Lightyear

DIE PHRASE MIT DER UNENDLICHKEIT

5/10


lightyear© 2022 Disney / Pixar Animation Studios


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: ANGUS MCLANE

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): CHRIS EVANS, KEKE PALMER, PETER SOHN, JAMES BROLIN, TAIKA WAITITI, DALE SOULES, UZO ADUBA, ISIAH WHITLOCK JR. U. A.

MIT DEN STIMMEN VON (DEUTSCHE SYNCHRO): TOM WLASCHIHA, GIOVANNA WINTERFELDT, JEREMIAS KOSCHORZ, JÜRGEN KLUCKERT, MARIUS CLARÉN U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Irgendwann wird auch Buzz Lightyear älter. Nur merkt das keiner mehr, denn alle anderen sind da längst schon Sternenstaub. Was der hartgesottene Space Ranger wohl davon hat, bis zur Unendlichkeit zu reisen, ist wohl eine Frage, die er selbst nicht wirklich beantworten kann. Vielleicht sucht er die Einsamkeit, vielleicht ist das einfach nur ein Ego-Ding, um sich selbst zu beweisen, nicht versagt zu haben. Denn anders lassen sich dessen starrsinnige Bemühungen, durch den Hyperraum zu springen, um die Kolonie Gestrandeter von einem fremden(feindlichen) Planeten fortzubringen, nicht erklären.

Es scheint, als hätte Pixar beim Ersinnen der Origin-Story für einen der Stars aus Toy Story ebenfalls den Anschluss verpasst. Oder zumindest nicht genug hinterfragt, ob es denn wirklich Sinn machen würde, ein charmantes Spielzeug wie den besten Freund von Cowboy Woody dem Kinderzimmerkosmos zu entreißen und ihn als Helden aus Fleisch und Blut auf eine fragwürdige Mission zu schicken, die sich irgendwo zwischen den Sternen und Planeten verpeilt, ohne voranzukommen. Dabei ist die nicht ganz schlüssige Mechanik hinter der Zeitreise noch gar nicht von mir aufs Tapet gebracht worden. Es reicht, sich bereits bei den vielen, vielen verlorenen Jahrzehnten, die Buzz Lightyear mit seinen Testflügen verschleudert, zu fragen, ob so jemand überhaupt noch auf Wunsch der Allgemeinheit handelt oder einfach verbissen einer Sache folgt, die keinerlei Wichtigkeit mehr hat.

Diesen Space Ranger tangiert nicht wirklich, ob all jene, die ihm vielleicht etwas bedeutet hätten, im Laufe einer subjektiv wahrgenommenen Zeiteinheit von gerade mal einer Woche dahinscheiden. Die Kolonie auf dem fremden Planeten hat sich im Laufe von drei Generationen längst mit den Gegebenheiten arrangiert, und Lightyear tritt alle Schaltjahre mal auf, wie eine seltsame Anomalie. Als er es dann tatsächlich schafft, in den Hyperraum zu springen und wieder zu landen, trifft er auf fremde Invasoren, die ihre Roboter ausschicken, um den Nachkommen der Kolonie den Garaus zu machen. Lightyear hat plötzlich ganz andere Probleme als nur Zeit und Raum und schließt sich mit einer kleinen Gruppe an Rebellen zusammen, deren Ideale größer sind als ihre Fähigkeiten. Doch wo ein Wille, da ein Weg. Und noch dazu ist eine der Krieger die Enkelin einer Lightyear bestens bekannten Space Ranger-Kommilitonin.

Wenn schon die Rechnung für die zugrundeliegende Ausgangssituation nicht aufgeht, scheint auch das darauffolgende, actionreiche Szenario zwar etwas nachvollziehbarer, aber deutlich an andere Vorbilder aus der Science-Fiction orientiert zu sein. Und zwar an dem interstellaren Abenteuer der Familie Robinson: Lost in Space. In den von Netflix neu aufgelegten Erlebnissen einiger Kolonisten, die auf fremden Planeten Bruchlandung erleiden und versuchen, den Anschluss Richtung Wahlheimat zu finden, spielen mechanische Aggressoren ebenfalls eine gewichtige Rolle. Lightyear kopiert diese Geschichte, allerdings recht geschickt und letzten Endes auch so, dass sie in eine andere Richtung geht. Dort aber wartet das nächste Problem: Die Sache mit der Zeitreise, oft Garant für Logiklöcher. So auch hier.

Lightyear ist trotz aller Detailverliebtheit und zweifellos ergiebigen Schauwerten das eintönige Spin Off eines großen Franchise-Erfolges, das sich bei seinen Figuren aus bewährten und oft genutzten Charakteristika bedient. Der gute Buzz mit seiner Unendlichkeitsphrase bleibt dabei am beliebigsten.

Lightyear

A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando

SPIELZEUG, DAS SICH SELBER FINDET

7/10

 

TOY STORY 4©2019 Disney/Pixar. All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2019

REGIE: JOSH COOLEY

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): TOM HANKS, TIM ALLEN, ANNIE POTTS, JOAN CUSACK, JORDAN PEELE, KEEANU REEVES, LAURIE METCALF U. A.

 

Mein Blick schweift über die Sitzreihen des noch beleuchteten Kinosaales und sagt mir, dass die Zielgruppe für den in Kürze startenden Film im Vergleich zu anderen Genrekanditaten doch etwas aus der Norm fällt. In Toy Story verblüfft die Tatsache, dass vorwiegend und zu keinem verschwindenden Teil auch Erwachsene ohne juvenilen Anhang, sowohl in weiblicher wie männlicher Buddy-Duo-Formation, Platz genommen haben. Da sind wir und die Kids in der vorderen Reihe eher eine Ausnahme, und das lässt sich auch ganz leicht erklären. Denn Toy Story, das war in den guten Neunzigern, und zwar genau in den Iden selbiger, der spielfilmlange Einstand für Pixar, dem Team hinter der Schreibtischlampe. Fans der ersten Stunde sind wohl heute hier einige versammelt, und dank eines bis in die Gegenwart gelungen fortgeführten Franchise ist die Sympathie für Cowboy Woody, Buzz Lightyear und Konsorten aller Machart eine ungetrübte. Es ist schon etwas Besonderes, wenn bereits drei Teile nicht im mindesten weniger gut sind als der Vorgänger oder der Nachfolger. Nach 24 Jahren allerdings, wo die Kids von damals selber Kids haben und sich gerne an die guten alten Animationszeiten auf der Leinwand erinnern, müssen auch Woody und seine Freunde eine Veränderung durchmachen, es kann ja nicht so weitergehen wie bisher. Irgendwann muss das Spielzeug auch erwachsen werden. Oder sich selber finden. Wie eben ganz aktuell im Kino im vierten Abenteuer Toy Story: Alles hört auf kein Kommando.

Andy, das Kind von Cowboy Woody, ist schon im letzten Film erwachsen geworden. Und Bonnie, das kleine spielfreudige Vorschulmädchen mit ausgeprägtem Sinn für Erdachtes, findet wohl mehr Freude an einer selbst gebastelten Göffelfigur namens Forky als an den mittlerweile zur Flohmarktware zählenden Altspielzeug aus den 90ern. Woody muss sich daher umorientieren, bevor er aus Unachtsamkeit verlorengeht. Und entdeckt in sich die Rolle des selbstlosen Beschützers, der das neurotische Watschelbesteck erstmal vor der Mülltonne rettet, um dann einen Antiquitätenladen unsicher zu machen, der so einiges Potenzial für einen abendfüllenden Spielfilm bereithält. Der bis in die hintersten Lurchecken akribisch rekonstruierte Hallenflohmarkt mitsamt verstaubtem Mehrfachstecker und detailverliebt gestalteter Ladenhüter lässt nicht nur die Puppen tanzen (das Image der gruseligen Bauchrednerpuppe werden die staksenden Holzkasper garantiert bis zum Weltenende nicht mehr los), sondern auch die Outlaws rund um Woody dermaßen waghalsig improvisieren, dass man A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando zumindest stellenweise als das „Fast & Furious“ der Spielzeugwelt bezeichnen kann. Wenn Porzellinchen in adretter Mad Max-Manier im selbstgebauten Stinktier-Vehikel durch die Niederungen eines Jahrmarkts brettert oder der selbstzweifelnde Duke Kaboom zum Stunt des Jahrhunderts ansetzt, dann hat Pixar durchaus ein gewitztes Spektakel vom Computer gelassen, dass den Live-Act-MacGyver blass aussehen lässt und Suspense längst nichts mehr nur Erwachsenenkram sein muss.

Storyboardzeichner Josh Cooley sitzt diesmal im Regiestuhl, und es lässt sich erkennen, dass Bildidee und Umsetzung aus einer Hand gehen. Insofern steht das 3. Sequel all den anderen Teilen in punkto Spielzeugstunts um nichts nach, im Gegenteil, es setzt noch eins drauf. Allerdings nicht nur bei den haarsträubend gut animierten Hetzjagden quer durchs adulte Interieur. A Toy Story will zwischen all dem Slapstick auch etwas ernster sein. Und verliert dabei manchmal leicht den Überblick. Gefühlt ein jedes Spielzeug sucht seine wahre Bestimmung, hat sie gefunden oder trauert Bewährtem nach. Muss sich neu definieren oder Vergangenes zurücklassen. In Cooleys Film ist Abschied und Neuanfang das große Thema, Umorientierung und das Hören auf die innere Stimme. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber in A Toy Story ist Zeit Spielgeld und keiner will Bonnie nach ihrem Göffel weinen sehen. Also ist das ganze Abenteuer aufgrund des straff gezogenen Zeitrahmens durchaus fesselnd, voll schlagfertigem Humor und sowieso satt an liebevoll skizzierten Charakteren, die so angenehm durch den Wind sind, wie Spielzeug eben sein muss. Längst nicht perfekt, und – ob auf sich alleine gestellt oder durch die Augen eines Kindes – immer bereit, neu entdeckt zu werden.

A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando