines von vielen Tyrannen, die sich an die Macht intrigiert und getötet haben, in wütender Barbarei geherrscht und dann schmählich untergegangen sind. Die blutige Tragödie aus dem sehr frühen 17. Jahrhundert lebt natürlich in erster Linie zumindest gegenwärtig von den wohlklingend ausformulierten Worthülsen, die die Chronik einer finsteren Regentschaft in eine atemberaubende Sprache kleiden. Das todessehnsüchtige Intrigenspiel als solches ist aber in Zeiten detailverliebter Mittelalterdystopien wie Game of Thrones zwar nach wie vor ein dankenswerter Einstand, auf den Filmemacher und Romanschreiber respektvoll zurückblicken – in Anbetracht der Erwartungshaltung der Genre-Fans bleibt Macbeth grob umrissen, auf die Eckpfeiler der Historie reduziert und viel zu getragen, um emotional mitzureißen. Da macht es auch keinen großen Unterschied, ob das Königsdrama rein fiktiv oder historisch fundiert ist. Das mag für eingefleischte Schotten vielleicht relevant sein, für alle anderen ist das Schicksal von König Macbeth und seiner besseren Hälfte, die Lady selbigen Namens, ungefähr genauso fern wie Westeros.

Dennoch beschert uns Regisseur Kurzel einen wuchtigen Augenschmaus zwischen Schattentheater, flackerndem Kerzenlicht und feuchtkalter Ödnis – Szenerien, die die Möglichkeiten einer Theaterbühne geschickt erweitern (es sei denn, wir haben es mit Bühnen wie jener des Wiener Burgtheaters zu tun, die eigentlich fast schon alles kann). Michael Fassbender in Kriegsbemalung und als gekröntes Haupt ist vielleicht nicht die absolut ideale Wahl für so ein irrsinniges Machtmonster wie Macbeth, da fehlt mir dann doch der Wahn des Alleinherrschers, dafür ist Fassbender zu folgsam und zu sehr verliebt in seine Verse, die er da sprechen muss. Das kann bei Schauspielern, die Shakespeare über alles stellen, relativ leicht passieren. Marion Cottilard hingegen ist erwartungsgemäß entrückt wie es die Rolle auch vorschreibt, ihr Zwiegespräch mit dem verstorbenen Nachwuchs ein schauderhaftes Highlight.

Macbeth ist also nicht ganz die unvergessliche Interpretation des Barock-Dichters mit Halskrause, wobei Sir William wohl zufrieden wäre mit all den Tänzen aus Licht und Schatten, die seine Worte zweifelsohne effektiv verstärken.

Macbeth (2015)

King Arthur – Legend of the Sword

BUBE, DAME, KÖNIG… UND EIN SCHWERT

7/10

 

kingarthur

Regie: Guy Ritchie
Mit: Charlie Hunnam, Jude Law, Eric Bana, Aidan Gillen

 

Was Charlie Hunnam eigentlich noch gefehlt hätte, wäre ein Flinserl. Eines dieser metrosexuell aparten Schmuckstücke für den Mann, die in den 80ern so richtig salonfähig wurden und bis heute nichts von ihrem zweifelhaften Reiz verloren haben. Mittlerweile trägt Mann sie bereits an beiden Ohrläppchen. Das ist noch anarchischer – aber vielleicht weniger Prolo. Doch das wäre bei Guy Ritchies Inkarnation des legendären King Arthur auch schon egal gewesen. Seine Ikone der ritterlichen Fantasy und des mächtigsten Mittelalter-Mythos neben Robin Hood ist ein Schlägertyp von nebenan. Einer, der zwar das Herz am rechten Fleck hat, aber ähnlich wie Siegfried von Xanten nicht als hellstes Licht im Dunkel scheint. Dafür aber weiß er zu kämpfen, sich zu verteidigen, den maskierten Gesellen rund um den bösen König Vortigern, der unrechtmäßig am Thron sitzt, das Wilde herunterzuräumen. Und das eine oder andere passende Schmähwort auf den Lippen zu haben.
Übermütiger Zynismus – das ist, was Guy Ritchie und seine Fans sehen wollen. Wie wir sehen konnten, hat sich dieses Konzept ja auch bei Sherlock Holmes bewährt. Auch eine literarische, popkulturelle Gestalt, die zwischen den Medien umherscharwenzelt, sei es das geschrieben Wort oder das bewegte Bild. Sherlock Holmes ist eine Institution, und nur so unkaputtbaren Institutionen kann man eine Interpretation angedeihen lassen, die man als großzügig budgetierte Fanfilme bezeichnen kann. Robert Downey als Ohrfeigen verteilender Detektiv ist eine gegen den Strich gebürstete Charakterpersiflage, und genau das passiert nun auch König Arthur. Blond, blauäugig, ein David Beckham des finsteren Mittelalters (ja, tatsächlich, der Fußballstar hat einen Cameo-Auftritt als ein Scherge Vortigerns), lässig gewandet – aber nicht imstande, das Schwert Excalibur zu handhaben.
Diese mächtige Waffe sowie ein nur namentlich erwähnter Merlin, der böse Zauberer Mordred und eben der machtgierige Bruder Vortigern, von Jude Law ähnlich angelegt wie den jungen Papst in Paolo Sorrentino´s kunstvoller Kirchensatire, sind die einzigen Versatzstücke aus der Artus-Sage, die in Ritchie´s freier, herumfuchtelnder Improvisation Verwendung finden. Alles andere ist nicht König Artus, aber den Anspruch, den hat der Film gar nicht. Muss er auch nicht. Es gibt genügend braver Aufarbeitungen des Mythos, da reicht es, wenn sich die Legende des Schwertes – so der Subtitel des Blockbusters – auf das von Merlin geschmiedete Artefakt konzentriert. Und da hat der Film so manche innovative Idee dazu, wie zum Beispiel jene Erklärung, wieso das Schwert überhaupt in einem Felsblock steckt. Doch diese Dinge sind nur von peripherer Wichtigkeit. Das rüstungsgewandete Spektakel soll vorallem eines: so richtig fetzen. Und da hält sich King Arthur schon von Anfang an nicht mit ausufernden Prologen auf. In den ersten Filmminuten verwüsten bereits gigantische Ausgeburten des dunklen Zauberers Mordred König Uthers Besitztümer – in herrlich epischer Breite und mit einem Sound, der die Kinositze virbieren lässt. Überhaupt sind die Toneffekte ein regelrechter Zirkus für die Ohren. Da poltert, dröhnt und faucht es. Und darüber liegt ein Score, der sich hören lassen kann. Sind die schnellen Schnitte, die Frozen Stills und die virtuose Kamera nicht schon genug Entertainment für die Sinne, gibts noch rockig-düstere Songs und schweren Beat, der das Ganze noch akustisch um einige Levels schwindelerregender macht.
So knallig war das Mittelalter mit Sicherheit nicht mal ansatzweise, aber die nicht erst seit Game of Thrones verklärende Fusion der Europäischen Historie mit der Welt des phantastischen Erzählens und die Erwartungshaltung jener, die Guy Ritchies Filme kennen, verlangen, hier ein anderes Bild zu vermitteln. Eines, das unterhält und das Gute über das Böse siegen lässt. Zwar haben wir hier weitaus weniger Grauzonen als in George R. R. Martin´s epischer Westeros-Saga, und zwar wissen wir schon von Anbeginn an, dass die Ritter der Tafelrunde zueinanderfinden werden, doch mit bübischer Mitspielfreude in einer Zeit zu schwelgen, die letzten Endes gerechteren Paradigmen folgt als es die Realität tut, macht es allemal wert, hier mitzurocken.
King Arthur ist episches, aber gleichsam hektisches Bubenkino der schnellen Schnitte und von rotzfrecher Fabulierlust. Einziger Ruhepol ist die zerbrechlich wirkende Magierin mit ausgeprägtem Tierverständnis und französischen Akzent. Bei ihr trifft sich immer wieder der Kern der Geschichte, um sich selbst als roten Faden weiterzuspinnen. Dreimal tief durchgeatmet, und weiter geht´s – das Fangenspielen mit Schwert, Bauernschläue und blutigen Fäusten.

 

King Arthur – Legend of the Sword

The Last King

DES KÖNIGS NEUE NEIDER

* * * * * * * * * *

lastking

Wie firm seid ihr in norwegischer Geschichte? Ausbaufähig? Diese Lücke lässt sich etwas schließen, insbesondere bei jenen, die noch dazu verzweifelt auf die Fortsetzung von Vikings warten. Der norwegische Filmemacher Nils Gaup, seines Zeichens Macher des Abenteuerdramas Pathfinder, der 1988 für den Oscar als fremdsprachiger Film nominiert war, widmet sich in dem historischen Actiondrama einer bedeutenden Episode aus dem norwegischen Bürgerkrieg.

Wir schreiben das Jahr 1206 – das tiefste Mittelalter, auch im hohen Norden. Und gerade da. Es ist – wie denn anders auch – noch dazu tiefster Winter. Und der rechtmäßige Erbe des norwegischen Throns, Håkon Sverresson, ist in großer Gefahr. Warum? Er ist noch ein Säugling, noch dazu der einzige, aber uneheliche Sohn des vorhin erwähnten, kürzlich verstorbenen Regenten. Zwei Adelshäuser, die Birkebeiner und die Bagler – um hier ein klein wenig Geschichtswissen zu verbreiten – schenken sich nichts. Beide wollen das weite, wilde Land regieren, die einen zu Recht, die anderen weniger. Und so versuchen die beiden Skifahrer Torstein Skjevla und Skjervalv Skrukka, beides Birkebeiner, den Sprössling in Sicherheit zu bringen. Mehr muss man über die historischen Hintergründe gar nicht wissen. Ich selbst war bei Betrachten des Streifens ziemlich grün hinter den Ohren, was das norwegische Mittelalter betrifft. Nun weiß ich aber zumindest in groben Zügen über das damals herrschende Thronfolgerchaos Bescheid. Der Rest des Filmes ist souveräne Mittelalter-Action, ganz im Stile der eingangs erwähnten Wikingerserie Vikings. Geschmackvoll ausgestattet, in pittoresken Bildern und authentisch anmutender Ausstattung. Die meiste Zeit des Schneeknirschenden Abenteuers hetzen fellbekleidete, vermummte Krieger, ausgestattet mit Schwertern und Beilen, auf Holzskiern durch lichte Nordwälder. Es spritzt das Blut, es färbt sich der Schnee rot. Hinter den Kulissen archaischer Holzburgen werden Intrigen und Ränke geschmiedet. Ganz so, wie man es aus der Geschichte Europas rund um diese Zeit gewohnt ist. Und wie man es als Besucher stattlicher Mittelalterfeste gerne sieht. Das Ganze hat schon eine eigene Faszination, diese raue Vergangenheit. Nichtsdestotrotz erliegen wir einer gewissen verfälschten Romantik – die sich aber im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaft gut fürs Kino und auch für Geschichten eignet. So erfüllt Nils Gaup auch mit The Last King die Sehnsucht nach der martialischen Zeit, wo das Schicksal der Menschheit fast schon im Minutentakt neu ausgerichtet wurde. Was hier fehlt, sind Hexen und Drachen. Magier und Kobolde. Aber das fehlt auch – fast – bei Vikings. So sehen wir im mittelalterlichen Schneethriller die Geburtstunde des in Norwegen sehr beliebten Birkebeiner-Rennens – einem traditionellen Ski-Langstreckenlauf von 50km – basierend auf den wahren Ereignissen zur Errettung des letzten Königs.

The Last King ist ein routiniertes, europäisches B-Movie. Ohne dramaturgische wie schauspielerische Besonderheiten, aber solide inszeniert, gut ausgestattet und mit einer verträglichen Härte, die Männer fürs Grobe – und auch Frauen – unterhalten dürfte. Bei uns war der Streifen nie im Kino – wäre aber auch nicht notwendig gewesen. Ideal fürs Heimkino, vor allem wenn man nach den Ritterspielen mit dem Nachwuchs artverwandte Zerstreuung sucht.
 

The Last King