Decision to Leave

DAS HERZ, EINE MÖRDERGRUBE

7,5/10


decisiontoleave© 2022 Bac Films


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2022

REGIE: PARK CHAN-WOOK

BUCH: PARK CHAN-WOOK, JEONG SEO-KYEONG

CAST: PARK HAE-IL, TANG WEI, LEE JUNG-HYUN, GO KYUNG-PYO, PARK YONG-WOO, JUNG YI-SEO U. A. 

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Die Rache-Trilogie des südkoreanischen Regie-Visionärs Park Chan-Wook möchte ich allen Filmfreundinnen und Freunden ans Herz legen – wenn diese sowieso nicht schon als selbstverständliches Must-See auf der Watchlist stehen oder gestanden haben. Lady Vengeance, Sympathy for Mr. Vengeance und natürlich Oldboy: Großes Kino ohne Mainstream-Kompromisse, selbstbewusst bis in den letzten Spot und nicht darauf angewiesen, um jeden Preis gefallen zu müssen. Park Chan-Wooks Filme halten eben dadurch, dass sie ihrem Konzept so sehr treu bleiben, Ablehnung jedweder Art sehr gut aus. Man muss manch verstörenden Stilbruch, manch Gewalteruption oder groteskes Intermezzo nicht unbedingt verstehen, man wird aber nicht umhinkommen, die virtuose Regieführung des Meisters zu bemerken. Seine Filme sind gehaltvoll und komplex, das ist nichts für zwischendurch. Und manchmal auch ein Schlag in die Magengrube. Wer aber dennoch mit Park Chan-Wook vertraut werden und das koreanische Kino abseits kommerzieller Berechenbarkeit erfahren will, sollte mit Decision to Leave beginnen, seinem neuesten Werk, das eben bei den Filmfestspielen der Viennale läuft. Hier lässt sich ein moderater Einstieg in die vertrackte Gedankenwelt eines Künstlers finden, der mit mächtigen menschlichen Gefühlswelten hart ins Gericht geht, ist es nun Rache oder Liebe.

Die Liebe hält bei Decision to Leave auf Umwegen Einzug, dabei fällt das heikle Wort so gut wie kaum, und auch das leidenschaftliche Empfinden einer Zuneigung findet nur im Ermitteln eines Mordfalls seine Legitimität. Denn Detektiv Hae-joon muss Song Seo, die Witwe eines beim Klettern verunglückten älteren Koreaners einvernehmen, die ob des Verlustes ihres Ehemannes nicht so wirklich Tränen vergießt, gerne mal im Verhörraum die edelsten Sushis des Viertels verdrückt und Hae-joon sowieso schöne Augen macht. Unter Mordverdacht steht die Dame nicht wirklich, doch ihre Rolle in diesem mysteriösen Fall bleibt lange im Dunkeln. Während dieser Zeit des Investigierens kommen sich die beiden näher, auf romantische Weise, doch kommt es nie zu Intimitäten. Als der Fall geklärt scheint, endet diese Art der Zweisamkeit abrupt. Doch nicht für lange.

Der Plot klingt jetzt nicht nach einem umwerfend komplexen Filmdrama. Eine Kriminalromanze eben. Oder doch mehr? Natürlich. Es wäre nicht Park Chan-Wook, würde er das Konzept des Film Noir nicht auf eine Weise wiederbeleben und in erweiterter Form neu interpretieren. Ich denke da an die frühen Dashiell Hammett– oder Raymond Chandler-Krimis mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall. Ausgetüftelte Werke, die mit voller Konzentration gesichtet werden sollten, denn wenn auch nur einer der vielen ins Spiel gebrachten Namen nicht im Gedächtnis bleiben, stürzt das ganze filigrane Krimi-Konstrukt in sich zusammen. Aufpassen und mitdenken muss man auch bei Decision to Leave. Und hier gestaltet sich die Erarbeitung des Films noch schwieriger, denn asiatische Gesichter scheinen uns ohnehin ähnlicher als die unsrigen, und bei koreanischen Namen klingt der eine wie der andere. Hat man diese Hürde überwunden und all die Namen und Personen erscheinen vertraut, eröffnet sich ein neues Fenster mit Ausblick auf ein sehnsuchtsvolles Kriminaldrama, auf Landschaften und Meeresküsten Südkoreas, wo die Brandung tost oder der Schnee leise zwischen den Föhren fällt. Park Chan-Wooks Film widmet sich stark wie selten zuvor seinem Land und seinen Leuten, blickt in die Ferne und in eine stets offene Mördergrube namens Herz. Dort folgt eine radikale Entscheidung der anderen, und wir wissen, dass Chan-Wooks Filme keine Kompromisse eingehen. Auch hier nicht – auch in Decision to Leave ist die letzte Konsequenz eine radikale und entsteht aus dem verrückten Entschluss, sich lebenslang an die große Liebe zu binden. Die letzte Entscheidung wird zu einem künstlerischen Akt, einer Art Manifest. Bis dahin weiß das manchmal gar urkomische, locker dahinerzählte und dann wieder getragene Filmpuzzle all seine vielen Details so zu ordnen, dass sich am Ende ein schillerndes, großes Ganzes ergibt. Einen eingefleischten, satten Film Noir, der die volle Aufmerksamkeit verdient.

Decision to Leave

Sympathy for Mr. Vengeance

DAS ENDE DER RACHE

7/10


SympathyForMrVengeance© 2021 capelight pictures


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2002

BUCH / REGIE: PARK CHAN-WOOK

CAST: SONG KANG-HO, SHIN HA-KYUN, BAE DU-NA, LIM JI-EUN U. A. 

LÄNGE: 2 STD


Ein Blick in den Nahen Osten reicht, um zu sehen, wie es ist, wenn auf Rache Rache folgt. Israel und Palästina kommen aus diesem Drehkreuz der gegenseitigen Vergeltung nicht mehr heraus. Das kaum unterdrückbare Verlangen, in einer aus mehreren Standpunkten gerechten Sache das letzte Wort haben zu wollen, bringt den Gewaltkreislauf womöglich erst dann zum Stillstand, wenn eine der beiden Parteien keinen Mucks mehr macht. Wie verlässlich dieses Grundprinzip funktioniert, und welche bizarren Wege Rache nehmen kann, hat der Südkoreaner Park Chan-Wook in seiner Rachetrilogie veranschaulicht, seinem großen Opus Magnum, das ihm sozusagen Tür und Tor in der Filmbranche geöffnet hat. Aus dieser Trilogie ist Oldboy natürlich das schillernde Mittelstück – mittlerweile längst ein Klassiker. Flankiert wird dieser irre Knüller von Mr. und Lady Vengeance. Zwei völlig andere Ansätze zu selbem Thema, und es ist auch ganz egal, in welcher Reihenfolge man sich diese Werke zu Gemüte führt, eines ist bei Park Chan-Wook aber gewiss: In Sachen Gemüt muss man hierbei schon einiges vertragen können, vor allem die drastische Darstellung von Gewalt.

Den Anfang dieses Triptychons macht ein blauhaariger, gehörloser junger Mann, dessen schwerkranke Schwester ganz dringend eine neue Niere braucht. Die eigene kommt aufgrund falscher Blutgruppe nicht infrage, und die Warteliste für Organe wie diese ist lang. Also geht Ryu andere Wege und lässt sich mit einer illegalen Organhändlerin ein, die das geforderte Geld und Ryus eigene Niere kassiert, mit dem in spe erstandenen Körperteil aber nicht rausrückt. Plan C ist es also, die Tochter eines Geschäftsmannes (Song-Kang-Ho, zuletzt in Parasite zu sehen) zu kidnappen und Lösegeld zu erpressen. Es wäre nicht Park Chan- Wook, würde dieser Plan nicht ebenfalls schrecklich schieflaufen. Wichtige Figuren in diesem Spiel des Schicksals verlassen vorzeitig ihr irdisches Dasein – und das ist Grund genug für die Rache am Rächer, der sich am Rächenden rächt.

Von allen drei Werken ist Sympathy for Mr. Vengeance (vom Original übersetzt: Mein ist die Rache) der wohl nihilistischste. Allerdings auch der introvertierteste, bedächtigste, der anfangs lange Luft holt und sich einfach die Zeit nimmt, die er ungeachtet eines nervösen Publikums braucht, um seine Charaktere und ihr gesellschaftliches Umfeld näher zu betrachten. Park Chan-Wook verschwendet dabei aber keine Spielzeit – sein fast über die ganze erste Hälfte des Film dauerndes Vorspiel macht die zweite Hälfte dann umso intensiver. Und dort bleibt kein Stein auf dem anderen, denn es ist, wie eingangs erwähnt, diese niemals anhaltende Drehtür aus Vergeltung und Gegenvergeltung, die wie ein Körper, der ins Wasser fällt, seine Kreise zieht. Die Eigendynamik der Rache spielt sich dann auch längst nicht mehr linear ab, sondern verzweigt sich und findet auf mehreren Ebenen und an mehreren Orten gleichzeitig statt. Sympathy for Mr. Vengeance nimmt dem Thema Rache seine Banalität, die nur zu gut und gern im Actiongenre stereotype Verwendung findet. Park Chan-Wook macht aus dieser scheinbar simplen Emotion ein kunstvolles Spektakel, das allerdings nichts mehr hat, woran man sich noch festhalten könnte. Hier stürzt alles ins Chaos, lässt andererseits aber seine strauchelnden und hasserfüllten Figuren übertrieben rasch zu sehr hässlichen Mitteln greifen, die man in ihnen keinesfalls vermutet hätte. Das macht den Streifen weniger plausibel. Und da auch des Weiteren all der Jammer wie Abwaschwasser in eine Richtung abläuft, bleibt aufgrund seiner makellos glatten Konsequenz überraschend wenig narrative Haptik.  

Allerdings: Sympathy for Mr. Vengeance mag zwar der schwächste Film der Trilogie sein – Park Chan Wooks Sinn für penibel arrangierte Tableaus, unorthodoxe Blickwinkel und schräge Details findet auch in diesem tiefschwarzen und bizarr bebilderten Klagelied seine praktische Entfaltung.

Sympathy for Mr. Vengeance

Lady Vengeance

UNSER ALLER IST DIE RACHE

8/10


lady-vengeance© 2005 D.R.


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2005

REGIE: PARK CHAN-WOOK

CAST: YEONG-AE LEE, MIN-SIK CHOI, SHI-HOO KIM, YAE-YOUNG KWON, SU-HEE GO U. A. 

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Verstörend, grotesk, mitunter lieblich und brutal – wer diese vier Adjektive im Film seiner Wahl nicht unter einen Nenner gebracht haben möchte, sollte Park Chan-Wook eher meiden. Wer Oldboy kennt – und den kennen sicher mehr als eine Handvoll meiner Leser – kann sich ungefähr vorstellen, was ihn erwartet, wenn Lady Vengeance als Abschluss einer lose verknüpften Themen-Trilogie über den Screen flimmert. Chan-Wooks Filme sind nichts für Zwischendurch. Ungefähr so, wie Filme von Peter Greenaway einfach nichts für zwischendurch sind. Sie entspannen nicht, sie bereichern nicht, sie erquicken nicht. Sie fühlen sich auch nicht gut an. Das Kuriose dabei aber ist, dass Filme wie Lady Vengeance auf gewisse Weise die Erzählparameter des Kinos neu definieren und dabei Wege beschreiten, die andere womöglich für unbegehbar halten. Quentin Tarantino hat sich für sein eigenes Œvre von Chan-Wook und Kollegen merkbar inspirieren lassen. Und blieb wohl bis heute auch der einzige, dessen Werke zugleich komisch, melodramatisch und explizit brutal sind. Diese Mixtur ist wie eine selten genutzte, chemische Formel und das Ergebnis dieses Experiments eigentlich erst nach auserzähltem Film erkennbar. Also heisst es: Augen auf und durch. Denn in seinen einzelnen Szenen betrachtet ist auch Lady Vengeance etwas unerhört Bizarres und Abstoßendes. Wäre da nicht diese melancholische Melodie, die darauf folgt, und wäre da nicht dieses bittere Schicksal, das auch das Undenkbare legitimiert.

Mit so einem Schicksal muss die junge Geum-ja leben, die für einen Kindsmord, den sie nie begangen hat, für rund 13 Jahre ins Gefängnis gehen musste. Der Film setzt da ein, als Geum-ja entlassen wird. Nachdem man allerdings glaubt, nun eine geradlinige Geschichte erzählt zu bekommen, zerschnipselt Park Chan-Wook seinen Rachethriller in Rückblenden und Nebengeschichten, die allesamt dazu verleiten, die Orientierung zu verlieren. Doch egal, Chan-Wook fordert sein Publikum heraus und schert sich nicht um Gefälliges. Erzählt aus dem Frauengefängnis, stellt einige Randfiguren vor, die sich alle irgendwie ähnlich sind, und die allesamt bei Geum-ja in der Schuld stehen. Wieder in Freiheit, kennt Geum-ja aber nur ein Ziel. Den wahren Mörder zu finden und ihn für den Knast und der damit verbundenen Zwangsadoption ihrer Tochter leiden zu lassen. Hinter dieser plumpen Rache steht aber ein ausgearbeiteter Plan, der nicht nur ihr selbst Genugtuung bringen soll, sondern auch all jenen, deren Leben durch die grausamen Taten von Bestie Mensch zerstört wurden.

Auch wenn man es kaum für möglich halten könnte – ein bisschen Agatha Christie schwingt hier auch mit, auch ein bisschen was von Fritz Langs M – eine Stadt sucht einen Mörder. Aber das nur peripher. Die Rache wird in diesem höchst faszinierenden Psychotrip zu einer theatralischen, rituellen Zeremonie, wie das letzte Dinner in Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber. Lady Vengeance versucht, diesen irrationalen und impulsiven Umstand auf kuriose Art zu institutionalisieren. 

Wie in Oldboy kennt Park Chan-Wooks Film kein Erbarmen. Nicht mit dem Zuseher, der sich dieses Kuriosum erst erarbeiten muss. Und nicht mit seinen Protagonisten, die Schlimmes oder gar arg Erniedrigendes erleiden müssen. Ich würde Lady Vangeance tatsächlich nur jenen empfehlen, die mit Park Chan-Wooks koreanischem Schaffen (Stoker ist da eher nur noch ein Schatten seiner Radikalität) zumindest ein bisschen vertraut sind. Oder auch jenen, die bereit sind, recht wertfrei Unerwartbares zuzulassen. Am Ende bekommt man ein perfekt geschliffenes Artefakt serviert, dessen Facetten jeweils ein anderes Lichtspektrum brechen. Bei koreanischen Filmen wie diesen hat man das Gefühl, etwas erlebt zu haben, auch wenn es im Grunde den eigenen Geschmack untergräbt. Sowas nenn ich ein Kunststück, das seiner selbst willen entstanden ist.

Lady Vengeance

Die Taschendiebin

WER DREIMAL LÜGT…

7/10

 

dietaschendiebin© 2016 Koch Films

 

LAND: SÜDKOREA 2016

REGIE: PARK CHAN-WOOK

CAST: MIN-HEE KIM, KIM TAE-RI, HA JUNG-WOO, CHO JIN-WOONG U. A. 

 

Egal, was für eine elendslange Laufzeit seine Filme auch haben mögen – bei Park Chan Wook wird einem einfach nicht langweilig. In Anbetracht eines zweieinhalbstündigen Historienfilms namens Die Taschendiebin könnte man ja ansatzweise vermuten, dass sich der Plot in die Länge zieht – aber eben nicht bei Park Chan Wook, und das weiß ich jetzt, obwohl ich es bereits bei Oldboy hätte wissen müssen, seinem meisterwerklichen Aushängeschild aus der vielgepriesenen Rachetrilogie, dessen vorderes und hinteres Ende, nämlich Lady Vengeance und Sympathiy for Mr. Vengeance, ich noch tunlichst von meiner Watchlist streichen muss. Aber eines nach dem anderen, diesmal war Die Taschendiebin dran – und ja: Park Chan-Wook ist ein einerseits strenger, andererseits aber auch zumindest inhaltlich sehr wild fabulierender Komponist. Ein dogmatischer Ästhet, der seinen Prinzipien folgt, der sicherlich kein einfacher Künstler ist, und der für alles, was er abbildet, eine chemische Formel hat. Das war schon bei Oldboy so, ein Arthouse-Zwölfgängemenü, ein Geschmackserlebnis, das nicht zwingend wohlgefällig sein muss. Nein, das ist Die Taschendiebin auch nicht immer. Manchmal würgt man den Bissen auch hinunter. Obwohl alles seine Ästhetik hat.

In dieser von Sarah Waters Roman Solange du lügst inspirierten Dreiecksgeschichte haben betuchte Chauvinisten keine Ahnung von der Cleverness des weiblichen Geschlechts. Diese Herren im Anzug, die finden sich nämlich im japanisch besetzten Korea der Dreißigerjahre beim literaturaffinen Grafen von Kouzouki ein, der mit seiner Nichte Heidiko in einem britisch-japanischen Architekturhybrid von Villa residiert und ein Faible für pornographische Literatur hegt, die er auch seinen Schützling rezitieren lässt. Die Heirat der eigenen Verwandtschaft soll noch folgen – wie ekelhaft. In dieses Konstrukt sadomasochistischer Abhängigkeit aus tintigen Zungen, wunden Pobacken und erotischen Lesungen gerät ein Dienstmädchen, das allerdings von einem Betrüger namens Fujiwara engagiert wird, damit diese ihm hilft, ans Erbe der wohlhabenden Heidiko zu kommen, die in kindlicher Naivität nichts davon zu ahnen scheint, welches grausame Spiel mit ihr getrieben wird.

So pausenlos gab sich Niedertracht und Eigennutz zuletzt nur in Jorgos Lanthimos The Favourite die Klinke in die Hand. Auch die strenge Bildsprache beider Filme ist ähnlich, obwohl ich mir auch nicht verkneifen kann festzustellen, dass mit diesem erotischen Stoff aus Thriller und Liebesreigen wohl auch Peter Greenaway (u. a. Die Bettlektüre) seine Freude gehabt hätte. Beiden scheint die bizarre Verknüpfung aus akribisch arrangierten Bildern, geschmackvoller Ausstattung und abgründigem menschlichen Verhalten wirklich zu liegen. Park Chan-Wook gliedert seinen stellenweise wahrhaft freizügigen Streifen in drei Akten. Die ersten zwei werden jeweils aus der Sicht der Taschendiebin und der psychisch labilen Erbnichte erzählt, der dritte sammelt all die losen Enden schließlich zusammen. Diese entspringen manchmal etwas überkonstruierten Wendungen, die so vielleicht gar nicht zwingend nötig wären. Um diesen Parcour aus Bluffs und guter Miene zu bösem Spiel aber auszureizen – vielleicht doch. Die Taschendiebin ist ein Kopf an Kopf-Rennen für all jene, die glauben, klüger zu sein als der andere. Hinter der Fassade des eitlen Scheins hat der Mann in all seiner Eitelkeit das Nachsehen, während Frau nicht nur Erkenntnisse in Sachen Lust gewinnt. Ein Lustgewinn ist Chan-Wooks Film aber auf jeden Fall, und der lässt seine grotesken Spitzen in der gesittet scheinenden Opulenz eines obsoleten Establishments aus dem Hinterhalt hervorschnellen. Die Taschendiebin ist dem japanischen Kino verwandter als jenem Südkoreas, näher an Oshimas Reich der Sinne zum Beispiel, vielleicht auch ein bisschen dessen Hommage, obwohl die Sexualität hier statt Tod in Ekstase unangepasste Freiheit verspricht.

Die Taschendiebin