Jung_E: Gedächtnis des Krieges (2023)

IMMER WIEDER AN DIE FRONT

6/10


JungE© 2023 Netflix


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2023

BUCH / REGIE: SANG-HO YEON

CAST: HYUN-JOO KIM, SOO-YEON KANG, KYUNG-SOO RYU, SO-YI PARK U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Natürlich ist es naiv, zu glauben, wenn in der Entwicklung künstlicher Intelligenzen die Kurve so steil nach oben geht wie in den letzten Monaten, wir einen Krieg mit entfesselten Robotern vom Zaun brechen. Natürlich nicht. Kein Skynet, kein I, Robot, kein Blade Runner. Diese Szenarien sind noch kaum absehbar. Beklemmend ist allerdings die Tatsache, dass KI dazu führt, uns Menschen alles abzunehmen, was wir delegieren möchten. Und es ist schon irgendwie ironisch, wenn die wohl realistischste Darstellung der menschlichen Zukunft zwar nicht im Weltraum, aber auf der Erde ungefähr so aussehen würde wie in Pixars ironischer Dystopie Wall-E. Vielleicht werden wir nicht ganz so ballonartig durch unsere Hallen rollen (denn Sport kann durch nichts ersetzt werden). Vielleicht manifestiert sich die Trägheit des Körpers wohl eher als Trägheit des Geistes, wenn Kreativität nur noch ausgelagert wird.

Doch im Kino werden Szenarien, die das Ende der Menschheit einläuten könnten, gerne übertrieben. Auch in diesem koreanischen Science-Fiction-Film ist Homo sapiens dessen Vorschussvertrauen für High Tech, Robotik und KI auf die Füße gefallen. In Jung_E: Gedächtnis des Krieges befindet sich eine längst dem Klimawandel zum Opfer gefallene und überflutete Erde im Krieg mit einer autark gewordenen, manischen Technologie, die separatistische Züge trägt und tut, was es, frei von Empathie und anderer Gefühle, für richtig hält. Im Orbit tobt also ein Krieg jener, die sich rechtzeitig auf Raumstationen haben retten können – und jenen, denen das Wasser auf der Erde bis zum Hals steht. Die Technik dort oben hat sich aber längst der Herrschaft des menschlichen Geistes entledigt und macht ihr eigenes Ding. Dagegen kämpfen seit Jahren perfekt ausgebildete Soldatinnen wie Jung-yi, die aber auch nur ein Mensch ist und über kurz oder lang von den Maschinen niedergestreckt wird. Mit dem Ende ihres Heldentums neigt sich auch Anthropozän einer Götterdämmerung entgegen. Jung-yi liegt im Koma, wird aber dank kniffligen High-Techs – und weil ihr Geist wohl der Prototyp eines erfolgreichen Soldaten darstellt – zu Übungszwecken in den Körper eines Androiden eingespeist, um die perfekte Armee zu erschaffen. Gerade deren Tochter Yun Seo-hyun, die längst ihre Mutter zu einer Halbgöttin verklärt hat, betreut das Projekt. Bis es, wie kann es anders sein, zwangsläufig aus dem Ruder läuft. Und der Geist Jung-yis die Befreiung plant.

Nein, Jung_E: Gedächtnis des Krieges ist kein trashiger Kawumm-Streifen voll ermüdender, dystopischer Action zwischen finsteren urbanen Ruinen. Es stimmt, das Ganze macht den Eindruck, als wäre es das – doch nur die große Eröffnungsszene liefert martialische Schauwerte, wie wir sie auch aus Edge of Tomorrow kennen. Science-Fiction-Afficionados mit eher bescheidener Vorliebe fürs Krawallkino bleibt an dieser Stelle zu empfehlen, dranzubeiben. Denn Jung_E steigt vom großen Bombast auf ein konzentriertes Machwerk um, das nur eine kleine Episode aus einer gigantischen Chronik erzählt, von welcher wir nie etwas erfahren werden. Verantwortlich für diesen, auf Netflix veröffentlichten Film ist der Macher des modernen Klassikers Train to Busan: Sang-Ho Yeon. Mit seinem „Zombie on the Train“-Thriller hat er dem Subgenre des Horrorfilms erfrischende Kicks verliehen. Der Nachfolger Peninsula sackte dann deutlich ab. Mit Jung_E: Gedächtnis des Krieges hat er sich aus seiner Schräglage geholt. Sang Ho-Yeon, der auch für den Busan-Klassiker das Drehbuch schrieb, schuf für dieses geradlinige und moralisch orientierte Thrillerdrama das trittsichere Grundkonstrukt einer sowohl dysfunktionalen als auch idealisierten Mutter-Tochter-Beziehung. Soo-Yeon Kang, die nach den Dreharbeiten mit nur 55 Jahren an einer Hirnblutung verstarb, gibt dem Film nicht nur dank ihres ungewöhnlichen Aussehens eine gewisse, vorab nicht zu erwartende Tiefe. Zum Glück reißt der Film nicht zu viele Themen an, bleibt Nebenstories fern und gewinnt durch seine dramaturgische Schlichtheit. Weniger ist mehr, auch wenn das top ausgestattete Drumherum aus Wissenschafts-Futurismus und absurd überhöhter Technik-Perfektion protzen möchte. Am Ende gewinnt das feine Drama und die variierte Idee von einem Ghost in the Shell.

Jung_E: Gedächtnis des Krieges (2023)

M3GAN

ALITAS FIESE SCHWESTER

6/10


m3gan© 2023 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: GERARD JOHNSTONE

BUCH: AKELA COOPER

CAST: ALLISON WILLIAMS, VIOLET MCGRAW, AMIE DONALD, JENNA DAVIS (M3GANS STIMME), RONNY CHIENG, JEN VAN EPPS, BRIAN JORDAN ALVAREZ, STEPHANE GARNEAU-MONTEN U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Androiden sind nicht zum Vergnügen da. Künstliche Intelligenzen schon gar nicht. Sobald ein Programm die Möglichkeit hat, selbstständig zu lernen und sich unentwegt zu verbessern, kann sich unsere Spezies schon mal irgendeinen Tag in nicht allzu ferner Zukunft als den letzten in ihrer Existenz rot anstreichen. So reaktionsschnell und pragmatisch wie ein künstliches Gehirn, dem man noch dazu die Möglichkeit gibt, sich auch physisch auszudrücken, kann ein Mensch gar nicht sein. Wollen wir uns also wirklich selbst überholen, durch das, was wir aus unserem Know-How und unserer Intelligenz heraus geschaffen haben? Natürlich fällt uns das in den Rücken. In der alternativen Kinorealität von Terminator macht uns Skynet den Garaus, in Michael Crichtons Vergnügungspark-Horror Westworld wollen Androiden wie Yul Brunner endlich mal selbst bestimmen. HAL 2000 will anno 2001 um Gottes Willen nicht, dass ihn irgendjemand abdreht. Und da gibt es Beispiele noch und nöcher, gipfelnd in der philosophischen Frage aus Blade Runner, wo denn nun das Menschsein aufhört oder anfängt. Replikanten sind da längst die bessere Spezies und schaffen Monologe für die Ewigkeit, wie Rutger Hauer am Ende von Ridley Scotts Klassiker.

Doch man muss gar nicht so weit in die Zukunft blicken und gleich die ganze zivilisierte Welt in den Abgrund reißen. Es reicht auch, wenn das Spielzeug anfängt, Mätzchen zu machen. Wie in M3GAN, einem Science-Fiction-Thriller aus dem Hause Blumhouse und produziert von Saw-Spezialist James Wan, der diesem Toy Story-Alptraum nicht ganz so viel Blut entnimmt wie in anderen seiner Filme und das Publikum auch nicht vor lauter Jumpscares den Popcorn-Kübel als Sichtschutz empfiehlt. Bei M3GAN kann man die ganzen 100 Minuten Spielzeit getrost hinsehen, und zwar jede Sekunde, denn was hier wirklich fasziniert, ist weniger die auf etwas ausgetretenen Pfaden wandelnde Suspense-Story, sondern in erster Linie der Charakter dieser High-Tech-Humanoidin mit ihren großen, wasserklaren Augen, ihrer Puppenschnute und einem Hang zur Mode, die in den Siebzigern vielleicht der letzte Schrei war. Wie ihre größere Schwester aus der Zukunft, das künstliche Mädchen Alita, besteht M3GAN aus einem äußerst widerstandsfähigen Grundgerüst (warum nur?) und bewegt sich aufgrund eines ausgetüftelten Bewegungsapparates wie ein Mensch. Nur ab und an hört man mechanischen Schnurren – ein Soundeffekt, den der Film dezent einsetzt, um nicht plump zu wirken.

Diese 120cm große Spielgefährtin, die sich bald wohlhabende Familien um schlappe 10.000 Dollar leisten können, hält als Beta-Version in den Haushalt ihrer Schöpferin, AI-Tüftlerin Gemma (Allison Williams, bekannt aus Get Out), sehr bald Einzug. Und nicht nur dieser Roboter, auch Nichte Cady wohnt nach dem Unfalltod ihrer Eltern nun bei ihrer Tante und bläst bald Trübsal, einerseits aus Langeweile und andererseits natürlich aufgrund des Verlustes ihrer Familie. Als Trost sitzt nun bald M3GAN neben ihrem Bett und glänzt als autarke Puppe, die alles kann und viel mehr auf Cadys Wohlbefinden eingeht als ihr neuer Vormund, ist dieser doch mit dem Release des besten Spielzeugs der Welt beschäftigt. Und da entgehen ihr auch das eine oder andere Mal gewisse unrunde Feinheiten im Verhalten dieses kognitiv denkenden Konstrukts, das als oberste Priorität das leibliche und seelische Wohl ihrer Bezugsperson Cady ansieht. Und alles, was diese betrübt, fordert kühl berechnete, aber drastische Gegenmaßnahmen.

Es lässt sich denken, wohin das führt. Klar, M3GAN gerät außer Kontrolle. Seltsame Todesfälle häufen sich, und das kesse Roboter-Mädchen mit dem Hüftschwung massakriert sich durch die Nachbarschaft, ohne dass sich das Publikum davor ekeln muss. Aufgrund einer PG13-Schnittfassung sind explizite Gewaltszenen außen vor. Man fragt sich natürlich: Braucht es das, um guten Horror zu erzählen? Nun, das ist fast so, als würde man bei einem Gruselfilm alle Jumpscares skippen. Als würde man durch eine Geisterbahn fahren, und die Mechatronik versagt. Was bleibt, ist immer noch die Stimmung eines Films und eine Story, die auch ohne Effekte funktionieren soll. Bei M3GAN ist das nur bedingt der Fall. Das Quäntchen Horror lukriert sich aus der Fertigkeit der Puppe, geisterhaft zu erscheinen oder sich unnatürlichen Verrenkungen hinzugeben. Ein bisschen wie besessen sieht das aus, als bräuchten wir den nächsten Exorzisten. Und dennoch: M3GAN sieht man gerne zu, so wie man Alita gerne zugesehen hat, weil von diesen künstlichen Persönlichkeiten eine Faszination ausgeht, die Vladimir Nabokov wohl in seinem Roman Lolita beschrieben hat. Es ist diese den Mangas so eigene Mischung aus sexy Fräulein und martialischer Nemesis für so manche.

M3GAN nutz durchwegs gängige Versatzstücke, um seinen Thriller zu erzählen. Immer mal wieder jedoch blitzen Ambitionen durch, den Film als satirisches Psychodrama erscheinen zu lassen, das sowohl die Austauschbarkeit der Eltern als auch die bis ins Fatalistische getriebene Werteordnung von Kindern hinterfragt, die ihrem Spielzeug ihr Leben anvertrauen. Da hätten Gerard Johnstone und Skript-Autorin Akela Cooper noch viel mehr einhaken können. Genau diese Punkte hätten den Film in eine andere, gesellschaftskritische Richtung katapultiert, die mit ihrer gespenstischen Mentorin ihre Meisterin gefunden hätte.

M3GAN

Terminator: Dark Fate

EIN FRANCHISE WIDER WILLEN

5,5/10

 

terminatordarkfate© 2019 Twentieth Century Fox Deutschland

 

LAND: USA 2019

REGIE: TIM MILLER

CAST: MACKENZIE DAVIS, NATALIA REYES, LINDA HAMILTON, ARNOLD SCHWARZENEGGER, GABRIEL LUNA U. A. 

 

Alles begann mit einem ultrabrutalen, schnellen Actionthriller, der wie aus der Pumpgun geschossen das Publikum von den Kinostühlen schmiss. So einen Blockbuster will man als Studio natürlich nicht schubladisieren, sondern die Kuh melken, bis sie keine Milch mehr gibt. Für die Fortsetzung des Erstlings aus den Achtzigern hat James Cameron sieben Jahre verstreichen lassen. Es wäre wegen den Effekten gewesen – die dann auch noch die Benchmark der perfekten Illusion neu setzten. Cameron hat die relativ trashige, geradlinige Story in einer ebensolchen geraden Linie (Oscar für das komplexe Drehbuch gibt es keinen) zu einer geschmeidigen Fortsetzung und auch zu einem Ende geführt, welches im Extended Cut noch eines draufsetzt, sodass keiner mehr an dem Terminator-Mythos herumfriemeln kann. Ich war selbst recht verwundert, als ich zur Einstimmung für Terminator: Dark Fate diese Schnittfassung vor den Latz geknallt bekam. Und mit ansehen musste, wie mehrere Dutzend Jahre später Sarah Connor als rüstige Oma ihrem Sohnemann am Rande eines Spielplatzes dabei zusieht, wie er sich mit seinem Nachwuchs vergnügt. Ende der Geschichte. Ein paar sinnige Worte aus dem Off und das Franchise rund um den Terminator hätte mit diesem eher kitschigen Ausklang wirklich ins Archiv aufgenommen werden sollen. Gut, dass womöglich kein geringer Prozentsatz der Zielgruppe nicht weiß, dass es dieses Ende überhaupt gibt. Die Verwirrung wäre groß. Und tatsächlich wurde dieses seltsam kitschige Ende, wie auch aktuell Teil III, IV und V, einfach ignoriert. Womöglich besser so, denn das Terminator-Universum ist gelinde gesagt das beste Beispiel dafür, wie man ein Franchise tüchtig vermurksen kann. Bislang ist das Ganze zu einem Herumgepansche geworden, das für seinen Story-Mix wohl nicht ohne Golden Raspberry den Saal verlässt. Nichts passt mehr irgendwo zusammen, das reinste Patchwork, unvernäht bis in die Deckenfransen. Also Schlussstrich und anknüpfen an Teil 2.

Gesagt getan – entstanden ist im Grunde genommen ein Reboot derselben Geschichte. Wieder fallen zwei kybernetische bzw. teilkybernetische Rivalen in blitzezuckenden Energieblasen vom Himmel. Wieder sind sie nackt, und wieder jagt der eine, während die andere beschützt. Ja, auf der Beschützerseite ist diesmal eine Frau (die Terminatrix aus Teil 3 hatten wir schon, aber die hat es ja nach aktuellem Kanon nie gegeben), gespielt von der faszinierenden Mackenzie Davis, der man von Herzen danken muss dafür, dass Terminator: Dark Fate zumindest schauspielerisch kein totales Verlustgeschäft geworden ist. Ihre Figur der burschikosen Grace hat eine einnehmend gehetzte, verbissene Aura, wandelt von totaler Erschöpfung bis zur Raserei. Alleine dafür ist der offizielle sechste, aber insgeheim dritte Teil durchaus einen Kinogang wert. Was man am wenigsten von Linda Hamilton sagen kann. Aber die in ansehnlicher Würde herangereifte Dame sorgt für einen Effekt, den normalerweise Stargäste bei der Comic Con haben: Ikonen aus vergangenen Jahrzehnten haben den Kult auf ihrer Seite, auch wenn sie ewig nichts mehr gedreht haben. Mit dem Schauspielern tut sie sich rotzdem schwer. Arnold Schwarzenegger auch, aber der hat nur das mimische Soll eines T800 zu erfüllen. Was die beiden in diesem Film eigentlich verloren haben? Eigentlich nichts, denn erzählt wird ein ganz anderes, komplett neues Szenario. Und dieses Aufeinandertreffen der alten und neuen Riege fühlt sich ungefähr so an wie damals, als Jean-LucPicard auf den altehrwürdigen Captain Kirk in Star Trek VII traf. Dabei ist es halt rührend, jene, die uns in Jugendzeiten fasziniert haben, noch mal aufspielen zu sehen. Extended Cameos, würde ich sagen – die Story bringen sie nur bedingt weiter. Die hat Mackenzie Davis im Griff. Und Deadpool-Macher Tim Miller, der natürlich und völlig erwartet eine ordentliche Materialschlacht mit vorwiegend fahrbaren Untersätzen vom Stapel lässt. Fast & The Furious? Mad Max? Ja, ein bisschen. Und mittendrin der altbekannte Killerroboter mit stierem Blick, unzerstörbarer denn je. Dieses Hin und Her einer Hetzjagd ist genau das, was das Terminator-Franchise vorne und hinten abgrenzt. Die Zukunft, die Vergangenheit, irgendeine biographische Storyline von John Connor – will keiner sehen. Weil Terminator das ist, was es ist – ein Killerthriller aus den Achtzigern, der sich nicht ausbauen lässt, und wenn, dann nur mit dem Verblüffungsfaktor von flüssigem Metall.

Letzten Endes aber bekommt ein relativ vorhersehbares Krawallszenario tatsächlich noch soweit die Kurve, indem das Kaputtkriegen des Antagonisten zu einer Kraftanstrengung sondergleichen wird. Selten ist die Zerstörung von etwas geradezu Vollkommenen so eine Mordsdrumm Kraftarbeit – wirklich, das muss man gesehen haben. Aber mehr dann auch wieder nicht. Und es wäre jetzt gerade richtig, mit diesem filmischen Epilog die Sache einfach abzuschließen. Bevor sich wieder jemand die Energiekugel gibt.

Terminator: Dark Fate