The Fantastic Four: First Steps (2025)

SCIENCE-FICTION VON GESTERN

6/10


© 2025 20th Century Studios / MARVEL


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: MATT SHAKMAN

DREHBUCH: JOSH FRIEDMAN, ERIC PEARSON, JEFF KAPLAN, IAN SPRINGER, KAT WOOD

KAMERA: JESS HALL

CAST: PEDRO PASCAL, VANESSA KIRBY, EBON MOSS-BACHRACH, JOSEPH QUINN, JULIA GARNER, RALPH INESON, PAUL WALTER HAUSER, MARK GATISS, SARAH NILES, NATASHA LYONNE, MATTHEW WOOD U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Im Rahmen der so gut wie alle Aspekte abdeckenden Ausstellung auf der niederösterreichischen Schallaburg zum Thema Träume gibt es ein bibliophiles Exponat, ein sogenanntes Sticker-Album, wie es Kinder gerne haben, stammend aus den Sechzigern, in welchem Visionen der Zukunft dargestellt werden. Genau so stellte sich damals die zivilisierte Welt die nächsten Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte vor. Wie niedlich. Wie naiv. Und wie formschön!

Diese Art und Weise des Vorausdenkens nennt man Retro-Futurismus. Perry Rhodan-Leser der ersten Stunde schätzen die Cover-Artworks der Romanhefte, die nach wie vor das Auge erfreuen und jeden Roman-Shop schmücken: Stromlinienförmige Vehikel in der Luft; Roboter, deren Mechanik infantil erscheint. Urbane Stadtbilder mit tropfen- und zapfenartigen Türmen, Brücken und schwebende Boliden, alles aus einem Guss. Jetzt ist dieser liebreizende Stil auch im Marvel-Universum angekommen. Mitgeliefert im narrativen Rahmen des Multiversums, das seinerzeit Dr. Strange, aber auch Loki, der schabernacktreibende nordische Halbbruder Thors, erst möglich gemacht haben. Was wir in The Fantastic Four: First Steps zu sehen bekommen, ist die Erde 828, also nicht jene Erde, auf welchem sich der eigentliche Erzählfaden des MCU abspielt (die wäre 616). Hier ist alles ganz anders, gibt es keine Avengers und keine sonstigen Superhelden. Auch kein Wakanda, auch keine Secret Invasion, kein Daredevil und kein Punisher: Hier haben sich drei Astronauten und eine Astronautin zu einer dritten Macht vereint, die nach einem Weltraumausflug und einigen Turbulenzen nun sagenhafte Kräfte besitzt, die den vier Elementen entsprechen. Eine schöne Idee, die Stan Lee und Jack Kirby hier hatten. Diese vier leben in einer Welt, die man in einem Reisekatalog für Science-Fiction-Fans der früheren Generationen erfolgreich anpreisen könnte. Und zugegeben: Der Look des Films schlägt die Story, er schlägt so gut wie alles, was in Matt Shakmans neuem Anlauf zu den Fantastic Four zu erleben sein wird.

Shakman hat seine Liebe zu konsequenten Stilwelten nicht erst mit diesem Film hier entdeckt, schließlich war er verantwortlich für eine der originellsten Beiträge zum MCU, die es bisher gibt: WandaVision. In dieser neunteiligen Mini-Serie entdecken Hexe Wanda Maximoff und ihr Geliebter Vision, die längst eine Sitcom-Familie gegründet haben, dass nichts so ist, wie es scheint. Dabei unternimmt Shakman eine Zeitreise durch Jahrzehnte des Fernsehens, von antifeministischer Küchen-und Familienordnung der Fünfziger in Schwarzweiß bis zur farbintensiven Serienschwemme der Neunziger in grellen Outfits. Er weiß also, wie stilsicher man seine Settings errichten kann. So hat auch dieses Abenteuer tief in die Designer-Kiste gegriffen und eine akkurate Welt komponiert, die man so und in diesem Ausmaß noch nicht gesehen hat. Hinzu kommen Weltraumszenen in der Dynamik vergangener Science-Fiction aus dem Röhren-TV, die abermals an die gute alte Vorstellung grenzenloser Weiten erinnern. Schön ist das. Und gleichzeitig völlig überhastet.

Denn es ist nicht so, dass die Fantastic Four hier ihre First Steps auf dem Filmparkett klackern lassen: Die Helden haben, und das erfahren wir im Rahmen einer Fernsehshow, moderiert von Mark Gatiss, schon einiges erlebt, was wir nicht wissen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit einem gewissen Mole Man, der unter der Erde das Volk der Subterraner anführt. Was haben wir verpasst? Naja, so einiges. Dafür hätte es in manchen Lichtspielhäusern großer Kinoketten ein Prequel-Comic gegeben, das mir aber niemand in die Hand gedrückt hat. Doch wie auch immer: Jetzt ist Sue Storm aka Richards (weil verheiratet mit Reed Richards, dem Gummi-Mann) schwanger und fliegt unter diesen Umständen ins Unbekannte, um eine Bedrohung abzuwenden, die sich Galaktus nennt. Auch dieser Hüne wurde von Lee und Kirby erschaffen und gilt als Weltenverschlinger. Der Silver Surfer (diesmal eine Frau), stets in dessen Diensten, hat diesmal die Erde als Appetithappen ausfindig gemacht. Und ja: Der von Ralph Ineson verkörperte Gigant lässt Thanos geradezu mickrig aussehen – Godzilla hingegen nicht. Der Riese, ehemals ein normales humanoides Wesen vom Planeten Taa, plagt ein astronomischer Hunger, und nicht ganz freiwillig muss Terra seinen Magen füllen. Da Shakman eigentlich nur zwei Stunden Zeit hat, um erstens die Vier neu vorzustellen und zweitens diese stattliche Bedrohung so abzuwenden, dass der Film auch sein Ende findet, hechelt das Abenteuer ruhelos durch eine sprunghafte Abfolge schnell durchdachter Initiativen, die in völlig unrealistischen Zeiträumen in die 828-Realität umgesetzt werden. Hier hapert es gewaltig mit inhärenter Plausibilität und Timing, hapert es mit dem Fehlen einer Vorgeschichte und einer Storyline, die einer grob zusammengezimmerten Inhaltsangabe gleichkommt, die man vielleicht auf Wikipedia liest.

Visuell ist The Fantastic Four: First Steps erste Sahne, nebenher jedoch will der Film zu viel erzählen und erreicht damit genau das Gegenteil. Im Endeffekt ist man zwar informiert, aber emotional kaum beteiligt.

The Fantastic Four: First Steps (2025)

Stowaway – Blinder Passagier

WAS IM WELTRAUM INS GEWICHT FÄLLT

6/10


stowaway© 2021 Wild Bunch


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND, USA 2021

BUCH / REGIE: JOE PENNA

CAST: ANNA KENDRICK, TONI COLLETTE, DANIEL DAE KIM, SHAMIER ANDERSON

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Im Weltraum hört dich niemand schreien. Natürlich nicht. Es gibt ja nichts, das den Schall weiterträgt. Überhaupt: weswegen sollte man auch herumbrüllen, in der Raumfahrt wird ja sowieso nichts dem Zufall überlassen. Es sei denn, Faktoren, die im Weltraum ins Gewicht fallen, glänzen durch Abwesenheit. Besonders wichtig wäre in Sachen Gewährleistung menschlichen Überlebens mal der Sauerstoff, der Luftdruck, natürlich die Schwerkraft, denn neuen Studien zufolge ist 0g ein Umstand, der das menschliche Gehirn in Mitleidenschaft zieht, sosehr wir uns auch ärgern, wenn Dinge irgendwo hinunterfallen. Wir brauchen soziale Interaktion, Wärme, körperliche Ertüchtigung und ausreichend Schutz vor Strahlung. Man sieht wieder: der Mensch hat im Weltraum nichts verloren. Als zu akzeptierendes Schicksal wollen wir intelligente Zweibeiner diese Ultimo Ratio aber nicht hinnehmen. Wir rüsten auf, natürlich technisch. Genetisch verändern ließe sich der Mensch (rein theoretisch) schließlich auch – so gesehen im Streifen Titan mit Sam Worthington. Aber bleiben wir lieber bei der sogenannten Hard Science-Fiction, für die zum Beispiel jemand wie Andy Weir dank seines von Ridley Scott verfilmten Bestsellers Der Marsianer weltberühmt geworden ist. Matt Damon schlägt sich dort auf dem Mars mit all diesen eingangs erwähnten Faktoren herum, und das ist richtig spannend.

Nun nimmt Joe Penna eine ähnliche Richtung. Und das ist wenig verwunderlich, denn Penna ist einer, den nicht nur die Kunst des Überlebens angesichts widriger Umstände fasziniert – zu sehen in seinem Schneedrama Arctic sondern auch die Tatsache, das im Falle höchster Not die Selbstlosigkeit zur Rettung anderer der Menschen höchstes Gut ist. Altruismus in Extremsituationen. Gut, Matt Damon war am Mars so ziemlich allein – auf diesem rotierenden Raumschiff, das sich ebenfalls Richtung Mars bewegt und in 5 Monaten dort ankommen soll, haben wir drei Astronautinnen und Astronauten, natürlich alles Wissenschaftler, die ihrer streng festgelegten Agenda folgen und sich schon so sehr auf den roten Planeten freuen wie Kinder auf Heiligabend. Es wäre eben kein Film von Joe Penna, würde hier nicht ein Präzedenzfall eintreten, mit dem natürlich niemand rechnen würde: Die Crew entdeckt einen bewusstlosen Ingenieur vom Bodenpersonal – 12 Stunden von der Erde entfernt. Er wird verarztet, gepflegt, psychologisch betreut, im Kreise der drei herzlich willkommen geheißen. Einziger Wermutstropfen bei diesem Come together: der CO2-Filter ist durch den Unfall irreparabel beschädigt worden. Will heißen: zu wenig Sauerstoff für 4 Passagiere. Was also tun?

Nun eröffnen, gemäß der utopisch-technischen Science-Fiction, die Science Busters ganz ohne rosa Nippelhemd und Physikerwitze eine zutiefst ernste Lektion in Sachen Sauerstoff, Schwerkraft, Vakuum und Sonnenwinde, alles als Kammerspiel auf engem (und grenzenlosem) Raum, bis ins kleinste Detail liebevoll ausgestaltet. Und alles auf einem verständlichen Niveau auch für jene, die nicht zwingend mit Astrophysik auf du und du sind. Penna will natürlich mehr als eine Chronik der Lösungsfindung durchschleusen, er will das soziale, und vor allem für jeden individuell zum Ausdruck kommende Drama beobachten, das diese verzwickte, panikmachende Situation mit sich bringt. Mission oder Menschenleben? Was ist ein solches angesichts einer höheren, wissenschaftlichen Bestimmung für die ganze Menschheit? Ist es da legitim, Opfer zu bringen? Stowaway – Blinder Passagier einigt sich auf ein durch Zufälle bestimmtes Schicksal, auf einen sich selbst lösenden gordischen Knoten. Das ist nicht so effektiv wie zum Beispiel in Gravity, der ganz anders mit inneren Wahrnehmungen spielt als dieser Film hier. Und der ist zum Glück aber auch nicht so pathetisch wie Ad Astra. Stowaway konzentriert sich auf seine Fakten und sichtbaren Emotionen, bleibt natürlich akkurat, mitunter aber nüchtern und trocken. Viel Bindung zur Situation entsteht nicht, da fehlt das subjektive, verspielte Element. Interessant natürlich, so eine pragmatische Science-Fiction durchstarten zu lassen, und interessant auch, was daraus wird. Mehr als das wird es jedoch nicht.

Stowaway – Blinder Passagier

The Midnight Sky

DIE ERDE ALS ERINNERUNG

6,5/10


midnightsky© 2020 Netflix


LAND: USA 2020

REGIE: GEORGE CLOONEY

CAST: GEORGE CLOONEY, FELICITY JONES, CAOILINN SPRINGALL, DAVID OYELOWO, KYLE CHANDLER, TIFFANY BOONE, DEMIAN BICHIR U. A. 

LÄNGE: 2 STD 2 MIN


Seit seiner Gesellschaftssatire Suburbicon hat man lange, wirklich lange nichts mehr von George Clooney gehört. Viel eher als sein neuestes Werk verbreitete sich im Vorfeld die Hiobsbotschaft ob seiner Gesundheit, da er für seinen Streifen The Midnight Sky einfach zu viele Kilos auf einmal verlor. Wäre diese Gewichtsreduktion denn notwendig gewesen? Nicht zwingend. Im Film selbst spielt er einen an Krebs erkrankten Wissenschaftler, der als womöglich letzter Mensch auf Gottes Erden irgendwo am Polarkreis sein letztes bisschen Dasein fristet, bevor selbst diese Regionen von einer nicht näher genannten Umweltkatastrophe heimgesucht werden wird. Still und heimlich hat sich hier die Welt von seiner Geißel namens Mensch befreit, entweder sind all diese Milliarden dahingerafft oder unterirdisch irgendwo untergebracht worden. Mehr Szenario gibt es nicht. Die Katastrophe ist eine Variable, wir dürfen uns aussuchen, was wir diesmal falsch gemacht haben. Clooney ist also dieser alte Mann, der, mit Stoppelglatze und Rauschebart, in einem Observatorium ganz alleine dem Ende entgegensieht – stoisch und seiner regelmäßigen Dialyse unterworfen. Keine Lust also irgendwo hinzugehen. Bis er dank seiner durchaus hochgerüsteten technischen Möglichkeiten von einer Weltraumexpedition erfährt, die als letzte aller Weltraumexpeditionen im Jahr 2049 vom neu entdeckten Jupitermond K-23 zur Erde zurückkehrt. Ziel der Mission war es wohl, herauszufinden, ob dieser Mond erdähnliche Verhältnisse aufweist – und wenn ja, gleich eine Kolonie dort zu lassen. Mit diesen neuen Erkenntnissen will die Mission Aether also heimkehren. Clooney allerdings will das verhindern, da die Crew hier nur ihren Tod finden würde. Als ob der Stress nicht schon reichen würde, entdeckt der Mann einen blinden Passagier – ein kleines Mädchen, das er nun an der Backe hat.

Für The Midnight Sky, nach dem Roman Good Morning, Midnight von Lily Brooks-Dalton, hat Clooney nicht nur abgenommen, sondern auch noch Produktion, Regie und klarerweise die Hauptrolle übernommen. Sein Film ist kein Blockbuster und kein Eventkino, sondern etwas sehr stilles, leises, wie eine karge, melancholische Ballade, die in eine ratlose, ungewisse Zukunft blinzelt. Die Weltraumszenen rund um ein sehr formschönes, elegantes NASA-Raumboot erinnern an Gravity oder Interstellar, die narrative Ebene rund um Wissenschaftler Auguste Lofthouse (eben Clooney) an den ebenfalls auf Netflix veröffentlichten Science-Fiction-Endzeitfilm Io. Auch dort ist die Erde längst unbewohnbar, nur ein paar Luftblasen erlauben noch freies Atmen, und auch dort hat Margaret Qualley vor, bis zum Ende auszuharren, käme nicht Anthony Mackie und würde sie zur letztmöglichen Evakuierung bewegen wollen. Auch in Io ist die Katastrophe keine näher genannte. Da wie dort geht es darum, dem Planeten Erde Lebewohl zu sagen. Resignative Erschöpfung macht sich breit, das Überleben der Menschheit verblasst hinter Gaias Abgesang. Clooney verleiht diesem stellvertretenden Individuum, der das ganze Unglück wahrnimmt, eine Bitternis sondergleichen. Die Raumcrew um Felicity Jones ist im Gegensatz dazu mal nicht eine ganze Partie psychologisch versagender Psychopathen im Wandel, sondern pragmatische Experten, was das ganze Szenario durchaus glaubhaft macht. Beide Komponenten mögen manchmal nicht so richtig ineinandergreifen. Das Wechselspiel zwischen den Episoden auf der Erde und im Weltraum findet keinen Rhythmus. Manche Astro-Action wirkt deplaziert. Was aber wirkt, das ist die zwar zu erahnende, aber poetische, runde kleine, später sehr persönliche Abenteuergeschichte zu dem großen Thema eines Umbruchs, die nicht viel erklären, sondern viel öfters nur empfinden will. Das ist fast schon besinnliches Weihnachtskino.

The Midnight Sky

Spacewalker

SCHRITT INS LEERE

7/10

 

spacewalker© 2017 capelight pictures

 

LAND: RUSSLAND 2017

REGIE: DIMITRI KISSELJOW

CAST: JEWGENI MIRONOW, KONSTANTIN CHABENSKI, WLADIMIR ILJIN, JELENA PANOWA U. A.

 

Ich kann mich noch sehr gut an Ron Howard´s filmgewordenes Tatsachen-Abenteuer eines gescheiterten Mondfluges erinnern – Apollo 13 mit Tom Hanks und Bill Paxton, ein perfekt skizziertes Stück Zeitgeschichte, eine Hommage an all die Wagemutigen, die auf diesen verhängnisvollen Trip gegangen – und mit einer ganzen Meute an Schutzengeln wieder zurückgekehrt sind. Viel früher noch, im Jahr 1983, inszenierte der Filmemacher Philip Kaufman ein dichtes, über drei Stunden langes Epos zur amerikanischen Geschichte der Raumfahrt – Der Stoff aus dem die Helden sind mit Ed Harris und Sam Shepard. Ein epischer und höchst aufschlussreicher Film. Und in Kürze wird Ryan Gosling in die Rolle von Neil Armstrong schlüpfen, um endlich auch fürs Kino den Mond zu betreten, und zwar ohne Aliens, Klone und sonstiger Bedrohungen. Gosling wird einfach nur der Mann sein, der als erster den kleinen Schritt für sich und den großen für die Menschheit gewagt hat. Ein Werk, welches ganz oben auf meiner Watchlist steht.

In Anbetracht dieses kleinen kinematographischen Rück- und Ausblicks könnte man ja fast meinen, dass die Erkundung des Weltalls bislang ein rein amerikanisches Unterfangen war. Natürlich stimmt das nicht, das wissen wir. Natürlich war der Russe Juri Gagarin der erste Mensch im Weltraum. Vor ihm als erstes Lebewesen sogar noch Schäferhündin Laika. Von Aleksej Leonow und Pawel Beljajew haben bislang womöglich nur die wenigsten gehört. Da nehme ich mich nicht aus, da muss mir der Mikromann gar nicht erst auf den Schlips treten, das hätte ich auch nach reiflicher Überlegung nicht gewusst, zumindest nicht vor Sichtung des russischen Tatsachendramas Spacewalker.

Für alle, die sich für die Eroberung des Weltalls und überhaupt für den technischen Wettlauf zwischen den USA und der UDSSR im Fahrtwind des kalten Krieges interessieren, sei Spacewalker oder Die Zeit der Ersten, wie sich das perfekt ausgestattete Epos im Original nennt, fast schon als Pflichtprogramm ans Herz gelegt, vor allem auch, wenn eingangs genannte Filme Gefallen gefunden haben. Das, was der großzügig budgetierte Film erzählt, ist die Mission des im März 1965 ins All beförderten Raumschiffs Woschod 2. Die metallische Kugel mit ausfahrbarer Luftschleuse war das Sprungbrett für den ersten Allspaziergang des Homo sapiens. Dabei war der Spacewalk mehr ein Schweben im Nichts, angeleint an die schützende Hülle russischer Technik. Wie es so weit kam, und mit welchen Schwierigkeiten diese Mission zu kämpfen hatte, das beschreibt Regisseur Dimitri Kisseljow in handwerklicher Perfektion und steht alten Hasen wie Ron Howard dabei um nichts nach. Die True Story der beiden wagemutigen Piloten  hätte natürlich auch semidokumentarischer, schlüssig recherchierter Purismus werden können, doch das wäre für diese gleichsam unaufgeregte wie mitreißende Heldenverehrung wohl zu wenig großes Kino gewesen.

Spacewalker setzt Astronaut Leonow gezielt in den Fokus, blickt zurück in irrlichternde Fragmente kindlicher Erfahrungen, verklärt die Sehnsucht des kleinen Aleksej in teilweise surrealer Poesie. Dazwischen das zugeknöpfte, äußerlich stoische Weltraumkommando im russischen Ground Control, fiebernd, bangend und um Lösungen ringend. Den größten Impact aber erwirken die Szenen im Weltall, die an Gravity erinnern, und sogar das abschließende Kapitel nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre ist von verblüffender, unberechenbarer Dramatik, die sich in der eiskalten Wildnis Sachalins abspielt.

Spacewalker ist eine akkurate Geschichtsstunde der Kosmonautik in klassisch-chronologischem Aufbau, klug getimt, spannend und nachvollziehbar. Die Mission: Impossible dieser Ausnahmepioniere macht in seiner Detailtreue und narrativen Klarheit der geschilderten Ereignisse Lust auf die unmittelbare Terra incognita jenseits unserer Stratosphäre, mit all seinen Anstrengungen, den Moonboot in der Tür zu lassen. Science-Fiction auf der Habenseite, ganz so, wie sie früher einmal war – und längst schon sich selbst überholende Realität ist.

Spacewalker