Joker: Folie à Deux (2024)

WER ZULETZT LACHT

7,5/10


joker2© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: TODD PHILLIPS

DREHBUCH: TODD PHILLIPS, SCOTT SILVER

CAST: JOAQUIN PHOENIX, LADY GAGA, BRENDAN GLEESON, CATHERINE KEENER, ZAZIE BEETZ, HARRY LAWTEY, STEVE COOGAN, LEIGH GILL, SHARON WASHINGTON, JACOB LOFLAND, BILL SMITROVICH, KEN LEUNG, CONNOR STORRIE U. A.

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Wo ist Batman, wenn man ihn braucht? Wo diese gebrochenen, aber idealistischen Recken und Helden, die für eine bessere Welt eintreten wollen? Wie wir bereits aus Joker wissen: Zu diesem Zeitpunkt, als der anarchistische Clown namens Arthur Fleck seinen Stufentanz vollführt, ist Bruce Wayne gerade mal noch ein Dreikäsehoch. Irgendwie passt da chronologisch einiges nicht zusammen. Doch das hat einen Grund. Einen sehr driftigen, erhellenden, so ziemlich aus der Bahn werfenden. Dieses Gotham der Frühzeit ist die prähistorische DC-Epoche ohne Metawelten, Glamour und fantastischer Mutationen. Todd Phillips weiß, wie er diese fiktive Welt erden muss, damit sie ernst genommen wird. Im weiteren Sinne hat dies auch Matt Reeves so gehandhabt. Sein Batman mit Robert Pattinson und Colin Farrell als Pinguin, der weit jenseits eines Danny De Vito keine fliegenden Frackträger im Sinn hat wie einst bei Tim Burton, feiert den Realismus. Doch auch dann ist diese Batman-Welt kein Umstand, mit welchem sich Phillips beschäftigt. Er schafft es, diese mächtige Begrifflichkeit „Joker“ als Gesinnungszustand aus seinem Kontext zu lösen.

Im Film von 2019 war der Joker Ausdruck eines unterdrückten Traumas, mit allen bitteren Konsequenzen und allem Frust, wofür ein Individuum wie Arthur Fleck letztlich die Gewalt als Ventil gewählt hat. Eine One-Man-Show ist das geworden, Joaquin Phoenix bekam völlig zurecht, wie jeder weiß, dafür seinen Oscar. Auch wenn man damals schon so seine Vermutungen im Kopf hatte, was es mit dieser Interpretation denn noch auf sich haben könnte – gerade durch Joker: Folie à Deux erreicht das Psychogramm einer kaputten Seele, die wohl darum gebettelt hätte, als schizophren diagnostiziert zu werden, eine Metaebene, auf welcher sich die Idee eines launigen Anarchisten, der das System zu Fall bringen kann, völlig verselbstständigt. Es stellt sich dabei die Frage: Ist Arthur Fleck der Joker, oder ist der Joker Arthur Fleck? Was oder wer war zuerst da? Wofür steht diese Idee und wie sehr lässt sie sich von diesem Menschen trennen, der seit zwei Jahren hinter Arkhams Mauern sitzt? Die Idee des Joker erhält ihren Vorwärtsdrall durch das Auftauchen einer legendären Gespielin – von Harley Quinn, längst schon kongenial verkörpert durch Margot Robbie, die das Plakative des Charakters treffend skizziert hat. Lady Gaga ist anders, Lady Gaga offenbart erstmals das Ungeschminkte hinter dem Wahnsinn, und wir stellen fest: dieser reicht lediglich zum Imitat. All die Songs, die in Joker: Folie à Deux zum Besten gegeben werden, verstärken nur noch den Charakter einer Show, die nur Fassade ist für etwas ganz anderes.

Dass dieses fast schon als Epilog zu verstehende Filmexperiment einem an bewährtem Content interessierten Publikum mitunter sauer aufstößt, ist ein Umstand, den Phillips akzeptiert. Denn seine Vision ist eine Versuchsanordnung, die als filmisches Essay betrachtet werden kann – als eine ungefällige Abhandlung, die das Gefälle zwischen Mensch und Kunstfigur sehr stark und fast schon katharisch in den Fokus nimmt. Das lässt sich nur machen, wenn der Plot selbst auf das Wesentliche reduziert bleibt: Wir haben Arkham, wir haben den Gerichtssaal, wie haben die Träume eines gepeinigten, abgemagerten Häftlings, eines gebrochenen Bajazzo. Belebt wird seine Kunstfigur durch Harley oder Ley, die den berühmt-berüchtigte Fünffachmörder wieder auf die Beine hilft, um das bevorstehende Erbe von Batmans großer Nemesis anzunehmen. Doch Phillips hat seine eigenen Visionen, schenkt Arthur Fleck seine eigene Bedeutung, lässt sein Publikum dumm dastehen und steht zu seiner Conclusio.

Ähnlich wie bei Kill Bill ergänzen und bereichern sich beide Filme auch hier. Im Gegensatz zu Joker aus 2019 ist dieses weitergesponnene Spiel mit Identität und Gesellschaft nicht ganz so perfekt. Joker: Folie à Deux gibt sich weitaus zurückhaltender, versponnener und darf auch Längen verbuchen, in denen man sich fragt, ob diese Momentaufnahmen einer verheißungsvollen Begegnung zweier Kultfiguren irgendwann noch mehr versprichen als nur das Vorhaben, etwas Großes zu errichten. Oft tritt sein Film auf der Stelle, die Gesangseinagen bewegen die Geschichte kaum voran. Phoenix kann schauspielern, aber nicht singen, es bleibt ein Krächzen neben dem verrauchten Hauchen einer Lady Gaga, die auch schon mal besser war. Und dennoch ist es Schauspielkino auf höchster Stufe, schafft Phillips ikonische Bilder und epische Düsternis, dieses Krächzen passt da ganz gut hinein. Etwas kürzer hätte nicht geschadet, wäre auch gar nicht aufgefallen, denn manches wiederholt sich. Am Ende aber legt der Film seine Karten auf den Tisch – mit einem Knall, einem Getöse, einem unvergesslichen Schlussakt. Und siehe da: Das Blatt enthält nur Joker.

Joker: Folie à Deux (2024)

The Flash (2023)

DEM SCHICKSAL DAVONLAUFEN

7/10


theflash© 2023 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.  TM & © DC 


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: ANDY MUSCHIETTI

DREHBUCH: CHRISTINA HODSON

CAST: EZRA MILLER, MICHAEL KEATON, SASHA CALLE, BEN AFFLECK, MICHAEL SHANNON, RON LIVINGSTON, MARIBEL VERDÚ, KIERSEY CLEMONS, JEREMY IRONS, ANTJE TRAUE, GAL GADOT U. A.

LÄNGE: 2 STD 24 MIN


Es ist selten empfehlenswert, seinen eigenen Problemen davonzulaufen. Immer weiter weg. Barry Allen tut das. Er läuft weg vom Schicksal seiner Familie, von der Tragödie eines Todesfalls, der so leicht hätte verhindert werden können, hätte Mum im Supermarkt nur nichts vergessen. In Wahrheit aber will Barry durch sein Davonlaufen die Vergangenheit wieder einholen, fast so, als würde man so schnell vor jemandem herlaufen, dass man, einmal die Erde umrundet, ihm letzten Endes nachläuft. Genauso – oder ungefähr so – funktioniert das. Und The Flash wird zum Herrn der Zeit, ohne dafür jemals irgendwelche Workshops dafür besucht zu haben, denn man weiß ja seit Marty McFly, wie heikel es ist, damit herumzuspielen. Die Manipulation am Zeitstrahl löscht entweder alles aus, verändert ihn – oder ein ganz neuer entsteht, inklusive frisch gezapfter  Vergangenheit.

Das DC-Multiversum wäre somit geboren, und Barry Allen fungiert als dessen Hebamme. Wie es der Zufall will, trifft Allen nicht nur auf glückliche Eltern, sondern auch auf sein Alter Ego ohne Kräfte. Ein völlig durch den Wind befindlicher Taugenichts, der sich von den Eltern aushalten lässt, aber selbst nichts auf die Reihe bekommt. Es wird schwierig werden, all das Leben wieder in den Normalzustand zu versetzen, denn in dieser neuen Welt gibt es keine Metawesen, die dem plötzlichen Auftauchen von Kryptonier Zod etwas entgegenhalten könnten. Wir wissen: Zod, gespielt von Michael Shannon (und diesmal eher farblos, wenn man Man of Steel nicht kennt) wollte schon anno 2013 die Erde unter Zac Snyders Regie niederbügeln – und nebenbei des Superman habhaft werden. Nun aber ist alles anders. Und zum Glück finden wir uns an jenem Tag ein, an welchem Allen seine Speed Force bekommen soll. Einer von beiden muss dann also schließlich The Flash werden. Wer, wird sich zeigen. Und Batman? Lustigerweise gibt‘s den. Doch der ist nicht Ben Affleck. Schließlich ist es jener aus den Filmen von Tim Burton, mit selbem Outfit und selbem Batmobil. Nur etwas älter.

Andy Muschietti, der Stephen Kings Es neues Leben eingehaucht hat, gilt nun als neue Hoffnung am DC-Firmament. Alle sind so richtig begeistert, was dieser aus Flash – sowieso das Sorgenkind, das jahrzehntelang auf seine Origin-Story hat warten müssen – gemacht hat. Obwohl: Ezra Miller, ebenfalls ein Sorgenkind, war schon längst etabliert. Nur die Story musste noch knackig genug werden – und mit dem roten Faden des Marvel-Multiversums mithalten. Denn Zeitreisen und andere Dimensionen sind immer noch der Trend, die kausalen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung immer noch ein grenzenloses Labor, in welchem sich herumexperimentieren lässt, als gäb‘s kein Morgen mehr. Manchmal ist das auch tatsächlich so, und das Morgen lässt sich nur durch kluge Manipulation des Vergangenen oder der Zukunft garantieren. Auch The Flash rennt, schwitzt und flitzt nun weltenrettend diverse Zeitlinien entlang, die sich als alternative Dimensionen manifestieren. Das ist weniger krass als in Spider-Man: Across the Spider-Verse, aber man ahnt nicht, was eine Dose Tomaten eigentlich alles anrichten kann. Aufbauend auf diesem Schmetterlingseffekt lässt man sich gerne davon überzeugen, dass das scheinbar längst etwas erschöpfte Prinzip der Multiversen in gefühlt allen Comicverfilmungen immer noch einige Blickwinkel in petto hat, aus welchen die Sicht auf das Raum-Zeit-Dilemma nochmal neue Impulse erhält. Bei The Flash gelingt das. Michael Keaton weiß, wie er einfach, aber verständlich, hierzu den Erklärbären gibt, während Ezra Miller im Doppelpack mit sich selbst hadert – und dabei den Film zum Schauspielkino werden lässt, mit ganz besonderen Performancenleistungen. Miller mag im Privaten so einiges ausgefressen haben – als Schauspieler ist er ein Profi. Einer, der nuancieren kann, mit expressivem Ausdruck und kraftvoller Spielfreude. Und auch Michael Keaton, grundsympathisch wie eh und je, feiert den nostalgischen Rückblick auf sein Karrierehoch aus den Achtzigern. Im Team sind die zwei unschlagbar, da mag Supergirl (Sasha Calle) etwas an Kraft verlieren und noch nicht wirklich ihre Bestimmung finden.

Das Publikum aber ist sofort mit dabei. Zumindest mir erging es so. Lose auf dem Comic Flashpoint basierend, gelingt Muschietti ein höchst geschmeidiges, kurzweiliges Abenteuer mit der richtigen Portion an Situationskomik, ohne selten überzogen zu wirken, wenn man von der Krankenhaus-Szene mal absieht. Doch die passt wiederum gut zu James Gunns Stil. So gesehen ist The Flash ein Hybrid zwischen Snyder-Verse und dem rotzfrechen Wahnsinn einer Suicide Squad oder des Peacemaker, alle im selben Universum.

So richtig outstanding ist das Soloabenteuer des blitzschnellen Gutmenschen allerdings nicht. Vielleicht sind es zu viele Kompromisse und manchmal more of the same, doch im Grunde ist The Flash wie aus einem Guss. Ein Sprint ohne Pause, mit ganz vielen Cameos und Referenzen auf die Film- und Fernsehgeschichte des DC-Universe. Es ist das Ziehen einer Bilanz; ein Erkennen, wo man gerade steht, um danach weiterzulaufen. Hoffentlich in die richtige Richtung.

The Flash (2023)

Shazam! Fury of the Gods (2023)

WELCOME TO THE THUNDERDOME

6/10


shazam2© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: DAVID F. SANDBERG

BUCH: HENRY GAYDEN, CHRIS MORGAN

CAST: ZACHARY LEVI, ASHER ANGEL, JACK DYLAN GRAZER, DJIMON HOUNSOU, HELEN MIRREN, LUCY LIU, RACHEL ZEGLER, COOPER ANDREWS, MARTA MILANS, ADAM BRODY, MEAGAN GOOD, ROSS BUTLER, D. J. COTRONA, GAL GADOT U. A. 

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Er ist zwar schon um einige Jährchen älter geworden – doch ein Kindskopf ist er immer noch: Billy Batson, Spross einer Patchwork-Familie, der so, wie die Jungfrau zum Kind kommt, die Genese zum Helden hat erfahren müssen. Shazam! heißt das Zauberwort, und schon schlüpft der Junge in die Gestalt von Zachary Levi, der sich aufführt wie Tom Hanks zu seinen Big-Zeiten und keine noch so banale Situation nicht irgendwie mit einem Onliner belegt. Gibt’s Menschenleben gefährdende Krisen, rückt er an – gemeinsam mit seinen Patchwork-Geschwistern, die auch alle, und zwar damals im ersten Shazam! anno 2019, mit formvollendeter Statur und Superkräften gesegnet wurden. Und dennoch: anscheinend richten die fünf Oberstufler mehr Schaden an, als sie verhindern. Gern gesehen sind sie nicht, und schon gar nicht bei den Töchtern des Titanen Atlas – Hespera, Kalypso und Anthea. Die sind nämlich der Meinung, der gute alte Dreadlock-Zauberer aus dem ersten Teil (selbstironisch: Djimon Hounsou) hatte sich damals die fünf besten Kräfte der Antike rechtswidrig unter den Nagel gerissen und weiterverschachert – eben an Billy Batson und Geschwister. Selten will man das, was einem zum besseren Individuum macht, wieder hergeben. Schon gar nicht, wenn eine der drei Schwestern, nämlich Kalypso, damit spekuliert, die Menschheit auszulöschen. Man kann sich also vorstellen, mit welchen Unannehmlichkeiten die Shazam!-Jünger hier rechnen müssen. Es bröckelt der Beton, es zucken die Blitze, es fliegen die Watschen. Und zwischendurch will man auch noch sich selbst finden und seine inneren Werte. Aber das nur so nebenbei.

Denn ganz wichtig für David F. Sandberg ist es, hier Action- und Fantasykino ohne Reue auf den Screen zu schleudern. Abschalten, Augen und Ohren auf – ja, der Sound ist diesmal klasse, zumindest im Kino meiner Wahl – und zumindest drauflos schmunzeln, wenn der Titelheld von Wonder Woman träumt oder mithilfe einer denkenden Schreibfeder einen saukomischen Brief an Göttin Hespera verfasst. Hespera – wir wissen – das ist tatsächlich die mit den goldenen Äpfeln, somit hätten wir eine der Aufgaben des Herkules in Arbeit. Wobei Helen Mirren und Lucy Liu nicht so ganz in ihre Rollen passen – vielleicht liegt das gar an ihren etwas lächerlichen Outfits. Rachel Zegler tut sich da leichter, sie ist noch nicht so lange im Business, um sich Ermüdungserscheinungen leisten zu können. Spaß, wenn auch nicht mehr zum Brüllen, hat Zachary Levy immer noch, auch wenn der Charakter als Superheld mit dem des normalen Billy nicht ganz konsistent ist. Es fehlt das gewisse Etwas, nämlich jener zu Herzen gehende Aspekt eines tragikomischen Jugenddramas, welches den locker-infantilen Humor des Erstlings als aufmunternde Witzkiste damals dankend entgegennahm. Hier, in Shazam! Fury of the Gods, bleiben die persönlichen Sorgen nur notwendiges Beiwerk, während DC spätestens mit aus dem sprichwörtlichen Hut gezauberten Sagengestalten in einen fahrigen Fantasykitsch abrutscht, der etwas übers Knie gebrochen wirkt. Wett macht das Ganze aber ein genüsslicher Cameo, der, auch wenn’s nur wenige Minuten sind, den ganzen Filme aus dem Mittelmaß holt. Das tut auch der Drache, und ja – Drachen haben in Serien und Filmen gerade Hochkonjunktur, und ich selbst kann es nicht oft genug betonen, wie mich dieser Umstand als großer Drachen-Liebhaber zappeln lässt vor Freude.

Im Großen und Ganzen sitzt der Spaß am rechten Fleck, bleiben die Antagonistinnen recht bemüht, der Budenzauber aber formschön. Ein DC-Film, der zwar nicht nachhaltig in Erinnerung bleibt, der aber anhand seines Cameos, wohlwissend, wie Warner zukünftig mit seinen DC-Helden umgehen wird, für Wehmut sorgt. Wer weiß, ob wir Shazam! jemals wiedersehen werden? Ach ja, Flash kommt jedenfalls noch. Und dann? War’s das echt? Oder wies sieht’s mit Peacemaker aus? Kennern der Serie würde ich raten, den Abspann lang sitzen zu bleiben. Vielleicht kommt alles anders, als man denkt.

Shazam! Fury of the Gods (2023)

Black Adam

EIN FELS IN DER SCHWEBE

5/10


blackadam© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JAUME COLLET-SERRA

CAST: DWAYNE JOHNSON, PIERCE BROSNAN, NOAH CENTINEO, ALDIS HODGE, SARAH SHAHI, MARWAN KENZARI, QUINTESSA SWINDELL, VIOLA DAVIS, DJIMON HOUNSOU U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Jetzt wird alles anders! So zumindest will es laut filmstarts der neue Warner-Chef David Zaslav. Und er macht Tabula Rasa. Er sperrt den bereits abgedrehten Film Batgirl in den Giftschrank und hofft, ihn zur Gänze von der Steuer absetzen zu können (was ihm womöglich auch gelingen wird). Er hält auch nicht viel von Solo-Gängen oder unterschiedlichen Herangehensweisen in der Tonalität eines DC Extended Universe. Vielmehr sollte man sich an Marvel wieder ein Beispiel nehmen. So, wie Kevin Feige es macht – und wir sehen ja, auf welcher Erfolgswelle er schwimmt – soll auch das DC-Universum seine Fangemeinde etablieren und zu regelmäßigen Kinoevents einladen, die das Blaue vom Himmel blitzgewittern und so richtig ohrenbetäubend die Motoren heulen lassen. Nicht alle wollen das, die breite Masse aber schon. Dabei gibt es Gerüchte, dass der vermeintlich neue DC-Chef Dan Lin, Executive Producer bei den Lego-Filmen oder Godzilla vs. Kong, Zac Snyder wohl nicht mehr im Regiestuhl sehen will. Die Art und Weise, wie er Filme mache, und insbesondere der Snyder Cut der Justice League (eine Sternstunde der DC-Filme), entspräche nun nicht mehr den Vibes, die Zaslav an seine Seher vermitteln will. Überraschenderweise aber haben die Verantwortlichen mit ihrem neuesten Knüller Black Adam genau das getan. Sie haben nicht nur anhand Marvel gelernt, wie man eingehend sympathische Figuren nah ans Publikum heranbringen und augenzwinkernde Ironie ausgeglichen verteilen kann – sie imitieren den Stil des 300-Schöpfers so sehr offensichtlich, dass es fast scheint, als würde sich Warner in die eigene Tasche lügen.

Unterm Strich heißt das: Mit Black Adam, der ja laut Lin sehr wohl dem neuen Trend der DC-Kinofilme entsprechen soll, erblickt eine eierlegende Wollmilchsau die Leinwand, die so pathetisch ins Feld zieht wie Leonidas und seine Spartaner, so schräg auftreten will wie James Gunns The Suicide Squad und so viel launiges Teamwork samt interner Diskrepanzen darüber pfeffern möchte wie in den Filmen der Avengers-Macher Anthony & Joe Russo. Ungefähr so wabert Black Adam auch daher und plustert sich zu einer gottgleichen Größe auf, in der ein Dwayne Johnson, dem man niemals auch nur ansatzweise böse sein kann, permanent über allen Dingen schwebt und genauso selten Bodenhaftung erreicht wie das Brachialabenteuer selbst.

In diesem erwacht im fiktiven Staat Kahndaq, der Ägypten mit seiner Küstenstadt Alexandrien zum Verwechseln ähnlich sieht, ein gottgleicher Shazam!-Champion aus einem 5000 Jahre andauernden Schlaf, um Rache zu üben. Befreit wird dieser von einer Polit-Aktivistin namens Isis (!), die eine von dämonischer Macht angereicherte Krone in Gewahrsam bringen will, bevor dies die Intergang tut, eine Militärdiktatur, deren Ziel es ist, die antike Monarchie von vor 5000 Jahren wieder weiterzuführen. Da steht – oder schwebt – nun natürlich der stiernackige Schrank von einem Halbgott ins Bild, der so unbesiegbar scheint wie Superman und alles kann, nur nicht in die Knie gezwungen werden. Das wiederum ruft die Justice Society of America auf den Plan und eben nicht die Justice League, um den neu erstarkten Schurken die Leviten zu lesen. Dabei wird klar, das die richtigen Fieslinge ganz andere Leute sind.

Mit dieser neuen Justice Society brechen diverseste Antworten auf Marvels Helden wie Ant Man, Falcon oder „X-Woman“ Storm durch die Schallmauer – deren Terminkalender scheinen wohl nicht so verbucht wie bei Batman, Wonder Woman und Co. Und auch ihr Gütesiegel liegt wohl noch eine Liga drunter, zumindest aber über jener der Suicide Squad, die alle aus demselben Universum kommen. Jaume Collet-Serra ( u. a. Jungle Cruise) schart um den distinguierten Dr. Strange-Verschnitt Dr. Fate so einige schräge Gestalten, die sich auf vergnügliche Art zusammenraufen, um Black Adam in Zaum zu halten. Der wiederum ist nur schwer ernst zu nehmen und hat auch stets – und dank Johnson ­­­– einen Hang zur unfreiwilligen Komik.

Unter dieser orientierungslosen und belächelten Stilsuche leidet auch der ganze Film. Am ehesten noch möge Zac Snyder darauf hinweisen mit den einleitenden Worten „Ich hab’s euch ja gesagt“, dass er seinen eigenen Stil wohl am besten beherrscht, und eben nicht andere Auftragsregisseure ohne eigener Vision wie Collet-Serra. Bei ihm gerät ein in triefendem Pathos ertrinkender 300-Stil mit CGI-Gewitterstimmung und inflationär eingesetzter Slow Motion inmitten donnernder Actionsequenzen zur Trittbrettfahrt neben der Spur eines geschmähten Kenners, der gewusst hätte, wie viel davon ein Film wie Black Adam vertragen könnte. Alle anderen wissen das scheinbar nicht – und kleistern genau dort alles zu, wo weniger mehr gewesen wäre. Ein Mehr hätte auch das schale Skript vertragen, und überhaupt das schauspielerische Engagement der Schauspieler. Das Konzept wirkt seltsam billig, gehetzt und gehudelt, selbst die Effekte sind nicht State of the Art, doch das merkt man anhand des kaschierenden Snyder-Stils nur manchmal.

Dwayne Johnson scheint sich inmitten seines pittoresken Superhelden-Trashs aber sichtlich wohlzufühlen, denn sowas wie Black Adam wollte er immer schon mal machen. Da der Ex-Wrestler einfach ein gewinnendes Wesen besitzt, sieht man ihm selbst dann gerne zu, wenn der Rest die ganze Zeit nur denen nacheifern will, die es besser gemacht hätten.

Black Adam

Wonder Woman 1984

WÜNSCH DIR WAS!

6/10


wonder-woman-1984© 2020 Warner Bros. GmbH Deutschland


LAND / JAHR: USA 2020

REGIE: PATTY JENKINS

CAST: GAL GADOT, CHRIS PINE, KRISTEN WIIG, PEDRO PASCAL, ROBIN WRIGHT, CONNIE NIELSEN U. A.

LÄNGE: 2 STD 31 MIN


Da sitzen sie nun, der Fischer und seine Frau, in ihrer schäbigen Hütte. So viel hätten sie haben können. Leider hat die liebe Gattin nie genug bekommen. Wieso hat auch dieser vermaledeite Zauberfisch immer alle Wünsche erfüllt? Tja, das ist die Moral von dieser Geschichte, die uns die Brüder Grimm zur genüsslichen Selbstreflexion nähergebracht haben. Diesen lehrreichen Märchenklassiker scheint im DC-Universum allerdings kaum einer so recht zu kennen. Oder aber die Lernresistenz für folkloristische Lehrstücke hält sich wacker. Dabei ist Wonder Woman 1984 selbst ein Märchen – ein verspieltes, gleichnishaftes noch dazu. Und Regisseurin Patty Jenkins hat es sich nicht nehmen lassen, das ganze Sequel des Erfolgsfilms von 2017 auch als Hasch mich-Kindergeburtstag zu inszenieren, speziell in der sogenannten Eröffnungssequenz, in der Diana Prince in ihrem wirklich kessen Outfit desperaten Dieben das Handwerk legt.

Wäre diese Szene notwendig gewesen? Vielleicht nicht so, aber prinzipiell ja, da sich die Story in weiterer Folge auf dieses sichergestellte Diebesgut bezieht, das im Smithsonian Museum von Wonder Woman und der nun neu eingeführten Noch-Nicht-Antagonistin Barbara Minerva (später dann als vernachlässigter Sidekick Cheetah unterwegs) unter die Lupe genommen wird. Da fällt ihnen zwar nicht der Stein der Weisen, aber der Stein der Wünsche in die Hände. Djinn kann da keiner drin sein, aber dennoch: berührt man diesen scheinbaren Allerwelts-Zitrin, werden Wünsche wahr. Jeder nur einen, bitteschön. Und nicht, ohne dafür auch etwas einzuzahlen. Das mag dann wohlüberlegt sein. Bei Einzelgängerin Diana Prince, die Jahrzehnte später immer noch ihrer Liebe aus dem Zweiten Weltkrieg nachtrauert, ist die Sehnsucht größer als die Akzeptanz der Wahrheit. Ihr Wunsch somit naheliegend. Bei der schusseligen Minerva spielt, wie bei so vielen anderen Antagonisten, Neid und Kränkung eine relevante Rolle. Auch hier: Sehnsucht tilgt Realitätsmanagement. Und als ob Heldin und Antiheldin nicht reichen würden, mischt Pedro Pascal noch mit. Der allerdings stiehlt locker beiden Damen – und nicht nur denen – im besten Wortsinn die Show. Als Mandalorian nur selten sichtbar, darf er hier als des „Fischers Frau“ Schritt für Schritt und mit schweissnasser Stirn seinem Größenwahn nachgeben. Ein Stein macht’s möglich.

Von der Düsternis aus Jenkins frühem Meisterwerk Monster ist in Wonder Woman 1984 wirklich überhaupt nichts mehr zu spüren. Die Figur der von Gal Gadot nach wie vor treffend verkörperten Schildmaid erlaubt auch gar nichts anderes als die Welt in ihrem formidabelsten Konjunktiv zu sehen. Man könnte auch unheilbar naiv dazu sagen, vom frommen Wunsch globaler Einsicht und Genügsamkeit vorangetrieben. Das macht das DC-Universum recht orientierungslos – einerseits so abgründig unrettbar wie bei Batman, und andererseits so simpel und aufgelegt lustig wie bei Wonder Woman (Shazam! würde dabei noch Händchen halten). Da prallen zwei Welten aufeinander: In der einen, also in jener, in der die Fledermaus und der Kryptonier zum Beispiel in ihrer Ambivalenz andauernd mit ihrer Biographie hadern müssen, passt die Exil-Amazone überhaupt nicht mehr hinein. Sie folgt lieber den Ideen einer uns allen bekannten Namensvetterin, nämlich Lady Diana, die als Gutmensch ohne Selbstzweck das Schwarzbuch der Menschheit um einige Seiten dünner gemacht hat. Nobel auch die Motivation hinter diesem Superhelden-Sequel, das aber gleichermaßen auch dazu einlädt, aufgrund seiner direkt unschuldigen Formelhaftigkeit menschlichen Verhaltens augenrollend belächelt zu werden.

Wonder Woman 1984 transportiert mit seiner teils redseligen und mit Schauwerten recht großzügig hinter dem Berg haltenden Stand-Alone-Episode moralphilosophisches Volksgut, dessen Lasso-Star man trotz oder gerade wegen dieses unzynischen Naja-Optimismus jedenfalls zu schätzen weiß. Und vielleicht, ja vielleicht verdanken wir Chris Pine ja noch die Rückkehr der 80er-Bauchtasche.

Wonder Woman 1984