Get Out

DER NEID DER WEISSEN RASSE

6/10


GetOut© 2017 Universal Pictures International Germany GmbH


LAND / JAHR: USA 2017

BUCH / REGIE: JORDAN PEELE

CAST: DANIEL KALUUYA, ALLISON WILLIAMS, CATHERINE KEENER, BRADLEY WHITFORD, CALEB LANDRY JONES, LAKEITH STANFIELD, STEPHEN ROOT, LIL REL HOWERY, RICHARD HERD U. A.

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Fehlt nur noch, das die illustre Gesellschaft an diesem Gartenfest irgendwo am nordamerikanischen Stadtrand zum Song von Michael Jackson die Hüften schwingt: It doesn‘t matter if’ you‘re black or white. Da hört sich der Spaß am Liberal Washing dann doch auf. Das wäre vielleicht eine Spur zu viel der Anbiederung an tolerante Ideale aufrichtiger Weltbürger, die das Miteinander tatsächlich leben wollen – und nicht nur so tun. Die frei sind von Vorurteilen und sich davor hüten, irgendwelche Unterschiede zu machen zwischen Hautfarben und sexueller Orientierung, die sowieso niemanden was angeht – auch nicht das Showbiz oder die Filmbranche. Aber das ist eine andere Geschichte. Diese illustre weiße Gesellschaft in Jordan Peeles Get Out bekennt sich immerhin zum neuen Trend, das Schwarz doch das neue Weiß sei. Und ältere Damen zeigen sich mit agilen jungen Hüpfern ebenfalls farbiger Natur, die sich in ihrer Eloquenz seltsam eingeschränkt geben. Da ist was faul im Reich der jovialen Weißen, denkt sich Daniel Kaluuya aka Chris Washington, der an einem Wochenende bei den Eltern seiner weißen Freundin reinschneit. Nein, das sind diesmal nicht Kathrin Hepburn und Spencer Tracy, und es scheint Catherine Keener und Bradley Whitford nicht im geringsten irgendetwas auszumachen, wenn sie raten müssten, wer zum Essen kommt. Ein schwarzer in der Runde – das entspricht dem Zeitgeist. Da muss man sich schließlich mit Schwarzen zeigen, denn sie sind neuerdings die Attraktion zum besseren Weltverständnis. Chris will das aber garantiert nicht sein – lieber links liegen gelassen als ob seiner physischen Beschaffenheit hofiert zu werden.

So viel Toleranzkitsch stößt sauer auf, und auch die beiden schwarzen Angestellten, die wie ferngesteuert durch die Gegend grinsen, illustrieren ein vor Polemik triefendes Bilderbuch über glückliche Minderheiten, die im Schutz der Weißen sie selbst sein können. Das wiederum ist die große Frage: sind diese Leute wirklich sie selbst – oder treibt Freundins Familie finstere Dinge im versiegelten Keller, der vom schwarzen Schimmel befallen sein soll.

2017 war Jordan Peeles sarkastischer Thriller wohl die Überraschung bei den Oscarnominierungen zum besten Film. Ein Horrorfilm in dieser Sparte? Gabs schon mit Der Exorzist. Nur: während Friedkins Teufelsaustreibung wirklich und wahrhaftig den Schrecken in die Gesichter ihres Publikum schrieb, setzt Get Out vor allem anfangs auf grimmigen Suspense, der mehr an Roman Polanski (u. a. Rosemaries Baby) erinnert als an irgendeinen Schocker. Get Out nimmt in seinem Film die ein paar Jahre später in aller Munde befindliche Woke-Kultur vorweg, die sich in ihrem Anstand ereifert und dabei durch die Hintertür einen neuen, noch perfideren Rassismus erstarken lässt. Hinter all dieser Bigotterie schwelt das System Sklaverei 2.0, zumindest in Peeles Alptraum-Universum, in welchem sich toughe Kerle wie Daniel Kaluuya zum Glück behaupten können. Er allein macht den Streifen dann auch wirklich sehenswert – die zurückhaltende Art, des „Behaviour“ des anständigen Gastes, der versucht, niemanden auf den Schlips treten zu wollen. Ihm gegenüber eine wirklich diabolische Catherine Keener, die in ihrem überheblichen Intellekt nur den Teelöffel schwingen muss. Man sieht: gewitzte Ideen vereinigen sich zu einem Escape Room-Szenario mit allerhand Kritik an eine Neidgesellschaft in all ihrer sozialen Heuchelei.

Im Ganzen aber stumpft sich die scharfe Klinge aus Wortwitz und beobachtbaren Irritationen recht schnell ab. Was bleibt, ist ein grober Rundumschlag mit handfestem Gerangel und klassischem Showdown. Von der Entlarvung eines heuchelnden Bürgertums bleibt wenig übrig, ein Exempel wird nicht statuiert. Die Lust am Thriller wird womöglich auch das potenzielle Publikum verspüren, könnte sich Peele gedacht haben. Stimmt, er hätte recht gehabt. Kaluuya als Nemesis macht Spaß. Hätte es anders kommen sollen, hätte das Drehbuch schon viel früher eine andere Richtung nehmen müssen. So bleiben dem Film nur Stereotypen und angerissene Twists, die sich nicht vollends einmal um die eigene Achse drehen.

Übrigens: Wer irgendwann während des Films glaubt, Karl Malden zu entdecken – das ist er nicht. Richard Herd sieht ihm aber zum Verwechseln ähnlich.

Get Out

The Adam Project

DIE FEHLER AUS DER VERGANGENHEIT

5/10


theadamproject© 2022 Netflix


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: SHAWN LEVY

CAST: RYAN REYNOLDS, WALKER SCOBELL, ZOE SALDANA, JENNIFER GARNER, MARK RUFFALO, CATHERINE KEENER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Marty McFly kann davon ein Liedchen singen, wie es ist, in der Zeit zurückreisen zu müssen, um die Zukunft wieder dorthin zu biegen, wo sie hingehört. Die Avengers werden wohl mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn nicht mitreden können, da ihr Zeit-Kontinuum nicht stringent verläuft, sondern parallel zueinander und somit unendlich viele Multiversen erzeugt. Ein Umstand, den Dr. Strange bald näher erläutern wird. Nun ist aber Ryan Reynolds an der Reihe, nochmal alles von vorn zu beginnen, und hebt schon in den ersten Sekunden des neuen Streifens The Adam Project mit einer ähnlichen Lässigkeit den Flieger aus dem Orbit, wie es vielleicht Chris Pratt alias Star Lord machen würde, begleitet vom Sound aus den späten Sechzigern, nämlich Gimme Some Lovin. Alles erinnert an die Guardians of the Galaxy, die zur Freude des Publikums bald nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand. Reynolds hat da mehr den Überblick, obwohl er sich auch hier um einige Jahre verkalkuliert: Sein Flieger landet im Jahr 2022, unweit seines Elternhauses, in dem er selbst als zwölfjähriger Lümmel seinen verstorbenen Vater vermisst und mit Mama (Jennifer Garner) den Alltag schmeißen muss, dabei aber nicht sehr viel Kooperationswillen zeigt. Das ändert sich, als dieser junge Adam seinem älteren Ich begegnet. Shawn Levy nimmt sich hier klugerweise viel mehr Zeit als anderswo in seinem Film, um das langsame Sickern der Erkenntnis, sich selbst gegenüberzustehen, mit kleinen, kuriosen Alltäglichkeiten, die längst keine Zufälle mehr sein können, auszuschmücken. Bis dahin lässt das ganze Szenario immer noch so etwas wie Zurück in die Zukunft vermuten. Die Vermutung wird ausgeräumt, als der doppelte Adam versucht, ins Jahr 2018 weiterzureisen, um zu verhindern, dass Zeitreisen überhaupt möglich werden, da das Böse in Gestalt von Katherine Keener (kann überhaupt nichts mit ihrer Rolle anfangen) zukünftig die globale Macht an sich reißen wird. Natürlich bleibt die Antagonistin nicht tatenlos und hetzt durch die Zeit hinterher.  

Shawn Levy hat hier alles, um Science-Fiction-Fans und Zeitparadoxon-Nostalgiker vor dem Bildschirm glücklich zu vereinen. Er hat auch Ryan Reynolds, der für ihn schon letztes Jahr als Free Guy die Komödie unter seine Fittiche genommen hat – das ganze Programm, von verschmitzter Selbstironie bis zur Popkultur-Parodie. Was Levy aber nun fehlt, ist das Bindemittel dazwischen, um Zutaten und schauspielerisches Potenzial entsprechend zu verbinden. The Adam Project lässt den sympathischen Schönling nur zögerlich von der Leine. Der tut das, was er ohnehin schon immer tut, nur sentimentaler. Dieser Methode bemächtigt sich der ganze Film – er tut, was er angesichts seiner Versatzstücke tun muss: Ein routiniertes, womöglich teures Abenteuer mit Publikumslieblingen zu sein, die alle schon mal Erfahrungen im Superhelden-Genre gesammelt haben und somit wissen, was ihre Aufgaben sind. Was Neues fügt Levy dem Thema aber nicht hinzu. Natürlich, es ist ganz nett, Reynolds und seinem jungen Co-Star dabei zuzusehen, wie sie den Fieslingen von der Schippe springen und dabei ihren alten Vater finden wollen, der 2018 noch gelebt hat. Da gesellt sich auch noch Mark Ruffalo hinzu – und auch er schöpft aus dem Charakter, den er als Bruce Banner gut gelernt hat. Weiteres Engagement gilt als vermisst – somit bleiben fast alle Rollen schemenhaft und blass. Bob Gale und Robert Zemeckis hätten wohl den Rat geben können, bei Zeitreisen stets Wert auf das Besondere eines Charakters zu legen.

Doch lieber scheint es Levy, der mit so einem knackigen Drehbuch wie in Free Guy wohl sowieso nicht mehr rechnet, sich und die Crew nicht überanstrengen zu wollen. Der Unterhaltungswert ist da, der Rest ist 08/15. Will heißen: Gesehen und – wie so manches aus der Vergangenheit – bald vergessen.

The Adam Project

Die Croods – Alles auf Anfang

STEINZEIT AUF LSD

8/10


thecroods2© 2020 Universal Pictures International Germany


LAND / JAHR: USA 2020

REGIE: JOEL CRAWFORD

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): NICHOLAS CAGE, RYAN REYNOLDS, EMMA STONE, CATHERINE KEENER, CLORIS LEACHMAN, CLARK DUKE, LESLIE MANN, PETER DINKLAGE U. A.

LÄNGE: 1 STD 36 MIN


Kennt man ihn nicht schon aus der eigenen Kindheit, so kennt man ihn aus der Vorlesestunde mit dem Nachwuchs. Kaum eine solche gestaltet sich dabei schöner als mit den bebilderten Werken des Österreichers Erwin Moser, seines Zeichens Autor und Zeichner mit Hang zu einem ganz eigenen, phantastischen Realismus, der sich gerade für Kinder enorm zugänglich gibt, und das nicht nur aufgrund seiner entschleunigten, entspannten Erzählweise, sondern auch und vor allem aufgrund seiner obskuren Tierwelt, die auf den ersten Blick als Teil einer uns bekannten Fauna scheint, auf den zweiten Blick aber einer surrealen Physis frönt. Es ist, als hätten sich die Macher von Die Croods an genau diesem Herrn orientiert. Für wahrscheinlich halte ich das zwar nicht, aber egal – die Assoziation ist da. Und umso mehr kann ich mit dem irren Bestiarium in der Welt der Croods was anfangen. Das war schon beim Erstling der Fall, wo Landwale, bunte Säbelzahntiger und kreischende Vogelbäume eine Steinzeit bevölkern, die fast so scheint, als sähe sie jemand, der reichlich komisches Zeug intus hat.

Selten passiert es, dass ein Sequel die selben Qualitäten entwickelt, sich dabei aber auch nicht selbst kopiert. Ab und an kommt das vor. Wie eben in Die Croods – Alles auf Anfang. Und es ist vielleicht ganz gut, hierbei auch den Vorgänger zu kennen, da Teil 2 unmittelbar nach den Geschehnissen aus 2013 anschließt. Papa Grug ist also mit seiner fünfköpfigen Sippschaft und dem nonkonformen Neuzugang, Jungspund Guy, durchs Land unterwegs, um ein neues und vor allem sicheres Zuhause zu finden. Töchterchen Eep schmiedet allerdings mit Herzblatt Guy ganz andere Pläne, nämlich, die Sippe zu verlassen, um irgendwo neu anzufangen. Bevor es aber so weit kommt, stoßen unsere prähistorischen Helden auf eine paradiesische, mit Palisaden geschützte Enklave, in der eine ganz andere Familie wohnt – nämlich jene der Bessermanns. Ich möchte fast sagen: neureiche, trendige Bobos mit reichlich Essbarem im Vorgarten und einem Baumhaus, dass inklusive Lift und Fernseh-Fenster alle Stückchen spielt. Da bleibt den Croods der Mund offen stehen. Umso mehr, da Guy plötzlich als einer der ihren erkannt wird. Doch sei’s drum, die Croods machen sich in ihrer neuen Welt mehr ungefragt als gefragt breit, was den Bessermanns gar nicht gefällt. Es lässt sich erahnen, dass es da bald zum Nachbarschaftsstreit kommt, und das ganz ohne Volksanwalt.

Was sich die Drehbuchautoren Dan und Kevin Hageman (u.a. Trolljäger, Scary Stories to Tell in the Dark) für diese knallbunte Fortsetzung an Details alles haben einfallen lassen, geht auf keine gegerbte Mammuthaut. Sich sowas auszudenken, muss Riesenspaß gemacht haben. Und Riesenspaß, auch all das zu entwerfen und am Computer umzusetzen. Jedes noch so verrückte Tierchen scheint mit Lust und Laune geformt worden zu sein, von den geflochtenen Flipflops bis zum Angora-Mammut ist The Croods – Alles auf Anfang ein einziges Kuriosum. Hätte ja sein können, dass Regisseur Joel Crawford von all seinem Farbzirkus zu sehr abgelenkt worden wäre, doch die Familienkomödie, die ja fast schon den Kult um die Flintstones an Ideenreichtum in den Schatten stellt, hat sehr wohl was zu erzählen, hat sehr wohl auch seine Figuren in ihrer charakterlichen Weiterentwicklung zu betreuen und natürlich auch sehr viele Pointen unterzubringen. Alles zusammen passt wie der Funke zum Feuerstein. Darüber hinaus ist der Film ein einziger Schenkelklopfer, der mit einer komischen Situation nach der anderen zum lauten Lachen reizt. Absolutes Highlight: die versteckten Qualitäten von Oma Crood.

Betrachtet man die Konkurrenz mit Pixar, gibt es sehr wohl etwas, das DreamWorks neben seinem deutlich schrillerem Grundtonus dann doch noch besser gelingt: der oftmals treffsichere, nicht unbedingt geistreiche, aber reuelos plakative Witz, über den man sich gut und gerne amüsiert und der es auch nach dem Abenteuer wie auch immer gearteten Spaßbremsern schwer macht, die Laune zu verderben.

Die Croods – Alles auf Anfang